Ich machte einen schönen ausgedehnten Waldspaziergang. Nicht wie sonst mit den Stöckchen, und mit Mann und Dackel, man sagt auch Nordic Walking dazu. Das tut mir und meiner Figur gut, mit diesen Stöcken durch den Wald zu walken, - oder rennen. Nun es ist schnelles gehen.
Doch dieses mal musste ich mich wieder vom Dauerstress meines Rentnerlebens erholen. Und deshalb machte ich diesen Alleingang.
Den Spaziergang durch meinen geliebten Wald. Ich wollte ausspannen, und endlich mal meine Ruhe haben, sonst nichts.
Und so wählte ich nicht unsere Rennstrecke, dieses mal besuchte ich den heimeligen Fichtenwald, der hat so schmale Wege, und deshalb kommt er für mein Figur und Gesundheitstraining nicht in Frage.
Also, ich war gerade mal so circa zwanzig, vielleicht waren es auch fünfzig Meter in diesem Traumwald eingetaucht.
Mein Blick ging zu diesen großen gerade gewachsenen herrlichen Fichten, und dann fiel mir diese Eiche auf.
Irgendwie war sie ein Fremdkörper hier in dem Fichtenwäldchen, aber diese Eiche schien das nicht so zu empfinden, sie ist ein Baum, wie man so schön sagt, --- wie eine Eiche, - groß, stark und eindrucksvoll.
Und zur Bestätigung zu diesem Eindruck strecke sie zwei riesige große Äste wie Arme von sich,
so als ob sie die ganze Welt umarmen wolle.
Plötzlich störte etwas diese Stille und meine Gedanken.
Es hörte sich an, als ob jemand um Hilfe rief. Es war ein kindlich kleines piepsendes Stimmchen.
Ich blickte mich um, aber es war niemand zu sehen. Dann hörte ich wieder dieses Stimmchen, leise - aber ganz deutlich: „So pass doch auf wo du hintrittst!“ Ja, wieso denn das? Ich bin doch auf dem Weg.
Ich machte vorsichtig einen Schritt voraus.
„Jetzt pass aber endlich auf, und hilf mir besser.“ War wieder diese Stimmchen zu hören.
Ich blickte mich um, aber es war niemand zu sehen. Ich schaute hoch zu der großen Eiche, vielleicht war da ja ein Kind hochgeklettert, und nun traute es sich nicht mehr runter?
Aber da war nichts von einem Kind zu sehen.
Also wo kommt denn nur dieses kleine piepsende Stimmchen her?
Nun wurde es mir irgendwie zu dumm, ich wollte gerade weitergehen, als mein Blick vor mir auf den Boden fiel.
Ich konnte es nicht glauben, was ich da sah; ich sah sechs zappelnde dünne Beinchen in der Luft strampeln.
Ich glaub‘s doch nicht, fuhr es mir durch den Kopf.
Irgendwie spinn ich jetzt, hatte ich mir zu viel zugemutet in der letzten Zeit?
Da lag so ein kleiner schwarzer Käfer auf dem Rücken, und er ruderte mit seinen dünnen Beinchen wild in der Luft rum.
Ist das Wirklichkeit?
War es wirklich dieser Winzling von Käfer, der hier mit mir sprach?
„So hilf mir doch endlich auf meine Beinchen, oder glaubst du ich könnte ewig hier liegen bleiben?“
Also, es war wirklich dieser kleine schwarze Käfer, und so bückte ich mich und nahm diesen Winzling vorsichtig in meine Hand.
Ja, er war ein winzig kleiner Käfer, und schön war er auch nicht wirklich.
Nicht wie ein Marien Käferle, so ein roter mit fünf schwarzen Punkten.
Er hatte auch kein stattliches Geweih, auf seinem Köpfchen, wie ein Hirschkäfer.
Na ja für so etwas war er ja auch wirklich zu klein.
Auch hatte er keine grünschillernden Flügelchen, wie diese Glückskäfer der alten Ägypter, der Scarabäus.
Ja, und ein Maikäfer war er auch nicht.
Schließlich hatte ich mich damit abgefunden, dass ich ein Gespräch mit einem Käfer führte.
„Also, ich bin Chrissy, und du bist sicherlich Karl,“ Karl, weil halt alle Käfer Karl heißen.
„Ich heiße nicht Karl, wie kommst du denn darauf?“ Gab das Kerlchen zur Antwort.
Seine kleinen Fühler drehten sich fast im Kreis, während seine winzigen Stecknadelkopf großen, oder besser kleinen grünen Äuglein meinen Blick suchten.
"Dann hast du also keinen Namen?“
„Florian.“ Piepste der kleine, „ich heiße Florian, Freunde nennen mich Floh, weil ich so winzig bin.“
„Freut mich, schön dich kennen zu lernen.“
„Wirklich?“ piepste er wieder.
„Ihr zweibeinigen Riesen trampelt doch nur so durch den Wald, ihr schaut doch nie auf den Weg, ihr achtet doch gar nicht auf die Kleinen, die dort rumkrabbeln. Wie viele meiner Verwandten mussten schon sterben, weil ihr achtlos drauf los stapft, und den Blick für die Kleinen verloren habt“.
Ich starrte in seine Stecknadelknopfäuglein.
„A-a-aber ich helfe doch schon jeder Schnecke, die mit ihrem Wohnmobil über den Weg schleicht, schnell auf die andere Seite vom Weg, damit nicht ein Jogger oder Walker sie zertritt,“ meinte ich.
„Ja, aber mich hätteste fast zertrampelt.“
„Du hast ja recht, ich verspreche dir, ab jetzt passe ich auf.“
Er saß noch immer in meiner Hand; “aber wieso liegst du denn auch mitten auf dem Weg?“
Seine Fühlerchen standen nun senkrecht.
"Dann schau dir doch diese schönen Blätter von dieser Eiche an.“ Piepste er.
„Ja, schon, - und?“
„Also ich hatte einfach mal Lust auf diese saftigen grünen Eichenblätter, aber ich bin kein son guter Flieger, und so krabbelte ich am Stamm dieser Eiche rauf. Kannst mir glauben, das war Schwerstarbeit für mich, diese Rinde, zu überwinden." Piepste er weiter.
" Ich wollte bis ganz hoch oben, bis zur Spitze der Eiche kommen, um mich dann langsam nach unten zu fressen.“
Ich mochte es nicht glauben. Spinn ich jetzt völlig? Ging meine Fantasie mit mir durch? Doch Floh redete unbeirrt weiter.
“Irgendwann quälte mich der Hunger so sehr, dass ich mich dazu entschloss zwischendurch eines von diesen Eichenblättern zu mir zu nehmen.“
„Aber weshalb lagst du dann auf dem Boden?“ Unterbrach ich ihn.
„Nun, ich suchte mir ein schönes Blatt, und fing an, mir dieses Blatt schmecken zu lassen. Ich raspelte mich so durch die Blattadern, es hatte so einen vorzüglichen Geschmack, dass ich gar nicht genug bekam. Ich fraß, und fraß und dabei vergaß ich völlig, dass ich ja auf diesem Blatt saß. Ja, und dann bin ich doch durch das Loch gefallen, dass ich selbst in das Blatt gemampft habe.“
„Oh, das war aber wirklich blöd von dir;“ entwischte es mir.
„Das musste mir nun nicht noch sagen. Ich habe Eichenblätter von meinem Speiseplan gestrichen.“
Ich streichelte sanft die winzigen Flügelchen von Floh. Sichtlich wohlfühlend streckte er seine Beinchen in alle Richtungen, und er schloss dabei seine Äuglein.
„Ich wollte halt das Beste für mich, dabei gibt es hier unten so viele Leckerlis.“
Mit seinem rechten Fühler versuchte er meinen kleinen Finger zu streicheln.
“Da hast du nun wirklich recht, wo soll ich dich denn nun absetzen?“
Er hob das linke obere von seinen sechs Beinchen und zeigte auf die Eiche;
“ schau, da oben auf diesen Ast, da ist so ein saftig grünes Blatt, das ist so groß, das reicht bestimmt für zwei Tage.“
Entsetzt blickte ich erst Florian an,
und dann auf die Eiche. „Wirklich?“
„Ja, natürlich, das ist das saftigste Grün, dass ich je gesehen habe.“
Ich war nun fast wirklich sprachlos, „Und wenn du dann wieder durch ein Loch fällst, und auf dem Rücken landest? Das ist hier ein einsamer Waldweg, das müsstest du doch wissen. Wenn dann niemand kommt, dann verreckst du elendig.“
Doch Floh blieb stur, „ich will aber da hoch, - ich will dieses Blatt.“
Gerade dachte ich, dem ist nicht zu helfen, aber ich setze ihn bestimmt nicht auf diesen Ast.
Soll er alleine hochkrabbeln, wenn er es dann will, dann bin ich nicht schuld wenn er wieder runter fällt, und womöglich stirbt.
Da meinte Florian, dieses mal gar nicht piepsend, sondern mit einer schönen brummenden Käferstimme:„ Ich glaube, du hast recht, bitte setze mich dort unter diese schönen Fichte ins Moos.“
Ich lag diese Nacht lange wach, denn ich musste an Florian denken. Hoffentlich war meine Rettungsakton nicht umsonst. – Und vielleicht sehen wir uns ja mal wieder.
By Eiskristall
Texte: Cover und Geschichte
© by Eiskristall
Tag der Veröffentlichung: 28.06.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
allen Märchenfreunden