Reiner A. Hampusch
Geboren 1949 in Leipzig, aufgewachsen in Berlin, inmitten schöngeistiger Literatur und Kunst, frei erzogen (von seinen Eltern) entdeckte er als Kind zuerst die Welt der Märchen, Sagen und fantastischen Geschichten. Die Schule musste überstanden werden, und auch die Lehre zum Tischler.
Nach einem Abendstudium der Malerei an der Kunsthochschule Weissensee in Berlin, entschloss er sich dann doch Werbekaufmann (Ökonom) zu werden. Nebenberuflich fotografierte, malte und schrieb R.H., doch literarisch blieben immer nur Fragmente liegen (1972 – 1975, Gedichte, Fragmente SiFi-Geschichten). Erst 2014 verfasste er seinen ersten Fantasieroman, "Nacht über Ralli", den er kurzfristig als e-book veröffentlichte. Da ihm aber diese Ausgabe nicht gefiel, nahm er sie wieder aus dem Angebot.
Dafür erschienen in kurzer Folge vier Liebesromane: "Grüne Augen“, 4 Romane in einem Buch: Clarisse, Clarisse 2, Therese, Anne, "Marga", "Berlin, Venedig und anderswo" und "Rheinsberg und anderswo", alles kostenlose e-books. Es waren (Originalton), sozusagen "Fingerübungen". Mit der dreiteiligen Krimireihe "Mellerts Fälle", die zwischen 2018 und 2020 entstanden, "Der Tote von Neuendorf", "Paradis perdu" und "Der weiße Wal" begab sich R.H. in das Metier des Krimischreibers; der Leser erlebt die Entwicklung der Ermittlungsarbeit der Kriminalpolizei in den Zwanziger, Dreißiger und End-Vierziger Jahren in Berlin und Preußen.
Bisher über BoD erschienen:
Liebesromane
MARGA, Ein 'Grüne Augen Roman' (auch als e-book)
Kriminalromane
MELLERTS FÄLLE, Der Tote von Neuendorf
MELLERTS FÄLLE, Paradis perdu
MELLERTS FÄLLE, Der weiße Wal
Fantasie
DIE NEUE KAISERIN, Drakenland 4
DRAKENLAND, Die neue Kaiserin, Teil 1 DER FEIND
DRAKENLAND, Die neue Kaiserin, Teil 2, KRIEG
DRAKENLAND, Die neue Kaiserin ,Teil 3, TABUBRUCH
In Vorbereitung (Druckexemplare):
DER PREIS DER MACHT, Drakenland 5
NACHT ÜBER RALLI, Drakenland 1
PAUL MELLERTS FÄLLE, Die Gentlemen Bande
Andere Verlage: bookrix e-books
GRÜNE AUGEN, Auf der Suche nach Liebe und Erfüllung
BERLIN, VENEDIG UND ANDERSWO, Auf den Spuren von Marco
Polo und Kurt Tucholski
RHEINSBERG UND ANDERSWO, Eine Hommage
Widmung
Meiner Frau und allen Frauen die emanzipiert durch das Leben gehen, ohne ihre Weiblichkeit aufzugeben.
Reiner A. Hampusch
MARGA
Ein 'Grüne Augen' Roman
Verführn sich in die Liebe
Wie in ein Labyrinth
Wir können uns nicht wehren
Wenn’s einfach so beginnt
Aus „Bataillon d’amore“,
City, Berlin
Das Wetter wird umschlagen; die Ställe rochen stark nach den Tieren, obwohl sie seit Tagen auf der Weide waren. Der Geruch drang durch die offenen Fenster ihres Schlafzimmers. Morgen wird es regnen. Marga drehte sich zufrieden auf die andere Seite. Ja, morgen wird es regnen. Endlich. Den ganzen Tag war sie von Wiese zu Wiese gefahren, hatte die trockene Erde der Felder zwischen den Fingern zerkrümelt und im Stillen inbrünstig zu allen tausend Göttern Ägyptens gebetet. Es hatte geholfen. Ein müdes Schmunzeln zog über Margas Gesicht. Ein paar Tage Regen und die Heuernte war gesichert. Sie gähnte, bis es in den Kiefergelenken knackte. Zufrieden rollte sie sich auf den Rücken, faltete die Hände über den Bauch und seufzte erleichtert.
Ein sanftes Rauschen klang durch das offene Fenster. Da war er, der Regen! Der Hahn schwieg beleidig. Sicher hockte er mit seinen Mädels auf der Stange und hatte den Kopf unter den Flügeln. Marga streckte sich faul. Dabei war ihr klar, dass sie aufstehen musste. Jetzt! Entschlossen setzte sie sich auf, es schwindelte ihr leicht.
Im Bad sah sie lange in den Spiegel. Na, alte Frau? Wie geht’s? Marga lächelte. Alte Frau! Ein bisschen Schminke – und warum dachte sie gerade jetzt an René?
René. Nett, dass er ihr aus dem Straßengraben geholfen hatte. Mit Hilfe des ACF zwar, doch immerhin! Und der Abend mit ihm war alles andere als langweilig gewesen. Schriftsteller. Ein geistvoller Erzähler. Witzig, intelligent und leider in eine andere verliebt, merde! In eine Claradingsbums. Musste er denn nach ihr rufen, auf ihrem schönsten Höhepunkt nach – was denn - Monaten? Beinahe hätte er alles verdorben. Mon dieu! Sie waren so herrlich angetrunken gewesen. Es hatte auch nicht lange gedauert, bis sie beide nackt und in allen Positionen der Liebe verschlungen waren - es war solch ein - ein Wohlgefühl mit diesem Mann. So weich, so hart, so – wunderbar. Schade, dass er weitergezogen war. Schade. Sie zitterte immer noch, bei dem Gedanken an diesen Abend.
Marga verzog das Gesicht. Marga, Marga. Du hast Dich doch nicht etwa verliebt? Abgelenkt putzte sie sich die Zähne. Schon seit fünf Minuten. Als es anfing zu bluten, stutzte Marga. Schuldbewusst spülte sie den Mund aus, und ging zu einer schnellen Katzenwäsche über. Heute war Stallarbeit angesagt. Die Läufer mussten ‚sortiert‘ werden. Die einen zum Schlächter, die anderen in die Mast. Lächelnd dachte sie an die Ferkelchen. Was hatte René gesagt? Die Ärmsten. Sieh nur, wie sie Dich ansehen. So voller Vertrauen. Und Du willst sie in die Schlächterei schicken? Grausame! Und er hat gelacht. Aber so war das Leben. Auch auf einem Öko-Hof.
Das Frühstück nahm sie nebenbei zu sich. Nur für den Kaffee nahm sie sich Zeit.
Vor ein paar Tagen hatte auf der anderen Seite des Tisches René gesessen, bei seinem zweiten Besuch, und sie über den Rand des Weinglases gemustert. „Was siehst Du“, hatte sie gefragt. Und er? Hatte gegrinst. Solch ein schiefes Grinsen, das sie an Männern mochte, wenn es denn ehrlich war. Etwas frech zwar, aber aufrecht. Glaubte sie. Und René? „Sommersprossen. Millionen Sommersprossen!“ Und hatte gelacht. Und sie hatte gelacht, und sich vorgestellt, wie es wäre, wenn er Sommerspossen an ihrem Körper zählte. Mit einem wonnigen Gefühl gedachte sie dieser zweiten Nacht, die er genau damit verbracht hatte - unter anderem.
„Hier ist noch eine“, hatte er zwischen ihren Schenkel gerufen. Es hatte gekitzelt und war schön und sie hatte es – verdammt noch mal – genossen. Und seinen Kopf eingeklemmt, dass er noch einen Moment dortbliebe. Und er blieb, bis sie nicht mehr konnte und ihm mit einem leisen Aufschrei Tür und Tor öffnete.
Marga stapfte in Gummistiefeln durch die Pfützen des Nachtregens. Es musste wie verrückt gegossen haben. Jetzt war er in einen dünnen Landregen übergegangen. Zum Glück war es warm und windstill. Der Niesel senkte sich herab. Es regnete nicht, es nässte gleichmäßig Kleidung, Boden und Natur von allen Seiten.
Jetzt roch es auch nicht mehr nach den Tieren und Mist. Die Luft duftete frisch und feucht. Als sie in die Nähe der Schweinegatter kam, hörte sie das zufriedene Grunzen der Sauen, die ihre Ferkel beruhigen wollten. Ja, dachte Marga, es ist genug für euch da, ihr verfressene Bande. Sie hatte die Arme auf die nassen Holzbalken gelegt und sah versonnen auf die aufgeregt säugenden Ferkelchen.
„Madame?“
„Ah, Jaques. Wo sind die anderen?“
„Sie warten im Stall. Es ist alles vorbereitet.“
„Merci, Sie sind eine Perle, Jaques.“
Es wurde dunkel. Der Stuhl knarrte beleidigt, als sich Marga erschöpft zurücksinken ließ. Schluss für heute! Sie war wieder den ganzen Vormittag über den Hof gerannt. Erst die Schweine, dann die Rinder. Dann fünf Kilometer nach Norden auf die Weide. Neugierig kamen Mütter und Kälber an den Zaun gelaufen, als sie den Jeep von Marga sahen. Sie besuchte ihr Braunvieh, gutmütige Rinder mit breit ausladenden Hörnern, die den ganzen Sommer auf der Weide verbrachten. Manchmal gab es Ärger, wenn es um den Rang der Leitkuh ging. Aber ansonsten lebten sie ihr Leben, ließen sich, wenn es soweit war vom Stier begatten, und brachten wunderschöne Kälber zur Welt. Es fehlte kein Tier. Drei Kälber waren dazugekommen, gesunde Babys, die nicht von der Seite der Mutterkuh wichen.
Danach fuhren sie, Jaques, der Tierarzt und Marga, durch ein kleines Wäldchen, zur Herde der Hochländer. Sie liebte diese Rasse besonders. Diese Rinder blieben wie die Braunen das ganze Jahr draußen, aber sie waren anders. Wild und sanft. Sie liebte, wie sie rochen und ihre Gutmütigkeit. Und Marga liebte das Fleisch dieser Tiere. Es schmeckte nach Natur, frischer normannischer Luft und ungebändigten Kräften. Besser als jedes andere Rindfleisch.
Sie sollte mal ein paar Tage freimachen, dachte sie versonnen. Jaques kann die Wirtschaft genauso gut führen wie sie. Marga griff zum Telefonhörer. „Jaques?“
„Madame?“
„Was machen Sie gerade?“
„Wir wollten eben noch ein paar Bier trinken und dann ins Bett.“
„Oh, entschuldigen Sie.“
„Ist was, Marga?“
„Nein, nein. Das hat Zeit bis morgen. Zum Frühstück?“
Jaques, der Bär. Sie sah ihn vor sich: zwei Meter groß, mit Schultern, breit wie ein Trecker. Händen, Schaufeln gleich, die zupacken konnten und gleichzeitig zärtlich waren, wenn er mit den Fohlen, Kälbern und Ferkeln umging. Sein muskulöser Bauch diente nicht nur dazu, gewaltige Mengen an Essen aufzufangen; Er konnte damit den gewaltigsten Stier der Herde vor sich herschieben. Doch Jaques brauchte keine Gewalt, keine laute Stimme, um sich bei den Hornviechern Respekt zu verschaffen. Es genügte, wenn er auf der Weide auftauchte.
Ja, sie hatte sich entschieden: Ich fahre weg! Irgendwohin. Nach Süden. In die Wärme, Sonne und Ruhe.
Marga war bereit. Nach mehr als fünf Jahren ohne jemals einen Tag frei genommen zu haben, war sie soweit. Damals hatte sie den Hof übernommen. Übernehmen müssen! Als der verhängnisvolle Anruf kam, war sie gerade dabei Thesen für ihre Doktorarbeit aufzustellen. Sie sollte die Grundlage für eine Forschungsgruppe bilden, die sich mit der Untersuchung der Wirtschaftlichkeit von Öko-Höfen beschäftigen sollte. Ab wann, ab welcher Größe und auf welchen Gebieten würde ein Öko-Hof wirtschaftlich arbeiten, das heißt, einfach überleben. Der Anruf kam aus dem Krankenhaus. Und von dort aus war sie sofort hierhergefahren, noch den Blick ihres Vaters vor Augen und den schwachen Druck seiner Hand auf der ihren. Und der Bitte, mach weiter, wo ich angefangen habe. Damit war ihre Karriere als Wissenschaftlerin ein für alle Mal dahin. Und als Öko-Bäuerin, das hatte SIE sich vorgenommen, würde sie neu anfangen müssen.
Jaques erwartete sie hinter dem gedeckten Frühstückstisch. Kaffee duftete verführerisch, Butter, Croissants und Schoko-Haselnusspaste standen bereit. Sie setzten sich.
„Danke“, sagte Marga und machte mit dem Messer eine Geste über den Tisch.
„Kein Ding.“ Jaques verschlang gerade den zweiten Croissant. Er sah sie gespannt an.
„Ja“, sagte Marga gedehnt. „Das ist so.“ Sie nahm einen Schluck aus der Kaffeetasse. „Ich brauche mal Urlaub.“
Jaques nickte. „Ich habe mich schon gewundert, wie lange Sie das noch aushalten können.“
Marga zuckte mit den Schultern. „Vater hatte auch nie Urlaub. Immer nur den Hof. Erst das Vieh, dann der Mensch.“
„Das ist richtig so.“
„Sie werden solange den Hof führen.“
Jaques Augenbrauen flogen nach oben. Er bekam einen roten Kopf. „Das kann ich nicht.“
„Doch. Du kannst das.“ Marga war unwillkürlich, nach fünf Jahren(!) zum ‚Du‘ übergegangen.
„Aber, wenn ich was nicht weiß. Ich meine …“
„Es gibt Handy, Internet, Mails, Es-em-essen und sowas.“
„Hm.“
„Also abgemacht. Ich verschwinde gleich nach dem Frühstück. Was zu tun ist, hatten wir bereits gestern besprochen. Ja?“
„Hm.“
„Nur für eine Woche, oder zwei.“
„Hm.“
„Oder drei. Ich weiß noch nicht.“
Marga liebte ihre Heimat, die Normandie. Die sanften Hügel. Die vielfarbigen Rechtecke der Felder und Wiesen. Den klaren, kühlen Himmel des Nordens. Hier und da ein Wäldchen, ein Gehöft, dann Städtchen wie aus dem Märchenbuch. Der Land-Rover brummte eine gleichförmige Melodie. Marga hatte einen Kompass aufs Armaturenbrett gelegt. Wichtig war nur, dass der Zeiger immer auf Süden wies. Mehr brauchte sie nicht.
Mittags war sie bereits an Rennes vorbei. Irgendwo dahinter fand sie ein kleines Restaurant, in dem sie zu Mittag aß. Die Männer, sicher Bauern aus der Umgebung, sahen sie lange an. Sie hatte Reitstiefel an den Füßen, in denen graue Hosen steckten und den Blaser über ihrem geliebten karierten Männerhemd. Sie grüßte zum anderen Tisch hinüber, die Bauern grüßten zurück, und beschäftigten sich wieder mit ihren Dingen.
Nach Süden! Die Landschaft war immer noch sanft und ohne besondere Merkmale. Sonnenblumenfelder wechselten sich mit Wein ab. Dann Mais, Koppeln, auf denen Rinder und Pferde weideten und Getreide. Buschwerk an den Straßenrändern. Marga umfuhr die Autobahnen, immer der Nase nach, weiter nach Süden, bis sie nicht mehr konnte.
Vor Portier lag ein Hotel direkt an der Departement-Straße. Sie checkte ein, stieg die Treppe zu ihrem Zimmer nach oben und fiel schnaufend rückwärts aufs Bett.
Sie erwachte, weil sie Hunger hatte. Die Sonne stand noch hoch, jetzt im Sommer. Im Vorbeigehen duschte sie noch schnell, trocknete ihre Haare mit dem Föhn. Sie suchte lange im Koffer nach einem passenden Kleid, denn mit Hosen, Blaser und Stiefeln zum Abendessen zu gehen, dazu war es einfach zu warm.
Sie fand das Kleid. Jenes, das sie an jenem Abend angezogen hatte, als René bei ihr gewesen war. Er hatte sie angesehen, wie ein Mondkalb. Als ob er noch nie eine Frau im Kleid gesehen hätte. Damals, wie jetzt, gab es ihr einen kleinen Stich ins Herz. René!
Auf dem Weg ins Restaurant dachte sie über ihre Beziehung zu René nach. Ein One-Night-Stand. Aber sie hatte es so gewollt.
Sie hatte René verführt, im wahrsten Wortsinne. Sie wollte ihn verführen und mit ihm schlafen. Warum, wusste sie bis heute noch nicht. Sie wusste nur, dass sie es gewollt hatte!
Als sie von ihm herunter gerollt war und schwitzend auf dem Rücken lag, fragte sie: „Was nun?“ Sie erwartete keine Antwort. René würde morgen weiterfahren und fertig. René brummte etwas Unbestimmtes. Ihr war klar, dass es hier nicht um die große Liebe ging. Sie war kein Mädchen mehr, das in Schwärmerei verfiel, weil es mit einem Mann geschlafen hatte. Sie wollte nur irgendwie Klarheit. Ob es nur darum gegangen war, nach Monaten wieder einen Mann gehabt zu haben? „Es war schön, Marga.“ Sie konnte es nicht sehen, aber spürte sein Lächeln. „Ja“, sagte sie, und nach einigen Minuten: „Nochmal?“
Beim zweiten Mal erlebte sie eine wahre Explosion der Gefühle. Sie biss sich auf die Lippen, um nicht zu schreien vor Wonne und Glück. Dann lag sie lange schwitzend und zitternd auf René. Es sollte nicht enden! Und wusste doch, das war es. Mehr gibt es nicht! „Ist Dir kalt?“, fragte er. Marga schüttelte den Kopf und presste sich nur noch fester an ihn.
Im Bad dann, stand sie neben ihm vor dem großen Spiegel. „Ein schönes Paar“, flüsterte sie. Mehr für sich, doch er hatte es gehört. Sie war einen Kopf kleiner und sah zu ihm auf, während sie über seinen Bauch strich. Die Muskeln darunter spannten sich. Und René sah auf ihr Spiegelbild. „Sommersprossen“, flüsterte er. Dann standen sie noch lange unter der Dusche.
Das Bad war das erste, das sie nach dem Tode ihres Vaters verändert hatte. Schon als kleines Mädchen hasste sie diese graugrüne Kammer, mit dem Loch im Boden und der eisernen Wanne, dem Badeofen und nicht zuletzt dem Geruch nach Urin, Schweiß und Schimmel. Sie schuf sich ihr Reich; Hell, duftend, großzügig, weit.
Der Vater hatte Marga reichlich Geld auf dem Konto hinterlassen. Und so war sie in der Lage sich Wünsche zu erfüllen, die seinerzeit nicht möglich gewesen wären: Den Hof umbauen zu einem Öko-Gut. Und da noch genügend Geld übrig war, auch das Wohnhaus – alles nach dem Bad! Über einen ehemaligen Studienfreund schaffte sie Verbindungen zum Landwirtschaftsministerium und zur Universität. Sie promovierte doch noch, erhielt einen Studienauftrag und arbeitete ab und an als Gastdozentin. Das Gut warf, trotz Jaques Zweifeln, so viel ab, dass sie es erhalten konnte. Nein, wirtschaftliche Sorgen hatte Marga nicht! Nur keine Zeit mehr für sich. Und welche Frau braucht nicht ab und zu Zeit für sich? Seit Jahren keine Zeit für die Liebe oder wenigsten eine Freundschaft. Liebe? War Liebe das, was sie als Teenager geglaubt hatte, dass es das wäre?
Seit René sah sie es anders. Nach Renés Abreise, sie war noch lange am Tor gestanden und hatte seinem Wagen hinterhergesehen bis er verschwunden war, waren die Tage wie im Fluge vergangen. Alles war leichter gewesen, freundlicher, heller. Jaques sprach sie eines Morgens an: „Sie sind fröhlicher als sonst.“ Und sie reagierte zuerst ungehalten. „Was soll das?“, hatte sie gefragt. Doch er sah sie an: „Ich meine das ernst. Es ist schön zu sehen, wie Sie seitdem aufgelebt sind. Ehrlich.“ Und das war der Tag, an dem sie René, den Flüchtigen, mit Jaques, dem Sesshaften verglich.
„Ein Ragout und ein Viertel Rosé.“ Die Serviererin schwebte davon. So ein dünnes Mädchen, das glaubte, mit Hungern eine Karriere als Model in Paris zu machen. Aber so sind die Mädels eben. Was waren eigentlich ihre Träume gewesen, damals? Marga erinnerte sich nicht mehr daran. Sie kannte nur den Hof und ihren Vater und das Viehzeug und die Felder und Wiesen. Vielleicht glaubte sie damals auch an Karriere. Aber nicht als Model. Sie wollte immer Wissenschaftlerin werden. Mit weißem Kittel im Labor herumgehen und den Laboranten Befehle erteilen. So etwas in dieser Richtung.
Marga aß mit kleinen Bissen. Das Ragout vom Rind schmeckte köstlich. Der Koch hatte dazu ein Lauchgemüse gezaubert, dass genau auf den Grundgeschmack des Ragouts passte.
Ihre Mutter starb kurz nach dem Tod ihres Vaters. Doch die Bindung zwischen Vater und Tochter war stark und wurde auch nach Vaters Tod nicht weniger. Margas Vater war eher beides zugleich, Mutter und Vater. Bis auf die notwendige Zeit in der Schule und dann später bei Studium, verbrachte sie die gesamte Zeit mit Vater. Sie stand früh auf, machte die Ställe und ging zur Schule. Und danach: Hofarbeiten, Tiere versorgen. Mutter sah sie oft an, schüttelte den Kopf und seufzte: „Vaterkind.“ Doch sie war deswegen nicht böse.
Auch wenn Vater ein einfacher Mann, ein Bauer, gewesen war, so erzog er sie, wie wenn sie beide Eltern gehabt hätte. Und das Landleben machte ihm manches einfacher, als es bei den Stadtjugendlichen in Sachen Aufklärung der Fall sein sollte. Marga hielt das allerdings für ein Gerücht. Der Tod des Vaters nahm sie mehr mit als der vorhergehende der Mutter. Sie brauchte eine Weile um beide „unter die Erde zu bringen“. Und dann stand sie – erwachsen jetzt – doch ganz allein vor dem Tor, das auf den Hof führte, den sie jetzt übernehmen musste. Neben ihr Jaques, jung, kräftig, witzig und einer der wenigen Freunde. „Und nu?“, fragte er, während er von oben auf sie heruntersah. Sie hatte geseufzt, tief und lange. „Wir machen weiter. Wir machen mehr. Ich habe eine Idee.“ Damit tat sie den entscheidenden Schritt. Dann saßen sie tage- und nächtelang und machten Pläne. Dann bauten sie den Hof zu einem Öko-Gut um. Und hatten eine tolle Zeit.
Marga sah durch das Glas ihres Rosés auf den Tisch. Die Blumen, Teller, das Gebinde, alles rosa.
Jaques! Mit einem Male erkannte sie, dass sie und Jaques mehr verband als nur die Arbeit. Es war, die gemeinsame Idee und sie zu verwirklichen. Dabei hatte sie ihn nicht einmal so richtig wahrgenommen. Als Mitarbeiter schon. Sie hatte Aufgaben verteilt, Vorschläge entgegengenommen und umgesetzt. Sie wusste nicht einmal, wie lange Jaques am Tage arbeitete. Er war immerzu da, wenn sie ihn brauchte. Immer!
Vor ihren Augen tauchte Jaques auf: Gummistiefel, Jeans und freier Oberkörper. Braungebrannt, Muskeln an Schultern und Oberarmen, mit denen er einen Stier zu Boden werfen konnte. Sixpack. Jaques hatte mal eine Ferse auf der Schulter von der Weide in den Stall getragen. Sie war die Unterlegene in einem Kampf um den Rang der Leitkuh gewesen und ein Horn der Gegnerin hatte der Ärmsten die Seite aufgeschlitzt. Zum Glück hatte Jaques die Sache beobachtet. Die Kuhjungfrau konnte gerettet werden. Und seit einiger Zeit ist gerade diese Dame die Leitkuh einer Herde.
René. Nach dem zweiten Mal, immer noch schweißnass, rollte sie endlich von ihm herunter und kuschelte sich dicht an ihn heran. Ganz fest schmiegte sie sich in die Beuge, die er extra für die gemacht hatte. „Findest Du es schön hier?“, hatte sie leise und ein bisschen hoffnungsvoll gefragt. „Transvectio. Ja, für die Vorbeifahrenden.“ Und zum Frühstück dann: „Ich bin kein Bauer, was nicht impliziert, dass ich diesen Beruf geringachte. Aber ich bin Schriftsteller und wollte, seit meiner Kindheit schon immer Schriftsteller werden. Nichts Anderes. Was willst Du mit einem, der weiterzieht.“
Marga war enttäuscht. Und auch einverstanden, mit dem, was er gesagt hatte. Es war ehrlich! Er würde immer nur neben ihr stehen und nicht teilen können, was sie teilen wollte. Er war kein Bauer. Er würde unglücklich werden, und sie. Wie ginge es ihr denn, in seiner Lage? Dennoch hielt sich ihre Hochstimmung seitdem. Sie erinnerte sich an einen der vielen Studentenwitze über die Bibliothekarin, eine ältlichen, recht vertrockneten Person. Jemand hatte einen Zettel an die Tür geklebt: Rep. Penis. Dosis temp. non Interruptio.
Sie hatte ein Rezept eingelöst.
Ja?
Wirklich?
„Haben Sie noch einen Wunsch?“ Marga schrak aus ihren Gedanken. „Nein, zahlen bitte.“
Oben, unter der Dusche – sie glaubte, sämtlichen Staub aller Straßen auf ihre Haut aufgeladen zu haben – dachte sie wieder an Jaques. Der Strahl der Dusche peitsche ihren Rücken. Es stach und kribbelte. Sie wusste nicht wie sich Jaques Hände anfühlten. Sie kannte sie nur von Ansehen. Kräftig, quadratisch, gut. Wenn er sie jetzt berühren würde … Was wäre dann?! Marga versuchte sich vorzustellen, wie es sich anfühlen würde, wenn sie sich gegen ihn lehnte. Schnell stellte sie das Wasser ab und rieb sich trocken.
Faul wickelte sie sich das Badetuch um den Körper und ließ sich ebenso faul auf dem Bett nieder. Mit der rechten Hand tastete sie nach der Fernbedienung des Fernsehers. Nachrichten, im Anschluss ein Krimi. Sie sah noch die Nachrichten und die ersten Minuten des Krimis, dann war sie eingeschlafen.
René hatte sie von hinten umfasst. Zart streichelte er ihren Bauch und sacht ihre Brust. Marga drückte sich an ihn und es war ihr nicht einmal unangenehm, seine Erregung zu spüren. Ein warmes Leuchten ging durch ihren Körper und konzentrierte sich in ihrem Unterleib, wo es kribbelte und zuckte. Sie schlug die Augen auf. Jaques. Er sah ihr in die Augen. „Sommersprossen“, flüsterte er und nahm ihren Kopf in beide Hände. Sie fühlte seine Lippen, doch sie hatten keinen Geschmack. Und auch Renés Atem war nicht in ihrem Nacken. Doch lag sie zwischen den beiden Männern und fühlte sich klein und hilflos und weich. Und dann …
… wachte sie auf, weil sie fror. Sie schüttelte den Traum aus dem Kopf. Aber er blieb, wie ein klebriges Lindenblatt am Schuh hängen: René, Jaques, René.
Marga setzte sich auf und sah auf die Uhr. Der Fernseher lief immer noch. Es war zehn Uhr und Marga putzmunter. Eigentlich könnte sie jetzt weiterfahren, doch sie wusste, dass sie in zwei Stunden wieder viel zu müde war, um weiterzufahren. Durst hatte sie außerdem. Also zog sie sich wieder an und ging hinunter ins Restaurant.
Die dürre Serviererin hatte sich vor ihr aufgebaut und schwieg erwartungsvoll. „Ein Wasser und ein Glas Roten.“ Sie brauchte nun einen stärkeren Tobak. Dass sie keinen Gedanken an das Gut verschwendete tat ihr gut. Sie wollte entspannen und insofern tat sie das auch. Kein Öko-Gut, keine Kühe, Schweine, Enten, Gänse, Heu, Stroh, Futter, Steuern, Vorschriften, Abgaben und Beiträge. Keine Pferde. Heute nicht. Heute beschäftigte sich Marga mit zwei Männern. Ein wesentlich wichtigeres Thema, dachte Marga launig, und schmunzelte still in sich hinein.
Sie war allein im Raum. Die Serviererin hatte es endlich geschafft, das Gewünschte zum Tisch zu bringen. Umständlich ordnete sie die Gläser, die Karaffe und die Flasche.
„Danke.“
Sollte sie Jaques einen Heiratsantrag machen? Hatte er denn jemals ein Zeichen gegeben, dass er sich für sie interessierte? Offiziell galt er als Knecht. In Wahrheit war er ihr Vertrauter, mehr als nur eine rechte Hand.
Es gibt einen Moment, von dem ab sich Gedanken im Kreise bewegen. Marga spürte, dass es soweit war. Sie würde im Kreis gehen. Sie trank aus und ging wieder nach oben, ‚ne Mütze Schlaf nehmen‘.
Marga brach früh auf, kaum, dass die Sonne aufgegangen war. Noch kam die Sonne von links. Die Straße führte jetzt in das Zentralmassiv. Berge hoch, hinunter, Serpentinen, Wälder, Orte, Felder. Immer nach Süden. Nahrung nahm sie bei einer Fast-Food-Kette auf, steckte den Pappbecher mit Kaffee in die Halterung der Mittelkonsole und fuhr weiter. Das Radio dudelte alte Rock ‘n Roll Schlager, wenn der Moderator einmal die Klappe hielt, sang Marga laut und falsch mit. Ihr Handy schwieg sie an. Kein Wunder, war es doch ausgeschaltet. Süden, dachte Marga. Noch einmal übernachten, dann Cote Azur, Sonne, Strand, Sand. Ohne Liebe. Auch gut. Dann eben nicht!
Das Hotel lag direkt in einem winzigen Nest, parallel zur Route National. „Hotel Du Provence“, stand auf einem Schild. Es roch nach Kuhstall als Marga ausstieg. Sie ging durch die Tür. Dunkel. Jemand fragte nach ihrem Begehr. Marga blinzelte, antwortete der Stimme: „Ein Zimmer für eine Nacht?“ Langsam konnte sie wieder sehen. Ein mittelalter Mann saß an der Rezeption. Umständlich kramte er in einer Kladde, dabei sah Marga, dass kaum ein Zimmer belegt war. „Zum Hof raus?“, fragte der Mann.
„Gerne.“
Ein Schlüssel mit einem monströsen Zimmerschild landete auf dem Tresen. „Frühstück ab acht.“
„Gerne.“
„Na dann, Willkommen“, sagte der Mann und lächelte. Zwei Zähne fehlten ihm oben.
„Wo kann ich heute noch essen?“
„Hinten, im Garten. Aber sie müssen sich beeilen. Ist gleich Schluss. Ne halbe Stunde noch.“
Marga beeilte sich. Sie spülte sich das Gesicht ab, schüttete ein paar Tropfen Parfüm auf Hals und Brust und stiefelt nach unten, in den Hof.
Kies, Kastanien, Gartenmöbel. Einheimische saßen hier und offenbar auch einige aus der nahen Stadt.
Marga ging zu einer Art Essenausgabe, über der ein Schild ‚Selbstbedienung‘ hing. Die Öffnung gestattete einen Blick in die saubere Küche.
„Guten Tag, Mademoiselle. Was darf es ein?“
„Das?“
„Schweinragout mit Gemüse. Und?“
„Nudeln?“
„Gerne.“ Marga bekam einen großen, tiefen Teller mit einem Berg Nudeln und Ragout und ein Besteck in die Hand gedrückt. „Wein?“, fragte die Köchin.
„Ja, bitte.“
„Bringe ich.“
Marga suchte einen freien Tisch. Sie pustete Kastanienblätter von der Tischplatte, setzte sich und aß mit großem Appetit. Es schmeckte kräftig, scharf, ländlich und verdammt gut. Eine Karaffe Wein landete neben ihr und ein einfacher Glasbecher. „Zum Wohl“, sagte die Küchenfrau, und: „Schmeckt es?“
Marga nickte heftig, denn sie hatte den Mund voll. Mit der linken machte sie ein entsprechendes Zeichen. Zufrieden zog die Köchin von dannen.
Die Beine weit von sich gestreckt lag Marga halb auf dem Stuhl und genoss die Stille des Sommerabends. Wie aus weiter Ferne klangen die Geräusche des Ortes herüber. Sie hörte Kühe rufen. Über ihr, irgendwo im Astgewirr sang schüchtern ein Vogel, als sei er unsicher, ob er die Menschen vielleicht doch durch seinen Gesang stören würde. Ein Grashüpfer sirrte kurz und auf ihrem Tisch hatte sich eine Fliege niedergelassen, die hektisch die Tischplatte mit ihrem Rüssel abtupfte.
Ein junger Mann betrat den Hof. Unter seinen Schritten knirschte der Kies. Auf dem Rückweg von der Küche sah er sich um. Dann war es, als fasse er einen Entschluss und kam auf Margas Tisch zu. Er machte einen Diener. „Darf ich mich zu Ihnen setzen?“
„Bitte.“ Marga machte eine großzügige Geste, als gehöre alles hier ihr. Die Ähnlichkeit seines Gesichts mit dem Renés verblüffte sie. Und der Körperbau von Jaques, die gleichen breiten muskelbepackten Schultern, die kräftigen Arme und Hände. In ihrem Unterleib reagierte etwas, ihr Herz schlug einen Takt schneller. Sie musste tief einatmen, um sich zu beruhigen. Marga spürte, wie sich ihr Busen hob und senkte. Mein Gott, du bist doch kein Teenager, schalt sie sich.
„Ich hoffe, ich störe Sie nicht in angenehmen Gedankengängen.“ Ihr Gegenüber lächelte sie offen an. „Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich will Sie nicht belästigen. Aber sie erschienen mir als die angenehmste Alternative zu den anderen Gästen.“ Auch er hatte das verdammte schiefe Grinsen, wie René. Ob er dessen Bruder ist? Quatsch! Marga hüstelte. „Schon gut“, brachte sie mit trockenem Mund hervor.
„Hatten Sie denn angenehme Gedanken, bevor ich kam?“
Marga hatte sich endlich gefangen. „Ja. Bis jetzt.“
„Und nun?“
„Vielleicht …“
„Soll ich gehen?“
„Keinesfa… Äh, nein, brauchen Sie nicht. Bleiben Sie nur. Essen sie zu Ende. Ich denke inzwischen weiteres Angenehmes.“
Ihr Gegenüber lächelte, senkte den Kopf und aß, jedoch behielt er sie nun im Blick. Und auch Marga ließ keinen Blick von ihm.
„Sie haben schöne Sommersprossen.“
„Weiß ich“, sagte Marga härter, als sie wollte. „Hat mein Freund auch immer gesagt.“
„Hat?“
„Wie jetzt?“
„Hat gesagt. Nicht, sagt er?“
Marga senkte wie ein kleines Mädchen die Augen. Ihre Wangen wurden heiß. Was geht ihn das an? „Sagt er. Natürlich. Sagt er!“
„Hm.“
„Schmeckt’s?“
„Oh ja! Ich komm gern hierher. Ist zwar immer ein Stück zu fahren. Aber das Essen ist, wenn auch einfach, so doch exquisit.“ Er schob den leeren Teller von sich. „Und Ihr Freund? Und kommen Sie von hier? Und wenn nein, wo wollen Sie hin?“
„Sind Sie immer so neugierig?“
„Na ja. Wenn – ach nichts.“
„Los, sagen Sie es!“
„Sie gefallen mir. Sie und ihre Sommersprossen. Aber wenn Ihr Freund …“
„Mein Freund geht Sie nichts an.“
„Hm. Richtig.“
„Ich meine – sozusagen – mein Freund – er ist nicht da.“ Marga wurde schwindelig. Was redete sie da?
„Verreist?“
„Weit, weit weg.“ Aber schließlich war sie ja allein, ungebunden. Ich bin doch keine Nonne! „Er ist sozusagen ein Ex.“ Was auch stimmte. Er ist weg! Bei seiner Clarisse. Kommt nie wieder. René.
„Das ist gut.“
„Nicht für mich.“
„Sie haben ihn geliebt?“
Marga schwieg. Dazu konnte sie nichts sagen. Geliebt? Sie zuckte mit den Schultern.
„Eher gemocht. Sehr gemocht.“ Bis zur tiefsten Vereinigung. Bis zum höchsten Orgasmus ihres Lebens. Was konnte danach noch kommen? Nur noch ein Mann, mehr nicht. Marga schürzte die Lippen. „Ja, doch, gemocht“, sagte sie gedehnt.
„Gut, genug davon. Was tun Sie hier? Sie stammen nicht aus dieser Gegend. Ihrem Akzent nach zu folgern, normannisch. Würde ich sagen.“
„Ich mache Urlaub. Fahre an die Cote Azur.“
„Wissen Sie schon, wohin?“ Er sprach ein Hochfranzösisch. Nicht auszumachen, aus welcher Gegend er stammte. „Übrigens, ich heiße Pierre. Pierre de Lacroix.“
„Marga. Sagt mir Ihr Name irgendetwas?“
„Nein. Ist verbreitet, wie Petit oder Grande…“
„Wie gesagt, Cote. Ohne Ziel. Irgendwohin, wo Wasser ist, Sand, Sonne und Ruhe.“
„Sie haben einen anstrengenden Beruf?“
„Kann man so sagen. Bäuerin.“
„Nein!“
„Doch. Und nun?“
„Kompliment. Sie sehen nicht so aus.“
„Wie sieht denn ‘ne Bäuerin aus.“
Er machte eine große Geste. Arme breit. „So. Denke ich.“
Marga lachte. Das Klischee kannte sie zu Genüge. ‚Sie, Bäuerin, nein, nicht mööglich! ‘
„Und Potthässlich?“
Er nickte überzeugt. „Potthässlich!“
Jetzt lachten sie beide. Doch seine Augen hielten sie fest. Er nahm keinen Blick von ihr.
Sie hatten sich beruhigt.
„Darf ich Ihnen was zeigen?“
„Briefmarkensammlung?“
„Besser, viel besser!“
Jaques kannte sie schon lange. Sie waren in die gleiche Schule gegangen, hatten widerstrebend die Gottesdienste besucht, sich am ‚Place del la Concorde‘ getroffen und geschwatzt. Dann, als junger Bursche begann er auf dem Hof ihres Vaters zu arbeiten. Drei Jahre älter war er als sie.
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Reiner A. Hampusch
Bildmaterialien: 2016 by Reiner A. Hampusch
Cover: 2021 by Reiner A. Hampusch
Tag der Veröffentlichung: 14.08.2016
ISBN: 978-3-7554-0546-7
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