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Die Klinik

Es war wie jeder Tag in der Klinik öde und einfach ohne jeglichen Spass. Ich wollte hier endlich raus, nach diesem Unfall konnte ich mir wirklich schöneres vorstellen als nur hier in dieser Klinik gefangen und an den Rollstuhl gefesselt zu sein. Ich sprach nie über den Unfall, obwohl es hier die Psychotanten unbedingt wollten. Wieso musste ich mich täglich an den schlimmsten Tag meines Lebens zurück erinnern? Reichte es nicht schon, dass ich im Rollstuhl sass? Anscheinend nicht. Heute war wieder Wassergymnastik angesagt und ich hatte soviel Motivation wie ein Stück Brot. Die Ärzte hier redeten von nichts anderem, als das ich mich ranhalten soll und dann schon irgendwann wieder laufen könnte. Die Betonung auf irgendwann gefiel mir bei der Sache einfach nicht. Wieso verstehen es die Leute nicht das ich keinen Bock mehr auf ihr – wird alles wieder gut – Gerede. Ich wollte zwar wieder gehen können, aber wieso machte ich dann überhaupt gar keine Fortstritte?

Es war mir wie immer ein Dorn im Auge, dass mir die Pfleger hier helfen mussten aus dem Bett zu kommen oder aufs Klo. Bis vor einem Monat konnte ich das alles noch alleine. Nun sollte ich immer auf Hilfe angewiesen bleiben? Ich hoffte nicht. So machte mir das Leben ja gar keinen Spass mehr. Ich wollte nichts sehnlicher als wieder gehen zu können. Das ständige Mitleid ging mir auch schon sowas auf die Nerven. Meinem Vater hatte ich ausdrücklich verboten mich noch einmal mit diesem bemitleidenden Blick anzusehen. Ich wusste selber das ich ein armes Schwein war das nicht mehr gehen konnte. So wurde ich wie jeden morgen von einem Pfleger aus dem Bett gehoben. Ich schlang die Arme um seinen Hals um mich festzuhalten und er liess mich langsam auf meinen Rollstuhl sinken. Die Füsse zog ich mir mit meinen Händen hoch und sah dann den Pfleger an. „Zum Gymnastik schaff ich es auch selber.“ Meinte ich schlecht gelaunt. Ich umklammerte mit meinen Händen die beweglichen Räder und rollte vorwärts. Der Pfleger hielt mir die Tür auf und ich nickte nur. Sollte ich danke sagen? Auf keinen Fall, wenn sie sich besser um mich gekümmert hätten nach dem Unfall hätte ich nun sicher schon gehen können und springen können wie ein junges Reh. Insgeheim wusste ich, dass die Menschen hier mir nur helfen wollten und keine Schuld an meiner jetzigen Situation haben. Dennoch brauchte ich einen Sündenbock.

Ich rollte zum Fahrstuhl und fuhr runter in den Keller, dort war der Pool in den man mich täglich scheuchte. Ich wusste zwar, dass diese ganzen Übungen dafür da waren, dass sich meine Muskeln in meinen Beinen nicht verabschiedeten. Wenn das passieren würde könnte ich es ganz vergessen irgendwann wieder gehen zu können. Unten angekommen begrüsste mich meine Trainerin und half mir aus dem Rollstuhl, zuvor zog sie mir eine Schwimmweste an damit ich nicht untergehen würde. Manchmal dachte ich es wäre besser wenn sie das blöde ding mal vergessen würde, dann wär ich meine ganzen sorgen los und müsste nicht mehr täglich daran denken was mit mir passiert war. Ich war ein Krüppel und wann sollte es sich endlich ändern? In ein paar Wochen oder Monate? Oder vielleicht gar nicht mehr? Man wusste es nicht, selbst die Ärzte konnten mir nicht 100% sagen was nun Sache war. Meine Trainerin hievte mich ins Pool und schon war ich im Wasser. Wenigstens war ich im Pool nicht an den Rollstuhl gebunden, aber dafür an der Schwimmweste. Auch nicht besser. Sie ging mit mir paar Übungen durch und ich machte brav mit. Sonst hätte ich es mir wieder anhören müssen ob ich denn überhaupt noch laufen will, dann muss ich auch was dafür tun usw. Klar wollte ich gehen, aber irgendwie schien hier keiner zu wissen wie es wirklich in mir aussah, bzw. wie es mir ging. Ich wollte einfach nur noch hier weg und wollte versuchen mit meinem neuen beschissenen Leben klar zu kommen. Endlich war das Training zu ende und ich durfte wieder in mein Zimmer. Auf meinem Zimmer rollte ich zum Balkon und schaute raus. Was wäre wenn ich wirklich für immer in diesem Ding sitzen würde?

In diesem Moment klopfte es an der Tür und bevor ich was sagte ging sie schon auf und mein Vater kam rein. „Ach Schätzchen wie geht es dir heute? Hast du schon fortschritte gemacht?“. Da haben wir es, immer dieselbe Frage die mich innerlich zum kochen brachte. Am liebsten würde ich ihm eine reinhauen aber so war ich nicht. Ich versuchte mich kurz zu beruhigen und meinte dann: „Hey Dad, ja geht ganz okay, ich versuche tapfer zu sein, weisst du ja. Was machst du denn schon hier? Ich dachte du kommst erst morgen an?“. Mein Vater war oft geschäftlich unterwegs und somit praktisch nie zu Hause. Dennoch waren er und mein Bruder das einzige was ich an Familie noch hatte. Meine Mutter starb bei meiner Geburt, war wohl auch besser so, sonst würde sie sich nur sorgen um mich machen und ich hätte zwei erwachsene die mich bemitleiden würden, darauf konnte ich gut verzichten. Manchmal dachte ich schon daran wie es wohl wäre eine Mutter zu haben, ich kannte es nicht, denn mein Vater hatte nie eine andere als meine Mutter. Ihn schien es nicht zu stören und mich im Moment auch nicht, so müsste ich ihn teilen und das obwohl er schon so wenig zeit für mich hatte. „Das freut mich, ja ich konnte schon früher fliegen und ich wollte ja wissen wie es meiner Prinzessin geht! Magst du was essen gehen?“. Ich sah ihn kurz fragend an. „Ja warum nicht.“ Ich musste kurz lächeln. Er nannte mich seit ich klein war Prinzessin und das hörte wohl auch nie auf. Vielleicht frage ich ihn heute mal wieder über meine Mutter aus. Ich wusste sowenig von ihr, dass es weh tat. Ich wusste nicht mal wie sie aussah, aber ich hatte meinen Vater auch nie wirklich drauf angesprochen weil ich wusste wie weh ihm dieses Thema tat. Aber es kann ja auch nicht sein das ich überhaupt nichts von ihr wusste ausser ihrem Namen, Mary. Er fragte mich noch ob ich es alleine schaffte oder ob er mir helfen sollte. „Meine Hände tun schon ganz schön weh, wenn es dir nichts aus macht kannst du mich fahren.“ Er nickte und legte seine Hände an die Griffe und fuhr mich durch die Flure. „Wie geht’s Milo? War mich schon lange nicht mehr besuchen“, damit meinte ich meinen grossen Bruder. „Ach dem geht’s relativ gut, er ist mitten in den Prüfungen, ich soll dir liebe grüsse ausrichten. Er wird bald wieder vorbei schauen.“ Ich nickte nur daraufhin und sah auf meine Füsse. „Solange er nicht vergisst mich irgendwann von hier abzuholen, ich muss endlich aus diesem Knast hier raus.“ Kurz lachte mein Vater auf aber dann wurde er gleich wieder ernst. „Du musst noch etwas hier bleiben Prinzessin, es ist nicht einfach, ich weiss, aber nur hier können sie dir helfen. Du kannst hier trainieren, es ist wichtig das du drann bleibst und nicht aufgibst, aber wem sag ich dass, du weisst schon was ich mein.“ Wieder nickte ich und mir entglitt ein seufzen. „Okay Dad.. Aber lange halte ich es hier trotzdem nicht mehr aus. Die ganzen Leute hier sind so top motiviert das ich kotzen könnte.“ Wieder hörte ich ein lachen seinerseits und er flüsterte mir ins Ohr: „Das wird schon, sei stark“. Er hatte leicht reden, so wie ich ihn kannte flog er in 2 Tagen wieder weg und ich war wieder alleine hier. Ich liebte meinen Dad wirklich abgöttisch, dennoch war der abschied jedes mal schwer. Er rollte mich an den Tisch ran und ich sah wie er sich setzte. „Na dann essen wir.“ Ich nickte und zog die Karte aus dem Plastikständer und blätterte durch. Dann kam die Bedienung und ich bestellte mir einen Teller Nudeln mit Pesto. Mein Vater ebenso und wir legten die Karten zurück. „Sag mal Dad, ich weiss ich frag dich kaum danach, aber wie war meine Mutter so? Mir ist hier oft langweilig das ich oft daran denke, was sie wohl in meiner Situation getan hätte, und wie sie wohl aussah.“ Ich versuchte aus dem Blick meines Vaters schlau zu werden, er erstarrte kurz und nach ein paar Sekunden kam sein warmes lächeln wieder zurück und er fing das erste mal an wirklich was von meiner Mutter zu erzählen: „Weisst du Elena, du bist eigentlich genau so wie deine Mutter es war, aufgedreht, quirlig und ein riesen grosser Tollpatsch. Sie würde wohl nun bei dir sein und dir Mut machen, dass alles wieder so kommt wie du es dir wünscht. Sie würde nicht von deiner Seite weichen und würde einer ihrer Geschichte erzählen, bei denen man einfach nur lachen kann.“ Ich sah zu ihm und lauschte seiner Stimme. Es war schön zu hören wie meine Mutter war und es machte mich irgendwie auch ein bisschen stolz, dass ich ihr so ähnlich war. Mein Vater kramte in seinem Geldbeutel herum und legte etwas auf den Tisch. Es war ein Foto. „Dad? Da ist doch nicht?“ er nickte und ich strahlte. Es war mein erstes Foto von meiner Mutter. Ich nahm es vorsichtig in die Hände und faltete es auseinander. Wow, sie war eine wunderschöne Frau. Und ich musste gestehen ich sah ihr sehr ähnlich. „Wow.“ Meinte ich leise und erwischte mich dabei wie ich über meine nassen Augen strich. Ich wollte jetzt nicht weinen. Mein Vater nahm mich in den Arm und ich lehnte mich an ihn und seufzte leise. „Danke für das Foto.“ Ich lächelte ihn an und er nickte. „Kannst es behalten.“ Ich strahlte und sah das Foto noch einmal an und steckte es ein. Das erste Mal seit Jahren beschlich mich ein komisches Gefühl. Es war wärme die sich in mir breit machte, endlich wusste ich wenigstens wer ich bin. Mein Vater ass noch mit mir und verabschiedete sich dann, er musste noch arbeiten. Ich konnte es ihm nicht verübeln, schliesslich lebten mein Bruder und ich davon. Ich rollte in mein Zimmer und wurde von einem Pfleger in das Bett gehoben. Ich deckte mich zu und starrte an die Decke. Mein eigenes Zimmer wäre mir tausendmal lieber. Gerade als ich dachte ich könnte einschlafen vibrierte mein Handy auf dem Nachttisch. Ich streckte meinen Arm aus und nahm das Handy. Es war Connor, mein bester Freund. Was er wohl so spät noch wollte? „Heeey, endlich eine Stimme die mich nicht verrückt macht!“, redete ich drauf los. Ich hörte ein leises lachen und dann endlich seine Stimme. Connor konnte mich leider sehr selten besuchen da es seine Eltern ihm verboten. Sie dachten es wäre für ihn eine zu grosse Belastung mich so zu sehen und er solle doch warten bis ich wieder gehen könnte. Da fühlte man sich sofort besser wenn man sowas wusste oder? Nicht. „Hey kleine, na alles klar bei dir? Du ich versuch mir morgen irgendeine Ausrede einfallen zu lassen damit ich dich besuchen kommen kann ja? Ich vermiss dich.“ Ich musste lächeln, wie sehr ich meine Freunde vermisste. Die Klinik war auch ganz schön weit weg von meinem zu Hause und somit schwer für meine Freunde irgendwie hier her zu gelangen. „Ich würde mich tierisch freuen wenn du kommen könntest, es ist sowas von langweilig hier, das kannst du dir gar nicht vorstellen!“ es tat gut endlich wieder seine Stimme zu hören. Früher sahen wir uns jeden Tag in der Schule und nun wollten wir an dasselbe Collage, doch der Unfall machte mir einen strich durch die Rechnung. Er war ein Bruder für mich und wir machten einfach alles zusammen. „Okay ich versuch mein bestes, wenn ich morgen bei dir bin, machen wir erstmal eine runde durch den Park und vielleicht können wir auch einen unbeaufsichtigten Moment nutzen um in die Stadt zu fahren.“ Er war der beste Freund den man sich wünschen konnte. „Ich danke dir! Ja ein bisschen Ablenkung wäre echt toll.“ Es gab hier eine kleine Stadt in der Nähe, aber man durfte das Klinikgelände nicht verlassen und wenn nur mit einem Familienmitglied. „Gut ich melde mich morgen bei dir, schlaf gut kleine!“ hörte ich von ihm und ich wünschte ihm auch eine gute Nacht, legte das Handy beiseite und schlief gut gelaunt ein.

 

Spass muss sein

Ein neuer Tag begann und ich bekam eine SMS von Connor das es heute klappte und er in einer Stunde bei mir wäre. Ich freute mich schon total. Zum Glück hatte ich heute einen freien Tag und somit konnte ich den Tag in vollen Zügen mit meinem besten Freund geniessen. Mithilfe eines Pflegers konnte ich mich duschen und sass ca. eine halbe stunde später in meinem Rollstuhl. Ich hatte mir die Haare gemacht und trug noch gerade mein Lipgloss auf als es schon an der Tür klopfte. „Komm rein!“ Rief ich und da ging die Tür schon auf und Connor war zu sehen. Er kam sofort auf mich zu und hatte eine Rose in der Hand. „Ach du alter schleimer.“ Ich lachte und freute mich ihn zu sehen. Wir umarmten uns und er war so lieb und stellte mir die Rose ins Wasser. „Können wir?“, fragte er ich und ich nickte. „Liebend gern.“ Er legte seine Hände an die Griffe und schob mich durch den Flur. Wir nutzten die Frühe Morgenstunde um im Park bisschen spazieren zu gehen. „Was hast du deinen Eltern diesmal aufgetischt?“ fragte ich ihn grinsend. „Ach sie wollten heute wandern gehen und ich fühlte mich heute einfach nicht dazu in der Lage mit zu gehen.“ Er hustete künstlich und ich musste grinsen. Er brachte mich jedes Mal zum lachen. Er schlenderte mit mir durch den Park und hielten bei einem Teich. „Sag mal Elena, wann kommst du den hier endlich raus?“, fragte er mich woraufhin ich gedankenverloren auf den Teich sah. „Keine Ahnung, wenn es nach mir gehen würde schon heute.“ Er nickte mitfühlend und ich stupste mit meiner Faust gegen seine Schulter. „Na komm du Esel, nutzen wir die Möglichkeit um hier abzuhauen.“ Er nickte sofort und wir steuerten den Ausgang vom Klinikgelände an. Gott sei Dank war heute nicht viel los und es schien niemandem aufzufallen das wir unbefugt das Gelände verliessen. Bald waren wir schon in der kleinen Stadt und Connor steuerte meinen Rollstuhl Richtung Eisdiele. „Du kennst mich wirklich besser als jeder andere.“ Meinte ich und er setze sich neben mich auf einen Stuhl. „Na klar doch, sooo und was essen wir für eis?“ Da wir uns beide nie entscheiden konnten bestellten wir einen Überraschungsbecher für zwei. Während wir warteten brachte mich Connor auf den neusten Stand der dinge. „Also Lilly ist nun schon eifrig am packen fürs Collage was natürlich Tyler überhaupt nicht gefällt. Du weisst ja noch das die beiden eigentlich ins selbe Collage gehen wollten, aber Tyler hat die Aufnahmeprüfung vermasselt. Somit geht nun Lilly ohne ihn dort hin und Eifersucht ist ja schon mal vorprogrammiert.“ Ich musste lachen „oh ja das kann ich mir denken, die zwei klebten ja die ganze zeit zusammen.“ Er nickte und ich dachte an mein altes Leben ohne Rollstuhl. „An was denkst du?“ fragte er mich und riss mich somit aus meinen Gedanken. „Ach an die zeit die wir zusammen verbracht hatten, bevor ich an dieses Ding gefesselt wurde.“ Er nahm meine Hand in seine und drückte diese kurz. Ich sah ihn dankbar an und dann kam schon unser Eis und wir fingen beide an zu essen. „Wie geht es eigentlich… Dave?“ Connor verschluckte sich und hustete die ganze zeit. Ich versuchte so gut es ging ihm auf den Rücken zu klopfen. „Danke, naja also von ihm hab ich nicht wirklich viel gehört.. Ich weiss nur das er ziemlich stress zu hause hat wegen der Sache.“ Ich seufzte leise. Ich war schuld das er nun soviel stress hatte. Wäre ich an dem Abend bloss zu Fuss nach hause gelaufen. „Du hast keine Schuld Elena. Er hat sich ja nicht verletzt.. Während du..“ er sprach nicht weiter und ich nickte nur. „Jaja ich weiss.. aber trotzdem hab ich den Wagen gefahren und ihn in Gefahr gebracht.“ Kurz sah ich die Bilder vor meinen Augen. Ich kniff die Augen sofort zusammen und weg waren sie wieder. Da klingelte schon mein Handy und ich sah aufs Display. Ich hob ab und an der anderen Leitung war Milo, mein Bruder. „Hey Schwesterherz, die Klinik hat mich grad angerufen, wo bist du verdammt? Du sollst doch das Gelände nicht einfach so verlassen, bist du nun total verrückt geworden?“ Ich brummte nur etwas und meinte dann: „Meine Güte darf ich nicht mal spass haben? Ich sitz doch eh schon in dem verfluchten ding, da kann ich mich doch auch mal ein bisschen vergnügen oder?“ zischte ich ihn durch das Handy an. Er seufzte nur und ich meinte dann: „Keine sorge ich geh schon wieder zurück, mach dir keine sorgen.“ Er bedankte sich bei mir und legte auf. Ich sah zu Connor und verzog das Gesicht. „Unser Ausflug ist wohl aufgeflogen.“ Er sah etwas traurig drein und ich wuschelte ihm durch seine Haare. „Na komm wir müssen.“ Wir bezahlten das Eis und danach machten wir uns auf den Weg zurück in die Klinik. Als wir von weitem schon die aufgebrachten Pfleger und Ärzte sahen stoppte ich kurz den Rollstuhl und sah zu meinem besten Freund. „Geh ruhig, sonst bekommst du noch ärger.“ Er nickte und gar mir einen Kuss auf die Wange. Lächelnd sah ich ihm nach und brachte den Rollstuhl zum rollen. Ich musste mir so einiges anhören aber am ende waren alle froh das ich wieder aufgetaucht war. Sie machten mit bereit fürs Bett und ich legte mich hin und starrte wieder an die Decke. Kurzerhand schrieb ich Connor eine SMS: „Danke für den heutigen Tag, es war schön dich mal wieder zu sehen. Deine Elena.“

Ich legte das Handy weg und schloss die Augen. Es war ein anstrengender Tag gewesen.

Ein untypischer Tag

Es war 8 Uhr in der Früh, als ich langsam aber sicher munter wurde. Die Tage vergingen hier sehr langsam und jeden Tag hoffte ich etwas Positives von den Ärzten zu hören, aber keine Chance, bis jetzt bekam ich täglich nur ein: „Guten Morgen Miss Rollny, wie geht es Ihnen heute?“, ich konnte es nicht mehr hören. Es wäre mal was wenn ich hören würde: Miss Rollny, Sie können uns verlassen, Sie haben Große Fortstritte gemacht!“. Aber leider war dies nur mein Wunschdenken. Langsam streckte ich mich um an den Knopf zu kommen, damit mir jemand aus diesem verfluchten Bett half. Als ich gedrückt hatte dauerte es ca. 5 Minuten und eine Pflegerin kam durch die Tür. „Morgen“, rief sie fröhlich und pfiff vor sich hin. Ich verdrehte nur meine Augen, wie konnte jemand um diese Uhrzeit so gutgelaunt sein? Klar, sie musste auch nicht hier rumliegen oder in dem Ding da sitzen. „Morgen“, murre ich leise vor mich hin und sah zu ihr, sie half mir ins Bad zu kommen, duschen schaffte ich mittlerweile alleine. Sie setzte mich danach in den Rollstuhl, wünschte mir einen wundervollen Tag und verschwand. Den Kopf schüttelnd, starrte ich ihr hinterher. Diese Laune war kaum auszuhalten. Ich rollte zum Fenster und sah raus. Die Sonne strahlte und es schien sehr warm zu sein. Meine Freunde waren sicherlich im Schwimmbad bei dieser Hitze. Selbst wenn ich bald nach Hause konnte, ich saß immer noch in dem Ding fest und konnte nicht einfach mein Leben weiterleben. Ich konnte nicht einfach sagen, so, nun geh ich ins Schwimmbad. Seufzend fuhr ich mir über mein Gesicht und sah mein Spiegelbild in der Scheibe an. Ich sah echt fertig aus. Vielleicht sollte ich mir mal Schlaftabletten verordnen lassen, dann könnte ich mal wieder richtig durchschlafen. Die Augenringe waren kaum zu übersehen und auch sonst war ich sehr bleich. Ich strich mir durch meine schwarzen langen Haare und hörte mich wieder seufzen. Ich wollte hier raus.

Kurz hob ich den Kopf als es an meiner Tür klopfte. „Ja?“, fragte ich verwundert, denn ich hatte mit besuch nicht gerechnet. „Ich bin es Prinzessin!“, hörte ich meinen Vater rufen. Ich rollte mich Richtung Tür und streckte mich zur Türklinke hoch damit ich ihm die Tür öffnen konnte. „Danke dir, du ich wollte dir was sagen“, meinte er und ich legte meinen Kopf leicht schief. „Was, wenn ich fragen darf?“ Mein Vater sah zu Boden und ich schluckte schwer. Was wollte er mir sagen? Das ich nie wieder gehen werde? „Also ich hab mit der Klinikleitung geredet, wenn du nicht bald Fortstritte machst, wird es nichts mehr.“ Er sah auf meine Beine und ich schluckte schwer. „Geh..“ , sagte ich flüsternd und sah das er noch immer da stand. „Hau ab!“, schrie ich ihm nach und nahm das Kissen vom Bett und warf es nach ihm. Er entschuldigte sich bei mir und meinte wenn ich reden möchte könnte ich ihn jederzeit anrufen. Na toll.. Ich wollte doch verdammt noch mal nicht den Rest meines Lebens in diesem Ding hier verbringen. Als mein Vater endlich weg war konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich wollte wieder gehen können, aber wenn es doch so aussichtslos war. Wieder liefen mir erneut Tränen über die Wangen. „Scheisse verdammt.“ Schrie ich durch mein Zimmer und klopfte mit meiner Faust auf meine Beine. „Wacht doch endlich auf ihr verfluchten Dinger!“. Weinend klopfte ich weiterhin mit meinen Fäusten auf meine Beine, klar wusste ich es würde nichts bringen aber ich hatte große Angst davor immer in diesem Ding sitzen zu müssen.

 

Eine Stunde sass ich weinend da und bemitleidete mich selbst, ehe ich mich endlich zusammenriss und mithilfe des Make Ups versuchte mein verweintes Gesicht zu verstecken. Ich hatte hunger und wollte was essen gehen. Ich rollte den Flur runter bis zum Fahrstuhl und fuhr runter zum Restaurant. Als ich gerade aus dem Fahrstuhl rausrollen wollte, stiess ich mit einem anderen zusammen. „Kannst du nicht aufpassen?“, hörte ich von dem Jungen gegenüber. „Pff, du solltest wohl besser aufpassen, ich wollte nur aus dem Fahrstuhl raus.“ Meinte ich zickig und sah ihn an. Aber irgendwie musste ich dann doch schmunzeln, das erste Mal das ich hier jemand kennenlernte der nicht so übertriebene gute Laune hatte und wohl genauso angepisst war in dem Ding zu sitzen wie ich. „Ich bin Elena.“ Stellte ich mich vor und wartete bis er seinen Namen nannte. „Ich bin Joey. Und nun verpiss dich.“ Ich sah ihn mit offenem Mund an. „Kannst mich mal!“, fuhr ich ihn an ehe ich weiter rollte, Richtung Restaurant. Ich rollte an einen Tisch und sah mich um, es war kaum jemand um diese Uhrzeit hier unten, Mittagszeit war schließlich erst in 2 Stunden. Kurz blickte ich in die Karte und bestellte mir dann Lasagne, mein absolutes Lieblingsessen. Als ich aufsah saß plötzlich dieser Joey bei mir. „Ich dachte ich soll mich verpissen?“, fragte ich ihn und legte meinen Kopf schief. „Ja sorry wegen vorhin.. Ich wollte dich nicht so anpflaumen.“ Kurz hob ich eine Augenbraue und musste dann grinsen. „Schon okay, ich versteh dich nur zu gut, ich bekomm auch immerzu schlechte Laune in dem Ding.“ Und zeigte auf den Rollstuhl. Er nickte bloß und sah gedankenverloren zum Fenster. „Wie lange bist du schon hier?“, fragte er mich plötzlich. „3 Wochen. Und jeden Tag aufs Neue hoffe ich endlich hier raus zu können.“ Er nickte. „Ich bin erst seit gestern hier.“ Kurz sah ich ihn wieder an. Er hatte blonde Haare und leuchtende blaue Augen. „Oh ja die erste Zeit ist es echt zum kotzen hier.“ Musste ich grinsend feststellen und dann hörte ich: „naja nicht wenn man so jemanden wie dich trifft.“ Daraufhin wurde ich knallrot im Gesicht und lächelte ihn an. „Ehm.. eh .. Danke.“ Stotterte ich vor mich hin. Kurz war beklemmendes schweigen ehe Joey meinte das er leider los musste, da seine Eltern zu Besuch kamen. „Mhm ja kein Problem, man sieht sich.“ Sagte ich zum Abschied. Er nickte noch und rief mir seine Zimmernummer zu, ich notierte diese auf einer Serviette und steckte sie in meine Jogginghosen. Vielleicht wurde es ab jetzt doch nicht mehr so langweilig hier. 

 

 

 

 

Dieser Name ging mir den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kopf. Joey schien nicht so zu sein wie alle andern hier, das hatte ich sofort bemerkt. Vielleicht konnte ich mich mit ihm anfreunden? Ich nahm mir vor nach dem Training bei seinem Zimmer vorbei zu schauen. Wer weiß, vielleicht freute er sich ja. Als die Trainerin mit ihren Übungen fertig war, war ich leicht aus der Puste, da ich heute wirklich versucht hatte mich anzustrengen und mitzumachen, dass hatte auch meine Trainerin gemerkt und mich gelobt. „Ich will ja wieder gehen können.“ Erwiderte ich nur darauf und verschwand dann. Ich kramte die Serviette wieder aus meiner Hosentasche und checkte die Zimmernummer. 430, das müsste ganz oben sein. Ich rollte zum Aufzug und drückte die 4. Als ich oben angekommen war rollte ich raus und sah zuerst nach links und dann nach rechts, müsste rechts sein. Ich fuhr durch den langen Flur und kam bei der 430 an. Als ich bemerkte, dass die Tür offen war und ein Arzt gerade bei ihm war, wollte ich gleich wieder abhauen, doch da hörte ich schon Joey meinen Namen rufen. Der Arzt drehte sich um und sah zu mir: „Ich bin sowieso fertig.“ Ich nickte und rollte in das Zimmer von Joey. Er lag schon im Bett und schien ziemlich fertig zu sein. „Was hat der Arzt gesagt?“, fragte ich ihn und er zuckte mit den Schultern. „Diese Arztsprache versteht ja eh kein Mensch.“ Daraufhin musste ich kichern und wurde wieder leicht rot. Als ich mich so umsah entdeckte ich ein Skatebord und Fotos auf der Kommode. „Oh kannst du fahren?“ Fragte ich ihn interessiert und er nickte bloß. „Konnte.“ Ich hätte mich selbst Ohrfeigen können für diesen Spruch, ich müsste es ja wissen, ich saß schon länger in diesem Ding als er, und hatte mir oft solche Sprüche anhören müssen. „Sorry.“ Er winkte ab und meinte dann: „Macht nichts, sitzen ja beide im selben Boot.“ Ich nickte wieder und seufzte. „Was meint der Arzt bei dir, kannst du bald wieder gehen?“ Er sah mich eine längere Zeit an ehe er nickte und meinte: „Anscheinend könnte ich, wenn ich meine Blockade im Kopf lösen kann bald wieder gehen.“ Ich sah zu ihm. „Ist doch eine gute Nachricht!“ und rollte neben sein Bett. „Das wird schon.“ Er lächelte mich an und fragte mich ob wir zusammen einen Film schauen wollten. Da ich heute eh nichts mehr an Besuch erhielt und mir sonst nur langweilig war stimmte ich zu einem gemeinsamen DVD Abend zu. Er drückte die Klingel und befahl der Pflegerin welchen Film sie in den DVD Player stecken sollte. Sie half mir kurz noch auf das Bett von Joey, da es so einfach bequemer war und ich mir nichts dabei dachte. Wir saßen nebeneinander auf dem Bett und schauten vertieft in den Plasmabildschirm.  

 

 

Ich merkte wie Joey eingeschlafen war, da er sich bei mir angelehnt hatte und sein Kopf auf meiner Schulter lag. Der Film war zu Ende und ich wollte wieder in mein Zimmer, hier zu schlafen wäre seltsam gewesen, so lange kannte ich Joey nun auch noch nicht. Ich versuchte ihn von mir wegzuschieben, und hoffte dass er nicht wach wurde. Ich sah zum Rollstuhl neben seinem Bett. Die Pfleger hatten zwar auch Nachtdienst aber dann würde Joey wach werden. Langsam versuchte ich mich aufzusetzen und ließ meine Beine vom Bett baumeln. Irgendwie musste doch zu schaffen sein. Langsam rutschte ich weiter von der Matratze, damit meine Füße langsam den Boden berührten. Ich spürte den Boden unter meinen Füssen, doch ich hatte keine Kraft um stehen zu bleiben und sackte zusammen und knallte mit dem Kopf auf den Boden. Sofort hörte ich die Stimme von Joey. „Elena, was tust du denn da? Warum hast du nicht geklingelt!“, ich sah zu ihm hoch und stammelte: „ich wollte ich nicht wecken, tut mir leid.. ich dachte ich schaff das.. Aber ich das wird nie was.. ich werde für immer in diesem ding sitzen müssen.“ Sofort kullerten wieder Tränen über mein Gesicht. Ich merkte zuerst gar nicht, dass Joey Licht machte und mich besorgt ansah. „Hey.. es wird schon. Du kannst keine Wunderheilung erwarten. Und jetzt drück ich die Klingel, ich lass dich da doch nicht am Boden versauern.“ Er grinste mich an und kurz tat ich es ihm gleich. Als eine Pflegerin ins Zimmer kam erschrak sie als sie mich am Boden sah und lief sofort zu mir. „Alles okay? Du blutest ja!“, ich merkte erst jetzt das ich durch den Aufprall Nasenbluten bekommen hatte. Sie gab mir ein Taschentuch und half mir in den Rollstuhl. Mein Blick fiel zu Joey. „Nacht.“ Er hob die Hand zum Abschied und meinte: „Schlaf gut.“ Ich lächelte kurz und wischte mit dem Taschentuch einige Male über meine Nase. Die Pflegerin war so lieb und fuhr mich zurück in mein Zimmer. Der Schock saß mir noch in den Knochen. Sie half mir mich bettfertig zu machen und hob mich dann aufs Bett. Ich kuschelte mich in die Decke und sah auf mein Handy das neben dem Bett lag. Eine SMS von meinem Vater:

 

 

Hallo meine Prinzessin, ich hoffe es geht dir wieder besser! Ich muss leider morgen schon abreisen, pass auf dich auf! In liebe dein Dad

 

Na toll, von wegen ich konnte ihn jederzeit anrufen. Genervt legte ich das Handy weg und versuchte zu schlafen. 

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Tag der Veröffentlichung: 01.06.2014

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