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Liebe? Fehlanzeige!

Die Sonne strahlte kraftvoll und brachte das Grün der Bäume im Stadtgarten zum Leuchten. Misaki saß auf einer rot-weiß-karierten Picknickdecke und blickte auf den See hinaus, in dem sich die Sonne spiegelte. Es war ruhig auf dem Wasser. Einige Enten brachten ein wenig Bewegung auf den See. Weniger als einen Meter von ihr saß Momo, der über einem Geschichtsbuch lehnte. Sie waren gemeinsam hergefahren, um für die nächste Klausur in der Schule zu lernen.

Misaki löste den Blick von dem großen See und drehte sich zu Momo. Einige Zeit beobachtete sie ihn still. Immer wieder wehte der Wind ihm Strähnen aus seinem schwarzen Haar in das Gesicht, die er unermüdlich versuchte zu bändigen. Seine Haut war blass, obwohl Momo eigentlich oft draußen war und viel Sport an der frischen Luft trieb.

Er blättere um, schrieb ein paar Notizen in seinen Collegeblock. Irgendwann sah er auf. Er lächelte. »Willst du nicht auch lernen? Du sitzt nun schon seit einer halben Stunde faul rum.«

»Man muss auch mal eine Pause machen!«, wehrte sie sich. »Das Wetter ist zu schön zum Lernen.«

»Da hast du recht«, stöhnte Momo und klappte das Buch zu.

Nur wenig später ließ er sich rücklings auf die Decke fallen und sah in den Himmel über sich. »Da hat es endlich aufgehört zu regnen und wir verbringen den ganzen Tag damit zu lernen, was?«

Der Wind frischte auf und vom Kirschbaum neben ihnen segelten einige Blütenblätter hinab. Eines davon landete Mitten auf Momos Stirn.

»Warte, ich mach schon.« Misaki beugte sich über ihn und nahm das zarte Blatt zwischen ihre Finger, ehe sie es in die offene Hand legte und hinfort pustete.

Es herrschte einige Minuten Stille zwischen ihnen, ehe Momos Stimme erneut ertönte: »Hey, Misaki. Es gibt da etwas, das ich dich fragen wollte …«

Momo richtete sich auf und hockte sich im Schneidersitz vor sie hin. Seine hauchroten Wangen und die Tatsache, dass er peinlich berührt ihrem Blick auswich, konnte nur eine Sache bedeuten. Auch Misakis Wangen begannen nun, zu glühten, und ihr Herz schlug wie verrückt. Sie blickte in die tiefblauen Augen von Momo, in denen sie jedes Mal wieder aufs Neue versinken konnte.
Würde er es jetzt sagen?

Würden ihre Träume nun endlich wahr werden?

Sie kannte Momo nun seit zwölf Jahren, seit dem Kindergarten waren sie unzertrennlich, doch in der letzten Zeit, da hatte Misaki gespürt, dass ihre Gefühle zu Momo sich veränderten. Aus Freundschaft war Liebe geworden. Sie hatte begonnen sich eine gemeinsame Zukunft mit Momo auszumalen. Er war der Mann, mit dem sie zusammenleben wollte. War es auch ihm so ergangen? Würde er sie nun fragen, ob sie mit ihm ausgehen würde?

»Ja?«, krächzte sie hervor.

Momo spielte mit dem Ärmel von seinem langärmligen T-Shirt. »Die Sache ist die … wie soll ich … na ja, einem Mädchen meine Liebe gestehen?«, stammelte er.

Misaki Herz begann immer schneller zu schlagen und sie spürte, wie sie innerlich immer aufgeregter wurde. Sie begann damit eine Haarsträhne mit ihrem Zeigefinger aufzurollen. »Ein Mädchen, das du magst?«

»Äh, nein … mein Freund, genau mein Freund hat mich das gefragt.« Momo lachte auf und seine langen Finger lösten sich vom Stoff des T-Shirts und wanderten stattdessen auf die Picknickdecke, wo er begann einzelne Bluten herunterzupicken. »Ich habe gesagt, dass ich ein Mädchen fragen werde, das ich ganz gut kenne …«

Sicher, für deinen Freund‹, dachte sie. ›Er ist so verdammt süß, wenn er schüchtern ist.‹

»Er könnte ihr einen Brief schreiben«, antwortete Misaki. »Obwohl … heutzutage ist es besser, wenn man einfach hingeht und es dem Mädchen sagt …«

»Einen Brief? « Momo nickte eifrig. »Funktioniert so was überhaupt mit einem Mädchen, dass du jeden Tag siehst?«

Ja, komm schon! Genau, sag es einfach frei heraus! Am besten sofort!‹

Doch Momo sagte es ihr nicht. Er bedankte sich stammelnd für den Ratschlag und erklärte dann, dass es nun an der Zeit wäre, sich wieder dem Lernen zu widmen.

 

Ich warte darauf, dass du mir deine Liebe gestehst …

 

»Misaki, warte!«

Seit ihrer Unterhaltungen im Park, waren inzwischen zwei Tage vergangen und endlich schien die Zeit gekommen zu sein. Misaki drehte sich herum und erblickte Momo, der einen rosa Briefumschlag in seiner rechten Hand trug und auf sie zukam.

Es ist so weit!‹, schrie ihr Herz. ›Der Tag ist endlich hier!‹

Momo stand nun direkt vor ihr. Seine Wangen waren rot angelaufen und er drehte den Umschlag nervös in seiner Hand. Es kam ihr wie Stunden vor, ehe er endlich den Mut aufbrachte, mit ihr zu sprechen und dann dass …

»Kannst du den Brief Anko geben?«

»Eh?«

Sie musste sich verhört haben. Das konnte nicht wahr sein. Momo würde doch nicht Anko ihr vorziehen. Sie bezweifelte, dass man mit Anko so viel Spaß haben konnte wie mit ihr. Sie kannten sich doch schon so lange, sie waren Seelenverwandte.

»Misaki?«

Momo wedelte mit seiner Hand vor ihrem Gesicht herum.

»Wie? Was?« Sie lachte verlegen. »Ich habe gerade nicht zugehört …«

Momo streckte den Brief nach ihr aus und sie sah auf seine zitternde Hand. »Ich habe gefragt, ob du ihn Anko geben könntest. Ich … ich glaube, dass ich das nicht schaffe. Ich bin wohl nicht mutig genug.«

Misaki stand da und sah auf den Brief in seiner Hand. Es war gar nicht um sie gegangen? Momo hatte über ein anders Mädchen geredet? Misaki lachte auf, als sie begriff, dass sie zum Nebencharakter in ihrer eigenen Liebesgeschichte geworden war …

 

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Tag der Veröffentlichung: 15.06.2017

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