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Ava & Andrew

„Hör zu Andrew ich muss jetzt wirklich los!“ sagte ich und ging weiter den Schulkorridor Richtung Ausgang entlang. Ich war den Tränen nahe und wollte nicht anfangen ausgerechnet vor Andrew zu weinen. Das hatte mir gerade noch gefehlt.

„Jetzt warte doch mal Ava! Was ist den bloß los mit dir?“ und bewies mir so, dass er sich nicht so einfach abschütteln ließ. Er war nun mal ein verdammter Sturkopf und brauchte für alles eine Erklärung, dass er nicht verstand.

Jedoch war diese eine Sache, die er unbedingt wissen wollte, etwas, dass er unter keinen Umständen erfahren durfte.

„Ava verdammt noch mal! Ich habe dich doch nur gefragt, ob du mit mir, Olivia und Finn ins Kino gehst! Und anstatt mir ein Einfaches ja oder nein als Antwort zu geben, schaust du wie ein Massenmörder und gehst einfach.“

„Sag doch gleich, dass es so einfach ist. Nein, Andrew ich gehe nicht mit. Ich wünsche dir viel Spaß und schöne Ferien. Tschüss.“ sagte ich sarkastisch und konnte nur schwer die aufkommende Eifersucht unterdrücken. Andrew seufzte und rieb sich die Schläfen. „Ich versteh es einfach nicht. Was ist denn auf einmal in dich gefahren? Willst du wirklich die gesamten Ferien nicht mit mir reden? Immerhin sind es unsere letzten Sommerferien bevor wir unser Abi machen.“

Es war zwecklos, belügen konnte ich ihn nicht und die Wahrheit sagen konnte ich auch nicht. Ich wusste das der einzige Weg ihm nicht die Wahrheit zu sagen, bedeuten würde ihn zu verletzen, damit er diese gesamte Situation vergaß, in die mich meine Eifersucht auf Olivia gebracht hatte. „In mich ist überhaupt nichts gefahren Andrew. Nur im Gegensatz zu manch anderen Leuten, möchte ich ein gutes Abitur schreiben und kann daher deinen schlechten Einfluss auf mich nicht weiter zulassen.“ Das hatte gesessen, ich sah es ihm genau an und bereute meine Worte augenblicklich. Wir waren erst seit einem Jahr befreundet, in dem er sehr viel getan hatte, um das Abitur zu schaffen. Er hatte immer gesagt, dass ich die einzige wäre, die überhaupt an ihn geglaubt hatte und ihm nie Faulheit vorgeworfen hatte oder ihn jemals dumm genannt hatte. Es war auch nie eine Lüge gewesen, denn er war einer der schlausten Menschen, die ich kannte, nur die Schule lag ihm nicht.

Hier war ich nun, ich hatte meinen besten Freund zu tiefst verletzt, weil ich ihm meine Gefühle nicht gestehen wollte und er schaute mich an mit zusammengekniffenen Lippen und geballten Fäusten. Das würde er mir nie verzeihen, das wusste ich und bevor ich nun doch mit Weinen anfing, drehte ich mich um und ging.

 

Drei Wochen waren mittlerweile vergangen, in denen ich nichts von ihm gehört hatte. Ich begnügte mich damit, die Tage vor dem Fernseher zu verbringen und mich über die ein oder andere RTL-Sendung aufzuregen. Okay, das war gelogen. Ich heulte mir die Augen aus, während ich für Bettina hoffte, dass ihr Ehemann sie doch nicht betrogen hatte und alles nur ein großes Missverständnis war. Tja, weder mir noch Bettina ging es am Ende der Folge besser, denn ihr Mann war ein Schwein und sie behauptete zwar sich nach der Scheidung besser zu fühlen, aber ich wusste, dass das nicht stimmte. Liebeskummer war nun mal scheiße. Als ich so dasaß, bemerkte ich vier Dinge. Erstens: Ich musste dringend mal wieder duschen. Zweitens: Schokolade war kein Grundnahrungsmittel und ich musste dringend mal wieder etwas vernünftiges essen. Drittens: So konnte das nicht weitergehen. Ich konnte mich nicht weiter bemitleiden, denn dann würde ich womöglich versuchen mich zu entschuldigen und es war besser für uns beide, wenn ich das nicht tat. Es war kein schöner Weg unsere Freundschaft zu beenden, aber letztendlich hatte es sein müssen. Und so rief ich viertens: meine Freundin Mina an und fragte sie, ob sie Lust hatte, heute Abend mit mir auszugehen. Wir verabredeten uns um neun in einer Bar ganz in meiner Nähe und so machte ich mich daran, mich ausgehfertig zu machen oder besser gesagt versuchte ich die verheulten Augen und die anderen Anzeichen meines Liebeskummers zu reduzieren.

 

Etwas zu spät kam ich an und betrat den gemütlich eingerichteten Raum. Mina saß bereits an der Bar und flirtete mit dem Kellner. So war sie nun mal, jeder andere Mensch hätte sie als Partylöwe bezeichnet, aber für mich war sie einfach lebenslustig. Sie ließ nie eine Möglichkeit verstreichen und trauerte den vergangenen Dingen nicht hinterher. „Hey du.“ begrüßte ich sie und ließ mich in eine schwungvolle Umarmung ziehen. „Hey! Schön das du da bist. Wir haben uns ja echt schon lange nicht mehr gesehen. Ich habe dir schon mal einen Gin Tonic bestellt, den magst du doch am liebsten, stimmts?“ Ich nickte nur und ließ mich neben ihr auf einen Stuhl fallen. „Na du siehst ja nicht wirklich so aus als hättest du Lust auf eine lange Nacht.“ sie betrachtet mich skeptisch. „Doch! Natürlich habe ich das, entschuldige bitte, ich habe aber bis eben noch an Schulaufgaben gesessen und die haben meine Laune in den Keller gezogen.“ erklärte ich. Das war jedoch eine glatte Lüge und das wusste auch Mina, denn ich hatte Schulaufgaben schon immer bis zum letzten Moment vor mir hergeschoben erst recht in den Sommerferien. Glücklicherweise konnte sie jedoch nicht weiter nachhaken, denn jemand unterbrach unsere Unterhaltung. Das Ganze erschien mir jedoch nicht mehr ganz so glücksbringend, als ich begriff wer sich da einmischte. „Tja, so ist sie unsere Ava. Immer nur auf ihre guten Noten und Arroganz fokussiert.“ Kommentierte Andrew sarkastisch. Ich riss entsetzt die Augen auf und auch Mina wirkte nicht weniger erschrocken. „Andrew,“, sagte sie, „wieso sagst du sowas?“ „Das solltest du sie fragen! Ava ist nämlich ganz großartig darin Menschen beschissene Dinge an den Kopf zu knallen!“ Nicht die Wut in seiner Stimme, sondern die Enttäuschung ließen mich den Kopf senken. Ich schämte mich für das, was ich gesagt hatte und für meine Feigheit. Doch plötzlich war all das vergessen, als Olivia hinter ihm auftauchte und flüsterte: „Wir sollten jetzt gehen Andy.“ Das war zu viel, ich schnappte meine Sachen und verließ die Bar. Keinen Moment länger wollte ich die beiden zusammen sehen müssen. Tränen rannen über meine Wangen, ich hatte gewusst, dass er irgendwann eine Freundin haben würde, aber ausgerechnet Olivia? Ich hatte Olivia immer gemocht und sie konnte ja auch nichts dafür, immerhin ahnte sie nichts von meinen Gefühlen. Der einzige der davon wusste war Finn. Er würde mich verstehen, also rief ich ihn an.

 

„Finn, das hatten wir doch schon alles. Es geht nicht!“ sagte ich zum tausendsten Mal. „Hör zu Ava, betrachten wir es doch einmal ganz nüchtern. Der einzige Mensch, der einer Beziehung zwischen dir und Andrew im Weg steht bist du.“ „Das stimmt nicht und das weißt du Finn.“ Er schaute mich skeptisch an. „Doch es stimmt. Du hältst dich selbst davon ab ihm deine Gefühle zu gestehen, weil du zum einen denkst, dass du mit gerade einmal einem Jahr älter zu alt für ihn bist und weil du nicht glaubst, dass er deine Gefühle erwidert.“ erklärte er unumwunden. „Wer will denn bitte eine ältere Freundin? Es ist nun mal so, dass man immer komisch angeschaut wird! Und das will ich ihm nicht antun. Er würde es irgendwann bereuen und außerdem will er ohnehin nicht mit mir zusammen sein, sonst würde er nicht mit Olivia ausgehen.“ Ich seufzte und Finn legte sich neben mich auf den weichen Teppichboden. „Ach Ava, du solltest aufhören irgendwelche Probleme in deinem Kopf zu erschaffen, nur um dir nicht einzugestehen, dass du Angst hast. Liebe ist nun mal nicht einfach und wenn du es ihm nicht bald sagst, dann wirst du wahrscheinlich recht haben. Dann wirst du, meine Liebe, ihm nämlich dabei zu sehen müssen, wie er mit Olivia ausgeht und die beiden herumturteln.“ Ich stieß ihm mit dem Ellenbogen in die Rippen. „Wie aufbauend! Ich danke dir ja so sehr für deinen Rat.“ „Das ist kein Rat, das ist ein Versprechen, dass du es später einmal bereuen wirst.“ meinte er pragmatisch. „Ich kann es nicht. Es tut mir leid. Ich bin ein schrecklicher Mensch, nicht nur dass ich ihm diesen Mist an den Kopf geworfen habe, ich zwinge dich auch noch dazu deinen besten Freund zu belügen.“ murmelte ich geknickt. „Jetzt übertreib mal nicht. Nur weil er nicht gesehen hat, dass es dir schon seit sechs Monaten immer schlechter geht und er zufällig mein bester Freund ist, heißt das nicht, dass ich dich hängen lasse. Du zwingst mich hier zu gar nichts. Immerhin sind wir auch Freunde.“ „Danke Finn.“

 

Nachdem das Ausgehen ein voller Misserfolg war, verbrachte ich auch die letzten drei Wochen der Ferien zu Hause. Ich beschloss jedoch Andrew zu vergessen und die Tatsache, dass Olivia ihn Andy genannt hatte. Ich begann damit einen Umzugskarton mit allen Bildern und Erinnerungen von Andrew zu füllen. Schweren Herzens legte ich auch seine zwei Kapuzenpullis, die ich ihm geklaut hatte, mit hinein. Und als ich so alles entrümpelte, dachte ich an diese ganzen kitschigen Filme und wie sich die Frauen alle immer komplett veränderten. Ich hatte zwar nicht vor alles zu erneuern, aber eine neue Haarfarbe konnte nicht schaden. Ich hatte schon immer blonde Haare haben wollen und den Wunsch würde ich mir jetzt erfüllen. Nachdem ich also beim Friseur gewesen war, beschloss ich für diese Sommerferien genug getan zu haben. Die restlichen Tage verbrachte ich draußen im Garten und las oder hörte Musik. Meinem eigentlichen Ziel, Andrew zu vergessen, war ich kein Stück nähergekommen.

 

Ich hörte die Schulglocke klingeln, als ich das Gebäude betrat. „Mist, Mist, Mist!“ murmelte ich vor mich hin. Schon wieder einmal war ich zu spät und dass ausgerechnet am ersten Tag nach den Ferien. Ich sprintete in die dritte Etage und klopfte an die Tür des Klassenzimmers. „Ah, schön das auch du uns mit deiner Anwesenheit beehrst Ava. Wieder mal verschlafen?“ begrüßte mich Herr Andrè unser Chemielehrer. Ich nickte nur und betrat den Klassenraum. Scheiße, ich hatte ganz vergessen, dass ich in Chemie immer neben Andrew saß und ich anscheinend zwei Möglichkeiten hatte. Erstens: Mich vorne neben Andrew setzten und das ganze Jahr unerträglich angespannt und unkonzentriert zu sein. Oder zweitens: Ich setzte mich in die letzte Reihe und zog damit einen endgültigen Schlussstrich unter unsere Freundschaft. Jedoch würde sich dann jeder andere in diesem Raum wundern und sich fragen was vorgefallen war. Es würde eine Menge Gerüchte geben.

Da aber früher oder später ohnehin auffallen würde, dass wir nicht mehr miteinander redeten, beschloss ich, dass die letzte Reihe die bessere Wahl war.

 

Als ich dort meine Tasche abstellte, schauten mich alle verwundert an. Nur Andrew hielt seinen Blick starr nach vorne gerichtet. Besser so, denn so konnte er weder die Augenringe noch die leicht geschwollenen Augen sehen. Der Unterricht zog sich quälend langsam dahin und als es endlich klingelte sprang ich auf und schnappte mein Zeug, um möglichst schnell zu verschwinden.

Den restlichen Tag gelang es mir allen auszuweichen, nur Finn schaffte es mich nach dem letzten Klingeln abzufangen. „Ava!“ rief er. „Nun warte doch mal.“ Er rannte mir nach und holte mich am Ende des Gehwegs ein. Völlig außer Atem prustete er: „Meinst du wirklich, dass das die beste Idee ist? Dich zu verstecken?“ „Ja im Moment ist es das. Ich möchte einfach nur nach Hause.“ erwiderte ich gereizt. „Nun sag es ihm doch endlich. Verdammt noch mal! Du siehst scheiße aus und diese ganze Ausweichnummer macht das alles auch nicht besser. Rede doch wenigstens mit ihm, damit er es wenigstens versteht. Auch er ist ganz schön fertig, falls du das noch nicht bemerkt hast.“ Er seufzte und legte dann eine Hand auf meine Schulter. „Sag es ihm!“ meinte Finn noch einmal eindringlich. „Sag wem was?“ kam es von hinter meinem Rücken. Natürlich war es Andrew der dort stand. „Ich ähm…“ mein Blick hätte Finn nicht nur getötet, sondern in winzig kleine Stücke zerhackt. Der lächelte jedoch nur verschmitzt und behauptete: „Ich muss los. Bis morgen ihr beiden.“ Eilig ging er davon. Zögerlich drehte ich mich um. Anscheinend hat Finn recht, denn nicht nur ich hatte dunkle Augenringe. „Du siehst scheiße aus.“ rutschte es mir heraus. „Du auch.“ Nach kurzem Schweigen fügte er hinzu: „Der Sommer war ja auch nicht besonders schön.“ Eifersucht stieg in mir auf und so konnte ich mir einen bissigen Kommentar nicht verkneifen. „Hat Olivia etwa mit dir Schluss gemacht ANDY?“ „Olivia? Wieso sollte Olivia mit mir Schluss machen?!“ „Ihr seid also immer noch zusammen?! Du bist so ein Arsch Andrew! Na dann wünsche ich dir noch ein verschissenes Leben! Wie konnte ich mich nur jemals in einen Idioten wie dich verlieben, der nicht mal sieht, dass es mir scheiße geht! Du bist ein verdammter Mistkerl. Ich will dich nie wiedersehen!“ er blieb völlig unbeeindruckt von meinem Wutausbruch. Als ich am Ende angekommen war sagte er nur: „Du bist also in mich verliebt?“ Er hatte ein Pokerface aufgesetzt und so stammelte ich: „Nein! Doch…hm vielleicht.“ Ich senkte den Blick, denn seine Reaktion wollte ich nicht sehen. So lange hatte ich mich davor gefürchtet und nun war es mir einfach so rausgerutscht. Ich spürte wie sich eine Hand auf meine Wange legte. „Das ist gut denn ich liebe dich auch, Sunshine.“ Und dann küsste er mich und wie! Als wir den Kuss unterbrechen musste, um nach Luft zu schnappen, fiel mir plötzlich eine dringende Frage ein: „Und was ist mit Olivia?“ „Gar nichts, wir waren nie zusammen. Wir sind Freunde und deshalb habe ich sie gefragt, ob sie mit uns allen ins Kino kommt, damit sie und Finn sich unauffällig in ein Gespräch vertiefen könnten und ich dir endlich sagen kann, dass ich mehr als Freundschaft will. Du wolltest ja schon gar nichts mehr ohne Finn nur mit mir unternehmen und wenn er dabei war, hatten wir nie eine freie Minute. Olivia war dann so nett in den Sommerferien, sich meine Sorgen darüber dich verloren zu haben, anzuhören.“ Ich musste ganz schön verdattert geschaut haben, denn Andrew lachte nur und begann meinen geöffneten Mund mit seinem zu verschließen. „Übrigens die neue Frisur gefällt mir und in Chemie musst du ab sofort auch wieder mir sitzen.“ murmelte er an meine Lippen. „Sei still und küss mich Andrew!“

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Tag der Veröffentlichung: 17.02.2018

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