„Niemand ist so reich, sich seine Vergangenheit zurückzukaufen.“ (Oscar Wilde)
Hier stand ich also nach 6 Jahren, mutterseelenallein in meiner Heimatstadt. Als ich in den Flieger gestiegen war, hatte ich Panik bekommen. Doch seit ich wieder italienischem Boden stand, verschwand diese. Niemand wusste, das ich zurückgekehrt war, nach allem was geschehen ist, hatte ich es nicht einmal selbst geglaubt. Aber ich vermisste meine Familie, sie waren schließlich nicht schuld an dem was geschehen war. Soweit ich von der Polizei erfahren hatte, wusste meine Familie nicht einmal bescheid. Man hatte ihnen lediglich einen Abschiedsbrief gegeben, in dem stand, das ich dringend weg musste. Würden sie mir das je verzeihen können? Für sie musste es ausgesehen haben, als wäre ich einfach abgehauen. Nachdem ich eine Weile unschlüssig vor meinem Mietwagen rumgestanden hatte, um zu überlegen ob ich sie noch besuchen sollte oder lieber erst ins Hotel, stieg ich ein und fuhr in ein kleines Strandhotel. Als ich den Empfangsbereich betrat, waren mir alle Blicke garantiert. Nachdem ich in der USA vor sechs Jahren angekommen war, hatte ich mich komplett verändern müssen. So kam es das ich mit meinen hier untypischen honigblonden Haaren, dem bunten Mustermix, den ich mir in Amerika angeeignet hatte, deutlich herausstach. „Ein Zimmer auf Emilia Andrews bitte.“ sagte ich. Emilia Andrews war nicht mein richtiger Name, eigentlich hieß ich Valentina Zanchetti, doch für mich war der Name gemeinsam mit dem verbrennen meines alten Passes gestorben. Ich nahm den Schlüssel entgegen und flüchtete in mein Zimmer. Todmüde wie ich war, schlief ich noch in Sachen auf der Decke ein und wachte erst am späten Nachmittag auf. Ich hatte fast zwanzig Stunden geschlafen, wie war das möglich? Achja, die Zeitverschiebung. Ich stellte meine Uhr um und stand auf. Nach einem kleinen Snack, fuhr ich zum Strand und ließ mich in den noch warmen Sand fallen. Ich beobachtete gerade den Sonnenuntergang, als ich beschloss das ich Zeit bräuchte. Ich konnte nicht einfach zu ihnen fahren und sagen Hey Leute, da bin ich! Ich wusste ja nicht einmal, ob sie überhaupt noch in unserem alten Haus wohnten. Morgen würde ich mir als erstes einen Job suchen und dann vielleicht eine kleine Wohnung nah am Meer. Ja, das war mein neuer Plan.
„Ein neues Leben kannst du nicht anfangen, aber täglich einen neuen Tag!“ (Henry David Thoreau)
Nein, gestrichen, niemals, auf gar keinen Fall! So ging das schon seit einigen Stunden. Auf der Suche nach einer Stelle, war mir so einiges untergekommen. Von „sechzigjähriger sucht Frau zur Unterhaltung“ bis „Kloputzen im angesagten Viertel“ war alles dabei. Seufzend nahm ich die letzte Zeitung zur Hand. Sie sah noch am seriösisten aus und siehe da nach kurzer Zeit hatte ich einen Job als Barkeeperin gefunden, der mir zusagte. Schnell schnappte ich mir meine Tasche und fuhr direkt hin. Eine sehr nette Frau empfing mich, die mich schon nach einem kurzen Gespräch einstellte. Sie meinte jemand mit meinem Stil hätten sie gesucht. Hoch erfreut und durchaus zufrieden mit dem Angebot, machte ich mich auf den Weg in ein nahegelegenes Marklerbüro. Doch ich musste schnell feststellen, das dies nicht meine Preisklasse war. Ich beschloss morgen Angelina, meine neue Chefin, zu fragen. Als ich ihr erzählt hatte das ich gerade erst aus dem Ausland zurück war, hatte sie gelacht und gemeint mit meinen 26 Jahren hätte ich ja schon einiges erlebt. Wie recht sie damit hatte, wusste sie nicht. Ich ging zurück im Hotel früh ins Bett, denn morgen sollte ich bereits zur Einweisung am Morgen vorbei kommen, damit die Kunden nichts mitbekamen.
Als ich aufgestanden war entschied ich mich für einfache Klamotten und packte hohe Schuhe, Jeans und Paillettentop für den Abend ein. Die Einweisung war stressig, ich schaffte es kaum mir alles was sie erzählte zu merken. Doch der Abend stellte sich als wesentlich entspannter heraus, zwar war es voll, aber ich war weit schlimmeres in Amerika gewöhnt. Alles klappte, bis er den Laden betrat. „Paolo“ hauchte ich. „Alles ist gut. Er ist deiner Bruder, er konnte dir noch nie böse sein.“ flüsterte ich mir beruhigend zu. Kurz vor einer Panikattacke, wollte ich mich umdrehen und auf die Toilette rennen, als er auch schon vor mir stand. „Val?“ fragte er verwirrt, überrascht und entsetzt zu gleich. „Mein Name ist Emilia, ich kenne keine Val.“ brachte ich mit fester Stimme hervor. „Glaubst du etwa ich würde meine eigene Schwester nicht erkennen?“ leicht verletzt blickte er mich an. Scheiße, dachte ich als auch Riccardo und Marco hinter Paolo traten. „Val?“ kam es von beiden gleichzeitig. Ich flüchtete an ihnen vorbei. Ich war noch nicht so weit, ich konnte das nicht und rannte los. Weinend brach ich auf der Toilette zusammen. Nach einer gefühlten Ewigkeit trat ich wieder in den Club, in der Hoffnung sie wären gegangen. Doch ich hatte mir umsonst Hoffnungen gemacht. Wütend standen sie vor mir und ließen mir keinen Ausweg. „Valentina Zanchetti, was hat das alles zu bedeuten?“ schrie Marco beinahe. „Mein Name ist Emilia Andrews!“ fauchte ich. „Was hast du dir nur bei all dem gedacht, Val?“ fragte Ric etwas weicher. „Ich heiße nicht Val!“ schrie nun auch mich wütend. „Valentina Zanchetti ist tot. Sie ist vor sechs Jahren gestorben.“ „Das glaube ich nicht, du bist das beste Beweisstück.“ sagte Paolo amüsiert. Er hatte sich anscheinend von dem Schock erholt und schloss mich anschließend in seine Arme. Ich wehrte mich nicht, doch ich erwiederte sie auch nicht. Ich stand einfach da und die Tränen liefen mir über die Wangen. „Nachdem wir das nun geklärt haben und uns einig sind das wir hier die echte Val haben, was ist geschehen Val?“ Paolo sah mich fragend an und auch die beiden anderen schienen ein wenig aufzutauen. „Ich kann nicht. Sagt Mum und Dad nichts, bitte.“ flüsterte ich. „Ich musste gehen und hätte nie zurück kommen sollen. Es war ein Fehler!“ Ich nutzte ihre Verwirrtheit und schob mich an ihnen vorbei. Vor dem Club sah ich einen Motoradfahrer, der anscheinend gerade eintraf. „Was immer du willst, wenn du mich so weit weg bringst wie möglich.“ sagte ich.
„Erzäh mir die Vergangenheit und ich werde die Zukunft erkennen.“ (Kofuzius)
Nach einem kurzen einem kurzen Augenblick, in dem er mich eingehend musterte, drehte er sich um, stieg wieder auf und ich schwang mich hinter ihn. Wir fuhren mit hoher Geschwindigkeit und so dauerte es nicht lange bis ich erbärmlich fror. Als er mein zittern bemerkte, bog er ab und hielt bei einem entlegenen Strand. Ich sprang ab und lief zum Meer, es beruhigte mich. Ich hörte wie er hinter mich trat, doch ich drehte mich nicht um. „Danke.“ hauchte ich. „Keine Ursache, aber für wen habe ich mich denn gerade strafbar gemacht? Wenn ich fragen darf.“ fragte er belustigt. Ich schaute ihn nun doch verwirrt an. „Zum einen bist du ohne Helm gefahren und zum anderen nehme ich an ich habe dir zur Flucht verholfen?“ „Das war keine Annahme sondern eine Frage.“ stellte ich abwesend fest. „Ich kenn dich zwar nicht, aber ich kann zuhören, weißt du.“ sagte er etwas sanfter und völlig ernst. Als ich mich wieder zum Meer gedreht hatte, verschwand er und kam kurze Zeit später mit einer Wolldecke zurück. Er legte sie um uns beide und zog mich anschließend in den Sand. So saßen wir eine Weile, bis er mich an sich zog, da ich schon wieder furchtbar zu zittern angefangen hatte. „Bist du jetzt bereit es mir zu erzählen?“ fragte er leise. Ich weiß nicht warum, aber ich fühlte mich so wohl in seinen Armen und er kam mir so vertraut vor, das ich einfach begann zu erzählen, immerhin würde ich ihn nie wieder sehen. „Mein Name ist Emilia Andrews. Als ich neunzehn war lernte ich Angelo kennen. Er war witzig, klug und charmant. Ich verliebte mich auf den ersten Blick. Anfangs war er sanft und liebevoll. Meine Familie mochte ihn und für mich war er der Mann für die Ewigkeit, zumindest da. Doch irgendwann, ich kann nicht einmal sagen wann genau, begann er chronisch eifersüchitg zu werden. Zuerst nur wenig, dann immer mehr. Am Ende konnt ich nicht einmal mehr mit einem anderen Mann reden ohne zu befürchten, das er mich schlagen würde. Ich versuchte wegzulaufen, doch als er mich schnappte, drohte er mir er würde meine ganze Familie umbringen und mich dabei zusehen lassen, damit ich wusste, was ich verursacht hatte. Ich zog mich zurück, doch er zwang mich, alle...Pflichten einer Beziehung zu erfüllen. Bis zu dem Tag an dem ich feststelle das ich schwanger war. Er sah den Test und verschwand. Nur kurze Zeit kam er mit einer Pistole aus dem Schlafzimmer. Nur Gott allein weiß, wo er die her hatte. Bevor ich reagieren konnte, schoss er mir zweimal in den Bauch. „Du Schlampe, wer war es?? Wer hat dich geschwängert?!“ Nach dem dritten Schuss verschwand er und ich wäre beinahe verblutet. Mit letzter Kraft schaffte ich es zum Telefon und die Polizei und der Krankenwagen fanden mich rechtzeitig. Ich kam in ein Zeugenschutzprogramm, da Angelo unauffindbar war. Doch meiner Familie gab man nur einen Brief von mir, in dem ich sagte ich müsste dringend weg. Vor kurzem fasste man Angelo und ich kehrte zurück hierher. Vorhin im Club bin ich meinen Brüdern begegnet. Sie können es nicht verstehen und ich kann es ihnen nicht erzählen.“ Irgendwie hatte mich das erleichtert. Ich hatte noch nie mit jemanden über alles gesprochen, klar die Polizei wusste vieles, aber das meiste hatte sich selber erklärt. Nachdenklich und auch ein wenig entsetzt sah er mich an. Ich schaute zurück aufs Meer. „Entschuldige, ich hätte das nicht erzählen sollen.“ sagte ich nach einer Weile. „Nein, ich habe dir gerne zugehört. Du hast viel durchgemacht Emilia. Aber warum hast du Angst davor es deiner Familie zu erklären? Sie würden dich verstehen, da bin ich mir sicher.“ „Ich habe keine...“ „Emilia!“ ,unterbrach er mich, „Vor dir sitzt der beste Seelenklempner der Umgebung. Keine Wiederrede!“ grinste er. „Wahrscheinlich gibt es hier nur einen.“ lachte ich. „Autsch, das musst du büßen.“ sagte er keineswegs verletzt und schubste mich in den Sand, sodass ich auf dem Rücken lag und er über mir. Lange schauten wir uns in die Augen, dann küsste er mich.
„Mit Männern hat man's schwer. Aber ohne sie funktionieren leider viele Stellungen nicht.“
(Pamela Anderson)
Einen Augenblick erstarrte ich, doch es fühlte sich verdammt gut an. Also erwiderte ich den Kuss und versank darin. Mit der Zunge stupste er an meine Lippen und ich ließ ihn gewehren. Völlig außer Atem beendete er ihn und stützte sich auf seinen Ellenbogen neben mich. Wie berauscht und nach diesem anstregenden Tag völlig von der Rolle, zog ich ihn hoch und hauchte in sein Ohr. „Lass uns zu dir fahren.“ Das war was ich brauchte, genau jetzt. Er schaute mir tief in die Augen bis er mich wortlos hochhob und hinter sich auf das Motorrad setzte. Bereits nach zehn Minuten waren wir angekommen und schon im Flur fiel ich über ihn her.
Erst als ich am nächsten morgen von den Sonnenstrahl in einem fremden Bett aufwachte, fiel mir auf wie gemütlich die Wohnung eingerichtet war. Ganz mädchenhaft begann ich alles genau zu studieren und die Bilder zu betrachten, um etwas über ihn zu erfahren. Er schlief noch und ich zog mir schnell sein T-shirt über, dann ging ich auf Erkundungstour. Während ich sein Bild vom Schulabschluss unter die Lupe nahm, überlegte ich, ob ich lieber einfach gehen sollte und es eine einmalige Sache war. Doch dafür war es bereits zu spät. Er stand im Türrahmen zu seinem Wohnzimmer, in dem ich mittlerweile angekommen war. Auf eine niedliche Art fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare. „Normalerweise mache ich soetwas nicht, aber irgendwie...du verdrehst mir den Kopf?“ versuchte er sich zu erklären. „War das eine Frage?“ belustigt hob ich eine Augenbraue. „Nein..doch. Scheiße! Ich kenn dich gar nicht aber sowas passiert mir sonst nicht!“ irgendwie war sein gestammel süß und ich musste lachen. Etwas ernster fragte ich: „Was ist das hier?“ „Willst du mit mir ausgehen?“ stellte er die Gegenfrage. „Okay...“ sagte ich zögerlich. Er schien erleichtert und hatte sein Grinsen wiedergefunden. „Also gut zieh dich an und ich meine deine Sachen und dann gehen wir frühstücken.“
Es wurde ein wirklich schönes Frühstück, das kleine Cafe war bezaubernd und ich hatte schon lange nicht mehr so gelacht. Nachdem mir aufgefallen war, das ich seinen Namen gar nicht kannte, hatte ich nach der peinlichen Frage erfaheren das er Jonathan O'Brian hieß, außerdem erzählte er von seiner kleinen Praxis und das er ursprünglich aus Kanada kam. Er erzählte von seinen zwei Schwestern und mein Bauch tat vor lachen schon ganz weh. Der Morgen schien kein Ende zu nehmen und erst nach einem auführlichen Gespräch über Lieblingsfarben und Haustiere, stellte ich erschrocken fest das es bereits 14 Uhr war. Als ich es Jonathan erzählte, meinte er nur dann können wir ja gleich hier Mittagessen. Amüsiert über seine praktische Seite stimmte ich zu und letztendlich saßen wir bis zum späten Abend in dem kleinen Cafe. Als wir letztendlich doch gingen, war es schon dunkel. Ich schlug den Weg zum Hotel ein. Nachdem er mich fragend angesehen hatte, meinte ich lachend: „Wir müssen es ja nicht gleich überstürzen.“ und verabschiedete mich mit einem keuschen Kuss.
Nachdem ich ausgeschlafen hatte, rief ich als erstes bei Angelina an. Es tat mir leid, immerhin konnte sie nichts dafür. Sie meinte nachdem ich ihr grob erklärt hatte, das ich Leute gesehen hatte denen ich nicht begegnen wollt, das alles nur halb so wild sei. Immerhin hätte ich gestern eh frei gehabt. Wir vereinbarten „darüber hinwegzusehen“ und sie gab mir bereits heute Abend eine zweite Chance. Nachdem ich das erste abgehakt hatte, erkundigte ich mich nach einer Wohnung in der Zeitung. Ich wurde diesmal sogar schnell fündig und konnte die Wohnung noch heute besichtigen. Nachdem ich die kleine aber sehr gemütliche Wohnung durchkämmt hatte, lächelte ich und unterzeichnete ohne zu zögern den Mietvertrag. Jetzt war es entgültig, ich war zurück in Italien.
„In einem Augenblick gewährt die Liebe, was Mühe kaum in langer Zeit erreicht.“ (Johann Wolfgang von Goethe)
Am frühen Abend machte ich mich auf den Weg in den Club. Angelina schien wirklich nicht nachtragend und war freundlich wie immer. Die Vorbereitungen wurden entspannt und ich war für den Abend gewappnet. Die ersten Besucher kamen und ich war vollends beschäftigt, sodass ich Jonathan, erst nachdem der Trubel ein wenig nachgelassen hatte, wahrnahm. „Vorsicht, du könntest mich mit deiner Beachtung vergraulen.“ sagte er amüsiert nachdem ich mich mit einem Bier vor ihn gesetzt hatte. Nachdem ich mich entschuldigt hatte und er zum Trost endlich meine Nummer bekam, konnten wir unsere Unterhaltung vom Cafe fortsetzen. Kurz bevor wir schlossen, fragte er ob wir uns morgen treffen könnten, ich sagte zu und wir verabschiedeten uns. In der Nacht fiel ich ins Bett, das war verdammt anstrengend gewesen. Ich dachte an meine Familie, doch ich verscheuchte den Gedanken und schlief ein. Da ich frei hatte kam Jonathan schon sehr früh, laut ihm hatte er Urlaub. Ich wusste nicht ob ich ihm das glauben konnte. Ich überredete ihn mit mir zu IKEA zu fahren und in den Baumarkt, um Farbe zu kaufen. Als wir alles hatten, ich hatte es von meinem ersparten aus Amerika bezahlt, bot er mir an beim streichen zu helfen und ich bedankte mich überschwänglich. Gott sei Dank hatte ich alte Sachen angezogen, denn an mir war mehr Farbe als an der Wand und wir fielen lachend auf den Boden. Nachdem wir uns beruhigt hatten, konnte ich nicht widerstehen und küsste ihn stürmisch. Seine Hand fand seinen Weg unter mein T-Shirt und ich streifte ihm seines ab. Die Küsse wurden verlangender und letztendlich landeten wir nackt auf dem Boden meiner Wohnung. Als wir am nächsten Morgen aufwachten, konnte ich mich kaum rühren. Wir hatten die ganze Nacht auf dem harten Dielen verbracht und meine Muskeln schmerzten. „Morgen“ begrüßte er mich mit einem Kuss und stöhnte ebenso als er sich bewegte. Wir beschlossen die Möbel die wir in der Küche verstaut hatten, da sie nicht gestrichen werden musste, aufzubauen. Meine Wohnung nahm gestallt an und ich entschied noch heute das Hotel zu verlassen und den Mietwagen abzugeben, da es von hier nicht weit zum Club ja und auch zu Jonathan war. Nachdem ich nun einen festen Wohnsitz hatte, schlich sich bei uns ein sehr angenehmer Alltag ein. Jon ging von früh bis Nachmittag in seine Praxis, da sein Urlaub vorbei war. Währenddessen schlief ich oder erledigte anfallende Arbeiten. Wenn ich abends in den Club musste, dann trafen wir uns dort und er brachte mich anschließend nach Hause, wenn ich nicht so lange hatte. An meinen freien Tagen gingen wir nach seiner Arbeit aus oder ließen den Tag bei ihm ausklingen, nur noch selten verbrachte ich die Nacht allein. Ich schwebte auf Wolken und ich glaube ich war zum erstenmal seit dem ganzen verliebt. Ich hatte bereits in Amerika alles verarbeitet, sechs Jahre sind eine lange Zeit, doch erst hier hatte ich endlich losgelassen. An einem Abend waren wir bei Jon in der Wohnung und ich trug nur eines seiner T-Shirts, als es klingelte. „Emi? Kannst du aufmachen? Ich bin unter Dusche.“ rief er. Ich ging zur Tür und hatte mir schon einen entschuldigenden Satz überlegt, als ich erstarrte. Vor mir stand Ric, wir beide starrten um die Wette bis Jon aus dem Bad kam und mich von hinten mit seinen Armen umschlang. „Ric, darf ich vorstellen, meine bezaubernde Freundin Emi.“ sagte er und gab mir einen Kuss auf die Wange. Nach weiterem starren, murmelte ich: „Ich geh dann besser wohl besser.“ und verschwand ins Schlafzimmer, um mich anzuziehen. Als ich zurück kam, standen beide mit verschränkten Armen vor der Tür. Unglücklich seufzte ich. „Ich habe keine Wahl, habe ich Recht?“ Sie nickten erneut und ich seufzte ergeben. „Emi, erzähl es ihm. Er ist mein bester Freund.“ Etwas ähnliches hatte ich mir schon gedacht, also sagte ich nur knapp: „Ruf Marco und Paolo an.“ Ich verkroch mich auf der Couch und Jon schloss mich in seine Arme. Schmunzelnd betrachtete Ric uns und setzte sich uns gegenüber. „Weißt du Emi, er redet von nichts anderem mehr als dir und hat kaum noch Zeit.“ grinste er, während er dem Kissen auswich. Meine Brüder waren alles samt älter und größer als ich und als wir endlich alle versammelt waren, kam ich mir plötzlich ganz klein vor. Denn auch John war nicht das was man klein nannte. Ich musterte interessiert seine braunen Haare, bis ich endlich aufgab es hinauszuzögern und began. „Bitte unterbrecht mich nicht und lasst es mich erklären, okay?“ Sie nickten alle drei und erzählte ihnen das was ich Jon auch ezählt hatte und als ich endete starrten sie mich alle entsetzt an. „Dieses Arschloch!“ schrie Marco. Paolo schien zu geschokt und Ric las man seine Mordgedanken auch so vom Gesicht ab. Ich seufzte und kuschelte mich an Jonathan. „Ich liebe dich.“ murmelte ich in sein Ohr und zuerst schien er überrascht, dann lächelte er glücklich und grinste. „Wurde aber auch langsam Zeit.“ Zwei Monate war es her, das wir uns kennengelernt hatten. Mir kam es vor wie Jahre. Er gab mir einen Kuss auf die Nasenspitze und flüsterte ebenso leise „Ich dich auch Honey.“ „Honey?“ „Deine Haare..“ er lächelte „jap Honey.“ Jetzt schien auch Paolo seine Sprache wiedergefunden zu haben: „Warum Val, warum hast du uns das nicht früher gesagt?“ „Bitte Paolo, ich weiß es ist schwer aber als ich sagte Valentina gibt es nicht mehr, meinte ich das völlig ernst. Ich...ertrage diesen Namen einfach nicht. Und im Zeugenschutzprogramm war es mir unmöglich mit jemandem Kontakt aufzunehmen. Es war die einzige Bedinung und als ich zurückkehrte, da hatte ich einfach Angst. Ich dachte ihr könntet sauer sein. Immerhin war ich sechs Jahre ohne Lebenszeichen weg. Es tut mir Leid.“ Paolo nickte verständnisvoll dann zog er mich aus Jon's in seine Arme und murmelte: „Also gut mit Emi kann ich mich abfinden.“ Dann wurde ich praktisch an die beiden weitergereicht und das erste Mal seit langem fühlte ich mich wieder komplett. Zumindest fast, denn meine Eltern hatten noch keine Ahnung. Fragend schaute ich sie an als ich in wieder bei Jon war. „Was ist mit Mum und Dad?“ Marco grinste. „Ich habe es ihnen vorhin schonend beigebracht. Sie erwarten dich morgen zum Mittagessen. Und keine Panik wir werden alle da sein.“ beruhigte er mich gleich. Ich nickte ergeben. „Nachdem ihr nun wisst was bei mir los war, würde ich gern wissen was ihr die letzten 6 Jahre getrieben habt.“ grinste ich leicht verunsichert. „Also ich“ begann Marco „habe vor zwei Jahren geheiratet. Sie heißt Ann und ist wirklich toll.“ schwärmte er. Paolo lachte. „Du warst schon immer der Familienmensch, ich für meinen Teil bin ungebunden und arbeite immer noch als Redakteur.“ sagte er dann. „Meine Freundin kennst du bereits. Sie heißt Angie und ihr gehört der Club, in dem du arbeitest. Sie schätzt dich übrigens sehr.“ fügte er schmunzelnd hinzu „Ich glaube ihr würdet euch auch außerhalb der Arbeit gut verstehen.“ „Und was hast du so in Amerika getrieben Emi?“ fragte Paolo. Mein Grinsen verschwand. „Ich zeig es dir sobald sich die Gelegenheit ergibt.“ versprach ich und er gab sich vorerst damit zu frieden.
Nachdem wir uns noch ein wenig unterhalten hatten, gingen die Jungs und ich und Jonathan fielen ins Bett. „Würdest du mich morgen begleiten..als mein Freund?“ fragte ich noch gähnend. „Wenn du das möchtest Honey gerne.“ Augenblicke später schlief ich tief und fest.
„Liebe dir ergeb' ich mich, Dein zu bleiben ewiglich!“ (Angelus Silesius)
Der Morgen wurde stressig, ich wusste nicht recht was ich anziehen sollte und Jonathan war keine große Hilfe. Als ich kurz vor dem Durchdrehen war, nahm er mich in den Arm, küsste mich und griff blind in den Schrank, in dem mir bereits die Hälfte gehörte. „Das.“ sagte er schlicht und hielt ein rotes Kleid hoch, ich gab mich geschlagen und wir konnten los. Die ganze Aufregung war umsonst gewesen, wie ich feststellen mussten. Sie nahmen mich sofort in den Arm, noch bevor ich ihnen die Geschichte erzählt hatte. Es wurde ein schöner Tag und Jon und sie verstanden sich super. Ich verlor meine Nervosität und schließlich erzählte ich auch ihnen alles. Sie sahen zwar traurig aus, aber weder nahmen sie mir etwas übel, noch ritten sie weiter auf dem Thema herum und ich war ihnen dankbar dafür. Meine Brüder tauchten erst am Nachmittag auf und kurz bevor wir uns verabschiedeten, da ich noch arbeiten musste, versprachen sie im Club vorbei zu kommen. Ein Wunder das ich ihnen die letzt zwei Monate nicht begegnet war.Vielleicht hatte ich das Angelina zu verdanken? Ich sagte noch schnell sie sollten eine halbe Stunde vor den Öffnungszeiten da sein, dann waren wir schon aus der Tür. Als wir wieder bei Jon waren drehte er sich leicht nervös zu mir um: „Honey du hast dein ganzes Zeug bereits bei mir und schläfst fast nie bei dir...ich mein möchtest du vielleicht hier ganz einziehen?“ „Nichts lieber als das.“ lächelte ich. „Wir haben noch eine halbe Stunde.“ flüsterte ich und diese wussten wir zu nutzen. Als wir mit geörteten Gesichtern ankamen, war der Rest bereits da. „Sorry.“ murmelte ich. „Ihr wolltet wissen was ich in Amerika gemacht habe. Ich wollte es euch lieber zeigen, also...Angelina dürfte ich vielleicht?“ Ich deutete auf das Klavier in einer Ecke des Clubs, sie nickte. Ich setzte mich dahinter, klappte den Deckel auf und begann zu spielen. Ich spielte die Mondscheinsonate von vorne bis hinten und weil ich wie im Rausch war noch einige andere Stücke wie „The river flows in me“. Als ich mich losreißen konnte, grinste ich leicht verlegen. „Es war meine Therapie. Irgendwann habe ich es zum Beruf gemacht.“ Sie sahen mich geschockt und begeistert an und ich lachte. Jon meinte: „Das war bezaubernd Honey.“ nachdem er wieder einen Satz herausbringen konnte. Ich war glücklich jetzt war alles perfekt. So konnte es bleiben. Sie wussten nun alles und das befreite mich.
Alles lief perfekt. Die Monate vergingen wie im Flug und es war als wäre ich nie weg gewesen. Ich hatte mittlerweile bei Angie gekündigt und half nur noch aus, denn ich hatte einen Job in einem Orchester bekommen. Es erfüllte mich und Angie war auch nicht böse. Die Arbeitszeiten waren auch wesentlich humaner und ich und Jon hatten mehr Zeit füreinander, für meine Brüder und ihre Frauen mit denen ich mittlerweile gut befreundet war und für meine Eltern zu denen wir jedes Wochenende zum Essen gingen. Ich war nun schon eine ganze Weile komplett bei ihm eingezogen und es hätte nicht besser laufen können.
Eines Tages viel mir jedoch auf, was ich bis dahin erfolgreich verdrängt hatte. Es waren die typischen Anzeichen. Meine Regel blieb aus, morgens übergab ich mich und Gurke mit Ketchup war echt verlockend. Panik stieg in mir auf. Mein letztes Kind... ich konnte gar nicht daran denken. Ich rannte in die nächste Apotheke und besorgte mir einen Test. Die fünf Minuten die dieser brauchte, ging ich nervös hin und her. Als es noch eine Minute war, kam Jon nach Hause er sah den Test und zählte eins und eins zusammen, dann nahm er mich in die Arme und strahlte mich an, als er mein besorgtes Gesicht sah, flüsterte er „Wir schaffen das, keine Sorge das wird unser kleiner Engel.“ Dann küsste er mich liebevoll. Der Test war positiv.
„Der Steig war steil, doch wagten wir's gemeinsam... Und heut noch helfen wir uns, Hand in Hand.“
(Christian Morgenstern)
Nachdem unser wunderbarer Engel Dean auf die Welt gekommen war, hatten Jonathan und ich geheiratet. Ich, Emilia O'Brian, war endlich glücklich. Ich hatte mein Schicksal gefunden. Noch heute erinnerte ich mich gerne an dem Moment nachdem ich das Plus auf dem Test gesehen hatte, zum ersten Mal hatte ich tiefe Zufriedenheit, Freude und Glück gespürt. Es war perfekt gewesen und in diesem Moment hatte ich begriffen, nach allem was mir passiert war, nach allem was ich durchgemacht habe, habe ich es geschafft. Ich hatte die Vergangenheit abgeschlossen und losgelassen.
Tag der Veröffentlichung: 04.06.2015
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme dieses Buch all denen die eine schreckliche Vergangenheit haben und sich trotz allem hinten anstellen.