Manchmal wird man vor Probleme gestellt, die man nie im Leben erwartet hätte. Es sind diese, von denen man denkt das sie allen anderen passieren nur nicht einem selbst. Sie kommen unerwartet und plötzlich. Sie zerschlagen das bisherige Leben in tausend Stücke und als wäre das nicht schon genug nehmen sie auch noch ein par von ihnen mit, sodass man es nie wieder zusammen puzzeln kann.
Sich vor ihnen zu verstecken oder gar wegzurennen ist unmöglich. Sie folgen einem überall hin, selbst in den Schlaf. Keine Sekunde gewähren sie einem. Mit ihrer Allgegenwärtigkeit rauben sie einem alles was man hatte oder glaubte zu haben. Gäbe es ein Wörterbuch für ihre Sprache würde man das Wort Gnade nicht finden, dort befände sich bestenfalls eine große,klaffende Lücke.
Eine neue Stadt, ein neues Leben hatte ich zumindest gedachte doch da hatte ich mich getäuscht. Erst vor einem Monat war ich aus Dover nach London gezogen, um hier meinen neuen Job anzutreten. Ich hatte mich sogar schon darauf gefreut endlich weg von meiner Familie zu sein und ein wenig Ruhe zu haben. Doch dann war das Unmögliche geschehen, ich, Freja Furrgoson, wurde an meinem ersten Tag hier in einen Autonunfall verwickelt der mich für vier Wochen ins Koma brachte. Ich hatte mir an jenem Tag ein Taxi genommen um vom Bahnhof zu meiner neuen Wohnung zu gelangen, auf dem Weg fuhr uns jedoch ein rasender Sportwagen auf der Überholspur entgegen. Der Fahrer konnte nicht mehr ausweichen und so kam es zu einem Frontalzusammenstoß, bei dem ich schwerverletzt ins Krankenhaus eingeliefert wurde und der Taxifahrer mit ein par Kratzern davon kam. Wie ich nun wusste war der Mann im Sportwagen auch ohne weitere Verletzungen davon gekommen, denn eben dieser Mann saß nun an meinem Krankenbett, er redete völlig betreten davon jeden Tag hier gewesen zu sein, um zu schauen wie es mir ginge und wie Leid ihm das ganze tue. Als ich ihn bat die ganzen Entschuldigungen sein zu lassen und endlich zum Punkt zu kommen, so war ich nun mal, schaute er mich mit aufgerissenen grünen Augen an, aus denen Entsetzen, Angst und Überraschung mir entgegen blickten. Als er merkte das es mir ernst war runzelte er die Stirn und sagte leicht verwirrt: "Wollen Sie mich verklagen? Äh ich mein...Sie müssen verstehen...die Presse und hm das...das wäre ein Skandal!" "Atmen Sie erstmal tief durch." antwortete ich distanziert und leicht genervt. Dieser Mann kam her um das wissen zu wollen? Ob ich ihn verklagen würde? Was für ein Arschloch! Und was hatte er da von Presse erzählt? Glaubte er wirklich es wäre das erste Mal das es einen Autounfall gab? Man würde es schon nicht in allen Nachrichten bringen, immerhin war das hier London, es geschahen weitaus interessantere Dinge als ein Autounfall und weil ich nunmal immer sagte was ich dachte, erklärte ich ihm genau das, wenn auch etwas freundlicher formuliert. Seine Antwort: "Sie verstehen nicht...!" ließ darauf schließen das dies ein langes Gespräch werden würde. Ich seufzte innerlich tief und unterbrach ihn anschließend: "Ich denke, das was auch immer sie mir zu sagen haben auch bis morgen warten kann. Verzeihen Sie mir meine Unhöflichkeit, aber ich hoffe ich muss sie nicht daran erinnern das ich erst soeben aus dem Koma erwacht bin und momentan keinerlei Anstrengung vertrage. Könnten wir deshalb dieses Gespräch ein wenig verschieben?" Mit einem entschuldigendem Kopfnicken und einem gemurmeltem bis bald verschwand er endlich aus meinem Zimmer, sodass ich mich endlich anderen Dingen widmen konnte, wie dem unausweichlichem Telefonat mit meiner Mutter.
In dieser Nacht träumte ich von Alida, meiner süßen kleinen Tochter:
Ich betrat das kleine, rosa Zimmer, das ich erst vor wenigen Monaten gemeinsam mit Marc für sie eingerichtet hatte. Alle Möbel waren neu, ich hatte darauf bestanden, denn für meinen kleinen Engel wollte ich nur das beste und Marc hatte eingewilligt, denn er liebte seine Tochter genau wie ich es tat. Ich legte sie in die Wiege und sang ihr ihr liebstes Schlaflied bei dem sie nicht wiederstehen konnte und einfach die Augen schließen musste. Es war der süßeste Anblick der Welt, als sie bei der Zeile "Love your mother, yeah, she's a good one" gegen die Müdigkeit anzukämpfen versuchte und mit aller Kraft die Augen zu öffnen, doch es gelang ihr nie. Aber selbst ich konnte kaum wach bleiben, wenn ich Cloud Cult bei diesem wundervollen Lied "You were born" lauschte. Während ich das Lied zuende sang, betrachtete ich sie voller Stolz. Sie war einer dieser Dinge für die es sich zu leben lohnte und ich würde nie aufhören sie zu lieben.
Schreiend und weinend erwachte ich. Diese innere Leere die sie hinterlassen hatte zerriss mich innerlich beinahe. Sie war mein ein und alles gewesen und dann war sie gegangen und hatte mir einfach so das Gefühl vollständig zu sein genommen. Aber ich hatte Recht behalten, ich würde nie aufhören sie zu lieben. Dieses Lied war meine Verbindung zu ihr, meine ganz eigene von der niemand etwas wusste. Und so war es auch das einzige das mich dazu bringen konnte wieder zur Ruhe zu kommen. Also atmete ich tief durch, sagte der hereinstürmenden Schwester es ginge mir gut und als diese verschwunden war began ich leise zu singen:
You were born into a strange world.
Like a candle, you were meant to share the fire.
I don't know where we come from, and I don't know where we go.
But my arms were made to hold you, so I will never let you go.
Cause you were born to change this life.
You were born to chase the light.
Cause you were born...
Seit dem sie mich aus ihrem Zimmer geschickt hatte, saß ich nun schon hier draußen auf einem dieser unbequemen Plastikstühle. Ich konnte nicht gehen, es war alles meine Schuld! Ich hatte getan wofür ich andere veruteilt hatte. Ich, Samuel Hemsworth, hatte mich soeben selbst verraten. Wie lange hatte ich meinen Vater nicht einmal anschauen können? Dabei hatte dieser nichts anderes getan als ich vor einem Monat. Noch heute sprach ich kaum ein Wort mit ihm und dann war mir das selbe passiert. Als ich vorhin bei ihr war hatte ich gelogen, naja zumindest hatte ich nicht ganz die Wahrheit gesagt, ich war nicht nur jeden Tag gekommen, um sie zu besuchen. Nein, eigentlich hatte ich in diesem Krankenhaus beinahe gelebt. Zu Hause zu schlafen war für mich unmöglich gewesen, die Schuldgefühle und die Angst dort alleine zu sein plagten mich zu sehr, sodass ich einfach hier geblieben war, um zu schauen wie es ihr ging. Nur ab und zu war ich in mein Loft gefahren, um mir frische Sachen zu holen oder schnell zu duschen, jedoch hatte ich es nicht lange dort ausgehalten.
Es war toten Still. Niemand lief um diese Zeit den Flur entlang nicht einmal eine Krankenschwester. Alles hier fühlte sich so trostlos und leer an. Als hätte man die Patienten hier schon aufgegeben. Einzig das ticken der Wanduhr war zu hören. Tick, tick, tick... Ich sprang auf, so konnte das nicht weiter gehen. Zielstrebig ging ich auf ihr Zimmer zu, doch mit der Hand an der Türklinke hielt ich inne und lauschte. Sie sang mit einer so unglaublichen Stimme das mir die Tränen stiegen, nicht einmal ihre brüchige Stimme konnte daran etwas ändern. Ich weiß nicht wie lange ich dort stand und ihr lauschte, doch als ich merkte das sie eingeschlafen sein musste ging ich. Ich rannte, hinaus auf die Straße, raus aus London, bis ich schließlich zusammenbrach.
Tag der Veröffentlichung: 25.09.2014
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme dieses Buch allen die schon einmal das Ende vom Regenbogen gesucht haben, die Person verletzten die sie eigentlich lieben oder schon einmal einen Sonnenuntergang genossen haben.