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I.Rot wie Blut

 

Eine kreisrunde, viel zu groß wirkende, silberne Scheibe stand hoch am Nachthimmel.

„Nana!“ Gellte sein Ruf und durchschnitt die Stille der Nacht. Nur das leise, sanfte rauschen der Wellen antwortete. Und die Silberne Scheibe starrte kalt auf ihn herab.

„Marduk! Ich rufe dich bei deinen fünfzig Namen, mir zur Seite zu stehen und mich zu schützen!“ Gerade als er unter der Kapuze seiner schwarz, roten Robe Luft einsog den ersten Namen zu rufen, erhob sich der Nordwind und löschte die heilige Flamme vor ihm auf dem Altar. Der Magier zögerte, unschlüssig ob er die Kerze erneut entzünden oder einfach fortfahren sollte. Doch ein Blitz nahm ihm die Entscheidung ab. Er fuhr aus dem Sternenklaren Himmel direkt auf ihn zu. Der Kreis hielt stand. Der Blitz wurde unter lautem toben und blendend hellem Licht in den Fels geschleudert. Die Wucht des Einschlags verwischte den Kreis aus gestreutem Salz. Nur ein wenig, aber genug für den Schatten um sich hindurch zu zwängen. Er bäumte sich auf, veränderte die Form. Als der Priester die Kälte spürte und sich umdrehte sah er es vor sich stehen, die umrisse eines Kriegers. Dort wo ein Gesicht hätte sein sollen Klaffte nur finstere Leere. Aus ihr dröhnte eine dunkle Stimme.

„Ich soll dir von ihr sagen, dass es für Verräter kein Erbarmen gibt.“ Der Schatten verlor seine Form, umhüllte den Magier und warf ihn auf den Stein. Die Kälte kam über ihn, drang in seinen Körper, bis in die Knochen. Es war als würde die Last der gesamten Welt auf seinem Brustkorb liegen, ihn zusammen drücken. Er hörte das knackende Geräusch seiner brechenden Rippen. Dann fühlte er auch den Schmerz, diesen unerträglichen Schmerz. Er wollte schreien, doch es war keine Luft mehr in seinen Lungen. Es schien ihm wie eine Ewigkeit vorzukommen, bis die Bewusstlosigkeit seinen Todeskampf endlich beendete. Der Schatten löschte die fünf Kerzen, die den Rand des Kreises säumten. Er verschluckte einfach das Licht ihrer Flammen. Der Aufbegehrende Nordwind nahm den ring aus Salz mit sich. Als der Schatten sich Auflöste hatte er auch den Körper mit sich genommen. Nur noch das silberne Licht des Mondes bedeckte den roten Boden. Nichts war zurück geblieben, außer das sanfte Rauschen der Wellen und kalter Lebenssaft, der den Felsen rot färbte und ins Wasser tropfte.

 

Erschöpft sank sie auf die Knie. Sie entließ die Schatten, die ihren Kreis bewachten, bevor sie nichtmehr genug Konzentration dafür hatte. Die Nachtluft erfüllte fast schmerzhat kalt ihre Lunge. Sie richtete sie sich langsam auf und löschte, dabei die Worte murmelnd, die drei Altarkerzen. Die Stille und Dunkelheit wichen den Lichtern der Stadt und dem Lärm der Wesen die sie bevölkerten. Von der Dachterrasse aus konnte sie fast die ganze Stadt überblicken, doch es war nicht möglich auch nur einen Stern zu sehn. Hier war die Nacht heller als der Tag, denn keine dieser Ameisen durfte Zeit verschwenden.

„Hetzt nur.“ Spottete sie mit einem Lächeln. Schmerz durchzuckte sie. Als sie die Hand von der Stelle an ihrer Taille zurücknahm war sie voll Blut. Ich werde es richtig verbinden müssen. Nachdem sie beschlossen hatte, dass dies noch warten musste begann sie bedächtig den Altar abzuräumen. Als sie alles durch eine kleine Luke in ihre Wohnung gebracht hatte, nahm sie den Weidenbesen und fegte den Kreis aus Salz vom Dach. Damit fertig nahm sie eine Weinflasche und einen Kristallkelch. Als sich ihre eisblauen Augen schlossen gab der Korken ein blopendes Geräusch von sich.

„Na bitte.“ Ihre Zartrosa Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Die Farbe des Weins, der in den Kelch floss erinnerte sie an die Farbe des Bodens. „Armer Narr.“ Sie hob das Glas in die Richtung, in der sich vor wenigen Augenblicken noch ein voller Mond zeigte. „Mögen die Walküren dich geleiten.“ Ihre Worte klangen fast feierlich, während der Nordwind ihr das kupferfarbene Haar zärtlich durchstrich. Sie trank einen Schluck und goss den Rest des Kelches in die Erde einer großen Aloepflanze.

„Auf dich Mutter Erde, ich kostete den Wein und bringe ihn dir dar, deine Gaben zu vergelten.“ Sie stieg durch die Luke in ihre Wohnung.

Während sie die restliche Flasche wein genoss würde sich der Abend noch unzählige Male in ihrem Kopf abspielen. Doch dann würde sie endlich wieder beruhigt schlafen können. Natürlich erst nach den Telefonaten. Kaum hatte sie den Gedanken beendet riss sie das Telefon mit seinem unbarmherzigen klingeln in die Realität zurück. Ihre Hand griff zum Hörer, doch dann zögerte sie. Sie brauchte noch ein weiteres klingeln um tief durchzuatmen und sich für das nun folgende zu wappnen.

„Was ist passiert?“ Schrie eine furchtsame Frauenstimme aus dem Hörer.

„Warte, da ist noch jemand.“ Ihre Stimme war dumpf und erschöpft. Mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung drückte ihr Finger den Knopf auf dem er sich schon vorhersehend in Position gebracht hatte. Die zugeschaltete Männerstimme wiederholte sofort die bereits im Raum stehende Frage.

„Wartet, ich will’s nur einmal erzählen müssen.“ Man konnte ihr anhören, dass ihr eigentlich gar nicht der Sinn nach einem solchen Gespräch stand. Nachdem zwei weitere Anrufer die gleiche besorgte Frage gestellt hatten begann sie mit etwas gefestigter Stimme. „So, jetzt da alle beisammen sind... Ich wurde Angegriffen. Es war wichtig schnell und effizient zu reagieren.“ In der Sachlichkeit ihrer Stimme schwang Kälte mit. Stille legte sich quälende Sekunden lang über das Gespräch.

„Also hast du?“ fragte die erste Anruferin langsam und vorsichtig.

„Ja, und jetzt bin ich müde. Ich erzähl euch alles morgen Abend.“ Ihre Stimme lies keinen Widerspruch zu, genau so wenig wie das unmittelbare Auflegen.

 

 

 

 

 

 

 

II.Vorbereitung

 

Es war ein ekelhaft schnarchendes Geräusch, das der Wecker von sich gab. Dir Stirn in Falten gezogen schlug sie wenig grazil und damenhaft nach ihm. Der Wecker flog scheppernd auf den Boden und setzte dort sein nervendes Konzert fort.

„Scheißding.“ Langsam setze sie sich im Bett auf und dehnte sich. Während sie den ersten Fuß auf den Boden setzte verstummte der Wecker und Sonnenlicht durchflutete den Raum. Je weiter sich die Vorhänge zurück zogen desto heller wurde es. Behäbig setzte sie sich in Bewegung. Im Bad angekommen, hatte sie den Schlaf zumindest so weit aus ihrem Kopf verdrängt um nichtmehr zu schlurfen. Sie streifte ihr Nachthemd ab und entfernte die Bandage. Im großen Badezimmerspiegel betrachtete sie ihren Körper. Sie fand sich zu klein, wie jeden Morgen ihres Lebens. Zumindest war sie heute Morgen mit dem Rest ganz zufrieden. Elan sollte sich das ansehen. Schoss es ihr durch den Kopf als ihr blick auf die lange Wunde an ihrer Taille fiel. Die weiße Haut war dort Gespalten. Der schnitt reichte nicht allzu tief und trotzdem würde er ihr die nächsten tage Probleme machen, dass wusste sie.

„Scheißkerl, sollst du in allen bekannten Höllen brennen.“ Fluchte sich halblaut vor sich hin. Langsam ließ sie ihre finger über den Körper gleiten. Ihre Muskeln waren voller Verheißung. Noch prickelten sie nur, doch bald würden sie schmerzen und das über die nächsten Tage. Sie kannte es derartig über ihre Kräfte gegangen zu sein und soviel einstecken zu müssen. Am Kleiderschrank entschied sie sich für etwas Bequemes. Sie musste schließlich alles vorberieten und das bedeutete den ganzen Tag Arbeit. Einen weiten flauschigen Pulli und eine Jogginghose übergestreift begab sie sich in die Küche. Erstmal nen Kaffee. Mit ihrer zurück gewonnenen Eleganz öffnete sie den schweren Holzschrank. Nachdem sie alles parat gestellt hatte setzte sie sich auf einen Stuhl und gab eine Handvoll Kaffebohnen in die alte Mühle. Das gleichmäßige drehen der Kurbel und das leise knacken der darin befindlichen Bohnen dienten ihr wie jeden Morgen als Moment der Meditation. Dann das warten, bis das Wasser alles Aroma aus dem Pulver aufgenommen hat. Wie zwei Liebende, die sich vereinen und zur Harmonie kommen wenn sie einander alles geben. Bevor ihre Leidenschaft zu bitter wurde drückte sie den Stempel der Kanne nach untern und verbannte das Pulver auf den Boden der Kanne. Nach dem abgießen dampfte ihre Tasse verheißungsvoll vor sich hin. Eigentlich war es ein verbeultes Abfallstück, das sie vor dem Müll gerettet hatte. Ihre Finger glitten über die Beulen und Unregelmäßigkeiten. Solche Kanten erzählen unser Leben und machen uns zu dem was wir sind. Der Gedanke zog so langsam durch ihren Kopf wie die Wärme durch den dicken Ton. Sie nahm einen kleinen Schluck. Leise lächelnd begab sie sich ins Wohnzimmer, um mit den Vorbereitungen zu beginnen. Nachdem alle Vorhänge geschlossen waren und der raum von Öllampen erhellt war, öffnete sie die alte schwere Holztruhe, die ihr sonst als Tisch diente und erweckte ihren Inhalt aus seinem Schlaf. Nachdem sich ihr Bauch geleert hatte, war die Truhe leicht genug um vom Teppich geschoben zu werden. Nachdem auch die grüne Holzcouch und der dazu passende Ohrensessel ihre plätze an der Wand gefunden hatten, war es an der Zeit den großen Runden Teppich zusammen zu rollen. Unter ihm kam ein auf den Boden gezeichneter Kreis zum Vorschein. Er erstreckte sich fast durch den raum. Die Möbel standen nun außerhalb der arabischen Schriftzeichen und nordischen Runen, die sich um den Kreis legten. In der nördlichen Spitze, des den Kreis ausfüllenden Hexagramms, war ein ebenfalls genordetes Pentagramm gezeichnet. Dieses hob sich durch seine rote Farbe von den sonst weißen Linien der anderen Zeichen ab. Auf ihm kam die Truhe wieder zum ruhen. Auf dem schwarzen Seidentuch, das sie nun über die Truhe warf, leuchtete das Pentagramm ebenfalls rot. Nach dem sie das Tuch kurz ausgerichtet hatte, ergänzten die Stickereien darauf die verdeckten Zeichnungen als wäre die Truhe nicht vorhanden. Langsam und bedächtig befreiten ihre Hände einen silbernen Kerzenleuchter aus seinem Schlafgewandt aus roter Seide. Zusammen mit der roten Kerze fand er seinen Platz auf der zum Altar gewordenen Truhe. Er stand dort als habe er den Platz nie verlassen. Zwei weitere Seidentücher, diesmal schwarz und weiß, gaben ihren silbernen Inhalt in ihre Hände und stellten sich links und rechts neben ihren Gefährten. Nachdem auch auf ihnen die Kerzen standen, die die Farben der Tücher trugen, wickelte sie vier weitere dicke Kerzen aus einfachen Leinentüchern. Sie sollten die Kreislinie säumen, jede bei ihrer Himmelsrichtung. Der Dolch mit der gewellten kling nahm seinen Platz vor den Altarkerzen ein. Der um das schwarze Leder des Griffs gewundene Silberfaden glänzte im Licht der Lampen bei jeder Bewegung zu seinem Platz. Das Schwert mit dem Roten Ledergriff und der von Runen übersäten Klinge legte sich zur linken auf den Altar. Rechts fand der mit den drei Zeichen versehene Kupferkessel seinen angestammten Platz. Von einem kleinen Eisenteller in der Mitte des Altars stieg nun Rauch auf und begann den Raum zu säubern. Als das Räucherwerk entzündet war nahm sie den letzten schluck Kaffee aus der Tasse. Es kam ihr immer so vor als bereite sich der Raum selbst. Als kannte alles seinen Platz und wollte allein dorthin. Frühstück. Mit diesem Gedanken überließ sie den Raum sich selbst und verschwandt in die Küche.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

III.Zusammenkunft

 

„AHH!“ Ihr Gesicht krampfte sich kurz zusammen als der Schmerz sie durchzog.

„Sonst bist du doch auch nicht so zimperlich.“ Elans Stimme klang amüsiert, doch seine Augen waren sanft wie immer. Braun und fürsorglich schimmerten sie ihr entgegen. Sie mochte diesen Ausdruck in seinen Augen nicht. Immer wenn er sie so ansah als wäre Sie zerbrechlich und klein, fühlte sie sich auch so. Und dieses Gefühl konnte sie nicht ertragen.

„Konzentrier dich lieber auf das was du da machst anstatt mich anzuschmachten!“ Sie bemühte sich einen ärgerlichen Ausdruck in ihre Stimme zu bekommen, doch Elan konnte man nicht böse sein. Niemand konnte das und das war noch etwas an ihm, dass sie nicht mochte. Mit einem Lächeln richteten sich seine Augen wieder auf ihre Taille und die Wunde.

„Hast du sie auch richtig ausgewaschen?“ Bei der frage zogen seine feingliedrigen Finger erneut die Wundränder aus einander und der Schmerz durchzuckte sie abermals.

„JA!“ Diesmal war die Verärgerung echt. „Und auch verbunden.“ Fügte sie hinzu um einer weiteren überflüssigen Frage zu entgehen.

„Es ist nicht tief. Es reicht also wenn wir sie mit Pflaster fest zusammen tapen. Ich geb mir auch mühe, dass es keine Narbe wird.“ Sie verdrehte die Augen.

„Als ob es darauf ankommt.“ Seine Finger strichen über eine der vielen feinen Linien, die von ähnlichen Verletzungen stammten.

„Lass das!“ Sie schob ihn unsanft beiseite.

„Schon ok.“ Elan kramte ein kleines Glas aus seinem Rucksack. „Leg die Kräuter unter den Verband und komm dann wieder rüber.“ Mit den Worten gab er ihr das Glas und verließ die Küche um zu dem Anderen ins Wohnzimmer zu gehen. Sie öffnete die Schranktür, welche ihr am nächsten war und verstaute das Glas darin. Noch ein letztes mal ihre Glieder streckend und ein gewisses Maß an Konzentration aufbauend machte Sie sich daran ebenfalls ins Wohnzimmer zu gehen.

 

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„Er ist Tod.“ Ihre Stimme klang Emotionslos und gelangweilt. Sie war diese Botengänge leid, fühlte sich zu höherem berufen. Nur wollte sich Ihr einfach keine Möglichkeit bieten sich zu beweisen. So räkelte sie ihren Körper, einer wärme tankenden Schlange ähnlich, weiter auf dem großen Felsen.

„Bist du dir sicher?“ der Unterton in der Stimme des Dämons gefiel ihr nicht. Als wär sie nicht fähig den Tod eines einfachen Menschen festzustellen.

„Wenn sich Menschen seit neustem davon erholen können von den Schatten zerfleischt und verschlungen zu werden, dann könnte da ein gewisser zweifel bleiben.“ Der Sarkasmus in ihrer Stimme war ihrer Position vielleicht unangemessen, entsprach jedoch dem Ärger, den sie über so unsinniges Nachfragen empfand. Sein Blick lies ihren Körper leicht verkrampfen.

„Du wirst dich davon überzeugen, wo er jetzt ist, und ihn zurück bringen. Ich brauche ihn hier noch. Seine Rolle ist noch nicht Ausgespielt.“ Ihre Augen weiteten sich vor Erregung. Sie sollte die Spielregeln brechen. Darauf hatte sie schon viel zu lange warten müssen.

 

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„Und das ist alles, was geschehen ist?“ Elans Stimme war sanft wie immer. Sie verdrehte unwillkürlich die Augen als sie antwortete.

„Ja. Das ist alles.“ Elan wandte den Blick von ihr ab uns sah jeden im Kreis der reihe nach an. Mit einem leichten Nicken deuteten die Mitglieder des Koven an, das er für sie sprechen möge.

„Ok. Du wurdest Angegriffen und es ist dein gutes Recht dich zu verteidigen. Das deine Reaktion etwas heftig ausgefallen ist.. „, er seufzte, „ nun ja. Damit hätte er rechnen müssen. Auch wenn deine Magie sich gegen ein Mitglied dieser Runde gerichtet war, so war der Schlag gerechtfertigt. Was mich angeht ist die Sache damit erledigt.“ Einstimmig nickten alle stumm vor sich hin.

„Wie erklären wir das seiner Schwester?“ Minaras Stimme klang wie immer unsicher und etwas ängstlich, doch ihr Einwand war berechtigt.

„Ich sage es ihr sobald sie zurück ist. Sie ist meine Schwester im Geiste. Ein Mitglied dieser Runde und ich habe ihren Bruder umgebracht. Es wär nicht richtig wenn sie es von jemand anderem erfährt.“ Fala sah langsam in die Runde. Auf den Gesichtern ihrer Gefährten las sie Erleichterung. Ja Sarah konnte grausam werden, wenn sie wütend war. Und wütend würde sie ohne Zweifel werden. Aber jetzt musste sie erstmal diesen Abend durchstehen und sich dann von Elan tapen lassen.

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 25.02.2015

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