Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Autorinnen und Autoren,,
„Aus den Augen, aus dem Sinn“, das ist ein dummes deutsches Sprichwort, denn es passt nicht, wenn eine echte Freundschaft besteht.
Van rencin ist ein Autor, der leider nicht mehr auf dieser Plattform schreibt, aber noch vielen von uns bekannt sein dürfte ob seiner schönen, humorvollen Geschichten, aber auch ernsten Beiträgen.
Eine der Geschichten, die er erzählte, heißt „Atelierbesuch“ und ich versprach ihm, dieses Stück ins Niederdeutsche zu übertragen. Nun kann ich in Anlehnung an einen bekannten Fußballtrainer sagen: „Ich haben fertig.“
Für alle , die die Geschichte noch nicht kennen, veröffentliche ich sie hier noch einmal und gleich daran angehängt die niederdeutsche Übertragung. Aus Zeit- und BX-technischen Gründen kann ich sie hier nicht abschnittsweise jeweils gegenüberstellen, aber früher habe ich auch schon eigene Geschichten nacheinander präsentiert.
Also gehen wir es an.
Atelierbesuch
Bei Herumstöbern im Internet war ich zufällig auf eine Seite gestoßen, wo Werke bildender Künstler eingestellt waren. Dem Werk, welches am besten gefiel konnte man einen Stern verleihen. Der größte Teil der Bilder war mir unverständlich; ich konnte außer Farbklecksen und geometrischen Formen nichts erkennen.
Einige Bilder hätte man für von Kleinkindern gemalt halten können und irgend-wie fühle ich mich richtig vergackeiert. Aus Wut gab ich dem meiner Meinung nach dümmsten aller Bilder einen Stern.
Darauf war eine tiefblaue Fläche und in der Mitte eine Art Sonne, die aber grünes Licht streute, zu sehen. „Aufkeimung“ war unter dem Werk zu lesen. Das gab mir vollends den Rest und ich verließ schleunigst diese Seite.
Nach einem Monat bekam ich gemailt, dass ich Preisträger sei und einen Ate-lierbesuch gewonnen hätte. Die guten Leute hatten, es gab auch noch andere Preisträger, extra in der Nähe praktizierende Künstler ausgesucht, die vom jeweiligen Glückspilz bequem erreichbar waren. Für mich gab es die Adresse und den Termin und ich wurde gebeten in ein Kästchen einen Klick zu machen, wenn ich die Einladung annehme.
Warum nicht, dachte ich und machte den Klick. Wenig später hatte ich es aber bitter zu bereuen. Ich suchte nämlich nochmals die Seite auf und stellte fest, dass die Künstlerin, die das Werk „Aufkeimung“ geschaffen hatte, eben diejenige war, die ich mich verpflichtet hatte, mit meinem Besuche zu erfreuen.
Es war Zufall, dass gerade sie in meiner Nähe wohnte, aber der Zufall lässt auch Dachschindeln auf die Köpfe der Leute fallen und mir war so, als hätte eine mich gerade mit voller Wucht getroffen.
Kneifen kam aber nicht in Frage; ich hatte mir die Suppe eingebrockt und war bereit sie nun auch brav auszulöffeln. Bis zum Termin nutzte ich die Zeit etwas über die Künstlerin zu erfahren- heute kein Problem wo auch Lieschen Müller längst eine eigene Webseite hat. Was ich auf ihrer sah und las machte mir richtig Angst und ich musste an eine bekannte Stätte, in der Nähe Dresdens, denken, wo Leute mit solch besonderer Begabung unter ärztlicher Aufsicht und Betreuung stehen.
Ich machte mich trotzdem auf den Weg.
Sie hatte eine ehemalige Scheune ausbauen lassen und nutze sie nun als Atelier. Ich war der Meinung Künstler brauchen Tageslicht, können nicht genug davon bekommen, aber es gab nur ein einziges Fenster und selbst das war verhangen.
Erhellt wurde der Raum spärlich von einer Lampe an der Decke.
Nun gut, dachte ich; Meister Rembrandt hat auch im Dunkel gemalt, mit einer Kerze auf dem Hut. Ich konnte sie erst gar nicht ausmachen, aber dann hörte ich Schritte und wie aus einem schwarzen Loch aus der Wand kommend erblickte ich sie.
Das „schwarze Loch“ war keins, sondern ein großes Tafelbild, das sie vor wenigen Tagen erst zu Ende komponiert hatte. Das sagte sie mir schon, als sie mir zur Begrüßung freundlich die Hand reichte. Auf ihrer Webseite waren ihre Geburtsdaten angegeben und demnach befand sie sich im 34. Lebensjahr. Ich hätte sie eine Winzigkeit älter geschätzt, aber das konnte an der Schiffermütze liegen, die ihr Gesicht beschattete. Sie trug einen Overall, der ihre weiblichen Formen, so sie welche hatte, verbarg und sie mit ihren etwa 1,85 Meter wie ein Brett auf zwei Stelzen aussehen ließ. Die Nase war wohlgeformt, und mit kleinen Sommersprossen bedeckt. Da sie unterbrochen auf mich einsprach sah ich mehr ihren Rachen bis hinten zum Zäpfchen, als ihre Lippen. „Die Arbeit an und mit der Kunst ist hehre und ich kenne gar nichts anderes mehr als zu schaffen“: sagte sie mit einem leichten Seufzer in ihrer volltönenden, nicht unbedingt wohl-klingenden Stimme.
Ich verstehe nicht das Geringste von Kunst, aber die Größe ihrer Hände verriet mir, dass sie bestimmt ganz kräftig zupacken konnte. Hände wie sie Holzfäller und Hufschmiede haben!
Wie man mit solchen Pranken einen Pinsel halten konnte, war mir absolut schleierhaft. Sie danach zu fragen, schien mir aber wenig schicklich und so hörte ich ihr weiter andächtig zu. So erfuhr ich zum Beispiel; besonders während ihrer Regel hätte sie nicht nur die besten Einfälle, sondern könne sie auch viel besser umsetzen, die Einfälle!
Sie hob dies nicht besonders hervor, es kam mehr beiläufig zwischen anderen Sätzen, die ich übrigens samt und sonders für ähnlich überflüssig hielt.
Aus purer Höflichkeit, da sie ihre kostbare Zeit an mich verplemperte, versuchte ich ein paar anerkennende Worte anzubringen
Ich fing an: „Hier beeindruckt mich ..“ „Das habe ich erwartet“, unterbrach sie mich mit einem Strahlelächeln und sah aus wie die gütige Fee im Märchen, die den Bauerntölpel gerade reich beschenkt.
„Viele meiner Gäste sind beeindruckt und überrascht, gerade; wenn sie zu er-kennen beginnen,
dass hinter dem Schwarz der Tafel, etwas, etwas wie Musik heraus leuchtet.“
Das Musik leuchten könne war mir nun völlig neu, aber wie eine Katze sieben Leben haben soll, hatte der „Liebe Gott“ ihr wohl ein paar Sinne mehr verliehen als gewöhnlichen Sterblichen. Möglich, dass sie es selbst sagte, denn ich erinnern mich jetzt; sie sprach tatsächlich von irgendwelchen Gnaden die ihr zuteil geworden waren.
Auf ihrer 2x3 Meter großen, kohlenrabenschwarz bemalten Tafel, pardon; dem Gemälde mit dem Titel „luzides“ sah ich nichts außer ein paar hängen- gebliebenen Pinselhaaren.
Meinen leicht verstörten Gesichtsausdruck interpretierte sie auf ihre Weise: „Ja, das sind Farbnuancen; Licht schält sich aus dem Tiefschwarzen empor und vergeht wieder im Unendlichen des Seins.
Sie erhob theatralisch die Hände, wechselte auf das Standbein und ich Kulturbanause dachte eine zehntel Sekunde lang; sie würde nun gleich Polka tanzen.
Dem war natürlich nicht so, aber dafür erfuhr ich etwas von „Wesenheiten“, die auf dem Bild anscheinend einen Spaziergang machten, um dann ebenfalls im Unendlichen des Seins- nicht zu vergehen- nein, um „Himmels Willen“ diese Wesenheiten verglühten.
Ich wollte ihr wirklich gern glauben, schließlich hatte sie ja dieses Kunstwerk erschaffen, aber ich sah nicht das Geringste von all diesen wunderbaren Sachen, deren sie nicht müde wurde mir in aller Ausführlichkeit zu schildern. Sie war, wie ich sagte, etwas groß, größer als ich jedenfalls. So war ich gezwungen immer nach oben zu schauen und bekam langsam einen Krampf in den Halsmuskeln. Berauscht von ihren eigenen Hymnen fing sie nun an selbst Dinge in ihren Bild zu entdecken, die sie gar nicht bewusst eingearbeitet hatte und demnach auch vorher nicht da waren. Sie rief zwar nicht direkt: “ Halleluja, ein Wunder ist geschehen!“, aber der Kern ihrer nun folgenden Selbstlobtirade lief darauf hinaus. Ich entsetzt über diesen Gefühlsausbruch schaute wie ein drehkrankes Schaf und dann kroch mir so etwas wie „Kalte Wut“ den Rücken herauf. Ich sah mich schon um, womit ich sie erwürgen könnte, da klingelte ihr Handy und rief sie an einen anderen Ort.
So wurde ich nicht zum kaltblütigen Mörder und sie, diese Lichtgestalt und große Künstlerin, blieb und bleibt unserer Welt erhalten. Wenn es der Teufel so will auch der Nachwelt!
Besöök in`t Atelier
(no een hochdüütschen Geschicht von Sweder Vanrencin. In Nedderdüütsch opschrieven hett dat Geheel Eduard M. Heinrichsen)
Ik heff an mien Reekner so`n beten in`t internet rumdoon. Dat is so`n niemodschen Kroom. Dat kannst bruken, wenn du mol wat söchst. Dor gifft dat een Siet „Billene Künstlers“. För dat Bild, wo ik meen, dat dat dat schöönste is, schall ik een Stern afgeven. De Billers hebbt so utsehn, as ob Kinners se malt hebbt. Doröver bin ik fünsch worr`n un heff dat dummerhaftigste utsöcht. Dat hett dann mien "Stern" kregen. "Aufkeimung“ hett dat Bild heten.Dat is so`n düstere blaue Flaag mit een Art Sünn ween, bloots de Sünn hett grööne Strahlen. Dann hebb ik de Siet fix dicht mokt.
Veer Weeken later is een email komen, - dat is een Breef, de in`n Computer steiht un nich op Papier. Ik kann mi een Atelier ankieken, steiht dorin, ik hebb een Pries wunnen. De Gewinner kann een Künstler besöken, de dicht bi em levt. De Tied kann he sölbens utmoken. „Na, denn man to“, hebb ik dacht. Over dat hett nich lang duert un ik heff dat wedder beduert. Ik bin to`n tweeten Mol op de Siet gangen un heff mien Gewinn ansehn. De Deern, de ik besöken schall, hett dat Bild "Aufkeimung" malt. Tofall is dat, se leevt bi mi um de Eck. So a`n Dunnerschlag hett mi dat dropen, over kniepen, - nee dat wullt ik ok nich.Ik hebb mi de Supp inbrokt, nu mutt ik se ok utlöpeln.
Ik söök mol wedder in`t internet wat dor över de Künstlerin steiht. Jedeen schrifft dor op`n „Webseite“ wat över sik. Wat ik dor lesen hebb, dat hett mi bannig an de Lüüd erinnert, op de bi us in de Klinik oppasst ward.Nu bün ik keen Bangbüx un so heff ik de Deern opsöcht.. Se levt in een in so`n oole Schüün. Dor hett se ok ehr Atelier, de Ruum is een düsteres Kabuff. Ne lütte Funzel mokt dat Licht. Ik denk so bi mi, Rembrandt hett ok bi Talliglicht de Billers malt.
Ik hebb de Malersch nich sehn. Un denn is se ut`n swattet Loch komen un seggt fortens to mi: Dat ´Swatte Loch` is keen Loch, dat is een „Tafelbild“, dat se nu fardig stellt hett. Veerundörtig is de Deern, hunnertfiefuntachtig Zentimeters vun de Fööt to`n Bregen, „Elvsegler“ op`n Kopp, Sömmersprötten in`t Gesicht mit de schööne Nees. Se schnackt sünner Pnkt un Komma. Bi lütten rökern mi de Uhren. Ne, een schööne Stimm hett se nich, de Deern, dadaför hett se Hannen so groot as Schüffeln. Disse zoorten Hannen hollt de Pinsels. Wor dat wohl geiht, denk ik.
Nu ward se intim un vertellt mi, dat se jümmers in ehr`n „ „Fruuensdaag“ de besten Ideen hett. Datt seggt se so ganz nebenbi. Nu bün ik een hööflichen Minsch un versök dorüm wat to de Billers to seggen. „Dunnerweer, …“. Fortens meent se: „Dat heff ik komen sehn, „ un kiekt mi dorbi an, „dat seggt de Lüüd all, wenn se klor kregen, dat achtern dat swatte vun de Tafel so wat as Musik dörch kömmt.“ Ik heff bis hüüt op`n Dag nich wusst, dat Musik schienen künnt. De leeve Gott hett de Künstlersch wohl een beten mehr mitgeven as een normalen Minsch.
Heff ik schon seggt, dat „Bild“ is`n swatte Tafel, so bi twee mol dree Meters, - pickendüüster? „lucides“ heet dat, wo se „Kunstwark“ tos eggt. „Ji mööt op de Farvnuancen achten“, seggt de Deern to mi.“Dat Licht kömmt ut dat Swatte un vergeiht wedder“, verkloort se mi. Ik heff dacht: „Nu fungt se an to danzen, ehr Freid is so groot.“ Ik wullt ehr jo glöven, wat se seggt. Dat is ja ehr „Kunstwark“. Bloots sehn heff ik nix vun all de wunnerbooren Dinge, de se mi vertellt. Dorto kümmt, dat ik jümmers no boben keken mutt, - se is grötter as ik. Dat deiht bi lütten weh. Nebenbi fullt ehr ok noch sölbens , wieldeß se mi dat vertellt, hi un do wat Nieges an dat Wark op. Un dann seggt se so as: „Hallelujah, een Wunner!“
So bi lütten mang düssen Tüünkraam bün ik fünsch worr`n. Jüst as ik wat seggen wullt, hett dat Handtelefon bimmelt. Se löpt woanners he, ik heff Dusel hatt! Ik bün knapp an vorbi komen to`n Mörder to warrn. De groote „Lichtgestalt“ un Künstlersch blifft op düsse Welt, - un wenn de Dübel dat will, ok op de Welt, de no us komen schall.
Texte: alle Rechte am Text bei den Autoren
Cover: eduard m. heinrichsen
Tag der Veröffentlichung: 05.11.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
meinem Freund Sweder Van Rencin, auf dessen hochdeutschem Text die niederdeutsche "Nacherzählung" beruht