Laus: Guten Tag, meine lieben Zuschauer. Mein Name ist Martin Laus und ich begrüße Sie ganz herzlich zu einer neuen Ausgabe „Talk am Nachmittag“. Wie immer mit interessanten Gästen, die ungewöhnliche Geschäftsideen in die Tat umgesetzt haben.
Mein erster Gast heute, zwei Wochen vor Weihnachten, ist Leander Wirkstrom, der eine Firma namens PeCe-Christmas gegründet hat.
Wirkstrom: PiCi-Christmas, bitte.
Laus: Äh, ah ja, Entschuldigung, PiCi-Christmas. Hat Ihre Firma mit Computern zu tun?
Wirkstrom: Nein, nein. PiCi steht nicht für Computer, sondern für political correct.
Laus: Ach so. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen? Sehen Sie da Handlungsbedarf?
Wirkstrom: Ja, in der Tat. Es ist doch so, dass das klassische Weihnachtsfest durch und durch diskriminierend ist und als solches gar nicht mehr zeitgemäß.
Laus: Ach ja?
Wirkstrom: Natürlich! Sehen Sie sich doch nur mal an, wie sexistisch da oft gefeiert wird. Der Weihnachtsmann muss immer ein Mann sein, das Christkind wird von einer Frau verkörpert und vom Nikolaus will ich gar nicht erst anfangen.
Laus: Und bei Ihnen ist das anders, Herr Wirkstrom?
Wirkstrom: Oh ja. Bei uns gibt es das gesamte Weihnachtspersonal in männlicher und in weiblicher Form. Wir haben Wichtel und Wichtelinnen, Elfen und Elfeninnen, Christkinder und Christkinderinnen, Weihnachtsmänner und Weihnachtsmännerinnen. Und auch den heiligen Nikolaus können Sie als Bischof und Bischöfin, also als Nikolausine buchen.
Laus: Und die Leute wollen das?
Wirkstrom: Nun, ich muss zugeben, dass die meisten nach wie vor an den alten Traditionen festhalten. Hier muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Aber mehr und mehr Menschen können sich für unsere Ideen erwärmen.
Laus: Haben Sie denn auch auf anderen Gebieten die Gleichberechtigung unterm Tannenbaum eingeführt?
Wirkstrom: Aber ja. Wir bieten auch die PiCi-Krippe an.
Laus: Wie darf ich mir das vorstellen?
Wirkstrom: In der heutigen Zeit ist die einfache Vater-Mutter-Kind-Familie ja schon fast die Ausnahme. Wir haben da also zum Einen die Patchwork-Krippe mit zwei oder mehr Müttern oder Vätern und jeder Menge Geschwistern und Halbgeschwistern, zum Anderen natürlich auch die gleichgeschlechtliche Krippe – wissen Sie, in unserem Programm führen wir sie als „Regenbogenkrippe“, ein echter Verkaufsschlager – mit zwei Marias oder zwei Josephs. Und die Alleinerziehenden-Krippe, ohne Maria oder ohne Joseph. Wobei ich sagen muss, dass die Krippe ohne Maria eher selten verkauft wird. Der Kunde bekommt also immer die Krippe, die auch zur tatsächlichen Situation in der Familie passt. Außerdem haben wir natürlich auch hier wieder die Auswahlmöglichkeit zwischen männlichen und weiblichen Jesuskindern.
Laus: Das geht aber doch sehr weit...
Wirkstrom: Nein, gar nicht. Es ist an der Zeit, die alten Zöpfe endlich abzuschneiden. Schauen Sie sich doch die Krippen an, die Sie hierzulande kaufen können. Alle gleich. Hier muss frischer Wind hinein. Unsere Krippenfiguren können Sie ganz nach Belieben zusammenstellen. Und natürlich können Sie auch zwischen allen verfügbaren Hautfarben wählen.
Laus: Oh, das finde ich eine entzückende Idee.
Wirkstrom: Nicht wahr? Im Augenblick liegen uns ein paar Bestellungen vor, wo die Leute eine europäische Maria, einen afrikanischen Joseph und ein asiatisches Jesuskind haben wollen.
Laus: Ist das biologisch nicht unmöglich?
Wirkstrom: Es ist wirklich traurig, wie festgefahren Sie in Ihrer Art zu denken sind. Auf die Biologie kommt es ja wohl nicht an. Es ist der Gedanke, der zählt. Das Völkerverbindende. Nur das ist wichtig.
Laus: Natürlich... ( blättert)
Ich sehe hier in meinen Unterlagen, dass Sie auch das religionsfreie Weihnachten anbieten. Wie sollen wir uns das denn vorstellen?
Wirkstrom: Ja sehen Sie, es ist doch so: Wenn nur Christen Weihnachten feiern dürfen, wie diskriminierend ist das denn? Wir bieten das entchristianisierte Weihnachtsfest an, bei dem wir auf die meisten oder auch auf alle christlichen Symbole verzichten. Ganz nach Kundenwunsch. Also ohne Krippe, ohne Engel, ohne Baum.
Laus: Aber was bleibt denn dann noch übrig?
Wirkstrom: Die Geschenke. Und seien wir doch mal ehrlich, das ist es doch, was die Menschen an Weihnachten wirklich wollen.
Sollten Sie aber auch ohne das ganze christliche Drum und Dran nicht auf Weihnachtspersonal verzichten wollen, so haben wir auch Weihnachtsmänner und Weihnachtsmännerinnen im Business-Outfit, im Sportdress oder in der Abendgarderobe. Ganz nach Geschmack. Wir können Ihnen sogar eine Gothik-Aufmachung anbieten. So können selbst Satanisten ohne schlechtes Gewissen Weihnachten feiern.
Es war ja von uns zunächst sogar angedacht, die anderen Religionen einfach in das Fest zu integrieren. Buddha in der Krippe, Sie verstehen? Oder Buddharin. Aber unsere PR-Beraterin hat uns dringend davon abgeraten.
Laus: Ach!
Wirkstrom: Jaja. Sie meinte für eine solche Globalisierung des Festes seien die meisten Religionen noch nicht reif. Schade.
Laus: Äh, ja, gut. Apropos Feier. Sie richten auch das Essen an Heiligabend aus?
Wirkstrom: Oh ja. Auch hier richten wir uns ganz nach Kundenwunsch. Gans mit Klößen und Rotkohl, Schäufele mit Kartoffelsalat, aber auch vegetarisch, vegan, halal, koscher, was auch immer Sie wollen.
Laus: Und die Deko?
Wirkstrom: Wie gesagt, ganz nach Kundenwunsch. Besonders stolz sind wir übrigens auf unseren Frutarier-Weihnachtsbaum.
Laus: Frutarier-Weihnachtsbaum...?
Wirkstrom: Aber ja. Wie Sie wissen, essen Frutarier nur solches Obst und Gemüse, welches von allein vom Baum gefallen ist. Bisher mussten diese Menschen auf Weihnachtsbäume verzichten, denn diese werden ja ebenfalls lebend geschlagen.
Hier bietet unser Frutarier-Weihnachtsbaum eine echte Alternative. Wir bieten Bäume an, die vom letzten Sturm entwurzelt und völlig leblos sind.
Laus: Und die in der Wohnung? Also, ich weiß nicht.
Wirkstrom: Doch, doch, das ist genial. Sie müssen die Bäume nur mal richtig mit dem Gartenschlauch abspritzen, damit der Dreck abgeht.
Laus: Aber da sind doch bestimmt gar keine Nadeln mehr dran.
Wirkstrom: Sehen Sie, noch ein Vorteil. Endlich ein Baum, der Ihnen nicht schon an Sylvester die ganze Bude vollnadelt.
Laus: So wie es aussieht, meine lieben Zuschauer, werden wir wohl alle gewaltig umdenken müssen, wenn es um das Fest der Liebe geht. Ich danke Ihnen, Herr Wirkstrom, für diese interessanten Einblicke in Ihr Geschäftsmodell.
Wirkstrom: Bitte sehr.
Tag der Veröffentlichung: 14.12.2015
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