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Trophäen

 

Er liebte das Geräusch, wenn die einzelnen Teile einrasteten. Das satte Klicken beruhigte und erregte ihn gleichermaßen. Das Zielfernrohr setzte er immer zum Schluss ein, dann fehlte nur noch die Patrone. Sorgfältig legte er sie in die Kammer und spannte durch. Alles war bereit. Jetzt musste sein Ziel nur noch auftauchen.

Zwei Tage lang war er den Spuren gefolgt, immer auf der Hut vor den Wildhütern. Natürlich hatte er die wichtigen Stellen bestochen, aber man konnte nie sicher sein, dass nicht doch noch einer von den ganz Übereifrigen auftauchen und alles vermasseln würde.

Nashörner hatte er einige gesehen. Aber es waren alles Weibchen gewesen oder Jungtiere, kaum der Rede wert, nichts, was für seine Wand geeignet wäre.

Er lächelte, als er an den Raum dachte, den er nur eine handverlesene Auswahl guter Freunde betreten ließ, seinen Trophäenraum. Er war groß; das musste er auch sein, denn seine Sammlung war umfangreich. Und er hatte jedes einzelne, der dort ausgestellten Tiere selbst erlegt. Der Raum war unterirdisch angelegt, keine Fenster, keine neugierigen Blicke und vom Personal hatte nur James Zutritt. Denn James konnte er bedingungslos vertrauen.

Der Raum war fünfeckig, fünf Wände für fünf Kontinente.

Die meisten Sammler ließen ein Tier komplett ausstopfen. Ihn interessierten nur die Köpfe. Er ließ sie präparieren und auf Holzbrettern befestigen, immer mit offenen Mäulern, immer bedrohlich schauend.

Gut, es gab Tiere, bei denen sah das ein bisschen albern aus, bei dem Panda zum Beispiel, aber die meisten waren noch im Tode eindrucksvoll.

Die Köpfe waren auch das einzige, was er von seinen Jagdausflügen mitbrachte. Er jagte immer allein und er schnitt auch die Köpfe immer allein von den Kadavern. Mal mit dem Messer, mal – wie im Fall des Elefantenbullen – mit einer Axt.

Das Nashorn war eine der ersten Trophäen gewesen, aber er war damals noch zu unerfahren gewesen und hatte zu wenig Geduld gehabt. So hatte er nur ein weibliches Tier erlegt und nicht auf einen Bullen gewartet. Jetzt wollte er dem Weibchen noch einen Begleiter an die Seite geben. Und die Spuren waren viel versprechend. Er war gut getarnt, das Tier würde keinen Verdacht schöpfen. Er hatte sich eine flache Mulde gegraben, hier in der Nähe des Wasserlochs, und eine erdfarbene Decke übergeworfen, er war nicht zu entdecken.

Die Zeit des Wartens genoss er normalerweise, doch dieses Mal war er abgelenkt. Felicitas hatte darauf bestanden, ihn zu begleiten. Es wurde Zeit, sich eine neue Ehefrau zu suchen. Sie hatte die Nase voll von seinen Affairen und kontrollierte ihn auf Schritt und Tritt, immer mit Leidensmiene, immer mit falschen Tränen in den Augen. Beim nächsten Mal würde er keine Schauspielerin mehr heiraten, das stand fest, viel zu theatralisch. Zumindest hatte er sie überreden können, mit James in der Hotelanlage zu bleiben, die ihm gehörte. James würde aufpassen, dass Felicitas keine Dummheiten machte.

Scheidungen waren teuer, natürlich, aber er hatte immer dafür gesorgt, dass seine Ehefrauen zwar gut versorgt dastanden, aber nicht sein gesamtes Vermögen in die Finger bekamen.

Bis zum Nachmittag musste er ausharren. Tiere kamen reichlich hierher, er sah ein paar schöne Exemplare, doch obwohl es ihn in den Fingern juckte, zwang er sich, nicht abzudrücken. Heute interessierte ihn nur der Bulle.

Als seine Gelenke steif wurden und der Drang, aufzustehen und herumzulaufen immer stärker zu werden begann, kam er endlich; und er war ein Koloss, ein riesiges Exemplar. Der Jäger spürte, wie seine Hände feucht wurden von der Erregung, die er jedes Mal spürte, kurz bevor es zum Schuss kam.

Der Nashornbulle war sich keiner Gefahr bewusst. Hier war er der unangefochtene Herrscher. Er senkte den Kopf und begann zu saufen. In großen Schlucken stillte er seinen Durst; da traf ihn der Schuss.

Der Jäger hatte gut gezielt, genau auf das Herz des Tieres. Er erwartete, dass der Bulle auf der Stelle tot umfallen würde und erhob sich aus der Kuhle. Ein fataler Irrtum. Der Bulle war zwar getroffen, aber er war nicht tödlich verwundet und so erblickte er den Mann, der ihm diesen Schmerz bereitet hatte. Mit einem wütenden Brüllen stürzte er auf den Jäger zu, bereit, ihm seinerseits Schmerzen zuzufügen.

Der Jäger sah die Gefahr kommen und reagierte blitzschnell. Er riss das Gewehr hoch und legte an. Einen Moment zögerte er. Er wollte das Tier auf keinen Fall in den Kopf schießen und zielte knapp daran vorbei. So war der Bulle schon fast bei ihm, als der zweite Schuss fiel. Dieses Mal war der Nashornbulle tödlich getroffen und stürzte zu Boden. Er rutschte aber weiter auf den Jäger zu, riss ihn von den Beinen, sodass diese brachen wie trockenes Holz und kam erst einige Meter weiter zum Halten.

Die Schmerzen waren höllisch. Es war sogar möglich, dass er einige Zeit das Bewusstsein verloren hatte, aber als er wieder einigermaßen klar denken konnte, versuchte er, die Lage zu analysieren. Jetzt kam ihm gut zupass, dass er in heiklen Situationen einen kühlen Kopf bewahren konnte. Er musste nur zum Jeep kommen und James über das Funkgerät erreichen. Der Nashornbulle war fürs Erste unwichtig. Um ihn würde er sich kümmern, sobald James mit dem Hubschrauber käme. Dann könnten sie dem Tier den Kopf abschneiden; dieses eine Mal musste er Hilfe von James annehmen.

Nicht eine Sekunde lang kam ihm in den Sinn, sich an ein örtliches Krankenhaus zu wenden. Immer, wenn er in einem dieser Länder war, wo die Menschen von Zivilisation noch nie gehört hatten, ging er in einem Krankenhaus vorbei und ließ eine Spende dort. Das war weniger der Tatsache geschuldet, dass er ein guter Mensch war, als vielmehr eine hervorragende Gelegenheit, sich von der internationalen Presse ablichten zu lassen. Er hatte danach noch nie Schwierigkeiten gehabt, seine Projekte durchzusetzen, egal, wie umweltschädlich oder gesundheitsgefährdend sie waren. Die Paparazzi liebten ihn geradezu. Immer freundlich, immer gut drauf, immer engagiert. Was ging diese Schwachköpfe an, wie er wirklich dachte und handelte.

Zentimeterweise zog er sich zum Jeep durch den Staub. Er hatte ihn hinter einer kleinen Erhebung abgestellt und jetzt verfluchte er sich dafür. Das Hügelchen, das ihm auf dem Weg zum Wasserloch keine Mühe bereitet hatte, erhob sich jetzt wie ein Berg vor ihm. Zum Glück war er in Form. Dafür sorgte Fernando, sein Personal Trainer.

 

James hörte das Funkgerät, erhob sich und ging hinüber in das angrenzende Zimmer, um das Gespräch anzunehmen.

„Sir?“.

„Gott sei Dank, James. Ich brauche deine Hilfe. Mich hat es erwischt.“
“Oh, Sir, sind Sie schwer verletzt?“

„Meine Beine sind gebrochen, ich schaffe es nicht aus eigener Kraft. Hol mich mit dem Hubschrauber ab, hörst du?“

„Selbstverständlich, Sir.“

Das Beste an James war, dass er nie viele Worte machte. Selbst, wenn um ihn herum das Chaos tobte, James war immer ruhig und gelassen. Der Jäger schätzte das, so wollte er die Menschen um sich herum haben. Schade, dass Felicitas diesen Anforderungen nicht genügte. Er gab James die Koordinaten.

„Ach ja, sag meiner Frau lieber nichts, sie regt sich immer so auf. Es reicht, wenn sie bei meiner Ankunft sieht, was passiert ist.“

„Natürlich, Sir. Ich werde in etwa zwei bis drei Stunden bei Ihnen sein.“

„Danke, James. Over.“

Der Jäger ließ das Funkgerät sinken. Dieses kurze Gespräch hatte ihn mehr angestrengt, als er erwartet hätte. Er fühlte, wie er wieder das Bewusstsein zu verlieren begann. Die Hitze und die Luftfeuchtigkeit waren aber auch mörderisch. Bevor er hinüberglitt in die Ohnmacht, dachte er noch, wie glücklich er war, James an seiner Seite zu haben.

 

James schaltete das Funkgerät aus und zog den Stecker.

„Kommst du?“, die Stimme von nebenan war sanft und angenehm. Als er eintrat, hatte Felicitas sich erhoben. Unter ihrem dünnen Négligé zeichneten sich ihre Brüste verführerisch ab. Sie wiegte sich in den Hüften.

„Mein Mann?“.

James nickte.

„Was wollte er denn? War es wichtig?“

James legte Felicitas die Hände um die Taille und zog sie näher zu sich.

„Nein, nein“, sagte er und küsste sie leicht auf die Nasenspitze. „Er hat mich nur verständigt, dass er noch drei oder vier Tage fortbleiben will.“

Felicitas lächelte. „Komm ins Bett“, sagte sie.

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Tag der Veröffentlichung: 17.03.2015

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