Mein Leben ist ungefähr so aufregend wie die Liste mit Börsenkursen in der Tageszeitung. Nur diejenigen, die es wirklich interessiert, und das bin in meinem Fall nur ich, können dem ganzen etwas abgewinnen.
Ich war schon als Kind das, was meine Eltern einen „Stubenhocker“ nannten. Die Verzweiflung, die sie deswegen empfanden, konnte ich jedoch nie nachvollziehen. Ich spielte. Allein in meinem Zimmer nahmen all jene Geschichten Gestalt an, die ich erst viel später zu Papier bringen sollte. Geschichten, genährt von all den Büchern, die mich immer schon und bereits früh umgaben.
Manche dieser Geschichten erzählte ich mir auf dem Bauch liegend damit beschäftigt, Puzzleteile aneinander zu fügen. Stundenlang konnte ich die Bilder zusammensetzen und wieder auseinander nehmen. Kein Wunder, dass meine Puzzle aus Kindertagen, die bei meinen Eltern im Keller auf ihre Renaissance warten, so manche ihrer Teile eingebüßt haben.
Da gab es die Bilder aus den Pippi-Langstrumpf-Filmen, Landschaften, Tierportraits und Märchenbilder, die, zerlegt in zwanzig, vierzig oder hundert Einzelteile, in ihren Kisten schlummerten.
Auch als ich älter wurde, das Puzzlen begleitete mich. Mit zwölf reichten mir die kleinen Bilder nicht mehr und ich wagte mich an größere Aufgaben. Zuerst waren es fünfhundert Teile, dann tausend; und ich erinnere mich noch gut an die Aufregung, die ich empfand, als mir bewusst wurde, welches Ziel ich mir da gesetzt hatte.
Komisch vielleicht, aber noch heute bin ich aufgewühlter, wenn ich ein Puzzle anfange, wenn ich den Berg der Stücke vor mir sehe, der zusammengesetzt und wieder „ganz“ gemacht werden will, als in dem Moment, wenn es fertig vor mir liegt. Und noch heute entstehen viele meiner Geschichten während ich auf dem Bauch liege und Teile zusammen setze.
Mich faszinieren Details. Es ist erstaunlich, wie gut ich so manches Kunstwerk kennen gelernt habe ohne es jemals in einem Museum bestaunt zu haben. Da Vincis „Verkündigung“, das größte Bild, das ich je zusammen gesetzt habe, ist mir hier noch in bester Erinnerung. Ich habe ein Jahr gebraucht, bis ich die mehr als dreizehntausend Teile dort platziert hatte, wo sie hingehörten, aber es ist ein so unglaublich schönes Bild, dass ich nie müde wurde, daran zu arbeiten. Auch, wenn „arbeiten“ sicherlich das falsche Wort ist.
Die Zahl der Teile hat sich im Lauf der Jahre stetig verändert, mal waren es mehr, dann wieder weniger. Ich habe Puzzle ohne Bild zusammen gesetzt, solche ohne Rand, welche, in denen dreidimensionale Bilder versteckt waren, Kugeln und Bauwerke. Aber immer noch und immer wieder empfinde ich die meditative Ruhe, die ich spüre, wenn ich auf der Suche nach dem ganz speziellen Teil bin, als zutiefst erfüllend; und das Finden dieses einen Teils, welches wieder neue Anlegemöglichkeiten eröffnet, wieder neue Herausforderungen mit sich bringt, das birgt ein Glücksgefühl in sich, das wohl nur diejenigen kennen, die, wie ich, verrückt genug sind, sich einem solchen Hobby zu verschreiben.
Tag der Veröffentlichung: 01.03.2015
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