Roswita hatte die Nase voll. Was zuviel war, war zuviel. Seit geschlagenen zwei Stunden schob Lothar jetzt den überdimensionalen Wagen durch die Gänge des Baumarktes auf der Suche nach „ein paar Kleinigkeiten“, die noch fehlten. Statt dass er endlich seine dilettantischen Versuche aufgab, irgendwann etwas Brauchbares zusammenzuschrauben und sie endlich in Ruhe ließe, rauschte er von Regal zu Regal, ständig neue Laute grenzenlosen Entzückens von sich gebend.
Jetzt stierte er bereits seit geschlagenen zehn Minuten auf das Regal mit den Kleinteilen, nur weil ihm noch eine ganz bestimmte Inbusschraube fehlte. Roswita hatte vorgeschlagen, er könnte ja mal einen der Verkäufer fragen, aber Lothar war ja ein Mann und Männer fragen nie. Und sie selbst war natürlich schon gar nicht autorisiert zu fragen, denn sie war eine Frau und damit von Natur aus ahnungslos.
„Schatz“, sie versuchte zuckersüß zu klingen, schaffte aber allenfalls giftig.
„Hmm?“, Lothar schielte durch die Lesebrille auf die Verpackungen.
„Ich wünschte, wir würden mal eine Schiffsreise machen.“
„Häh, wieso denn das?“, jetzt schaute er sie zumindest mal an.
„Dann könnte ich jetzt über die Reling kotzen.“
Lothar schnaubte durch die Nase.
„Mensch Roswita, wir sind doch gleich fertig. Nur noch diese eine Schraube, dann können wir zur Kasse.“
Roswita verdrehte die Augen. Was dann kam, daran wollte sie gar nicht denken. Sie mussten den ganzen Plunder ins Auto schaffen, und Lothar würde darauf bestehen, dass alles Platz sparend untergebracht wurde. Zu Hause musste dann jedes einzelne Teil durch das Treppenhaus in den vierten Stock verfrachtet werden und bliebe dann so lange im Wohnzimmer liegen, bis Lothar aus seinem Heimwerker-Portfolio die passende Anleitung rausgekramt hatte. Dann würde er die Teile eins nach dem anderen im Wohnzimmer zurechtsägen, zusammenhämmern, verleimen, schrauben und lackieren. Der Perserteppich sah inzwischen aus wie der Betonboden einer Autowerkstatt.
Und wenn dann alles fertig war, obwohl es nicht so aussah, schickten die grenzdebilen Kumpels vom Kegelclub „Kleine Sau“ ein Komitee zur Begutachtung, tranken den Kühlschrank leer und blieben genau so lange, bis der ganze Zauber in sich zusammenfiel.
„Ha, ich hab’s“, Lothars Heureka ließ Roswita zusammenzucken. „Komm, Schatz, wir gehen zur Kasse.“
Tag der Veröffentlichung: 28.01.2015
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