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1.Kinder des 30 Jährigen Krieges
Bei Meißen an der Elbe sind die feindlichen Soldaten vorgedrungen und machen sich nun in brutalster Weise über die ärmeren Bauern her. Knappe zwei Kilometer davon entfernt bricht in einem Waldstück nahe dem Fluss ein Mensch aus dem Unterholz. Es ist ein Junge nicht älter als vierzehn oder fünfzehn. Er trägt zerrissene Kleidung und wurde anscheinend erst vor kurzem verprügelt, denn es klaffen überall an seinem Körper offene Wunden. Eins seiner Augen kann er nicht öffnen so angeschwollen war es. Blind stolpert er an das steinige Ufer der Elbe. Blutige Fußabdrücke ziehen sich hinter ihm her und sinkt erschöpft am Wasser zusammen.
Kaum erkennbar zwischen den Felsen liegt dieser Junge auf dem Rücken und starrt in den Himmel. Er sieht dunkle Rauchsäulen emporsteigen. Soldaten kamen in sein Dorf und haben dort gewütet. Sie haben Gebäude in Brand gesteckt und Familien gequält und getötet – seine Familie. Nun liegt der Davongelaufene im Schatten in heißen Stößen keuchend, die Augen geschlossen. Langsam beruhigt er sich, doch da kämpfen sich weitere Tränen durch seine zitternden Lider. Er hört das Rauschen des Wassers und sorgenlose Singen der Vögel. Der Wind legt sich leicht über die Wälder und lässt sich von dem Rascheln der Blätter in den Bäumen und Sträuchern rufen. Er trägt Brandgeruch herüber. Den Brandgeruch von Häusern und Menschen – seiner Familie. Warum sollte er nicht einfach hier liege bleiben? Er hat alles verloren, was er besessen hat. Jeden verloren den er liebt – seine Familie. Alles Gute war aus dieser, seiner Welt gelöscht worden, während sich das Feuer des Krieges und der Verzweiflung immer weiter ausbreitet.
Trotzig hat der Junge schon vielen Krankheiten und Hungersnöten stand gehalten, nur um hier allein zu enden, im Rauch der Verwüstung seines Lebens zu ersticken. Warum nicht in alle Ewigkeit hier liegen bleiben. Bis sich der Schleier des Vergessens und der ruhe auf die Welt legt. Er gab dem Tod sein Einverständnis und wartete, nun von dieser traurigen Welt hinweg genommen zu werden in eine bessere. Vielleicht zu seiner Familie. Er hörte das Rauschen der Blätter und des Flusses und die Nacht erhielt Einzug über die Erde. Am Tag darauf liegt der Mensch noch am Fluss und ist nie wieder aufgewacht. Nun ist er da wo er hinwollte, bei seiner Familie.

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Tag der Veröffentlichung: 21.04.2011

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