Das letzte was mir klar vor Augen erschien war eine Blume. Sie leuchtete in grellen Rot und hatte einen goldenen Kelch. Dieses rote Glühen der Blume in der Dunkelheit, das war das einzig Gewisse in mir. Das Glühen erfüllte mich mit Wärme. Ich streckte die Hände aus und das Bild der Blume verschwand. Mein Körper schmerzte und ich schloss meine Hände zu Fäusten. Sie schrammten über feuchte Erde, rupften Grashalme heraus. Ich atmete tief ein und roch Wiese, Blumen und Erde. Wind rauschte in meinen Ohren und ich blinzelte als das Sonnenlicht durch meine Augenlider fiel.
Still, leise, wispernd
Sie hören dich
Still ruhig, flüsternd
Sie wissen es
Der Dunklen, Finsteren Heer
Aus den Tiefen empor
Gierend, schlingend, fressend
Hoffnung vergehen, Leben verderben
Still leise wispernd
Lausche, du wirst hören
Still ruhig flüsternd,
du wirst sehen
Der einzge, geboren mit blutgem Sold
In den Schatten drängend sein Blut gleich
Den Stab er in Händen hält
Die Finsternis vor ihm kniend
Still, leise flüsternd,
ein neues Zeitalter naht
still ruhig wispernd……
Er setzte sich auf und sah sich um. Dieser Ort war ruhig und in der Nähe befand sich ein Wald. Er selbst lag auf einer Wiese, nicht unweit entfernt stand ein kleines Haus. Er fuhr sich mit einer Hand über die Stirn, wo war er hier?
Er wusste auch nicht wie er dorthin gekommen war, doch das Gefühl angekommen zu sein, verunsicherte ihn zusehends. Die Luft war frisch und die Sonne wärmte sein Gesicht. Angekommen, doch wo angekommen? Allmählich wurde ihm bewusst das es noch sehr viele andere Dinge gab die er nicht wusste. Er fragte sich wie sein Name war doch es fiel ihm nicht ein. Wenn er „angekommen“ war, dann war er doch von irgendwo „abgereist“? Doch von wo, das wusste er auch nicht mehr.
Er stand auf und klopfte sich den Dreck von der ausgeblichenen Jeans. Da kam ihm eine andere Idee und er stülpte die Hosentaschen um, doch lediglich ein kleiner Fussel war darin zu finden.
Vielleicht sollte er bei dem Haus klopfen und fragen wo er sich befände überlegte er und fragte sich dann noch, ob es den Bewohnern des Hauses nicht komisch vorkommen würde, das ein Fremder in der Pampa nicht weiß wo er sich befindet.
Wind kam auf und die Bäume des Waldes rauschten. Unwillkürlich blickte er sich zum Wald um, aus dem gerade eine Gestalt heraus kam. Jemand den er fragen könnte.
Er kehrte dem Haus den Rücken zu und ging auf die Gestalt zu, die ihn zu bemerken schien und nun auch geradewegs auf ihn zu steuerte.
Die Gestalt hatte langes weißes Haar das vom Wind zersaust wurde, sie war großgewachsen und die Gesichtszüge waren sehr fein und irgendwie schön. Fast schon feminin.
„Ähm Entschuldigen Sie.“
Die weißhaarige Person blieb stehen und lächelte ihn an. „Verlaufen?“
Die Stimme des Weißhaarigen war dunkel, zu dunkel für eine Frau, dachte er beschämt bei sich.
„Ja irgendwie schon…“ antwortete er.
„Wie heißt du?“ fragte der Fremde.
„Tray.“ Sagte er und er wusste das dies stimmte, das war sein Name.
„Also Tray, du siehst nicht aus, als wärst du von hier.“
Das war er auch nicht, denn er war ja „Angekommen“ aber wie sollte er das dem Fremden erklären? Tray fühlte sich zunehmend beklommener als ihm die seltsame Kleidung des Fremden auffiel. Das auffälligste Merkmal war das lange Schwert auf seinem Rücken. Er trug eine Aladinhose und spitze flache Schuhe, außerdem ein weißes Hemd und darüber einen schwarzen Mantel, der in Trompetenärmeln auslief.
Tray trug eine ausgeblichene Jeans durchgelaufene Turnschuhe und ein Shirt auf dem in Comic Schrift „Boom“ Stand.
„Könnten Sie mir sagen, wo ich hier bin?“ fragte Tray unsicher. Der Fremde hob argwöhnisch die Augenbrauen.
„Wenn du von der anderen Seite kommst, dann solltest du doch wissen, wo du hier bist. Denn du bist in diesem Fall mit dem Ziel hier zu sein, her gekommen.“
„Mister, ich verstehe kein Wort von dem was sie da gerade gesagt haben. Ich ähm… Ich kann mich nicht erinnern wie ich her gekommen bin.“ Gab Tray ehrlich zu.
Der Fremde lächelte auf einmal mitleidig. „Das passiert wohl manchmal wenn man es nicht richtig macht.“
Nicht richtig? Was nicht richtig? Tray verstand absolut gar nichts mehr. An diesem Ort zu landen schien mit irgendwas verbunden zu sein, was er falsch gemacht hatte, weswegen er seine Erinnerungen verloren hatte. Doch was sollte das bedeuten?
„Soll ich dir helfen?“ fragte der Fremde lächelnd und Tray überlegte was seine Optionen waren. Er konnte gewiss mit dem fremden Mann mitgehen und die oberste Regel missachten die man sehr früh lernt. Oder er konnte wie ein Trottel in der Gegend umherlaufen und hoffen das seine Erinnerungen zurückkehren.
„Wie wollen Sie mir denn helfen?“ fragte Tray misstrauisch der mit der zweiten Option auch nicht recht zufrieden war.
„Dich zu jemand bringen, der deinen Kopf in Ordnung bringt, halte ich für die beste Möglichkeit.“
„Sie glauben ich habe etwas auf den Kopf bekommen?“ fragte Tray, denn er fühlte sich weder benommen noch spürte er Schmerzen. Dennoch fuhr er mit einer Hand über seine Stirn und seinen Hinterkopf, vielleicht war da ja eine Beule? Doch er fühlte nichts. „Selbst wenn, dann weiß ich es jetzt wohl nicht mehr…“
„Tray, ich kenne da eine Spezialistin für so etwas.“ Der Fremde deutete in den Wald und Tray beschloss vorerst mit zu laufen. Im Zweifelsfall würde er eben weg rennen.
Der Fremde schlug den Weg ein, den er gekommen war, schnurstracks zurück in den Wald. Tray musterte ihn von der Seite. Nicht die Kleidung ließ ihn seltsam erscheinen. Es war viel eher die Art wie er sich bewegte. Man hörte keinen Laut von seinen Schritten, obwohl der Waldboden mit Ästen und Laub bedeckt war und Trays Füße immer eines davon zum Rascheln oder Knacken brachten. Fast, als würde er schweben. Dann war da noch die Sache mit seinem Kopf. Zugegeben, er war bewusstlos gewesen, zweifellos. Doch da war etwas in seiner Bewusstlosigkeit an das er sich nicht erinnern konnte, obwohl es ihm irgendwie wichtig erschien. Doch jede Erinnerung an was auch immer, war ihm nun von Bedeutung.
Der Wald um sie herum war sehr dicht. Tray bemerkte das die Bäume zum Teil weit in den Himmel wuchsen und das ihre Stämme dick und ausladend waren. Der gesamte Wald wirkte sehr alt und irgendwie mystisch. So etwas hatte er noch nie gesehen, etwas derart naturbelassenes.
Der Pfad auf dem sie schritten schien auch nicht mehr zu sein, als ein Pfad, der durch viele Füße geformt wurde. Es gab weder Asphalt noch verfolgte er einem geraden Lauf. Er schlang sich mal herum, mal da herum, wenn ein Baum oder stein den gerade Lauf störte. Ebenso war der Weg hügelig und zum Teil mit Laub und Ästen bedeckt.
„Sie haben mir ihren Namen nicht verraten.“ Unterbrach Tray die unangenehme Stille.
„Sag Sharow zu mir. Das sagen alle.“
Sharow war ein sehr ungewöhnlicher Name. „Dann haben Sie viele Namen?“
Sharow lächelte ihn an, „Ich duze dich, also habe ich nichts dagegen wenn du dasselbe tust.“
„Hmm Das ist nett, aber Sie sind älter…“
„Aber es wäre doch höflicher wenn wir dieselben Anreden füreinander nutzen, respektvoller, findest du nicht?“
Tray stutzte, er hatte recht. „Na gut…“
„Zu deiner Frage, ja ich habe viele Namen, so viele dass ich inzwischen nicht mehr so recht weiß, welchen ich als erstes trug.“
„Schon komisch, mein Name ist alles was ich weiß und du hast gleich mehrere davon.“
„Ich bin zuversichtlich das wir deine Erinnerungen wieder bekommen.“ meinte Sharow.
Der Wald lichtete sich etwas und Tray hoffte das Sharows Optimismus berechtigt war. Zu wissen wo er war und vor allem warum, wünschte er sich inzwischen sehnlichst. Das Gespräch mit diesem Typen wurde von Sekunde zu Sekunde seltsamer und Tray hoffte das er ihm wirklich helfen wollte. Vor ihnen breitete sich bald schon eine Lichtung aus. Der Pfad verlief sich in eine Wiese in dessen Zentrum ein großer Baum stand. Tray klappte der Mund auf. Der Baum hatte dunkelrote Blätter und seine Krone war gewaltig, ebenso wie sein Stamm. Riesige Wurzeln waren an manchen Stellen hervorgebrochen, bewachsen mit grünem Moos. Sharow hielt direkt auf den Baum zu und erst da bemerkte Tray, dass jemand am Fuß des Baumes saß. Die Person war verglichen mit dem Baum kaum deutlicher erkennbar als eine Ameise.
Tray folgte Sharow und als sie der Person näher kamen erkannte Tray das es sich diese Mal zweifellos um eine Sie handelte. Sie hatte rotbraunes wirres Haar mit wilden Wellen und Locken und trug ebenso ungewöhnliche Kleidung wie Sharow. Einen längeren schwarzen Rock mit unzähligen Taschen, spitze Stiefel und ein blusenähnliches braunes Oberteil. In ihrem Ausschnitt blinkte eine silberne Kette mit einem feuerroten Stein als Anhänger. Als Trays Blick auf den Anhänger fiel spürte er einen stechenden Schmerz im Kopf. Etwas rotes, da war etwas Rotes gewesen!
„Du bist schon zurück?“ sagte sie schnippisch und warf einen misstrauischen Blick zu Tray der seine Stirn rieb.
„Ich habe jemanden aufgegabelt den du dir ansehen solltest. Ich fürchte er hat bei seiner Reise einen Fehler gemacht und kann sich nun an nichts erinnern.“ Erklärte Sharow Trays missliche Lage, welcher das Mädchen nun hoffnungsvoll anblickte. Wenn sie ihm wirklich helfen konnte, dann wüsste er ja bald was es mit dem roten Etwas auf sich hatte.
„Das passiert vielen.“ Sagte sie und lächelte Tray an. Er kam sich immer mehr wie ein Trottel vor, der alles Mitleid der Welt verdient hatte. Ein angenehmes Gefühl war das nicht gerade. „Setz dich, dann schau ich mir das mal an.“ Sie klopfte auf den moosigen Untergrund und Tray tat wie ihm geheißen. Was würde sie wohl tun um seine Erinnerungen wieder zu holen?
„Schließ deine Augen.“ Bat sie sanft und legte ihre Hände an seine Schläfen. Ihre Hände waren sehr warm und weich. Tray bezweifelte das dieses Handauflegen etwas ändern würde, aber er schloss gehorsam seine Augen. Dann kribbelte es an den Stellen, wo ihre Hände auflagen. Tray blickte immer noch auf die dunkle Rückseite seiner Augenlider und fing an zu glauben, das die Beiden ihn veräppeln wollten, da geschah es. Eine flammende Blume im dunklen Nichts und da war noch etwas anderes. Etwas fremdes, doch vertraut-
„…Kommt eigentlich nicht so oft vor. Für gewöhnlich ist es nur eine Barriere die man nieder reißt und dann ist alles wieder wie vorher.“ Sprach eine helle Stimme und klang dabei ziemlich genervt.
„Vielleicht hast du aber doch etwas falsch gemacht. Sonst wäre er nicht bewusstlos geworden.“
„Nicht ohnmächtig, schlafend!“ wehrte sich die helle Stimme.
Doch wo war er, wer sprach da? Was ging hier vor? Da war etwas Rotes gewesen, es brannte lichterloh und jemand rief seinen Namen.
„Tray! Er wacht auf!“ raunte eine dunkle Stimme und Tray setzte sich auf, sein Kopf schmerzte fürchterlich und vor seinen Augen blitzte es. Die Bilder verschwanden und er versuchte verzweifelt sie fest zu halten, doch wie bei einem Traum, lösten sie sich auf, als wären sie Sand in seiner Hand.
„Ich bin hier.“ antwortete er niemand bestimmten und er hielt sich den Kopf. Die Augen zu öffnen viel ihm sehr schwer und er blinzelte. Da waren zwei Gestalten die auf ihn herunter sahen. Eine war größer und heller als die andere. Sie waren verschwommen und nahm nur zäh klarere Formen an. Doch er wusste etwas. Sein Name war Tray Johnson. Etwas war geschehen und deswegen sollte er auf die andere Seite gehen, damit er lernte damit umzugehen.
„Erinnerst du dich an etwas?“ fragte die größere Gestalt mit dunkler Stimme. Tray sah ihn an. Er hatte sehr feine Gesichtszüge, sein Name war- „Sharow.“
„Zumindest hast du nicht noch mehr vergessen.“
„Sharow, ich weiß was ich tue!“ zischte das Mädchen an seiner Seite.
„Und das Mädchen aus dem Wald.“ Tray hatte das Gefühl das er sich wirklich an mehr erinnerte, aber das konnte noch längst nicht alles sein. „Ich erinnere mich zwar an etwas aber, es ist unvollständig.“
Das Mädchen seufzte und kehrte ihm den Rücken zu. Was hatte er gesagt? War sie etwa sauer? Als ob er etwas dafür konnte das sein Gedächtnis immer noch ein Leck hatte.
Erst jetzt bemerkte er, das sie nicht mehr im Wald waren. Sie befanden sich in einer sehr kleinen Hütte, ähnlich einer Gartenlaube. Er lag auf einer beigen Couch, die einen Geruch nach Staub und nie benutzt absonderte. Die Hütte war spartanisch eingerichtet. Neben der Couch, gab es eine lange Theke aus dunklem Holz, auf der sich Körbe stapelten. An der Holzwand dahinter hingen getrocknete Pflanzen und eine kleine Sichel.
„An was erinnerst du dich denn jetzt?“ fragte Sharow und setzte sich zu Tray auf die Couch.
„An meinem vollen Namen und das ich hergekommen bin um… Tja, irgendwas ist geschehen, deswegen musste ich auf die ‚andere Seite‘, was auch immer das heißt. Jemand sagte mir wie ich herkommen kann und ich hielt diesen jemand für verrückt. Aber ich hatte nix zu verlieren.“ Faselte Tray und obwohl die Worte aus ihm heraus sprudelten waren sie neu für ihn. Das war es also was ihm wiederfuhr? „Ich habe gejobbt… Ich schmiss die Schule um zu jobben, weil ich Geld brauchte und das Geld reichte nie…“
„Ist das alles?“ fragte sie und hob skeptisch die Augenbrauen. Ich zuckte mit den Schultern.
„Das war schon gut so. Du bist kein gewöhnlicher junger Mann…“ sagte Sharow und warf dem Mädchen einen bösen Blick zu. „Deine Erinnerungen wurde verschlossen und zwar auf eine Art, das wir nicht an sie herankommen.“
Erinnerungen verschlossen? „Aber wie ist das möglich?“ fragte Tray fassungslos, der glaubte nicht richtig gehört zu haben. Wie konnte man denn Erinnerungen wegsperren? Wenn so etwas wirklich funktionieren würde, dann hätte man das doch hören müssen. Es wäre ein Verkaufsschlager, dort, wo er herkam. Die große Stadt….
„Das… Es gibt da so einiges… Also…“ Sharow rang um Worte und sah dabei grüblerisch an die Decke.
„Spuck’s schon aus, Sharow.“ feuerte das Mädchen ihn sarkastisch an, „Das wird richtig spannend, vielleicht lerne ich auch noch was dabei!“
„Dann solltest du dich auch setzten, meine Liebe!“ entgegnete Sharow bissig und seufzte. „Was ich jetzt erzähle, klingt völlig verrückt und seltsam. Darum möchte ich, das du es dir bis zum Schluss anhörst. Keine Fragen, keine Unterbrechungen. Du lauschst meinen Worten bis ich geendet habe, dann beantworten wir deine Fragen entweder ich, oder das ‚Mädchen aus dem Wald‘. Ist das in Ordnung für dich?“
Was hatte er zu verlieren, zuhören und sonst nichts? „Gut, dann leg los!“
Once upon a time
Diese Welt wird die andere Seite genannt, aber nur dort, wo du herkommst. Hier trägt sie den Namen Spiegelwelt. Es ist immer noch derselbe Planet, aber irgendwie auch nicht.
Vor sehr langer Zeit, da gab es nur diese eine Welt. Die Menschen dort fingen an, ihre bisherigen Religionen und Glauben zu hinterfragen. Sie fürchteten plötzlich all dies, womit sie bis dahin in Einklang gelebt hatten. Sie begannen sogar, dieses zu jagen und zu töten. Ich rede hier von etwas, was du nur schwer begreifen wirst, denn du bist in einer Welt aufgewachsen, die diese Dinge als fantastisch und märchenhaft sieht und somit als etwas nicht Reales.
Jedenfalls wurde deutlich, das wir keinen Platz mehr hatten in einer Welt, die künftig von der Menschheit dominiert werden sollte. Doch sterben wollten wir auch nicht. Einer von uns geriet durch die Jagd in besondere Bedrängnis und bediente sich einer Kunst, die er kaum beherrschte um zu entkommen. Dabei ging etwas schief und er zerriss den Raum. Sieh mich nicht so an, so ist es überliefert!
Er entkam durch diesen Riss und erblickte eine Welt frei und wild. Eine neue Welt, identisch der, der er entkommen war. Nur fehlte der Mensch doch sonst war sie ein Abbild der Welt die er verlassen hatte. Kurz darauf begann die Wanderung. In der Geschichte wird es bis heute Wanderung genannt. Es war der Augenblick als sie die Welt verließen, nach und nach verschwanden. Diese Zeit einte uns, kein Krieg, kein Hass. Uns einte der Verlust der Welt in der wir geboren waren.
Und mit ‚wir‘, meine ich unseresgleichen, die in deiner Welt nur noch Figuren in Büchern und Gruselgeschichten sind. Hexen, Magier, Trolle und Zwerge und und und.
Klapp deinen Mund wieder zu. Du wirst schon bald erkennen, dass ich die Wahrheit spreche. Wir begannen von vorn, frei von der Angst bedrängt und getötet zu werden gründeten wir ein vereintes Reich. Besser, es wurde gegründet von den Göttern, die den Menschen der Erde, also deiner Heimat, überdrüssig geworden waren. Sie suchten nach der Verehrung und Ehrfurcht die ihnen einst zuteilwurde und schufen ein Zeitalter des absoluten Friedens und des vollkommenen Glücks. Doch je mehr wanderten und je mehr das goldene Reich wuchs umso mehr wuchsen Missgunst und Zwietracht und die ersten verließen das Reich um in der Spiegelwelt ihr eigenes Reich zu gründen, frei von Göttergestalten.
Bald schon bekriegten sich diese vereinzelten Reiche untereinander und diese kleinen Kriege wuchsen an zu einem Weltkrieg. Nun waren wir vielleicht nicht so zahlreich wie die Menschen der Erde und auch bei weitem nicht so fortschrittlich, doch Magie und Göttergestalten sind mächtig. Das erste Reich, das von der Karte verschwand, hinterließ nicht mehr als einen Krater und verbrannte Erde. So ging es über eine sehr lange Zeit hinweg bis irgendwann keiner so wirklich wusste, wer ein Feind war und warum er dies war. Die Götter wandten sich ab von uns und eine neue Generation trat auf die Bühne der Welt. Sie vereinte die versprengten Reiche unter einem Banner und enthob die Mächtigsten, die Magier, ihrer Positionen, für immer. Sie sollten fortan ihre Kräfte in den Dienst der Erhaltung des einen wieder vereinten Reiches stellen.
Die Welt änderte ihr Gesicht, erneut. Sie wurde…. Demokratischer. Ein Gremium die Gewählten genannt, trifft sich einmal im Jahr. Sie werden aus ihrer Heimat vom Volke erwählt und vertreten die Ansicht ihres Volkes vor den anderen Erwählten und … aber das würde zu weit führen. Die Magier jedenfalls schlossen sich zusammen zum Magischen Rat. Sie schulten junge magisch Begabte und wurden Soldaten des neuen vereinten Reichs.
Bis hierhin ist es noch heute so. Was für dich, viel entscheidender ist, das ist die Tatsache, das du Dinge sehen wirst, die einem Traumentsprungen zu sein scheinen.
Einem Traum entsprungen….
Fremd und anders….
Neu und unglaublich.
Tray warf einen Blick zu dem Mädchen. Sie lächelte ihn geheimnisvoll an und streckte ihren Arm aus. Die Handfläche zeigte nach oben und dann, plötzlich. Über ihrer Handfläche flimmerte zunächst die Luft, dann wurde sie bläulich. Kleine bläuliche Schimmer tanzten über ihrer Hand.
Das war unmöglich, doch es geschah dennoch.
Und er hatte das Gefühl, dass es das war, weswegen er hergekommen war. Weshalb er… angekommen war….
Bis zu einem gewissen Augenblick hätte es noch ein Zurück gegeben. Er hätte das Ganze für verrückt halten können, oder darum bitten, wieder auf die andere Seite zu gehen, wäre auch eine Option gewesen. Es war eine Geschichte und vielleicht ein guter Trick, vielleicht auch nicht. Doch sobald er wieder zurück gewesen wäre, hätte er von vorn beginnen können. Lückenhaftes Gedächtnis hin oder her. Diese Möglichkeiten bestanden immer, bis zu einen gewissen Augenblick.
Tray war sich klar, dass es nun an ihm war, etwas daraus zu machen. Wie reagierte man angemessen auf eine solche Situation. Magie, Trolle Zwerge, alles real. Noch dazu eine parallele Welt die ein Abbild der Erde war, nur ohne den übermäßigen Einfluss des Menschen. Wie war das überhaupt möglich? Konnte es dafür eine wissenschaftliche Erklärung geben? Wollte er eine wissenschaftliche Erklärung?
Er lehnte sich zurück und stieß einen Seufzer aus und den Blicken von Sharow und dem Mädchen.
„Und wie geht es jetzt weiter?“ sprach Tray seinen Gedanken laut aus.
„Nun, das liegt bei dir? Möchtest du wieder zurück?“ fragte Sharow und erhob sich. Tray verfolgte ihn mit den Augen. Er war ein ungewöhnlicher Typ. Abgesehen von den weißen Haaren, beschäftigte ihn immer noch, das er sich so eigen bewegte, so lautlos. Er lief herüber an die Seite des Mädchens und lehnte sich an die Theke.
„Ich weiß nicht, zurück? Ich hatte einen Grund hierher zu kommen und würde gern heraus finden, welcher es war.“ Antwortete Tray und lächelte zaghaft. Die beiden würden ihm bestimmt nicht auch noch dabei helfen wollen.
„Was sagst du dazu?“ fragte Sharow an das Mädchen gewandt, die ihre Arme verschränkt hatte und Tray grübelnd musterte.
„Er kann hier nicht alleine rumlaufen.“ Meinte sie und zuckte mit den Schultern, „Das wär verantwortungslos von uns.“
„Was schlägst du vor?“
„Das er bleibt, das wir uns kümmern.“
„Wir?“ Sharow schnaubte, „Das aus deinem Mund!“
„Schön, dann ich! Bei dir kommt da nichts Gutes bei raus!“ Sie ging auf Tray zu und streckte ihm ihre Hand aus. „Mein Name ist Xin. Wenn du willst, dann kannst du bei mir bleiben und ich helfe dir!“
Soviel Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Tray fühlte sich ein wenig überfordert. Keiner der Beiden kannte ihn, er war ein Fremder der ihnen bisher nur Scherereien bereitet hatte und dennoch wollten sie ihm helfen. Er ergriff ihre Hand und schüttelte sie. „Sehr erfreut, mein Name ist Tray!“
Ein Abbild der Erde und doch fremd und anders. Es gab viel, sehr viel mehr, das Tray nicht verstand und absolut unmöglich schien. Selbst jetzt, da er wusste, das Märchen und Legenden viel mehr Wahrheit beinhalteten als er bisher angenommen hatte. Es stellte sich heraus, das die Laube im Wald Xin gehörte. Sie erzählte Tray, das sie ab und zu für ein paar Tage in den Wald ginge um ihre Ruhe zu haben. Sie lebte eigentlich in der nächsten Stadt, welche ihr manchmal zuviel Trubel war. Doch nun, da Tray geblieben war, wollte sie ihn in die Stadt mitnehmen.
„Erzähl mir mehr davon.“ Bat Tray, als Xin die Laube abschloss. Sharow war schon vor einer Stunde gegangen.
„Es ist keine Stadt, wie du es kennst. Es ist ein bisschen… mittelalterlicher, aber irgendwie auch nicht. Hier ist Magie und wie-sagt-ihr-dazu Übernatürliches völlig normal. Du wirst also Dinge sehen die dich verwundern, aber ich bitte dich dennoch dich nicht zu auffällig zu benehmen. Hier ist das was ich dir gezeigt habe unsere Universalenergie. Es heißt Magie.“
Sie zwinkerte ihm zu und stapfte in den Wald. Tray folgte ihr. „Magie sagst du?“ fragte er neugierig.
„Ja, es ist eigentlich einfach nur eine Form von Energie die in allem ist. Und ich meine damit, das sogar ein Stein über diese Magie verfügt. Menschen wie ich sind in der Lage diese Energie zu nutzen sie zu formen und zu verändern.“ Sie bückte sich nach einem kleinen Stein und hob ihn auf. „Sieh hin!“ Der Stein lag zunächst ruhig auf ihrer Handfläche, dann flimmerte die Luft um ihn. Schließlich erzitterte der Stein und erhob sich wenige Zentimeter in die Höhe wo er sich drehte und auf und ab hüpfte. "Das kann ich tun, weil ich die Energie, also die Magie in dem Stein sehen kann und verändere. Ich verändere die Grundlegende Physik des Steins. Das ist etwas kompliziert, aber du wirst schon bald verstehen.“ Sie schloss die Handfläche und warf den Stein ins Unterholz.
Was sie erzählte klang unglaublich! Menschen die in der Lage waren eine Energie zu nutzen, womit sie die Schwerkraft von Dingen beeinflussen konnten?
„Kannst du das auch mit den Bäumen hier um uns herum?“
Xin blickte ihn verwundert an, „Das ist eine sehr spezielle Frage… Nein, er ist zu schwer für mich. Und ehe du dir jetzt den Kopf zerbrichst, rate ich dir nicht weiter darüber zu grübeln….“ Sie lief weiter „Doch wir nutzen diese Energien um Licht zu erzeugen oder uns anderweitig das Leben zu vereinfachen. Ihr habt Strom und Gas und Öl… Wir haben Magie. Nicht jeder hier ist magisch begabt. Es sind sogar eher wenige, aber viele flohen hierher, weil sie wussten das es Magie gibt und Wesen eben. Das Wissen um Übernatürliches scheint in deiner Welt auch gefährlich zu sein. Entweder man glaubte ihnen nicht oder man wollte sie dafür einsperren. Früher konnte man in deiner Welt dafür sogar getötet werden.“
Der Pfad den sie liefen wurde allmählich breiter und der Wald lichtete sich zusehends. Schließlich ging der Pfad über in einen gepflasterten Weg. Vor ihnen gabelte sich der Weg und auf einem Acker stand ein Holzschild das sowohl einen Pfeil in den Wald als auch zwei Pfeile für die Straße besaß. Xin beachtete den Pfeil nicht, sondern wandte sich zielstrebig nach rechts.
„Darum sind deines gleichen hier nicht besonders beliebt, deshalb verhalte dich bitte unauffällig.“
Direkt vor ihnen tauchten die ersten Hütten auf und es waren auch eher Hütten als Häuser, klein und gemütlich. Wie aus einer anderen Zeit, dahinter erkannte Tray eine große Mauer. Vermutlich die Stadtmauer. Als sie die ersten Häuser erreicht hatten blieb Xin stehen.
„Eins noch…“ begann sie und sah zu der großen Mauer auf. Diese besaß ein Wehr auf welchem Männer auf und ab liefen. „Diese Stadt heißt Ammar und sie wird verwaltet von einem Adligen, die heißen bei uns Kadar. Es ist ein bisschen nun ja, wie ein König in den Märchen, aber irgendwie ist es auch nicht so. Beachte jedoch das die Regeln hier in dieser Stadt absolut sind.“
Tray nickte. „Verstanden, glaub ich.“
„Das muss genügen.“ Xin ging wieder voran und Tray trappte ihr artig hinterher. Die Menschen hier trugen ähnlich seltsame Kleidung doch in diesem Bezirk vor der Stadtmauer wirkte alles allemal mittelalterlich, jedoch nicht ungewöhnlich. Die Entdeckungen des Mysteriösen ließen nicht lange auf sich warten. Sie passierten bald ein eisernes Stadttor und dahinter regte sich allerhand Trubel. Menschen handelten auf der Straße mit ungewöhnlichen Waren untereinander. Dinge die er noch nie gesehen hatte und obwohl Xin eilig voran schritt und er sie nicht aus den Augen verlieren wollte, bleib er bald schon an den Marktständen hängen. Ein Stand hatte es ihm besonders angetan: Ein Stand voller seltsamer Speisen. Dort standen Einmachgläser mit seltsam anmutenden Inhalten wie Käfer und Spinnen. Manche Sachen kannte er auch. In den Körben waren überwiegend Gemüse und Obst angepriesen, die ihm vertraut waren wie Äpfel oder Möhren, aber dazwischen lag eine Kiste voll mit blauen Maiskolben. An den Lebensmitteln waren Zettel angebracht und jedes Stück schien eine ganz eigene besondere Auswirkung zu haben. So versprach der blaue Mais eine ‚Erfrischung des magischen Geists‘.
„Interessiert?“
Tray schreckte auf. Der Händler, ein älterer Mann mit schütterem braunem Haar strahlte ihn an.
„Ich äh… bewundere nur ihren Mais.“ Antwortete Tray und bemühte sich nicht allzu überrascht aus zu sehen. Schließlich hatte Xin ihn ermahnt unauffällig zu bleiben.
„Fantastisch, nicht wahr? Eine ganz neue Sorte aus Hochfels. Sobald die eigene Magie verbraucht ist, ein Bissen hiervon-„ er schnipste mit den Fingern und ein bläulicher Schimmer fegte durch die Luft, „… und schon kann man wieder loslegen!“
„Das ist beeindruckend!“ Tray war hin und weg. Das war etwas Neuartiges, also fiel es wohl nicht auf, wenn er sich über so etwas freute. Er wusste zwar nicht was der Verkäufer mit ‚Hochfels‘ meinte aber blauer Mais!
„Beeindruckend ist es viel eher, dass du diesen Quatsch glaubst!“ schnaubte plötzlich jemand hinter Tray und er bemerkte Xin. Sie hatte ihn bestimmt gesucht.
„Aber meine Teuerste, das ist kein Quatsch. Möchten sie ein Stück probieren?“ wehrte sich der Verkäufer und schwang einen blauen Maiskolben.
„Soweit ich weiß, ist Hochfels auf einem Berg gebaut, dort ist gar kein Maisanbau möglich!“ erwiderte sie und schüttelte den Kopf. Dann ergriff sie Trays Hand und zerrte ihn mit sich.
„Das sind immer noch Menschen, die versuchen Profit zu machen. Ob hier oder dort, Menschen bleiben Menschen!“ schimpfte sie und zog ihn weiter weg von den bunten Marktständen.
Tray war völlig überrumpelt, so von ihr mitgerissen zu werden, aber sie amüsierte ihn auch.
„Dann wolltest du mich nur davor bewahren, reingelegt zu werden?“ fragte er grinsend. Xin blieb stehen und sah ihn mit großen Augen an.
„Ich renne durch die Stadt um einen geistig verwirrten Idioten zu helfen und muss, nach nur ein paar Metern hinterm Tor, feststellen, dass dieser sich für blau gefärbten Mais begeistert. Weißt du wie dämlich das auf mich wirkte? Direkt hinter dir wurden Feen verkauft, aber du hast nur Augen für blauen Mais…“ sie schüttelte erneut den Kopf und seufzte. „Oh ihr Götter, ich bin zu gütig für solche Idioten.“
„Können wir nochmal zurück?“
„NEIN!“
Sie bugsierte ihn tiefer in die Stadt hinein und der Menschenandrang ließ allmählich nach. Die Häuser wurden größer und Tray bemerkte das sie wohl eher Wohnungen boten und für mehrere Menschen ein Obdach waren.
„Wir melden dich und dann schauen wir ob wir noch eine andere Möglichkeit finden, dein Gedächtnis wieder zu holen.“
„Mich melden?“
„Ja, wir melden deine Anwesenheit hier an. Das ist sowas wie ein Bürgerbüro. Wenn bekannt ist, das du hier lebst und mal verschwinden solltest und ich eine Vermisstenanzeige aufgebe, dann wissen die das sie hier suchen müssen, da du hier gemeldet bist.“
„Auch hier gibt es Behörden, was ?“ fragte Tray verwundert, angesichts dieser ihm vertrauten Bürokratie.
„Natürlich und sie sind gerissener als dort, wo du herkommst. Sie beherrschen Magie!“ erwiderte Xin und zwinkerte ihm zu.
An einem anderen Ort ahnte man noch nichts von Neulingen die auf der Suche nach ihrem Gedächtnis waren. Es war ein Ort der viel wilder und düsterer war, als die Stadt und vor allen Dingen verlassener. Dort wuchs ein Wald mit Bäumen so hoch und dicht, das kein Tageslicht durch die Baumkronen brach und in ihm waren Geheimnisse und Wesen verborgen, die selbst Tray sich nicht einmal in den kühnsten Träumen ausmalen konnte.
Ein einziger schmaler Pfad schlängelte sich durch diesen Wald und es hieß, das ein jeder der von diesem Pfad abweiche, Teil des Waldes wurde.
Was das bedeutete war Garrison nie klar geworden. Der Wald war für ihn nie mehr gewesen als ein besonders dunkler Wald. Gut das ein oder andere Wesen war ihm auch schon begegnet, doch Dunkelheit scheute er nicht.
Er spazierte den verschlungenen Pfad entlang. Sein blutroter Mantel bauschte sich leicht auf und umspielte die schwarzen Boots in welche die schwarze Jeans gestopft war. Unter dem Mantel trug er ein schwarzes Hemd , das einen ungewöhnlich weiten V-Ausschnitt hatte. An seinem Hals hing eine silberne Kette mit einem dunklen tropfenförmigen Anhänger.
Seine Haare waren schwarz wie die Nacht und etwas länger als seine Schultern und sahen zottelig aus, ganz so als hätten sie lange keinen Kamm mehr gesehen. Garrison hatte ebenso einen Bart, keinen richtig vollen, eher einen der jemanden wuchs, der ein paar Wochen lang sich nicht rasiert hatte. Nicht mehr ganz stoppelig aber auch kein Vollbart. Seine Augen waren von grauer Farbe und eine Narbe zeichnete sein Gesicht. Die Narbe verlief von seinem linken Ohr bis hinüber zu dem unteren Lid seines linken Auges.
Garrison fuhr mit einer beringten Hand über den Bart und dachte nach. Seine Schritte verscheuchte Schatten und kleine Tiere am Rande des Pfades. Doch da bewegte sich nichts im Unterholz, das ihm etwas antun könnte. Denn sie fürchteten die Dunkelheit, im Gegensatz zu Garrisson. Denn er war die Dunkelheit selbst. Aus diesem Grund gab ihm die Dunkelheit ein Gefühl on Sicherheit, sie war etwas das er kannte und mehr noch etwas das er kontrollieren konnte. Von allen magisch Begabten gab es nur eine Handvoll, die nicht einfach nur Magie wirkten sondern das Element selbst nutzen und beeinflussen konnte. Er gehörte zu jenen seltenen Auserwählten, sein Element war die Dunkelheit.
Der Pfad wurde schmaler und Garrisson wusste, das sein Ziel nicht mehr weit war. Er hatte den Wald schon oft erforscht und dabei irgendwann ein verlassenes Herrenhaus entdeckt. Über die Jahre hinweg hatte er es bewohnbar gemacht um endgültig dort zu leben, wo er sich am wohlsten fühlte.
An einer Eiche, welche überwuchert war von einer schlingenartigen Pflanze, von der ein leichtes Glühen und Pulsieren ausging, musste er vom Pfad abweichen und sich ins Unterholz schlagen. Garrisson streckte seinen rechten arm aus und schloss langsam seine Hand. Scheinbar aus dem Nichts formte sich ein langer reich verzierter Stab, dessen Formation beendet war, als sich seine Hand darum schloss.
Garrisson setzte einen Fuß in das Unterholz und der Stab in seiner Hand vibrierte. In diesem Augenblick schienen Schatten und Gestalten sich im Dunkeln zu regen um die Flucht zu ergreifen.
Gestalten die im Dunkeln lebten fürchteten ihn, der die Dunkelheit selbst war, so sehr das sie um ihr Leben flüchteten.
Das Unterholz war dicht und unwegsam, doch er war diesen Weg schon so oft gelaufen, das er wusste wo seine Füße Halt fanden und wo sie im Geäst und Gestrüpp verschwinden würden. Eine ganze Weile schlug er sich durch den Wald begleitet von den Geräuschen der fliehenden Wesen, ein stetes Rascheln, knacken und schnaufen.
Nach kurzer Zeit sah er vor sich ein dumpfes Licht das durch die dichten Baumkronen brach und ebendieses Licht fiel auf Mauerwerk. Sein Zuhause.
Das Unterholz lichtete sich und es fiel ihm zusehends leichter zu laufen. Er liebte es nach Hause zu kommen. Insbesondere da er nun nicht mehr alleine dort lebte. Seine Gäste hatten ihn überrascht, geradezu überrumpelt.
Er sprang über die halb zerfallene Mauer und beschleunigte seine Schritte um schneller in sein Haus zu gelangen.
Seine Arbeit am Haus konnte sich sehen lassen. Die reparierte Fassade und das neue Dach ließen das alte Haus in neuer Pracht erstrahlen. Er öffnete die Flügeltüren und durchschritt eilig die Eingangshalle, als er ein Mädchen auf der geschwungenen Treppe vor ihm bemerkte. Sie hatte sehr langes schwarzes Haar und ihre Augen waren den seinen sehr ähnlich, aber vor allem von gleicher Farbe. Sie wickelte eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger und blickte geistesabwesend zur Decke hinauf. Die Zimmerdecke des Saals hatte Garrisson bemalt mit Sternenbildern und die Sterne mit Magie versehen, sodass sie dauerhaft funkelten und leicht flackerten, als seien es die echten Sterne.
„Woran denkst du?“ fragte er laut und das Mädchen erwachte aus ihren Gedanken.
„Ich… dachte an das was ich sah…“ murmelte sie und erhob sich von den Stufen. Sie verfügte über die Gabe des Sehens, doch die Magie blieb ihr fern.
Er lächelte als sie einen Seufzer ausstieß und ging auf sie zu.
„Du machst dir zu viele Gedanken. Du selbst sagst doch oft, das du dir nicht sicher sein kannst, das du deine Visionen richtig interpretierst.“ Beruhigte er sie.
Sie sah ihn an. Ihre Augen wanderten von den seinen über die Narbe, dann wandte sie sich ab. „die Sucher werden uns eine Antwort bringen.“ Murmelte sie und stapfte die Treppe hinauf.
Garrisson sah ihr nach. Sie übertrieb maßlos. Die Regeln dieser Welt besagten eindeutig, das nur ein Magier über die Macht eines Elementes herrschen durfte. Die Vorstellung das ein zweiter Magier auftauchte, der, genau wie er selbst, über die Macht der Dunkelheit verfügte, war geradezu lächerlich.
„Das war seltsam…“ wunderte Tray und besah sich seinen Zeigefinger. Er und Xin hatten die Meldestelle bereits verlassen. Alles was sie von ihm nahmen war ein Tropfen Blut aus seinem Zeigefinger. Weder Namen noch Geburtsdatum wollten sie von ihm wissen. Die Halle der Meldestelle war jedoch atemberaubend. Obwohl das Gebäude von außen eher unscheinbar gewesen war, war es riesig wie eine Kirche und gefüllt mit den seltsamsten Dingen die er je gesehen hatte. Bunte Lichtkugeln waren permanent um ihn herum geflogen, bis Xin sie unwirsch mit der Hand weggewedelt hatte und darüber schimpfte das Feen fürchterlich neugierig seien. Ein Mann mit krummen Rücken erklärte einer Dame hinter dem Schalter, das seine Papiere von einem Drachen verbrannt worden seien und dergleichen spielte sich dort ab. Er war noch immer völlig verzaubert von all diesen fantastischen Dingen, Dinge die Xin nur störten oder ihr gar nicht auffielen.
Nachdem er gemeldet war, hatte sie ihn zum Essen eingeladen und nun saßen sie an einem Brunnen und teilten sich eine Schale mit Süßkartoffeln.
„Du solltest was essen.“ Meinte Xin nur. Sie hatte ein Buch auf dem Schoß und durchblätterte es seitdem sie an diesem Brunnen saßen.
Tray erwachte aus seinen Gedanken, die er in der ‚Halle der Bürger‘ gelassen hatte und fischte mit seiner Holzgabel eine Kartoffel aus der Schale.
„Du aber auch, oder ist das Buch spannend? Was liest du da überhaupt?“
„Den Hexenheilerin-Guide 2.0, siehst du?“ Sie hielt das schmale Buch hoch und Tray verschluckte sich fast an seiner Kartoffel. In großen Lettern stand über dem Bild einer zwinkernden Hexenkarikatur ‚Hexenheilerin-Guide 2.0 Dieses Mal mit wirklich allen Heilkunst Begabten Hexen!‘.
Xin legte das Buch wieder in ihren Schoß und durchpflügte die Seiten. „Ich suche jemanden der deinen Kopf reparieren kann.“
„Mhm… Ach so…“ Tray hatte etwas entdeckt. Zwischen all den bunt gekleideten Menschen befand sich eine Gruppe schwarz-Gewandeter, die ihn und Xin beobachteten. Sie tuschelten miteinander und stierten unverhohlen zu ihnen rüber. Tray warf einen Blick über seine Schulter doch hinter ihnen war lediglich eine weiße Wand und sonst nichts zu sehen.
„Ich weiß ja noch nichts über diese Welt…“ begann Tray und spielte mit der Gabel im Mundwinkel.
„Allerdings.“ Murmelte Xin geistesabwesend.
„Aber es ist doch auch hier unnormal angegafft zu werden, oder?“
„Was meinst du damit?“
Tray deutete auf die Gruppe die zu ihnen herübergaffte und Xin folgte seinem Finger. Ihr Blick verdüsterte sich. Sie klappte das Buch zu und sprang auf.
„Wir müssen gehen.“ Sagte sie und packte Trays Handgelenk, „Sofort!“
Tray sprang ebenfalls auf und ließ sich von ihr führen, er warf einen Blick über die Schulter. Tatsächlich hatten die Typen in Schwarz sofort die Verfolgung aufgenommen.
„Was sind das für Typen?“
„Menschenhändler. Es gibt hier viele Länder in denen Sklaverei legal ist.“ Erklärte Xin knapp angebunden und beschleunigte ihren Schritt. Sie suchte nach Menschenmassen in denen sie untertauchen konnten, doch die Verfolger hielten locker mit ihnen mit. Sie holten sogar allmählich auf und nun wurde auch Tray unsicher. Sie zückten blitzende Messer aus ihren Umhängen und teilten sich plötzlich auf.
„Xin.“ Begann Tray, der ahnte was ihnen nun blühte.
„Keine Sorge, wir entkommen denen schon.“ Murmelte Xin und eine kleine Schweißperle rann über ihre Stirn.
Tray blieb jedoch abprubt stehen.
„Tray!“
Doch es war zu spät, auch vor ihnen tauchten nun die schwarzgewandeten Verfolger aus den Gassen und umzingelten sie im Nu. Sie konnten nicht entkommen.
Keiner von den halbvermummten Kerlen sprach ein Wort. Sie spielten mit ihren Messern und bleckten bedrohlich die Zähne. Xin ballte die Fäuste und sah sich verunsichert um. Sie mochte Magie wirken können aber wahrscheinlich waren auch dafür die Verfolger in der Überzahl. Keine Chance.
‚Ich muss doch etwas tun können‘ dachte tray verzweifelt und warf Xin einen Blick zu, diese erwiderte den Blick als sich die Männer auf sie stürzten. Da geschah es, alles lief langsamer ab, wie in Zeitlupe. Tray gingen seltsame Dinge durch den Kopf und nachdem er sie gedacht hatte, geschah etwas. Er streckte die Hand aus und schloss sie in der Luft zur Faust. Er fühlte das er es umklammerte. Es pulsierte warm und ein kleiner Stromstoß jagte durch seinen Arm. Die geballte Luft manifestierte sich zu einem langen schwarzen hölzernen Stab, der an der Spitze etwas krumm verlief als wäre er ein einfacher Ast.
Noch hatte keiner bemerkt, was da gerade vor ihren Augen geschah, doch eine Stimme in seinem Kopf sagte ihm, das es genau so richtig war. Sie sagte ihm sogar was er als nächstes tun sollte.
Ein Messer sauste auf ihn nieder und Xin sprang bereits beiseite. Er dachte an ein dunkles Gewitter, einen Blitz vielleicht, als der Stab vibrierte und ein Blitz auf den nächsten Angreifer niederging. Die Szenerie stoppte. Xin sah ihn entsetzt an und die Verfolger sprangen sofort einen Schritt zurück.
„Ein Magier?“ murrte einer von ihnen dunkel und die anderen spielten nervös mit ihren Messern.
Tray war selbst erschrocken über die Auswirkung seiner Gedanken und er blickte auf den warmen Holzstab in seiner Hand. Obwohl dieses Ding etwas so fürchterliches wie den Blitz hervorgebracht hatte, so war ihm doch leicht zumute. Der Stab war die Antwort, die Antwort auf die Frage warum er in diese Welt gereist war.
„Warum hast du das nicht eher gesagt?“ raunte Xin ehrfurchtsvoll. Eher gesagt? Er selbst war doch überrascht von dieser Wendung. Doch der Stab war nicht das Einzige. Tray fühlte etwas, eine Präsenz ein Wesen, etwas das zu ihm wollte ihn suchte. Tray wollte ihm antworten und vielleicht reichte es, wenn er diese Antwort nur dachte? Er dachte also schlicht ‚Ich bin hier‘ da geschah es auch schon zwischen ihm und Xin explodierte etwas, schwarzer Rauch wirbelte umher. Tray blinzelte denn der Rauch stank nach faulen Eiern und nach Feuer. Er stach und biss in den Augen. Im Zentrum des Rauchs stand eine Kreatur. Die Form ähnelte einem Hund, doch es war größer als ein Hund. Es hatte eine Mähne und eine lange schmale Schnauze. Es wandte sich zu Tray um und durchbohrte ihn mit glühenden roten Augen. ‚Ich habe euch gefunden‘ tönte es in Trays Kopf wider, von einer Stimme die nicht die seine war. Er schlug sich vor Überraschung die Hand an die Stirn, als Xin durch den Rauch sprang und ihn abermals am Handgelenk packte und mitzerrte. Na eben, so konnten sie fliehen!
Tray warf dem übergroßen rotäugigen Hund einen Blick zu und das Wesen folgte ihnen, mehr noch überholte es sie und wies ihnen den Weg.
Sie waren eine ganze Weile gerannt, bis der Hund in einer Gasse, nahe der Stadtmauer stoppte. Tray hörte erneut eine Stimme in seinem Kopf.
„Was ist? Sind wir sie los?“ fragte Xin atemlos und sah sich um.
„Er sagt, das wir hier erstmal sicher sind?“ antwortete Tray monoton und Xin widmete sich sofort wieder ihm. Ihre Harre waren von der Flucht völlig zersaust und einzelne Locken hingen ihr im Gesicht. Ihre Wangen waren gerötet und ihre grünen Augen funkelten.
„Er? Der Hund?“ fragte Xin und deutete auf das unheimliche Ungetüm.
„Ein Hund in herkömmlichen Sinne bin ich nicht. Mein Name ist Basilis Zerberus.“ Sagte der Hund.
Tray und Xin tauschten einen perplexen Blick, dabei hatte Tray gehofft, das Xin sprechende Hunde kennt.
„Ein Höllenhund?“ sagte sie mit ungewöhnlich hoher Stimme. „Der hier ist, wegen dem was Tray verursacht hat, das heißt dann ja….“ Sie brach ab und griff sich erschrocken mit der Hand an den Mund, als wollte sie verhindern etwas Absolutes auszusprechen.
Tray verstand nicht was geschehen war, auch wenn es sich richtig angefühlt hatte, auch Basilis Anwesenheit war irgendwie richtig. Er spürte geradezu Erleichterung, als hätte er auf all diese seltsamen Ereignisse sehr lange gewartet. Den Stab hielt er immer noch in seiner Hand. Das Holz pulsierte, als wäre es mit Leben angefüllt.
„Kannst du… mir erklären was hier vorgeht?“ fragte Tray an niemanden bestimmten und Xin nickte langsam.
„Ich habe dir von Magie erzählt, Tray. Es gibt verschiedene Wesen die welche wirken können und zur Elite dieser Wesen gehören die Magier. Sie haben soviel Magie in sich und können soviel davon nutzen, das sie einen Controler benötigen, damit ihre Körper nicht zu sehr darunter leiden.“ Sie nickte dem Holzstab in seiner Hand zu. „Auch diese Magier unterscheiden sich noch einmal in verschiedene Klassen. Die höchste Klasse, der Rang A, ist eine kleine Riege an Magiern, die nicht blosse Magie nutzen sondern die Kraft eines Elementes dieses Planeten. Weil dies eine große Macht ist, stehen ihnen Wesen zur Seite, welche den Magier bremsen, sollte er seine Macht missbrauchen.“
„Das ist dein Job, oder?“ fragte Tray, dem allmählich dämmerte das er in diese Welt gekommen war, weil er in Wirklichkeit ein Teil von ihr war.
„Tray, du verstehst immer noch nicht. Diese kleine Riege an Magiern, es gibt immer nur einen pro Element. Es sind wirklich wenige. Sie sind die Mächtigsten dieser Welt. Personifizierte Macht! Dass du erwacht bist, heißt das einer gestorben ist. Du bist etwas ganz Außergewöhnliches!“
Außergewöhnlich? Er blickte vom Stab zu dem Höllenhund, welcher ihn mit seinen glühenden Augen musterte. Personifizierte Macht? Wo war er da nur hineingeraten? Das alles war irgendwie zu viel für ihn…
„Wie lang ist es her?“ Sharow lief auf und ab, er war höchst beunruhigt und steckte auch Tray mit seiner Nervosität an, der sich von dem Schreck ein Magier zu sein allmählich erholt hatte. Xin hatte ihn direkt in ihre Wohnung gebracht und irgendwie Kontakt mit Sharow aufgenommen. Dieser war auch nahezu umgehend aufgetaucht, nachdem Tray sich einen Schluck Wasser gegönnt hatte. Basilis, war auch da. Er lag friedlich auf dem Patchworkteppich von Xin und schien zu schlafen. Tray hatte sich auf die Couch gesetzt. Eine modern eingerichtete Wohnung für ein mittelalterliches Setting dachte Tray bei sich.
„Nicht lang, ungefähr ne Stunde oder so.“ antwortete Tray gelassen und drehte das Glas in seiner Hand.
„Sonst ist nichts weiter passiert? Es ist niemand aufgetaucht der dich nach Hochfels eingeladen hat?“
Tray schüttelte den Kopf. Hochfels? Das hatte er heute doch schon einmal gehört?
„Dort ist der Sitz des magischen Rates, alle A-Ränge sind im magischen Rat, aber der Blitz hat dich nicht verraten. Doch wenn einer stirbt, dann kriegen sie das gewöhnlicherweise mit….“ Murmelte Sharow vor sich hin. Xin schlich sich an ihm vorbei und setzte sich neben Sharow auf die Couch.
„Vielleicht haben sie es dieses Mal nicht mitbekommen, oder er ist nicht gestorben?“ fachsimpelte sie und Sharow stoppte mit seinem Auf-und-Ab-Laufen und warf ihr einen skeptischen Blick zu.
„Es gibt immer nur einen Magier, für ein Element.“ Wetterte er und Tray warf dem monströsen Höllenhund einen Blick zu.
„Vielleicht weiß er ein paar Antworten.“ Schlug Tray vor und nickte Basilis zu. Dieser schlug sofort seine Augen auf und musterte Tray erneut mit seinen glühenden Augen.
„Das Ihr ahnungslos seid, war mir nicht bewusst…“ begann Basilis, „Euer Element ist die Dunkelheit und da ich zuvor noch in meiner Welt war, kann ich bestätigen, das ich eurem Vorgänger nicht begegnet bin.“
„Das würde ja heißen, das es zwei Magier der Dunkelheit gäbe!“ knurrte Sharow und schüttelte den Kopf, „So ein Blödsinn.“
„Dann kann er vlt keine Magie mehr wirken. Der schwarze Magier ist ja bekannt für seine dunklen Machenschaften?“ meinte Xin grübelnd.
Tray kam nicht mehr mit. Das es keine zwei Magier mit der gleichen Macht geben durfte , das hatte er verstanden aber weshalb es für solche Aufregung sorgte, das nicht klar war, was aus dem Magier vor Tray geworden sein soll, das verstand er nicht. Weshalb war es eine so große Sachen das niemand etwas vom Tod oder Verschwinden dieses Typen gehört haben soll? War er, Tray, überhaupt so eine große Nummer? Vielleicht irrten sie sich ja schon in der Annahme.
„Tray?!“
Tray erwachte aus seinen Gedanken und bemerkte das ihn alle drei erwartungsvoll ansahen. Sharow zog eine Augenbraue hoch. „Nun?“
„Nun was?“
„Ich fragte dich gerade ob ich deinen Stab sehen dürfe?“
Seinen Stab? Genau so plötzlich wie dieser aufgetaucht war, hatte er sich dematerialisiert, wenn man es so nennen wollte. Doch obwohl er nicht wusste wie das möglich war, so wusste er, dass der Stab kommen würde, wenn er es nur wollte. Es funktionierte genauso wie mit dem Blitz, ein Gedanke nur. Tray stellte sich also gedanklich den Stab vor und streckte den Arm aus. Seine Hand umschloss Luft, die sich aber anders anfühlte, sie fühlte sich geballt und pulsierend an. Plötzlich spürte er das warme Holz und ein starkes Kribbeln in seinem Arm. Der Stab erschien zur Gänze in Xins Wohnzimmer. Lang und schwarz, die Spitze leicht gebogen und geknickt, als wäre der Stab nicht mehr als ein ungewöhnlich gerade gewachsener Ast.
„Tatsächlich, ein richtiger Magierstab.“ Sharow musterte den Ast neugierig.
„Ich glaube nicht das ich das alles hier verstehe.“ Gab Tray zu und Sharows Augen trafen die seinen. Anscheinend war ihnen völlig entfallen das Tray die Spiegelwelt fremd war. Das sie ein Ort angefüllt mit Fantasie und Träumen war doch nicht mehr.
„Und wenn er nicht tot ist? Wenn es zwei Magier der Dunkelheit gäbe?“ wisperte Xin ehrfürchtig und Sharow schüttelte nur den Kopf, als wollte er sie einfach nicht hören. „Des Schatten Sohn, gesegnete Macht, sterblicher Körper, obschon, hält er still wacht.“ Xin sprang auf und ging vor Trays Stab in die Knie. „Wir erzählen uns Geschichten hier. Kindermärchen und Reime weißt du. Manche sagen, dass sie einst Prophezeiungen unserer Götter waren, bevor sie uns verließen.“
„Des Schatten Sohn..“ begann Sharow und seine dunkle Stimme erfüllte das Wohnzimmer. Tray lief ein kalter Schauer über den Rücken und Sharow lief langsam auf und ab.
Des Schatten Sohn
Gesegnete Macht
Von Göttern gebracht
Seines Körpers obschon
Das eines sterblichen
Mit reinem Herzen
Führt er an die Dunkelheit
Bringt er Verlorenen das Licht
Vernichtet Einsamkeit
Hoffnung in Sicht
So ward es einst, das nur ein Streiter
Steht in gunste der allmächtigen
Doch verdirbt die Nacht
Dann steigt er nieder
In die gewaltge Schlacht
Finsternis gegen Dunkelheit im Schatten des Baumes der
Ewigkeit
Als Sharow geendet hatte, legte sich Stille auf die vier nieder. Basilis ließ den kopf sinken und Xin erhob sich wieder. Es war ein Gedicht, das man Kinder vor trug. Man erzählte es sich und hielt es für nicht mehr, als den rest eines Märchesn, auch wenn die Alten sagten, das es einst Phrophezeiungen waren, die von der Zukunft kündeten.
Dieser Ort erhob sich über alles andere. Er lag auf dem höchsten Gipfel und schien in den Berg selbst gemeißelt zu sein. Seine Türme und Zinne ragten aus dem Berg und trotzen den scharfen Winds des Gipfels. Doch innerhalb der Mauern Hochfels war das Klima eher milde. Ein roter Ahorn bildete das Zentrum der Festung und seine dicken Äste ragten weit über den weiß gepflasterten Platz. Menschen in weiten kutten huschten über den Platz. Sie schienen den Baum kaum wahrzunehmen im Gegensatz zu einem bärtigen Mann. Er wirkte sehr groß und breitschultrig und seine schwarze Kutte war reich verziert mit goldenen und Silbernen Ornamenten. Seine schwarze Mähne war von grauen Strähnen durchzogen, ebenso wie sein buschiger Vollbart und seine buschigen Augenbrauen. Er blickte zu dem Ahorn hinauf und runzelte die Stirn.
„Meister Rowen!“ japste ein junger Bursche und schlug vor dem bärtigen Mann die Hacken zusammen. Er kreuzte die Arme und verneigte sich leicht.
Rowen warf ihm einen kurzen Blick zu und widmete sich dann wieder des Studiums des Baumes. „Hast du dir diesen Baum einmal angesehen, Junge?“ knurrte er und der Junge nickte eifrig.
„Ja natürlich der Baum-„
„Wie viele Blätter hat er?“ Fuhr ihm Rowen dazwischen und dem Jungen verschlug es die Sprache, „Du sagtest du hättest ihn dir angesehen und doch kannst du mir nicht sagen wie viele Blätter er hat.“
In der Festung hinter ihnen wurden die Flügel Tore weit aufgestoßen und eine kleine bunte Truppe an Magiern stürmte auf den Platz hinaus. Eine von Ihnen war in strahlendes Weiß gekleidet, ihre Haut schimmerte leicht und ihre roten Augen fassten Rowen ins Visier. Sie hatte langes weißes Haar und schien auch aus ihrem inneren her leicht zu leuchten.
„Meister Rowen.“ Hauchte sie und ihre Stimme erfasste jeden Anwesenden auf dem Platz. Das lag daran wer sie war, was sie war. Sie war das Licht. Eine Magierin die als kleines Kind ihren Stab erhielt als sie mit gleißendem Licht ihr Dorf zerstörte. Sie war die Magierin des Lichts und gebiete jenes selbst.
Rowen ließ ab vom Baum und wandte sich der Magierin zu. Sie hatten die Aufmerksamkeit aller Magier die eben noch geschäftig über den Platz gehuscht waren.
„Lady…“ sagte Rowen und verbeugte sich leicht, „Es ist mir eine Ehre, eine der sechs zu sehen.“
„Wie kommt es das Ihr hier seid, in Hochfels?“ wisperte sie mit ihrer hellen Stimme und verschränkte die Arme.
„Wie kommt es, das Ihr so aufgelöst seid? Vermutlich derselbe Grund, weshalb ich hier bin, meint Ihr nicht auch? Bewegt uns denn nicht dasselbe?“
Ihr Gesicht verzog sich zu einer überraschten Miene, ihre verschränkten Arme lösten sich.
„Dieser Baum stammt aus der Zeit der Prophezeiung heißt es.“ Sagte Rowen laut und schritt vor dem gewaltigen Stamm auf und ab, „Einer Prophezeiung die selbst unsere Kinder kennen.“
„Aber das ist nicht möglich, das muss ein Irrtum gewesen sein!“ schimpfte sie aufgebracht und ballte und die Hände zu Fäusten.
„Einen solchen Irrtum hat es noch nie gegeben, Verehrteste. Wer seid Ihr ihm den Zugang zu Hochfels zu verwehren, ihr solltet handeln und zwar schnell.“
Sharow und Xin schienen sich gut zu verstehen, zumindest war das sein Eindruck. Sie wirkten wie alte Freunde als sie begonnen darüber zu fachsimpeln wer Tray wirklich war.
Tray drehte den warmen Stab in seinen Händen. Er wüsste es auch gern, wer er war, wie er in diese Welt gekommen war und was nun auf ihn zu kommen würde. All diese Dinge, Magie, Magier, Hochfels, waren neu für ihn. Doch so fremd es war, es fühlte sich richtig an. Tray seufzte und Basilis hob seinen Kopf und musterte ihn mit seinen glühenden Augen. Sofern man das Mustern nennen konnte, denn jeder Blick dieses Wesens schien dem Gegenüber den sofortigen Tod bringen zu wollen.
Das System dieser Welt schien sehr komplex zu sein und Tray war sich nicht sicher ob er alles verstanden hatte. Er zog einen Stapel Zettel zu sich heran, mit deren Hilfe es ihm erklärt worden war.
Anscheinend war diese Welt nach dem großen Krieg zersplittert in viele kleinere Fürstentümer und Königreiche. Die entsprechenden Herrscher stellten den Weltzirkel. Dort erneuerten sie jährlich den Friedensvertrag untereinander und beratschlagten über neue Gesetze und der Verabschiedung alter Gesetze. Doch die endgültige Entscheidung darüber, ob der Gesetzesentwurf in Kraft trat oder nicht und die militärische Macht, lagen beim magischen Rat. Dieser Rat bildete sich aus den sechs Elemtarmagiern, den A-Rängen und einigen wenigen B-Rängen, deren Zahl wankte, je nachdem wieviele Magier diesen Ranges es gab.
„Es kommt jemand!“ knurrte plötzlich Basilis und Tray spürte das Vibrieren des dunklen Holzes. Xin und Sharow tuschelten immer noch miteinander, sie schienen es nicht bemerkt zu haben. Doch auch Tray spürte das sich die Luft im Raum veränderte.
Da erschien auch schon eine weiße Säule mitten im Raum, sie war von nebliger Form. Weißer Rauch, der von innen heraus glühte. Tray kniff die Augen zusammen als sich eine donnernde weibliche Stimme erhob. Die Stimme schien aus dem Rauch zu kommen.
„Tray Johnson, Dunkler Magier. Der magische Rat lädt euch ein, Hochfels zu besuchen und dem Rat bei zu treten. Bitte kommt dieser Einladung umgehend nach!“
Dann löste sich der Rauch auf und verschwand ebenso schnell wie er erschienen war.
Wer den arkanen Künsten nachgeht, dem sei es als Pflicht erlegen, einmal Hochfels zu sehen!
Sharow hatte dies mit einem Schmunzeln zitiert und dabei auf irgendeinen in dieser Welt bekannten Magier verwiesen. Doch Tray war überhaupt nicht nach Lachen zu Mute. Er sollte Teil einer politischen Instanz werden und das von einer Welt die er nicht kannte. Nach allem was er bisher über diese Welt und ihre Bewohner gehört hatte, fühlte er sich nicht ausersehen eine solche Position zu bekleiden. Während Sharow ihm erklärte wie er nach Hochfels reisen musste, schweiften Trays Gedanken ab. Vielleicht erkannten die anderen Magier ja, das er nicht wie sie war und so eine hohe Position gar nicht einnehmen sollte? Ja, bestimmt stellte er sich dumm genug an, das sie ihn direkt wieder rauswarfen!
„Tray!“
Der unsichere Magier stutzte und blickte in die hellgrauen Augen von Sharow. Er sah ihn ernst an. „Hast du verstanden?“
Tray schüttelte ehrlich den Kopf. „Ich war in Gedanken woanders!“ gab er kleinlaut zu und bemerkte das seine Stimme leicht zitterte. Was hatte er nur auf einmal. Vor ein paar Stunden noch war alles irgendwie ein großes Abenteuer und jetzt schnürte ihm angst die Kehle zu? Nun gut er würde auf die mächtigsten dieser Welt treffen, dennoch….
„Du brauchst dich nicht zu fürchten, Tray. Sie werden dich schon vertraut machen mit allem was du wissen musst. Aber sie werden dir stets nur ihre Sicht der dinge nahebringen. Vergiss nicht auch über die Klippen zu schauen, sie werden dir sagen das dort kein Abgrund ist, aber du solltest stets bemüht sein, dich davon selbst zu überzeugen.“
„Und noch etwas.“ Xin taxierte ihn mit ernstem Blick und legte eine dramatische Pause ein, ehe sie weitersprach, „Falls der andere dunkle Magier auftaucht, lass dich nicht verunsichern. Du bist ein Magier des höchsten Ranges, daran besteht kein Zweifel!“
„Der wird nicht auftauchen, Xin, das ist nicht möglich.“ Murmelte Sharow kopfschüttelnd und gab Tray einen Klaps auf die Schulter, „Ich bin mir sicher, dass du das schon schaffen wirst!“
Tray nutzte die Portsysteme um nach Hochfels zu gelangen. In jeder größeren Stadt, so hatte Xin erklärt, gab es Orte an denen eine Tür mitten auf der Fläche stand. Diese Türen dienten dazu, schnell von A nach B zu reisen. Man musste sich nur vor die Tür stellen, an den Ort denken zu dem man reisen wollte und die Tür öffnen, dann trat man einfach hindurch und war da. Allerdings funktionierte dies nur von Tür zu Tür, Orte die nicht mit einer solchen Porttür (wie Tray sie nannte, da er so etwas nur aus Computerspeielen kannte) konnten nicht auf diese Art bereist werden.
Xin und Sharow begleiteten Tray zu einer solchen Tür und wünschten ihm viel Erfolg.
Tray’s Mund war trocken und so nickte er nur anstatt ihnen zu antworten und dachte an das Wort und seine gedankliche Vorstellung von Hochfels. Dann streckte er die Hand nach der Klinke der gusseisernen Tür aus und öffnete sie. Dahinter ging der Platz keineswegs weiter. Stattdessen war im Türrahmen ein gepflasterter Weg gesäumt von schillernden Blumen zu sehen. Er atmete tief ein und umklammerte mit einer Hand seinen Stab. Dann trat er durch die Tür und hinter ihm fiel diese ins Schloss.
Der Anblick der sich ihm bot, war mit nichts zu beschreiben was er je zuvor gesehen hätte. Selbst seine Vorstellung dieses Ortes war geradezu lächerlich im Vergleich zur Wirklichkeit. Er stand auf einem breiten gepflasterten Pfad, mitten auf einem riesigen Berg. Und obwohl sie sehr hoch waren, so hoch das Tray über die Wolken blicken konnte und die Täler von jenen gänzlich verdeckt waren, lag Frühling in der Luft. Der Weg war gesäumt von Büschen die in voller Blüte standen und ein schwerer Blütenduft vernebelte seine Sinne. Hinter ihm stand eine weiße, goldverzierte Tür und vor ihm erhob sich eine riesige weiße Mauer mit gewaltigen Zinnen. Hochfels saß auf der Spitze des höchsten Berges weit und breit, wie es schien, da Tray keinen anderen so hohen Berg ausmachen konnte obwohl die Sicht weitestgehend klar und weit war (bis auf die wolkenverhangenen Täler). Menschen in weiten Gewändern und glänzenden Rüstungen liefen an ihm vorbei und schienen keine Notiz von ihm zu nehmen. Auf seine eigene fantastische Art, war Hochfels wirklich ein Ort an dem wichtige Menschen ein und aus zu gingen schienen.
Tray schluckte und ging auf ein weit geöffnetes Tor zu. Dort standen zwar Wachen in weißer Rüstung doch all die Menschen gingen ein und aus, ohne das die Wache auf sie reagierte oder die Menschen auch nur Notiz von ihnen nahmen. Als er durch das Tor schritt blickte er hinauf und sah zur eigentlichen Festung Hochfels hinauf. Sie war eine strahlend weiße Burg, gewaltig mit Türmen und Zinnen und allem was eine romantische Vorstellung einer Burg so ausmachte, soweit er es zumindest erkennen konnte. Denn ein riesiger krummer Ahorn mit rotem Laub überdachte den Vorplatz von Hochfels. Seine Blätter rauschten still in einem Wind der gar nicht wehte. Tray war wie gefangen von diesem Baum. Er schien magisch zu sein, er musste es geradezu, denn sein Säuseln bezauberte ihn.
„Wie viele Blätter hat der Baum?“ Raunte es auf einmal neben Tray und Tray erschrack so heftig das ihm sein Stab beinah aus der Hand geglitten wäre. Neben ihm stand ein großer breitschultriger Mann mit schwarzer Mähne und Rauschebart, durchzogen von grauen Strähnen. Seine Kutte war übersät mit prächtigen goldenen und silbernen Ornamenten.
„Ich schätze einige Tausend.“ Sagte Tray und blickte wieder zu dem Baum hinauf.
„Vielleicht sogar einige hunderttausend?“ schlug der Mann vor und Tray zuckte mit den Schultern.
„Ich wünschte ich könnte sie zählen.“ Sagte Tray und lachte, „Aber das würde wohl dauern.“
Der Mann neben ihm lachte auch auf und schlug ihm auf die Schulter. Sein Schlag war so kräftig das Tray ins Straucheln kam. „Willkommen auf Hochfels, Johnson!“ donnerte er und zwinkerte ihm zu. Dieser Satz versetzte den kompletten Platz in eine Starre. Alle die den Mann gehört hatten blieben stehen und blickten sich neugierig zum Baum um. Tray wurde auf einmal übel.
„Der bisherige dunkle Magier ist auch angereist, er wollte es sich nicht nehmen lassen den ‚Trittbrettfahrer‘ kennen zu lernen.“ sagte der Mann und bugsierte den bleichen Tray über den Platz in Richtung der Festung. Die Menschen wichen vor ihnen ehrfürchtig zurück. Tray bezweifelte das dieses Verhalten mit ihm zu tun hatte, es lag wohl eher an dem großen Mann, denn viele renkten sich die Hälse aus um einen besseren Blick auf Tray werfen zu können, wichen aber vor dem großen Mann zurück. „Doch wir beide wissen das dem nicht so sein kann, nicht wahr?“
„Ich weiß nicht, Sir.“ Stammelte Tray der das Gefühl nicht los wurde in der Patsche zu sitzen.
Der Mann führte ihn durch die prunkvollen Flügeltüren der Festung und einen weißen langen Gang entlang. Am Ende des Ganges warteten zwei verschlossene Türen und davor standen wieder Wachen, die aber dieses Mal salutierten und die Türen für sie öffneten. Dahinter befand sich eine Art runde Halle, angefüllt mit vielen aufgeregt miteinander plappernden Stimmen. Im Zentrum der kreisrunden Halle stand ein Podest hinter dem ein zauseliger weißhaariger Mann seine runde Brille auf die Hakennase schob und fahrig durch seine Unterlagen wühlte. Er wirkte etwas untersetzt und stand noch dazu auf einem Stuhl um an das Podest heran zu reichen. Es vergingen einige Augenblicke ehe er die Neuankömmlinge bemerkte.
Doch die aufgeregt plappernden Stimmen wandelten sich allmählich in ein neugieriges Wispern, was selbst dem kurzen Mann nicht entging, sodass er ungeduldig aufblickte. Als er Tray und den großen Mann bemerkte, weiteten sich seine Augen vor Überraschung.
„Oooooh!“ rief er freudig aus und das Wispern im Raum erstarb.
Tray atmete tief ein und aus und ging entschlossen auf den kurzen Mann ein paar Schritte zu. Der Stab in seiner Hand pulsierte warm.
Der graue Mann hinter dem Podest musterte den Stab und Trays Gestalt, dann klatschte er freudig in die Hände.
„Ladys and Gentlemen!“ rief er laut und seine Stimme hallte in der gesamten Halle wider, „Darf ich vorstellen, Tray Johnson. Der dunkle Magier!“
Spannung lag plötzlich in der Luft, keiner sagte einen Ton, bis sich eine vermummte Gestalt auf dem ersten Rang hinter dem Podest regte. Die Gestalt war Tray bisher nicht aufgefallen, doch jetzt wo sie sich regte, fragte er sich, wie er sie hätte übersehen können. Alle in diesem Raum, auf den Rängen Sitzenden, waren in hellen, bunten Farben gekleidet, trugen prächtige Frisuren und schillerndes Make Up. Doch diese Gestalt war bis zu den Augen in dunklen Fetzen gekleidet und vermummt. Sie trug Halbhandschuhe und einen schweren Umhang, die eine maskuline Gestalt umrahmten. Die Gestalt erhob sich und sprang leichtfüßig über die Brüstung. Sie landete klirrend, sodass Tray unter seinem Mantel schwere Waffen vermutete. Die Augen unter dem Umhang glühten etwas und waren vom schillernden Blau.
„Dies, mein Junge…“ murmelte der große Mann, welcher Tray herein gebracht hatte, „Ist der dunkle Magier Jason Garrisson.“
Der Mann namens Garrisson nickte und schob seine Kapuze vom Kopf und zerrte seinen Schal vom Gesicht. Tray keuchte auf. Das konnte nicht sein. Ebenso brach im Saal lautes Verwundern und Japsen aus, als sie die beiden dunklen Magier vor sich sahen.
Jason Garrisson hatte langes schwarzes Haar und einen stoppeligen ungepflegten Bart. Seine Gesichtszüge waren schmal und seine Augen hatten einen sehr stechenden Blick. Doch mehr noch, sah er aus wie Tray, nur eben viel älter. Die Ähnlichkeit war geradezu atemberaubend.
„Nun…“ begann der zauselige kleine Mann und blickte von einem zum anderen, „Einer von euch muss der Lügner sein. Garrisson, ihr treibt euch um mit finsteren Dingen. Vielleicht habt ihr euren Stab schon vor langer Zeit verloren?“
Garrisson legte den Kopf schief und grinste. Er streckte den rechten Arm leicht zur Seite und da erschien auch schon ein sehr langer Stab mit vielen Verästelungen. Der Stab sah eher aus wie ein kleiner Baum.
Die Blicke der Magier wanderten nun aufgeregt tuschelnd von Trays Stab zu Garrissons und es schien als konnte keiner glauben was sie da sahen.
Tray hatte das Gefühl das er sich behaupten musste vor seinem älteren Doppelgänger und er dachte an Basilis. Dieser erschien auch sofort in einer Säule aus schwarzem Rauch an seiner Seite.
„Bis vor einigen Stunden wusste ich nicht einmal wer ich bin.“ Sagte Tray laut und alle Magier verstummten, „Dann ging alles sehr schnell. Warum sollte ich lügen, die Einladung hierherzukommen…. Die ging nicht von mir aus.“
Keiner sagte etwas. Der grauhaarige kleine Mann runzelte die Stirn. Anscheinend hatte ihn Trays Unhöflichkeit überrumpelt. Auch Garrisson schwieg nach wie vor, obwohl Trays Begleiter, der Höllenhund Basilis, jegliche Zweifel aus dem Weg geräumt haben müsste.
Doch dann wurde es kühl im Raum. Tray fühlte sich beklommen und allein. Er umklammerte seinen Stab fester und mühte sich einen klaren Verstand zu behalten und da sah er es. Um Garrisson herum breitete sich ein Schatten aus, ein Schatten welcher wuchs und-
„Genug!“ brüllte der untersetzte Mann und die Schatten verschwanden, „Zweifellos seid ihr beide dunkle Magier des gleichen Ranges.“
Empörte Stimmen erhoben sich im gesamten Saal. „Unmöglich!“ „Das ist wider der Natur!“ „Ihr irrt euch!“
Doch Tray nahm die Stimmen kaum wahr. Garrisson ließ seinen Stab verschwinden und beäugte Tray sehr genau, von Kopf bis Fuß. Der Schatten den er gesehen hatte, war das Garrissons Begleiter? Es hatte sich fürchterlich angefühlt!
„Meister Rowen sprach doch oft davon….“ Murmelte Garrisson und seine Stimme war dunkel und irgendwie ölig. Sie schlich sich in den eigenen Verstand ein und umnebelte diesen. „… von dieser Prophezeiung….“
„Des Schatten Sohn, Gesegnete Macht, Von Göttern gebracht, Seines Körpers obschon, Das eines sterblichen, Mit reinem Herzen….. Ja das habe ich oft erzählt….“ Knurrte der große Mann, der Tray in den Saal gebracht hatte. Garrisson grinste nun ihn an und löste endlich seine Augen von Trays Gestalt. Der große Mann hieß also Rowen, gut zu wissen, dachte Tray.
„Genau…“ Garrisson erhob nun seine Stimme damit auch die letzten im Saal ihn verstanden, „Des Schatten Sohn, mein Sohn!“
Wieder brach Unruhe aus und Tray dachte er hätte sich verhört, worauf wollte der Typ hinaus?
„Vor vielen Jahren verließ ich die andere Seite und meine Geliebte dort. Sie verschwieg mir ihren Sohn, sorgte sogar dafür, das seine Fähigkeiten verschlossen blieben damit keiner von uns, weder ich noch Ihr, ihn je finden könnten. Doch dieser Bann brach, als er diese Welt betrat.“ Erklärte er und lächelte nun Tray an, welcher das Gefühl hatte ihm würde der Boden unter den Füßen wegbrechen. Er ging einen Schritt zurück und stieß gegen Rowen, welcher ihn scharf musterte. Die Ähnlichkeit war nicht zu leugnen, doch mehr noch. In den Erinnerungen die Tray wieder erlangt hatte, gab es eine liebevolle Mutter aber niemanden sonst. Das Gefühl, sogar die Angst darum zu erfahren wer sein Vater war, hatte ihm sogar Zeit seines Lebens den Mund versiegelt. So absurd Garrissons Theorie zunächst klang, so fügte sie sich ein, in eine Reihe seltsamer Ereignisse die in den Gang gesetzt wurden, seit Tray auf einer Wiese das Bewusstsein wieder erlangt hatte.
Stille hatte sich über alle gelegt, Spannung lag in der Luft. Alle Augen ruhten auf Tray und auf ein Wort von ihm, eines der Bestätigung oder des Leugnens.
Tray wusste nicht was er sagen sollte. Basilis neben ihm musterte ihn und er schien in diesem Augenblick der Einzige zu sein, der vielleicht eine Antwort wusste. Gedanklich stellte er die Frage doch Basilis Antwort war ernüchternd: Darüber weiß ich nichts.
Sein Vater? Welche Beweise hatte der Typ schon außer der äußerlichen Ähnlichkeit? Genau! Beweise!
„Beweist es!“ murrte Tray und der Fremde namens Garrsisson lächelte nun breit.
„Der Name deiner Mutter ist Marianne Johnson. Sie liebt den Geruch des Regens.“
Keiner vermochte es zu beschreiben was Tray in diesem Augenblick dachte. Die Worte Garrissons waren ihm genug Beweis, das dessen Behauptung der Wahrheit entsprach. Doch Trays Gesicht zeigte keine Regung, keines der Freude oder der Wut, es blieb ausdruckslos, als ob er erstarrt wäre. Der Fremde, sein Vater? Er kannte ihn nicht, er kannte nicht einmal die Welt aus der der Fremde namens ‚Vater‘ stammte. Was sollte er fühlen? Was sollte er sagen? Tray wusste es nicht.
Unsicher, aufgewühlt und überfordert schüttelte Tray den Kopf und wandte sich ab. Zuerst diese Welt die so fremd und doch irgendwie richtig war. Die verlorenen Erinnerungen die nach und nach wieder kehrten, die Geheimnisse um ihn selbst und sein Vater. Sein Vater! Rowen erhob die Stimme doch Tray hörte ihn nicht. Dies alles schien eine große Bedeutung für die Menschen in dieser Welt zu haben und Tray warf einen flüchtigen Blick auf de entsetzten und angespannten Gesichter all der Magier in den Reihen. Sie sprachen von Prophezeiungen und unmöglichen dingen, obwohl sie selbst etwas waren, was im Grunde nicht möglich war.
„Die Prophezeiung…“ murmelte Tray vor sich hin und bemerkte das der zauselige Mann, Rowen und Garrisson ihn scharf beobachteten, die Magier auf den Rängen riefen durcheinander, aufgebracht von dem was sich vor ihren Augen abspielte. „…was soll das sein?“
„Sie handelt davon das ein zweiter schwarzer Magier zur selben Zeit des ersten regiert. Dieser zweite, ein Auserwählter der Götter, die dieser Welt den Rücken kehrten, führt einen Krieg, gen den ersten Magier.“ Erklärte Garrisson und sein Grinsen wurde breiter, höhnischer.
Der schwarze Magier ist ja bekannt für seine dunklen Machenschaften….
Tray entsann sich, was Xin angedeutet hatte. Offenbar war Garisson auch hier im Magischen Rat nicht gerade gern gesehen. Er hatte irgendwas getan, etwas Böses vielleicht oder etwas was gegen die Grundsätze dieser Welt verstieß und nun sollte er, Tray, das wieder richten. Doch war er nicht mehr als ein Rookie, ein Anfänger, ein Unwissender. Vor einigen Stunden noch wunderte er über die seltsamsten Dinge, die hier Alltag waren. Wenn es Garrisson beliebte, dann beseitigte er seinen Sohn mit dem kleinen Finger.
Und der dunkle Blitz? Raunte eine Stimme in seinem Kopf. Es war die von Basilis. War dies das Ergebnis eines Rookies?
Der Blitz. Tray sah seinen Stab an. Seit dessen Erscheinen gingen ihm viele seltsame Dinge durch den Kopf die weder seltsam noch unmöglich erschienen, durch diesen stab. Vielleicht war er der Schlüssel zu allem. Zu den offenen Fragen die seine wirkliche Herkunft betrafen und den Fähigkeiten, die er womöglich besaß.
Während Tray in seinen Gedanken versunken war hatte Rowen erneut die Stimme erhoben.
Rowen hatte schon lange auf diesen Tag gewartet. Sie hatten ihn alt und wirr geschimpft, nannten ihn Träumer und einen Narren an alte Kindermärchen zu glauben. Sie nannten ihn Meister und das war gewiss nicht seine Wahl für einen Titel und doch, flößte er Ehrfurcht ein. Wo Meister Rowen erschien, da wichen sie vor ihm zurück, verneigten sich, erwiesen ihm Ehre. Denn Rowen war da, als die Wanderung begann, er war da als die Götter gingen und er war einer der Ersten die Hochfels erklommen und es zum Sitz des Magischen Rates erklärten. Nach all der Zeit gehörte er nicht nur zu den Ältesten der Welt, er war ein Mysterium der Spiegelwelt geworden. Keiner wusste was er war oder wer er war, nicht einmal Rowen selbst wusste darauf eine gescheite Antwort. Doch was er sah, verlieh ihm ein Auge für diese Welt, über sie zu wachen, das hielt er für seine Aufgabe.
Der Junge, wie er vor dem Baum stand und als einziger unter all den Magiern, diesen Baum betrachtete… Rowen wusste, das Großes in ihm ruhte, dessen er sich selber vermutlich nicht einmal bewusst war.
„Ruhe!“ donnerte Rowen und alle Magier verstummten, „Garrisson wurde schon vor langer Zeit vom Magischen Rat ausgeschlossen aufgrund der vielen Verbrechen, die er gegen das Geeinte Reich begangen hat. Der Platz des dunklen Magiers steht seit Jahren leer und keinem von euch war dies recht, obgleich ihr Garrisson nicht zurückhaben wolltet.“
Garrisson schnaubte verächtlich, widersprach jedoch nicht.
„Soll denn nun der junge Johnson die Lücke füllen!“
Wispern erhob sich und Tray erwachte aus seiner Starre.
Teil eines politischen Gremiums einer Welt die er nicht kannte? Waren hier alle durch gedreht? Doch in jenem Augenblick nickte der zauselige untersetzte Mann und rief laut aus.
„Meister Rowen schlägt den jungen Tray Johnson vor, den Platz des dunklen Magiers im Magischen Rat ein zu nehmen. Wer dafür ist, erhebt sich bitte!“
Tray blickte gebannt die Ränge hinauf und traute seinen Augen kaum. Ein Magier nach dem anderen stand auf und blickte entschlossen zu ihm hinab. Nur sehr wenige blieben sitzen, so wenige das er sie an einer Hand abzählen konnte. Es war absolut unglaublich und beängstigend zugleich. Denn der entschlossene Wille, Jason Garrisson endgültig aus dem Magischen Rat zu verbannen, indem man seinen Platz einfach besetzte, wog mehr als das Misstrauen um Tray. Welche Verbrechen Garrisson auch begangen haben mochte, sie mussten grauenhafter Natur gewesen sein.
„So sei es! Tray Johnson wird vereidigt und nimmt den leeren Platz des dunklen Magiers ein!“ Der zauselige Mann nahm einen Hammer, der auf dem Podest lag und ließ ihn niedersausen.
Rosen zart, die Dornen scharf
Blumenmädchen, wenn ich bitten darf
Lavendelduft so betörend
Kamille so verstörend
Xin sprang durch ihre kleine Wohnung und warf allerlei Dinge in einen Koffer. Tray saß auf ihrer Couch und starrte ins Leere. Die Ereignisse in Hochfels hatten ihn mitgenommen und das einzige was er noch zustande brachte, war Sharow und Xin von allem zu erzählen. Danach war er auf die Couch gefallen und erstarrt.
Die Beiden hatten sich dann rege miteinander unterhalten doch alles was Tray noch mitbekam war, wie Xin vergnügt Lieder sang und die Koffer packte. Was die Beiden abgesprochen hatten, wusste er nicht, denn lediglich die Gedanken an seinen Vater spukten ihm im Kopf herum.
„….Tray?“
Tray zuckte zusammen als Sharow eine Hand mitfühlend auf seine Schulter legte. Er sah ihn groß an und hielt ihm eine kleine Tonflasche vor die Nase. Ein süßlicher Duft entwich der Flasche und Tray nahm sie mit fragendem Blick entgegen.
„Das ist feinster Met, probiere einen Schluck!“ Sharow setzte sich neben ihm auf die Couch und obwohl Tray keinen Alkohol mochte, trank er einen kräftigen Schluck. Der Geschmack des Honigweins war überwältigend. Es fühlte sich warm und etwas dickflüssig an aber es schmeckte, wie Blumen rochen.
„Du weißt nichts über Garrisson und ich kann mir vorstellen, dass du gerade etwas neben dir stehst.“ Begann Sharow und überschlug die Beine, „Denn Garrisson ist der finsterste Magier unserer Zeit. Vor über 20 Jahren tauchte er nach langer Abwesenheit wieder im Magischen Rat auf und verkündete, das er die Herrschaft dessen beenden würde.“
Tray musterte Sharow, dessen Augen in die Ferne schweiften.
„Und dann?“
„Er tötete die damalige Magierin des Lichtes und nagelte ihren leblosen Körper an den Ahorn auf dem Platz vor der Festung Hochfels. Es war ein Exempel. Danach ließ er sich im Rat nicht mehr blicken, aber man hörte von ihm. Er überschattete die Wälder im Norden mit Dunkelheit und überfiel kleinere Dörfer mit seltsamen Kreaturen. Ich vermute, das die Wälder sein Zuhause sind, doch niemand der noch bei Sinnen ist, würde da einen Fuß reinsetzen. Es schien jedoch, dass er stets an Macht gewann und das scheint der Grund zu sein, warum du auf der Bildfläche erschienen bist. Du bist hier um das Gleichgewicht wieder her zu stellen.“
„Optimist!“ knurrte Tray und trank noch einen Schluck von dem Met.
„Du unterschätzt dich. Wenn Meister Rowen dich für einen guten Kerl hält, dann wird es wohl auch so sein!“
Sharows Optimismus war nicht gerade ansteckend. Doch Tray wollte ihm nicht widersprechen, denn seine Bemühungen ihn aufzumuntern, waren sicherlich nett gemeint. Und überhaupt, war er sehr dankbar, dass sowohl Xin als auch Sharow an seiner Seite waren und sich so für ihn aufopferten. Immerhin gab Xin ihr Luxusappartement auf.
Schon bald ließ Xin ihre gepackten Koffer mit einem Zauber verschwinden (was Tray sehr erleichterte denn er hatte keine Lust das alles zu schleppen) und sie verließen eiligst die Stadt. Von den Verfolgern die noch vor ein paar Stunden Jagd auf sie gemacht hatten, war nichts mehr zu sehen. Direkt hinter der Stadt schlug Sharow den Weg ins Unterholz ein und begründete es damit, das sie eventuelle Verfolger so besser abhängen könnten. Xin erklärte, das sie noch eine weitere Hütte in einem weit entfernteren Wald habe.
„Eine richtige Blockhütte. Das wird dir gefallen!“ sagte sie augenzwinkernd.
„Und dann? Lebe ich da mit euch?“ fragte Tray vorsichtig, denn ihm war nicht klar, was die Beiden miteinander diskutiert hatten, als er den Schock noch verdauen musste, der nach wie vor schwer auf ihn lastete. Doch der Met vernebelte seine Gedanken ganz leicht und so konnte er die unglaubliche Neuigkeit aus Hochfels erstmal verdrängen. Basilis hatte ihre Gruppe verlassen. Der Höllenhund konnte auftauchen und verschwinden wie es ihm beliebte und schien nicht auf die Porttüren angewiesen. Er verschwand kurz bevor sie aus Xins Wohnung aufbrachen mit den Worten, das seine Erscheinung zu viel Aufmerksamkeit auf sich zöge. Sharow hatte ihm beigepflichtet und so löste sich der schwarze Hund in dunklen Rauchschwaden auf und ließ Tray zurück. Basilis mochte eine gruselige Erscheinung sein, doch seine Anwesenheit versicherte ihm, das er diese ganze Hochfels-Geschichte nicht geträumt hatte.
„Nun es gibt einiges das du über diese Welt lernen solltest, wenn du jetzt Teil des Rates bist.“ Sagte Sharow. Tray nickte, da war ja was. Der Rat. Ein wichtiges Gremium einer Welt die er erst ein paar Stunden kannte.
Schon bald lag Ammar weit hinter ihnen und das Land wurde rauer, die Wälder dichter und unwegsamer. Sie krabbelten über umgestürzte Bäume und große Steine und legten nicht eine Pause ein. Sharow bewegte sich sehr leichtfüßig, doch Xin und Tray hatten immer mehr Mühe mit ihm mit zu halten. Sie waren müde und erschöpft und besonders Xin wurde immer mürrischer, da sie glaubte, das Sharow sich verlaufen habe.
„Ich kann mich nicht entsinnen, dass die Hütte in dieser Richtung lag!“ fauchte sie giftig.
„Dann hast du ein schlechtes Gedächtnis!“ rief Sharow jedoch nur, der einige Meter vor ihnen auf einen Baumstumpf sprang und sich kurz orientierte. Tray warf einen Blick auf die dichten Baumkronen. Das Tageslicht was zwischen ihnen durch schimmerte schien schwächer zu werden.
Sie liefen noch eine weitere Stunde, doch zu ihrer Erleichterung lichtete sich der Wald etwas und ein kleiner Bach entsprang nahe einer großen Lichtung. Auch Xins Miene hellte sich auf. „Wir sind fast da.“ Wisperte sie begeistert und schien zu hoffen das Sharow sie nicht hörte.
„Ich sagte ja, ich führe uns hin!“ sagte Sharow und zwinkerte ihnen zu.
Und tatsächlich lag hinter der Lichtung ein kleiner festgetrampelter Pfad und zwischen einigen riesigen Bäumen stand eine dunkle Blockhütte. Sie war recht groß und besaß sogar eine Veranda. Hinter der Hütte lag ein kleiner abgezäunter Bereich. Der Bach plätscherte in unmittelbarer Nähe zur Hütte. Xin stapfte voran zur Hütte und legte ihre Hand auf die Tür. Es klickte und Tray schwor, dass er einen bläulichen Schimmer um das ganze Haus für einen Moment aufblitzen sah.
„Immer herein!“ sagte sie wieder gut gelaunt und trat selber ein. Sharow und Tray folgten ihr über die Schwelle des Hauses und Tray blinzelte zunächst, denn in der Hütte war es sehr dunkel. Es roch nach Staub und Holz. Xin stieß die Fenster überall auf und Sharow erkundete die Hütte sofort. Auch Tray blickte sich um. Es gab einen Kochbereich mit einem Kamin und einem Tresen, welcher den Raum teilte. Tray ging um den Tresen herum und fand dort allerlei Töpfe und Einmachgläser hinter verborgen.
„Wir werden es uns noch gemütlich machen müssen, aber hier findet uns wenigstens keiner.“ Sagte Xin und sie räumte einige Stühle von einem sehr ausladenden Tisch. „Dunkel ist es auch aber ruhig.“
Die Blockhütte besaß ein weiteres Stockwerk in welchem sich mehrere Zimmer befanden. Xin gab Tray die Freiheit sich eines davon auszusuchen, während sie nach Sharow suchte, da sie ihn zum Holz holen schicken wollte.
Im hinteren Bereich vor der Treppe stieß er auf ihre Koffer, die dort sauber gestapelt standen. Magie war wirklich erstaunlich.
Sie erkannten, das die Welt verloren, dem Wandel erlegen. So auch sie, dem Wandel ergeben.
Drum kamen sie überein, die Mächte der Schöpfung und erschufen ein Abbild dessen, was sie aufgaben.
Die Zeit war die erste. Sie einte ihre Geschwister.
Die Schatten brachen sich mit dem Licht und in dem Dunkel erhob sich
Ein Spiegelbild der verlorenen Heimat.
-Von güldenen Zeitaltern –
Tray lebte sich schnell ein. Die Blockhütte wurde zu einem gemütlichen Heim und er lernte allerhand neues. So lehrte ihn Xin einfache Hexereien die ihnen den Alltag im Wald erleichterten. Er konnte nun kleine Flammen entfachen um das Feuer im Kamin zu entzünden. Ebenso lernte er kleine Lichtkugeln von kurzer Dauer erscheinen zu lassen, die dunkele Räume in hellem bläulichen Licht erstrahlen ließen. Doch Xin war weitaus geschickter. Sie konnte Lichtkugeln mit warmen Licht erschaffen und diese in kleine Gläser sperren und die gesamte Blockhütte leuchtete in zauberhaft gemütlichem Licht. Ihre Lichtkugeln brannten die ganze Nacht hindurch.
Tray begriff immer noch nicht wie Magie wirklich funktionierte. Sobald er seinen Stab hielt, konnte er zwar seine eigenen Fähigkeiten spüren und es schien auch, als flüstere ihm der Stab permanent zu, was er alles tun konnte. Manchmal war sein Kopf voller Wörter und Bilder die nicht die seinen waren, die er aber hätte herbei rufen können wenn er es denn wollte. Als er Xin dies mitteilte und seine Bedenken, ob der Gefahr dahinter, verbot sie ihm seinen Stab zu nutzen. Sie glaubte daran, das er auch ohne den Stab einfache, kleine Zauber wirken könne und sie behielt recht.
Neben diesen magischen Lektionen, legte sie ihm viele Arbeiten auf, die mit der Hütte und ihrem Leben dort zusammen hängen zu schienen. Er musste Holz hacken, Wasser holen und den Garten hinter dem Haus wieder beleben. Sharow hingegen verschwand oft für mehrere Tage und kehrte meist nur für eine Nacht oder ein paar Stunden zurück. Er sprach nicht darüber was er in diesen Zeiten tat und Tray fragte ihn auch nicht. Er hatte das Gefühl das es wohl ein Geheimnis war, denn Sharow hätte sonst offen darüber geredet und vermutlich wollte Tray auch nicht mehr wissen als gut für ihn war. Allerdings hatte Sharow ihm versprochen ihm mehr über diese Welt und wie sie funktionierte zu erzählen, doch bisher hatte er nichts dergleichen getan. Er erkundigte sich zumeist, was Tray schon gelernt hatte, nickte es ab und klopfte ihm auf die Schulter.
Von Hochfels hatte er seit seinem ersten Besuch nichts mehr gehört. Xin verschwand oft in ein Dorf um verschiedenes zu besorgen und um Neuigkeiten aus der Welt zu erfahren. Tray verbot sie, in dieses Dorf zu gehen. Sie glaubte, das die Verfolger aus Ammar seinen Kopf wollten und bis er das Wesen der Magie verstand, sei es zu gefährlich ihn auf die Menschen los zu lassen.
Sie mochte Recht haben, doch Tray hatte diesen Wald langsam über. Er harkte den Boden des Gartens und seine Hände waren ganz schwarz vom Dreck der Erde. Seine Leinenhose hatte er bis zu den Knien hochgekrempelt und das grüne Hemd halb geöffnet. Er kam sich wie ein Idiot vor. In diesem dämmrigen Licht des Waldes gedeiht doch nichts, dachte er sich, was sollte hier schon angepflanzt werden? Doch Tray harkte weiter. Xin konnte bissig werden, wenn man nicht auf sie hörte. Er hatte sich vor ein paar Wochen die Arbeit mit dem Laub einfach machen wollen. Seine eigentliche Aufgabe war es, den großen Haufen zu einem Kompost zu bringen, der einige Meter von der Hütte entfernt von ihr vor einiger Zeit angelegt worden war. Doch Tray hatte an dem Tag schon einen alten Baumstumpf entwurzeln müssen und er war erschöpft. Darum wollte er den Blätterhaufen einfach abbrennen lassen. Doch die Flamme die er dafür herbeizauberte war sehr groß, zu groß und ohne Xins Eingreifen, wäre die Blockhütte abgefackelt. Ihr darauffolgendes Gebrüll hatte den gesamten Wald erschüttert.
Tray seufzte, als er fertig geharkt hatte. Xin war gerade wieder im Dorf und auch Sharow hatte sich seit längerem wieder mal nicht blicken lassen. Er war völlig allein und das passte ihm auch nicht. In dieser Welt zu landen war schon ein großes Abenteuer gewesen und nun verplemperte er seine Zeit mit Gartenarbeiten, brav und artig versteckt im Wald, wo er niemanden schaden konnte.
Tray ließ sich auf die Stufen der Hintertür fallen und betrachtete misepetrig sein Werk. All dies Schuften und ackern ließ ihm keinen einzigen Moment um einfach nur nach zu denken. Über seinen Vater oder über Dinge an die er sich schon wieder erinnert hatte. Er fragte sich langsam ob das vielleicht auch Absicht von Xin war. Vielleicht wollte sie irgendwas von ihm, seine Fähigkeiten oder sowas.
„Basilis?“ sagte er laut und sofort erschien eine schwarze Rauchsäule vor ihm. Diese verdichtete sich und rot glühende Augen funkelten darin.
„Ihr habt gerufen?“ knurrte Basilis dunkel und Tray spürte wieder diese Gewissheit das nichts von dem was in Hochfels geschah, ein Traum war.
„Ja ich… ich frage mich warum…. Ach vergiss es.“ Murmelte Tray. Er irrte sich bestimmt, Xin hatte ihm vieles beigebracht, sie hatte bestimmt keine bösen Absichten.
„Darauf könnte ich euch ohnehin nicht antworten. Es sei denn ihr wollt das ich euch anlüge.“
Sarkasmus? Wollte ihn der Höllenhund etwa ärgern????
„Na vielen Dank.“ Murrte Tray. Seit langem hatte er eine Ruhepause. Ob es daran lag das die anfänglich schwere Arbeit ihm nun viel leichter viel, oder das Xin im Dorf aufgehalten worden war. Jedenfalls fand er nun seit Wochen die ersten Minuten um nach zu denken. Irgendwie war er froh das Basilis bei ihm war.
„Ich glaube nicht das ich das alles verstehe.“ Meinte Tray gedankenverloren und rieb sich die Stirn. „Magischer Rat, dunkler Magier. Ich mein, was für ne Rolle habe ich in dieser Geschichte?“
Basilis setzte sich neben ihn und schnupperte in die Luft. Er blinzelte als ein paar Flecken Sonnenlicht durch das dichte Laubwerk fielen.
„Es ist nicht üblich das Begleiter auf freundschaftlicher Ebene mit ihrem Magier zu tun haben.“ Kommentierte Basilis trocken.
„Ach was ist dann üblich? Was genau ist deine Aufgabe?“ fragte Tray schnippisch. Wen sonst hatte er noch? Xin die ihm nur Anweisungen gab und ab und an mal ein Sharow der sich lieber ausschwieg, als Klartext zu reden? Plötzlich fühlte sich Tray ziemlich einsam. Er wusste nicht mit wem er über diese Garrisson-Vater-Geschichte reden sollte, oder welche Ängste ihn manchmal plagten. Einzig Basilis wusste davon, da er seine Gedanken hören konnte.
Der Höllenhund stieß einen Seufzer aus. „Bisher hatte ich keine Gelegenheit darüber zu reden.“ Murrte er dunkel, „Ich glaube die Hexe kann mich nicht besonders leiden. Sie hält euch sehr auf Trab.“
Tray nickte, „Spuck’s schon aus!“
„Die Begleiter stehen nur den Sechs, den höchsten Magiern zur Seite, den-„
„A-Rängen, ja das habe ich schon geschnallt.“
„Genau. Unsere Zeit an der Seite der Magier verbringen wir als ihre Begleiter. Wir führen Befehle oder Gefälligkeiten aus und unsere Fähigkeiten steigern sich enorm durch so ein Verhältnis. Doch unsere Bestimmung liegt nicht darin, Diener eines Magiers zu sein. Wir lauern nur. Sollte der Magier irgendwann die Kontrolle über seine Magie verlieren und zu einer fürchterlichen Gefahr für diese Welt werden, dann töten wir diesen.“
„Mooooment!“ Tray sprang auf und entfernte sich ein paar Schritte von Basilis. Er hob die Hände und sah den schwarzen Hund fassungslos an. „Ihr tötet?“ wiederholte er fassungslos.
Basilis nickte, „Deswegen gehen die meisten Magier keine besonders freundschaftliche Beziehung mit ihren Begleitern ein. Vermutlich haben sie Angst.“
„Und du?“ fragte Tray und ging vor dem schwarzen Hund in die Hocke, „Erschreckt dich das gar nicht?“
„Sollte es?“
Tray schüttelte den Kopf. „Gibt es noch was das ich wissen sollte?“
„Nun… die Begleiter passen meist zum Element des Magiers. Garrisson soll einen Dämon an seiner Seite haben doch mehr als den Schatten von diesem hat noch nie jemand gesehen. Nicht mal ich weiß mehr darüber.“
Der Schatten… Tray entsann sich der Dunkelheit und der Verzweiflung die von Garrisson ausging als diese dunklen Schatten erschienen waren.
„Uff.“ Tray ließ sich wieder auf die Stufen fallen und streckte die Füße aus. Sein Henker und Begleiter, das war Basilis. Das Ganze erschien ihm ziemlich krank. „Aber wer gibt euch den Auftrag Begleiter zu werden?“
Basilis blinzelte überrascht, „Wie habt Ihr erfahren, das Ihr Magier seid?“
„Der Stab erschien vor mir und Xin und Sharow sagten ich sei Magier.“
„Dann hat es euch niemand sonst gesagt?“
„Wer denn?“
Basilis wirkte verwundert, er legte den Kopf schräg und sagte: „Eine donnernde Stimme sagte mir, das ich von nun an der Begleiter von Tray Johnson sei. Das seine Stimme nun meine Stimme sei und ich ihm folgen werde, bis in den Tod hinein oder in den seinen.“
Wind kam auf und rauschte in den dichten Baumkronen. Die fleckigen Sonnenstrahlen tanzten auf der Blockhütte und dem frisch auf geharkten Boden. Es roch nach feuchter Erde und Holz und Vogelgezwitscher erfüllte die Luft.
„Eine Stimme, was?“
„Bei euch nicht?“
Tray schüttelte den Kopf, „Das klingt verrückt.“
„Es klingt verrückt, das Ihr den Worten anderer glaubt, wenn diese euch sagen was Ihr womöglich seid.“
„Dann sind wir beide verrückt.“ Sagte Tray grinsend.
Basilis legte sich auf den Boden und schnaufte kurz auf. „Keine Stimme…“ murmelte er.
Es klapperte im Haus und Tray sprang sofort auf. Er hörte wie die Tür ins Schloss fiel und eine männliche Stimme rief laut: „Jemand da?“
Sharow ließ sich mal wieder blicken. „Weißt du was, Basilis?“ fragte Tray leise. Der Höllenhund hob den Kopf und sah Tray mit großen Augen an. Sah man mal von den glühenden Augen und der monströsen Erscheinung des Wesens ab, dann hatte Basilis sehr viel von einem Hund. „Wir sollten mal Sharow ausquetschen, ob der uns ein bisschen mehr erzählen kann!“
„Hallo?“ tönte es aus dem Inneren und Tray öffnete die Hintertür.
„Hier draußen!“ rief er hinein und lief ein paar Schritte in den Garten zurück. Sharow stapfte aus der Hütte heraus und warf einen überraschten Blick zu Basilis und dann zu Tray, welcher mit dem Rücken zu ihm stand.
„Was machst du hier draußen?“ fragte der Weißhaarige und lehnte sich an den Türrahmen. Tray wandte sich um und deutete auf das Beet, auf dem vermutlich eh nichts wachsen würde.
„Ach so… Und Xin?“
„Unterwegs.“ Antwortete Tray knapp und klopfte sich den Dreck von den Händen, „Und du?“
„Euch besuchen!“ antworte Sharow grinsend und ging wieder in die Hütte. Es klapperte und vermutlich suchte er in der Küche nach irgendwas Verwertbarem. Doch es gab einen Grund warum Xin ins Dorf gegangen war. Tray seufzte und er hörte Basilis Stimme in seinem Kopf: ‚Tolle Fragen!‘
Der Zauberschüler funkelte den Höllenhund an. So ein Verhör musste wohl überlegt sein. Schließlich hatte Sharow etwas Seltsames an sich. Er folgte dem Klappern und fand Sharow im Küchenbereich wühlen.
„Es ist nichts mehr da, aber wenn du etwas wartest…. Xin müsste bald wieder da sein.“ Sagte Tray und setzte sich auf einen hölzernen Barhocker. Sharows Kopf tauchte unter dem Tresen auf.
„Absolut nichts?“ fragte er ungläubig. Für gewöhnlich hatte sich Sharow Met und Bier und anderes Zeug in der Blockhütte gebunkert, doch wenn er zu Besuch kam, dann überstieg sein Konsum die Masse der gelagerten Mittel. Komischerweise hatte Tray Sharow noch nie etwas essen sehen.
„So ein Mist!“ brummelte Sharow und zog eine Schachtel Zigaretten aus der Innenseite seines ledernen Mantels.
„Sharow…“ begann Tray unsicher und ihm war nicht wohl dabei, den Großen zu verhören. Doch gerade als er das Thema auf irgendwas Belangloses wechseln wollte, hörte er Basilis Stimme in seinem Kopf: ‚Im Zweifelsfall könntet Ihr in den Wald flüchten.‘
Sharow sah ihn groß an und wartete auf den Rest des Satzes, als Tray seufzte.
„Ich will die Wahrheit wissen!“
„Die Wahrheit?“ fragte Sharow und hob die Augenbrauen. Er schob die Zigarette zwischen die Lippen und bedeutete ihm ein kleines Feuer zu entfachen. Tray schnipste mit den Fingern und eine kleine Flamme tänzelte plötzlich auf seiner Handfläche. Sharow beugte sich vor und zündete den Glimmstengel an. Tray schloss die Hand zur Faust und eine kleine Rauchwolke entwich dieser. Anfangs hatte er sich dabei sehr oft verbrannt. Doch inzwischen stellte dieser kleine Trick, keine Schwierigkeit mehr dar.
„Ich bin eigentlich schwarzhaarig?“ fragte Sharow und Tray biss die Zähne zusammen.
„Nein… Ich meine was anderes. Also… ich weiß auch nicht wie ich das am Besten erkläre…“
„Schon gut.“ Sharow winkte ab und ging um den Tresen herum um auf der Veranda zu rauchen, da Xin den Rauchgeruch in der Hütte nicht mochte. Tray folgte ihm ungeduldig.
„Also?“ hakte er vorsichtig nach und Sharow runzelte die Stirn.
„Gib mir ein Stichwort.“ Schlug er vor.
„Garrisson.“
Sharow bliess den Rauch langsam aus und beobachtete wie sich der Qualm verschlang und allmählich auflöste.
„Er wurde Magier als er so alt war wie du. Vielleicht war er auch jünger. Ein ungestümer Typ, denn er lud sich selbst nach Hochfels ein. Sein Wesen, also das was bei dir Basilis ist, hüllte ganz Hochfels in zermürbende Dunkelheit ein. Sein Auftritt war so atemberaubend das man bis heute noch darüber spricht.“
„Aber was ist mit seiner Geschichte das er mein…“ Tray brach ab. In den vergangenen Wochen waren Stücke seiner Erinnerung allmählich zurückgekehrt. Er hatte zusammen mit seiner Mutter gelebt und sie hatte ihm von klein an verboten, Fragen über seinen Vater zu stellen weil er eine schreckliche Person sei, doch er, Tray, sei die Wiedergutmachung seiner Verbrechen. Und irgendwann würde er es verstehen.
„Tja… Ich habe versucht mehr darüber zu erfahren. Fakt ist, das Garrisson lange Zeit verschwunden war und kurz nach deiner Geburt (vermutlich) wieder auftauchte und die Magierin des Lichts tötete. Damals überrollte seine Wut und sein Groll den gesamten magischen Rat. Ich habe versucht mehr darüber zu erfahren und auch darüber, das ein Bann auf dich gelegt worden sei. Mir ist bekannt, das jemand, der keine Magie mehr wirken möchte, seine Fähigkeiten versiegeln lassen kann. Dieses Siegel muss alle paar Jahre erneuert werden, ansonsten wird es… brüchig.“ Sharow zog an der Zigarette und setzte sich auf die Holzbank, welche sie vor zwei Wochen von drinnen auf die Veranda verfrachtet hatten. Er klopfte an seine linke Seite und Tray setzte sich neben ihm. „Brüchig heißt, das derjenige ab und an Magie wirkt, allerdings unkontrolliert. Ihm oder Ihr passieren seltsame Missgeschicke, wenn man so will. Du erzähltest mir vor einer Woche das du dich entsinnen kannst, solche Unfälle des Öfteren erlebt zu haben. Um einen Magier deines Ranges zu bannen, benötigt es viel Geschick und wahrscheinlich müsste der Bann jedes Jahr erneuert werden. Doch das ist wohl nicht geschehen. Wie dem auch sei, vermute ich, das nach deiner Geburt ein sehr mächtiger Bann dieser Art auf dich gelegt wurde, der mit der Zeit eben… brüchig wurde. Mir fällt nichts besseres ein, denn sie verlieren nicht an Kraft sondern gehen kaputt, bekommen irgendwie Macken, verstehst du?“
Tray erinnerte sich an viele Missgeschicke, an explodierte Mikrowellen und Wasserrohre. Er nickte.
„Und dann bist du, und der Grund ist dir ja noch nicht eingefallen, hierhergekommen. Auf dem Weg in die Spiegelwelt ist dein Bann explodiert und hat sich selbst zerstört. Das ist das Problem mit deinem Kopf, denn diese Siegel sind an deinem Gehirn geknüpft. Daher die Amnesie. Wenn deine Mutter dich versiegelte, dann hätte sie doch den Bann jedes Jahr erneuert, vermute ich. Da sie anscheinend das Ziel hatte dich fernzuhalten von Garrisson und der Spiegelwelt. Darum gehe ich davon aus, das dich jemand anderes versiegelt hat. Über Garrisson mehr herauszufinden ist unmöglich. Er lebt im Exil, wenn man so will. Man weiß absolut gar nichts über ihn. Er kommt und geht und wenn er kommt dann bringt er Zerstörung und Chaos mit sich.“
Sharows Schilderungen fügten sich ein, wie ein Puzzleteil zwischen unverbundenen Puzzleteilen. Allmählich war ein Bild zu erkennen. Tray lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Der Schlüssel zu allem lag wohl in seinen Erinnerungen. Wenn er diese wieder hatte und zwar vollständig, dann wusste er auch wo sich seine Mutter gerade befand und vielleicht konnten sie dann rüber reisen um sie direkt zu fragen.
„Ich weiß das du an uns zweifelst.“ Sagte Sharow plötzlich in die Stille hinein und Tray warf ihm einen nervösen Seitenblick zu. Doch der Weißhaarige blickte verträumt in den Wald hinein als lausche er dem Vogelgezwitscher. „Als du Xins Anweisungen nicht mehr hinterfragtest und als du auch mich nicht mehr direkt ansahst, wenn ich dich was fragte, wurde mir klar, das es nur eine Frage der Zeit wäre, bis du entweder abhaust oder uns anschnauzt. Ich sagte ihr, das du bestimmt gereizt wärst und das sie dich nicht so beladen soll mit Aufgaben. Aber sie ist entschlossen dich vieles zu lehren.“ Sharow zog an dem Glimmstengel und Tray schwieg. Was sollte er darauf antworten? Das es ihm bisher noch nicht in den Sinn gekommen war, einfach zu gehen? Er kam sich wieder mal völlig bescheuert vor. Schon das er damals mit Sharow mit gelaufen war, zeigte wie unvorsichtig, ja geradezu dämlich er war!
„So seltsam es auch klingt, du musst uns vertrauen.“
„Wenn ihr wenigstens mit mir reden würdet!“ platzte es aus Tray heraus, „Ich weiß absolut gar nichts über euch, nicht mal warum ihr mich überhaupt unterstützen wollt!“
„Nun aber, als ob du gefragt hättest!“ tönte es plötzlich. Xin stolperte den Trampelpfad entlang, beladen mit zwei großen Papiertüten. Sie hatte die Wangen leicht aufgeblasen, als schmolle sie. „Ich weiß einfach nur nicht wie ich mit dir umgehen soll, du Vollidiot!“ fauchte sie und die Tüten schwankten gefährlich. Sie wirkte wirklich erhitzt und aufgebracht, doch so beladen, war sie kaum ernst zu nehmen. Ein Lächeln huschte über Trays Gesicht und er sprang auf um ihr wenigstens eine Tüte ab zu nehmen. Xin strahlte dankbar. „Aber scheinbar bist du ein netter Typ!“
„Und du dickköpfig!“ entgegnete Tray grinsend und schleppte die Tüte in die Hütte.
„Also schön.“ Sagte Xin seufzend und stellte ein Tablett mit einer Karaffe und drei Gläsern auf dem Holztisch ab. Sie hatte mit einem Fingerschnipsen die magischen Lichter in der Hütte entzündet. Obwohl es noch nicht sonderlich spät war, schien das Licht in der Hütte recht dämmrig und trüb. Der dichte Wald tat sein übriges dazu.
Sharow blickte missmutig auf den gelblichen Saft in der Karaffe und erhob sich schließlich um in den Tüten nach vernünftigerem zu suchen.
„Dann reden wir.“ Sie nahm die Karaffe und goß den Inhalt in ein Glas nach dem anderen bis auf- Sie stockte denn Sharow war wieder zurückgekehrt und hatte seine Hand auf das Glas gelegt. Er ließ die Bierflasche ploppen und füllte sein Glas mit dem schäumenden Getränk auf. Grinsend prostete er der kopfschüttelnden Hexe zu.
„Gut, dann beginnen wir mit dem hier.“ Sagte Tray vorsichtig und deutete mit seinen Armen auf die gesamte Hütte, „Was bezweckst du mit meiner Zeit hier?“
„Das du das Wesentliche erkennst.“ Antwortete sie und lehnte sich etwas zurück. „Ich habe dir untersagt die auf deinen Stab zu verlassen, weil ich möchte das du Kontrolle lernst. Du sollst die Fähigkeit erwerben, deine Magie in einem gewissen Masse zu beherrschen oder zumindest, das du in Zukunft, in der Lage sein wirst deine Grenzen zu erkennen. Weißt du warum Basilis da ist?“ sie deutete mit einem Kopfnicken auf den Höllenhund, der sich zu Trays Füßen zusammengerollt hatte und friedlich schlief.
„Jap, seit heute.“ Brummte Tray und nippte an dem süß duftenden Saft. Es schmeckte wunderbar!
„Gut, dann erklärt sich dein Leben hier von selbst.“ Meinte sie schnippisch, „Ich möchte nicht, das Basilis seiner Aufgabe gerecht werden muss.“
„Meinst du, das das nur wegen mir passieren kann?“ rutschte es Tray über die Lippen. Xin runzelte die Stirn und er bereute seine Worte in jenem Moment. Es war nur ein Gedanke gewesen und unbewusst hatte er diesen ausgesprochen. Mit der folge, das ihn Sharow scharf musterte und Xin ihn argwöhnisch fragte: „Worauf willst du hinaus?“
„Ach nichts, nichts!“ wehrte er schnell ab.
„Ich glaubte einen Augenblick lang, das du schlecht von uns denkst. Das du glaubtest, wir würden dich für besonders gefährdet halten. Ich Narr…“ murmelte Sharow sarkastisch und Tray warf ihm einen bösen Blick zu.
Für einen Augenblick schwiegen alle drei. Einzig das tiefe Atmen des schlafenden Hundes durchbrach diese Stille.
„Alle, diesen Ranges, befinden sich in der besonderen Gefahr die Kontrolle zu verlieren.“ Erklärte Xin schließlich und schwang gedankenverloren ihr Glas. Ein kleiner Rest des Saftes befand sich darin und funkelte golden im Licht der magischen Kugeln, die das Haus erhellten. „Was deine Person angeht… Weiß ich, das du ein besonders starken Charakter hast. Nachdem, was du in Hochfels erfahren musstest. An deinem Willen zu zweifeln, würde mir nicht einfallen.“
Tray blickte auf, in ihre braunen Augen. Sie lächelte und beugte sich etwas über den Tisch. „Es tut mir leid, das ich so kurz angebunden war, in der letzten Zeit, aber du hast mich mit deiner Souveränität sehr beeindruckt.“ Sie ergriff seine Hand und drückte sie leicht. „Künftig sollten wir mehr miteinander reden! Versprochen!“
Sharow räusperte sich leicht und Xin ließ Trays Hand sofort los. Dieser blickte einen Augenblick lang verblüfft darauf. Er spürte immer noch ihren sanften Druck. So hatte er die Hexe gar nicht eingeschätzt.
„Ich war sehr viel unterwegs und habe versucht, mehr über deinen Vater zu erfahren.“ Begann Sharow. Er strich mit einer Hand über sein Gesicht. Plötzlich wirkte er sehr müde und erschöpft. „Dafür muss man dunkle Pfade beschreiten. Es gibt nur wenige die ihn kennen oder kennen zu glauben und noch weniger die bereit sind, darüber zu reden. Garrisson ist wie ein Schatten, welcher durch das Leben anderer huscht und nicht mehr hinterlässt, als die Erinnerung an einen schlimmen Alptraum. Seine Absichten sind mir schleierhaft, seine Wege ergeben keinen Sinn.“
Sharow hob den Kopf und sah Tray mit einem festen Blick an. „Was also sollte ich dir berichten? Das ich nicht mehr weiß als das er ein grausamer Typ ist? Das es mir leid tut, aber es besser für dich wäre, wenn du ihn einfach wieder vergisst? Du bist sehr tough, ich hielt es nicht für gerechtfertigt, dir so wenig zu bieten.“
„Wenig zu bieten?“ Tray sprang auf und breitete die Arme aus, „Wenig? Nach allem was ihr für mich getan habt?“
Xin zuckte mit den Schultern und Sharow lächelte matt. „Du meinst dich einsperren?“
„Nein, mich von Anfang unterstützen. Das meine ich. Sind hier alle so aufopfernd?“ Tray ließ sich kopfschüttelnd wieder auf seinen Stuhl fallen. Basilis zu seinen Füßen knurrte kurz auf und streckte die Pfoten aus. Je länger der Höllenhund an seiner Seite blieb umso stärker erweckte er den Eindruck eines Hundes und nicht eines potenziellen Henkers.
„Bei Weitem nicht.“ Erwiderte Xin. Sie strich mit einer Hand durch ihre Lockenmähne und wägte ihre Worte ab, „Es ist nur… Naja, ich weiß wie es ist alleine da zu stehen, wenn… wenn man Schwierigkeiten hat und Sharow… Ich denke er ist einfach an allem interessiert, was nach Abenteuer duftet.“
„Könnte man so sagen“ knurrte der Weißhaarige und trank aus seiner Flasche.
„Vielleicht treffe wir uns in der Mitte!“ schlug Tray vor, „Ich mache diese Überleben-in-der-Hütte-Kacke mit und ihr redet mehr mit mir, erzählt mir mehr über… naja da draußen. Oder ihr zeigt es mir, wie ihr wollt, aber so wie bisher…. Deal?“ Er streckte Xin seine Hand entgegen.
„Diese Bedingungen erscheinen mir akzeptabel.“ Sagte sie lächelnd und schlug in die dargebotene Hand ein.
Für gewöhnlich war es ruhig. Sie wischte den Tresen ein letztes Mal und blickte sich in der Kneipe um. Alle Gäste waren schlafen gegangen und selbst der Wirt hatte sich nach oben in seine Gemächer begeben. Ihr oblag es ‚den Rest‘ zu erledigen. Tische abwischen, Geschirr einsammeln, fegen.
Sie bließ die Luft aus ihren Wangen und ihre rötlichen Strähnen tanzten um ihr rundliches Gesicht. Der Lohn war soviel Aufwand nicht wert.
Dennoch strafte sie die Schultern und lief eine letzte Runde durch den Schankraum. Ihr ganzes Leben war sie schon hier und für gewöhnlich war es um diese Zeit ruhig. Sie tänzelte um die Tische herum, fingerte nach einen vergessenen Krug und wischte behände einen Krümel weg.
So spät nachts, schliefen sie alle. Viele waren Händler auf Durchreise, die schon in aller Früh aufbrachen, wieder andere bestellten Land, hatten ihr Vieh… Sie kamen nur her, um einen Krug zu heben, bevor sie in ihre Betten krochen. Diese Stille in der Nacht, sie hatte manchmal etwas Deprimierendes. Als Schankmädchen der Dorfkneipe, hatte sie sich nie große Hoffnungen gemacht, das sie etwas anderes sehen würde, als schmutzige Tische und betrunkene Gäste. Denn für gewöhnlich, war es still.
Sie stellte den Krug hinter den Tresen und zog einen Schlüsselbund. Auf dem Weg zur Tür, löschte sie ein Licht nach dem anderen und behielt eine Laterne in der Hand, welche ihr den Weg zu ihrem Zimmer leuchten würde. Die Dielen unter ihren Füßen knarrten leicht. An der Tür angelangt, stockte sie. Was war das?
Sie spitzte die Ohren und hörte wie ein stärkerer Wind an der Kneipe zerrte, sein Holz zum knarren brachte und in der Ferne wieherte ein Pferd. Dann… Stille.
Energisch schüttelte sie den Kopf. Die Müdigkeit spielte ihr einen Streich!
Ein Schritt.
Da war es wieder! Schritte! Wenn nun noch ein Gast kam, wer war sie dann, einem zahlenden Kunden die Tür zu verriegeln? Sie öffnete die Tür und kühle Nachtluft wehte ihr entgegen und brachte das zarte Licht ihrer Laterne zum Flackern. Neugierig steckte sie ihren Kopf hinaus und blickte die Straße hinauf und wieder hinab. Alle Häuser standen dunkel und ruhend, nichts regte sich. Die Straße schien völlig verlassen.
Schritt.
Sie schüttelte den Kopf und kniff die Augen leicht zusammen. Im Dunkeln auf der Straße bewegte sich etwas. Eine hünenhafte Gestalt, wie es schien. Sie trat einen Schritt hinaus in die Nacht und hob ihre Laterne. Die Gestalt stoppte einen Augenblick, hob den Arm zum Gruß und ging dann auf sie zu.
„Kann ich etwas für euch tun?“ fragte sie, als die Gestalt vor der Kneipe ankam. Es war ein wahrhaft großer, breitschultriger Mann, gehüllt in einem langem, schwarzem Umhang. Seine Stiefel waren verkrustet vom Schlamm und er trug einen großen Sack auf dem Rücken. Ein Reisender der sich verlaufen hat, dachte das Schankmädchen bei sich.
Die Gestalt schob die Kapuze vom Kopf und zum Vorschein kam ein bärtiges lächelndes Gesicht.
„Etwas warmes zu trinken wäre schön, aber eure Schenke sieht verlassen aus.“ Sagte er mit dunkler Stimme und warf einen Blick in das Innere der Kneipe.
„Sobald die Gäste gehen, schließen wir.“ Entgegnete das Mädchen schulterzuckend, „Doch wenn wir noch zahlende Gäste bewirten, dann bleiben wir geöffnet.“
„Verstehe.“ Raunte der Reisende und zog einen prall gefüllten Geldbeutel aus seiner Umhangtasche hervor.
„Wir haben auch wundervolle Speisen!“ sagte das Schankmädchen und geleitete den Fremden herein. Sie tänzelte nun mit ihrer Laterne voran und hoffte, das der Reisende mit dem Trinkgeld nicht knauserig sein würde.
„In Kürze werden weitere Gäste hier eintreffen, ich möchte das auch sie bewirtet werden.“
„Wie viele? Nötigenfalls muss ich den Wirt wecken?!“
Der Reisende hob einen Arm und streckte den Zeige- und Mittelfinger in die Höhe.
Das Schankmädchen lächelte, „Das schaffe ich gerade so.“
Diese Schenke zu erreichen, hatte einige Tage in Anspruch genommen. Es war ein ungewöhnlicher Ort für ein Treffen, doch der andere hatte sich bisher noch nie geirrt. Er war ein vorsichtiger Typ.
Das Schankmädchen brachte einen Humpen Bier und einen Teller beladen mit Brot und Wurst. Rowen nickte ihr dankbar zu. Er hatte sich gerade dem Teller gewidmet, als es an der Tür pochte. Das Mädchen wuselte zur Tür und ließ zwei Gestalten herein.
„Herzlichen Dank!“ sagte einer von ihnen.
„Euer Gefährte hat mich schon vorgewarnt.“ Erwiderte das Schankmädchen und deutete auf Rowen, welcher den Neuankömmlingen zu nickte.
Die Beiden bestellten ihrerseits ein Bier und stapften dann auf Rowen zu.
„Da sind wir also.“ Sagte Rowen.
Einer der Beiden schob die Kapuze von seinem Kopf und schüttelte sein langes, weißes Haar.
„Wie früher.“ Sagte Sharow grinsend und ließ seinen Rucksack klirrend auf den Boden fallen.
„Ja, wie damals.“ Sagte die dritte Gestalt, schob ihrerseits die Kapuze vom Haupt. Sie war von schmaler Statur und hatte ihr langes, helles Haar in einem Dutt gezähmt. Ihre grauen Augen hatten einen stählernen, festen Blick. Ihre Gesichtszüge waren sehr fein. Sie warf ihren Umhang zurück und setzte sich erhaben an den Tisch. „Also, was tun wir hier… Wieder vereint?“ fragte sie spöttisch.
Das Schankmädchen servierte den neuen Gästen ihre Bestellungen und Rowen zahlte ihr eine Stange Geld, damit sie den Schankraum verließ. Nachdem sie verschwunden war, senkte Sharow verschwörerisch die Stimme.
„Es geht mir um den neuen Magier.“ Raunte er.
„Johnson?“ fragte Rowen und nahm einen Schluck aus seinem Humpen, „Der scheint mir in Ordnung zu sein.“
„Er steht unter meiner Obhut.“
Die Frau schnaubte, „Warum wundert es mich nicht, das du da wieder drin hängst?“ sagte sie kopfschüttelnd.
„Es ist wie immer Zufall.“ Wehrte sich Sharow, „Doch darum geht es nicht. Ich versuche seit geraumer Zeit mehr über Garrisson zu erfahren. Allerdings ist dieser Mistkerl nicht zu fassen. Keiner weiß was, niemand hat etwas gesehen. Meine Quellen lassen mich im Stich. Wenn Tray und Garrisson Magier des gleichen Elements und des gleichen Ranges sind, dann muss es einen Grund für Trays Erscheinen geben.“
Rowen schüttelte den Kopf. „Seit wann glaubst du an solche Geschichten?“
„Chapeau, alter Freund. Das ist natürlich für gewöhnlich deine Aufgabe.“ Sharow zwinkerte und prostete Rowen zu.
„Von deiner plötzlichen Religiosität abgesehen…“ Rowen lehnte sich etwas zurück, um seine alten Gefährten besser zu sehen, „… ist der magische Rat völlig aus dem Häuschen. Die Magier sind sehr jung, fast noch Kinder. Garrisson war der Älteste unter ihnen. Einen Ausschluss eines A-Ranges hat es in der Geschichte noch nie gegeben. Sie mussten sich eingestehen, das Garrisson außer Kontrolle ist und das hat für noch mehr Wirbel gesorgt.“
„Und väterlich, wie du bist, hast du sie beruhigt.“ Meinte die Frau in der Runde.
Rowen warf ihr einen entschuldigenden Blick zu. „Jemand sollte verhindern, das sie Amok laufen.“
„Das kann nur Meister Rowen.“ Erwiderte sie grinsend und legte eine besondere Betonung auf das Wort ‚Meister‘.
„Könnten wir zum Thema zurück kommen?“ drängte Sharow und stellte seinen deutlich geleerten Humpen wieder auf den Tisch zurück. Die Dame schnaubte und verschränkte die Arme. Rowen jedoch beobachtete seinen Freund scharf. Was beunruhigte ihn so? Weshalb hatte er so nachdrücklich um dieses Treffen gebeten? Er sagte, der Junge sei unter seiner Obhut…
„Was ist mit dem Jungen?“ raunte Rowen und blickte Sharow in die Augen. Sie hielten den Blickkontakt eine Weile aufrecht, bis Sharow seufzte und sich mit einer Hand über das Gesicht fuhr.
„Ich weiß es nicht. Irgendwas an ihm ist seltsam, aber ich kann beim Besten Willen nicht sagen, was. So plötzlich wie er in mein Leben trat, oder seine bohrenden Fragen…“
„Oh Gott, du hast ihn gern!“ platzte die Frau raus und schlug sich im selben Moment mit der Hand an den Mund.
Rowen grinste. Sharow funkelte die Frau an die nur schief lächelte und mit den Schultern zuckte. Woraufhin der Weißhaarige ihr in die Schulter boxte. Rowen schwieg einen Augenblick und genoss die Kabbelei zwischen seinen alten Gefährten. Die Zeit verflog und die Welt änderte sich, doch jedes mal, wenn die drei zusammen kamen, dann schien es, als seien sie keinen Tag gealtert. Als wären sie immer noch die Reisenden von einst.
„Der Junge ist bei dir.“ Begann Rowen schließlich und sofort hatte er die Aufmerksamkeit seiner Freunde wieder auf sich gezogen, „Womit er unter unserer Beobachtung steht. Das sein Erscheinen mit etwas Bösem oder Verheißungsvollen zusammenhängt, das kann ich mir nicht vorstellen. Diese Prophezeiungen stammen aus der Zeit, als noch Götter in dieser Welt lebten. Doch die Götter haben uns verlassen und die Spiegelwelt ist im Wandel. Johnsons Auftauchen ist ein Beweis dafür. Wir sollten uns den Veränderungen nicht verschließen, oder uns in Paranoia treiben lassen. Der Frieden herrscht schon lange über diese Welt und das Volk hat seine Lehren aus dem letzten Krieg gezogen. Ich bleibe weiterhin beim magischen Rat und du, Sharow, bei dem Jungen. Und du, Asenia…“ er wandte sich der Dame zu die ihn mit hochgezogenen Augenbrauen ansah, „Du hast ganz andere Möglichkeiten um Dinge über Magier zu erfahren.“
„Ich hefte mich an Garrissons Fährte, schon klar.“ Sagte sie mit einem bedächtigen Kopfnicken.
„Aber sei vorsichtig.“ Raunte Sharow und Rowen schüttelte den Kopf.
„Mein Freund, was soll schon geschehen?“
„Es ist wie du sagtest,“ entgegnete Sharow ernst, „Der Frieden herrscht schon sehr lange über diese Welt.“
Die Welt, ein Abbild der alten Heimat ward gefüllt mit Hoffnung und Leben.
Die Geschwister der Zeit erwählten einen Sohn ihrer Zunft,
seinesgleichen zu leiten in die neue Heimat.
Und dort errichteten sie ein güldenes Reich, frei von Hass,
frei von Wut,
frei von Tod.
Von güldenen Zeitaltern
Seit ihrer Aussprache fühlte sich Tray in der Blockhütte wohler. Xin hatte ihm noch am selben Abend frei gegeben und ihnen ein üppiges Mahl gekocht. Sie hatten miteinander geplaudert und den Abend genossen. Ihren Lehrplan für ihn, ging sie auch lockerer an und gewährte Tray mehr Freiheiten. Sie begründete dies, das er einfach schon viel gelernt habe. Doch immer noch bereitete ihm die Magie Schwierigkeiten. Die Hexe beteuerte, das alle Magienutzer, die sie umgebende Magie sehen könnten. Doch ein Stein war nach wie vor nicht mehr als ein Stein für Tray und wenn er Magie einsetzte, dann spürte er, das ihm ohne seinen Stab nicht viele Möglichkeiten blieben.
Neben dem plötzlichen lockeren Zusammenleben umgab sich Tray inzwischen täglich mit dem Höllenhund. Dieser ließ es sich nicht nehmen, seinem Magier, die eigentliche Berufung eines Begleiters in Erinnerung zu rufen. Doch Tray konnte nicht anders. Der Höllenhund teilte seine Gedanken und irgendwie fühlte sich Tray ihm verbundener als Xin oder Sharow gegenüber. Auch wenn Basilis es nach wie vor bestritt, so pflegten sie doch einen freundschaftlichen Umgang miteinander.
Nach all der Zeit im Wald, erlaubte die Hexe ihrem Lehrling sogar ins Dorf zu gehen, allerdings nur unter Begleitschutz.
„Schon ein bisschen übertrieben, findest du nicht?“ meinte Tray und lugte über die Papiertüte in seinen Armen. Die meisten Einkäufe hatten sie auf dem Wochenmarkt erledigen können und Tray war verblüfft, das er hier auf dem Land weitaus weniger Magie begegnete als in der Stadt. Dieses Dorf unterschied sich kaum von denen die er aus seiner Welt kannte.
„Mhm.“ Brummte jemand neben ihm. Tray warf einen Seitenblick auf seinen Personenschutz. Sharow las einen langen Brief der ihn am Morgen erreicht hatte. Er war von seiner letzten Reise kaum zurückgekehrt, da hatte Xin ihn zum Einkaufen zusammen mit Tray geschickt.
Tray musterte seine Gestalt. Er wirkte besorgt und müde. Er konnte nur mutmaßen, woran das lag. Entweder war die Reise sehr anstrengend gewesen, oder Garrisson bereitete ihm immer noch Kopfzerbrechen.
„Aber immerhin sehe ich mal etwas anderes als nur Bäume.“ Plapperte Tray weiter, auch wenn Sharow ihm offensichtlich nicht zuhörte.
Jener brummte auch nur ein weiteres ‚Mhm‘.
Tray schlug den Weg zurück zum Wald ein und Sharow stapfte ihm hinterher, nach wie vor in seine Lektüre vertieft. Eigentlich wäre er gern länger im Dorf geblieben, aber Xins Anweisungen waren strikt. Einkäufe erledigen, zurückkommen. Tray stieß einen Seufzer aus und Sharow erwiderte: „Mhm.“
Nach ein paar Schritten spürte Tray ein Kribbeln im Nacken. Er verlangsamte seine Schritte, als sich sein innerstes verkrampfte. Erschrocken wandte er sich um und Sharow rempelte ihn an.
„So warte doch!“ zischte Tray und Sharow sah endlich von dem Brief auf und musterte den Zauberlehrling seltsam.
„Was hast du denn?“ murrte er ungeduldig, „Je schneller wir zurück sind umso besser.“
„Aber irgendwas stimmt nicht!“ meckerte Tray und blickte sich um. Er fühlte es sehr deutlich. Es war als würde etwas mörderisches nach ihnen greifen, doch es war nichts zu sehen. Hinter ihnen lag das Dorf und einige Menschen liefen auf der Straße umher.
„Lass uns gehen.“ Sagte Sharow plötzlich und schob Tray vorwärts. Dieser hielt die Papiertüte fester und eilte voran.
„Aber wohin? Wenn es uns verfolgt, dann haben wir auch nichts gekonnt.“
„Dahin, wo wir es konfrontieren können.“ Sagte Sharow und beschleunigte seinen Schritt. Tray umklammerte die Tüte fester und mühte sich mit dem Weißhaarigen Schritt zu halten. Er wandte sich ab vom Wald und hielt auf die Äcker rund um das Dorf zu.
„Ich glaube nicht, das ich Magie einsetzen sollte.“ Meinte Tray als Sharow auf einem Acker, außer Sichtweite der Häuser stoppte.
„Xin würde es dir bestimmt erlauben.“ Knurrte er und zog das lange Schwert von seinem Rücken.
Tray stellte die Tüte ab und sah sich um. Die Sonne stand hoch am Himmel und es wehte eine leichte Brise. Weit und breit war nicht mehr zu sehen als Äcker und eine Weide auf der sich ein paar Pferde tummelten. Dennoch spürte er etwas Kaltes. Tray atmete tief ein und streckte die Hand aus. Schon eine ganze Weile war es her, seit er den Stab zuletzt gerufen hatte. Ob er es noch konnte? Verlernte ein Magier so etwas?
Doch da spürte er wie es in seiner Handfläche kribbelte. Di Luft verdichtete sich und umhüllt von dunklem Rauch manifestierte sich der lange Stab, der immer noch wie ein abgebrochener Ast aussah. Insbesondere, da an seiner Spitze ein kleiner Zweig wuchs, wie es schien.
„An meinem Stab wächst was.“ Murmelte Tray und kniff die Augen zusammen. Ein winzig kleiner schwarzer Zweig.
„Sie kommt.“ Raunte Sharow und blickte auf.
Tray hörte das Schlagen von gewaltigen Schwingen. Wind kam auf und wirbelte Dreck zu ihren Füßen auf. Tray bedeckte seine Augen und blinzelte. Als der Wind sich gelegt hatte, schielte er zwischen seinen Fingern hervor und erblickte eine ungewöhnlich große Frau. Und sie war außergewöhnlich schön, bis auf einige Merkmale, die an ihr hervorstachen.
Ihre Füße endeten in klauenbesetzte Greifvögelfüße und ihre Augen waren von goldener Farbe, scharf und berechnend ruhte ihr Blick auf ihnen. Auf ihrem Rücken breiteten sich hellbraune Schwingen aus. Sie hatte sehr langes Haar, das in einem dicken geflochtenen Zopf um ihre Schultern ruhte. Statt Kleidung, schienen ihr Federn ein Schutz vor dem Erfrieren zu bieten. Tray klappte der Mund auf.
„Harpyen?“ murmelte Sharow verduzt.
„Harpyen?“ wiederholte Tray und die Frau lächelte.
„Bern… mein Name. Ich suchte nach der Hexe… und fand euch.“ Sie leckte sich über die Lippen und verschränkte die Arme. Die Fingernägel an ihren Händen schienen länger als gewöhnlich.
„Sechs Glieder…“ murmelte Tray fasziniert und schlug mit dem Handrücken gegen Sharows Arm, „Unglaublich oder? Eine fliegende Frau, mit Beinen, Armen und Flügeln.“ Doch Sharow reagierte nicht darauf. Er schien vielmehr beunruhigt.
„Welche Hexe? Dieses Land ist voll von ihnen.“ Sagte er und senkte das Schwert.
„Ja… aber nicht von diesen Hexen….“ Sagte die Harpye namens Bern.
„Ist ja wirklich irre, wir sind zwar keine Hexen, aber du kannst fliegen.“ Sagte Tray begeistert die Harpye zog die Augenbrauen hoch. „Fragt sich nur wie lange noch?“
Spannung erfüllte die Luft. Tray stützte sich etwas auf seinen Stab und Sharow hob das Schwert wieder. Die Harpye lächelte.
„Das ist wirklich süß. Ihr wollt gegen mich antreten.“ Sie löste die Armverschränkung auf und stemmte stattdessen eine Hand in ihre Hüfte. Abgesehen von den vogelmerkmalen, schien sie übermässig attraktiv zu sein. „Ihr wollt eine Frau schlagen?“
„Nein, eine Harpye, die uns bedroht.“ Erwiederte Tray. Er lachte nicht mehr. Ihre mörderische Absicht durchdrang jede Faser ihres Körpers. Doch mehr noch, schien diese Absicht auf eine Hexe abzuzielen und nicht auf den zweiten schwarzen Magier und auch nicht auf den weißhaarigen Schwertkämpfer. Tray spielte mit den Gedanken ob sie Xin meinen könnte, ob auch schon ihre Verfolger aus Ammar, Xin meinten und nicht ihn. Ob es niemals um ihn gegangen war. Er schüttelte den Kopf.
„Wirklich tapfer, kleiner Magier, aber mich mit euch anzulegen, wäre mein Todesurteil.“ Ssäuselte sie süßlich und breitete ihre Schwingen zur vollen Größe aus.
„Das war Sarkasmus, oder?“ flüsterte Tray Sharow zu, welcher ihn angrinste.
„Weiß man bei denen nie genau.“
Bern erhob sich in die Lüfte. Sie war ein seltsamer Anblick. Schön, gefährlich und irgendwie surreal.
„Ich habe eine Nachricht, an die Leibwächter der Hexe.“ Sagte sie laut und stieg immer höher, „Ihr seid eurer Aufgabe nicht gewachsen.“
Sie flog immer höher und schließlich davon. Tray spielte mit dem Gedanken ihr einen schwarzen Blitz hinterher zu schicken, doch stattdessen ließ er den Stab sinken.
„Was war das?“ fragte er fassungslos. Sharow steckte das Schwert zurück in seine Scheide auf dem Rücken und blickte der immer kleiner werdenden Harpye hinterher. „Das ist eine lange Geschichte.“
„Super.“ Knurrte Tray und hob die Papiertüte an, „Ich wohne in einer Blockhütte, ich habe alle Zeit der Welt deine Geschichte zu hören.“
„Es ist eine Geschichte über Götter und Glauben, vermutlich nichts was dich wirklich interessiert.“
„Das werden wir ja sehen.“
Tag der Veröffentlichung: 03.06.2013
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