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Meine verrückte Familie

„Anina Essen“, rief meine Mutter aus der Küche.

Ich roch bereits von meinem Zimmer aus die blutigen Steaks in der Küche. Ich verräumte schnell meine Schulsachen und rannte die Treppe hinunter. Vielleicht etwas zu schnell, da ich ungewollt in meinen Bruder hinein rannte.  „Ruhig Blut Schwesterherz“, sagte er zu mir und hielt mich fest, damit ich nicht die Treppe hinunter fiel. Ich war einfach zu hungrig, zudem waren Steaks mein Leibgericht.

Ein paar Minuten darauf, sassen alle am Tisch. Mom, Saro und ich hatten ein Steak auf dem Teller, Lilli und Dad ein Glas voll Blut. Veilleicht sollte ich noch erklären, dass wir keinesfalls eine normale Familie waren. Meine Mutter stammte aus einer Ahnenreihe von Gestaltwandlern, wohingegen mein Vater ein Vampir war.

„Weisst du schon in was du dich verwandeln wirst?“, fragte mein Dad ruhig.

„Ja, was wirst du?“, hakte Saro neugierig eine Sekunde später nach.

„Ähm“, wich ich erstmals aus. Ich wusste wirklich noch nicht in was ich mich verwandeln werde.

„Sag schon, welche Symptome hast du?“

„Du weisst genau wie Vater es hasst wenn du Symptome sagst, Saro“, ermahnte ihn meine Mutter meinen Bruder.

„Noch keine“, log ich.  

„Das stimmt doch nicht“, mischte sich Lilli meine grosse Schwester ein.

Sie war eine echte Gothic Zicke geworden. Wie alle Vampire hatte sie keinerlei Schönheitsmakel, was sie mir ständig unter die Nase rieb. Ihr voluminöses, leicht gewelltes, schwarz gefärbtes Haar liess sie sich über die Schultern fallen und betonte ihr schlankes Gesicht mit ihrem dunkelroten Lippenstift. Ihre teure schwarze Kette mit der silbernen Spinne in einem Netz hatte sie sich so eng um den Hals geschnürt, dass ein normaler Mensch bestimmt daran erstickt wäre. Ihre fast weisse Haut stellte natürlich den perfekten Kontrast zu ihrem Outfit dar.

Mein Bruder hingegen war sogar leicht braun, hatte schwarze, kurze Haare und Muskeln, sodass sich jedes Mädchen sofort angezogen fühlte. Auf Mode setze er wenig, was ihn aber anscheinend noch attraktiver wirken liess. Oftmals hatten seine Klamotten sogar Risse und Löcher. Ich hasste es, dass er ständig den Macho raushängen lassen musste, sobald sich ein Mädchen auf zehn Meter näherte.

Man konnte fast nicht glauben dass mein einfühlsamer, netter Bruder und meine zickige, fiese Schwester, Zwillinge waren! Sie waren so verschieden und trotzdem auf eine komische Art unzertrennlich.

„Sieh dir ihre Haut an, sie wird sicher ein Vampir“, redete Lilli weiter.

„Nein! Denk doch mal an ihren Charakter, sie wird ein Werwolf!“, erwiderte Saro.

„Willst du etwa behaupten Vampire hätten keinen Charakter?!“, fragte Lilli eingeschnappt.

„Nein, nur einen miesen“, meinte Saro neckisch.

„Na warte!“, Lilli schüttete ihm ihr Glas mitten ins Gesicht.

„Siehst du“, Saro lächelte triumphierend und wischte sich das Blut aus dem Gesicht.

So unzertrennlich sie auch waren, solche Auseinandersetzungen gab es immer wieder und fast jedes Mal arteten sie in einem Machtkampf aus.

„Wir werden ja sehen zu was sie wird“, meinte Lilli und lief in die Küche um ihr Glas wieder aufzufüllen.

„Nimm noch den Abwaschlappen mit“, rief ihr meine Mutter nach. Keine Antwort.

„Ich hole ihn“, bot ich an.

„Nein, du gehst in dein Zimmer und legst dich hin. Du wirst die Energie in“, Mom schaute auf ihre Uhr, „sechs Stunden brauchen“

„Ok, ich räume nur noch schnell ab.“

„Das mache ich schon“, sagte mein Vater und ich musste wohl oder übel in mein Zimmer gehen.

Ich lief die dunkle Holztreppe nach oben und liess mich auf meine grosse, weiche Matratze fallen. Meine Haare waren völlig zerzaust und meine Klamotten immer noch schmutzig. Ich stand nach gefühlten fünf Minuten wieder auf und ging zum Spiegel.

Ein schmales, blasses Gesicht schaute mir entgegen, umrahmt von zerzausten, schwarzen Haaren, welche es noch blasser erscheinen liessen. Mir wanderte schon seit Tagen nur noch dieser eine Gedanke durch den Kopf. Als wären er ein Ohrwurm, welcher einfach nicht mehr von mir ablässt.

Ich versuchte mich durch das Kämmen davon abzulenken, aber es half nichts. Ich hatte einfach Angst, vor allem was passieren könnte. Ich begann immer hektischer meine Haare zu kämmen und lief immer schneller. Die Gedanken kreisten in meinem Kopf und mir wurde zunehmend schwindelig.

Nach einer gefühlten Stunde, blieb ich stehen und dachte genauer darüber nach, wie unsinnig diese Gedanken doch waren. Jedenfalls versuchte ich mir das einzureden.

Die andere Dimension

„Anina aufwachen“, weckte mich plötzlich meine Mutter.

„Ich bin doch erst grad eingenickt“, murmelte ich und zog mir meine Decke über den Kopf.

„Hast du schon auf die Uhr geschaut?“, fragte sie mit einem hörbaren Grinsen.

„Was?“, murmelte ich und schaute auf mein Handy.

Direkt auf dem Sperrbildschirm leuchtete in weisser Schrift 23:30. Ich setzte mich sofort auf und fragte mich, warum ich überhaupt eingenickt war.

„Zieh dich an, du willst doch nicht zu spät kommen“, sagte sie während sie mein Zimmer verliess.

Leise fluchend stand ich auf und ging zu meinem Wandschrank. Ich suchte mir mein schwarzes Kleid aus und zog es so schnell ich konnte an.

Ich kämmte meine Haare noch einmal durch und liess sie locker über meine Schultern fallen. Sie hatten ganz leichte Wellen.

„Anina beeil dich!“, rief meine Schwester von unten.

„Ich komm ja schon“, antwortete ich und rannte die Treppe hinunter.

„Wow, du siehst fast so gut aus wie ich“, sagte sie mit einem neckischen Lächeln als sie mich sah.

„Wow, das war ja schon fast ein Kompliment. Bist du etwa krank?“, antwortete ich und schubste sie leicht. „Komm, die anderen warten bestimmt schon.“

„Ach,  mach dir nicht immer solchen Stress“, begann sie, „Wir mussten auch schon genug oft auf sie warten. Lass mich dich erst einmal ansehen.“

Sie ging ein paar Schritte zurück und machte komische Gesten mit ihrem Daumen. Ich bekam fast einen Lachanfall.

„Also, deine Haare sind zwar immernoch zu lang, aber ansonsten passt alles perfekt. Ausser das ein langer Rock vermutlich passender gewesen wäre als sowas kurzes. Denk dran, es wäre gut möglich das du Oma triffst.“

„Ich weiss was ich tue und was auf mich zukommt, aber um ehrlich zu sein hab ich ein wenig Angst. Ich mein was wenn etwas schiefläuft oder ich es vermassle?“, sagte ich und setzte mich auf die zweitunterste Treppenstufe. „Ich mein, was wenn ich plötzlich ein Blackout hab?“

„Das glaubst du ja selbst nicht“, antwortete sie und wuschelte mir durch die Haare. „Mach dir nicht so viele Sorgen. Komm wir gehen jetzt einfach und hör auf so negativ zu denken.“

Wir gingen gemeinsam in den Garten und liefen ein kleines Stück in den Wald hinaus. Nach einigen Minuten kamen wir schliesslich zu einer Waldlichtung.

„Hier sollte es sein“, sagte Lilli nachdenklich und zeigte auf die Lichtung, auf welcher bereits meine Eltern und Saro standen.

„Da seid ihr ja endlich!“, rief mein Vater, als er auf uns zukam, „Kommt schon!“

„Lilli, Saro“, sagte meine Mutter und die beiden Blickten auf. „Ihr müsst da hin.“

Sie zeigte auf einen Baumstumpf am Rande der Lichtung, noch vor drei Jahren sass ich auf jenem und durfte bloss zugucken, wie sie das Ritual abhielten.

„Und du stellst dich hierhin“, befahl Mom mir in einem freundlichen Ton und zeigte in die Mitte der Lichtung.

Ich lief gedankenverloren dorthin und setze mich auf den Boden.

„So, bereit Stephan?“, fragte meine Mutter meinen Vater, welcher bloss nickte.

Meine Eltern begannen sich langsam um mich herum zu bewegen und sie murmelten unverständliche Worte. Ich sah noch wie Saro und Lilli miteinander tuschelten, als mir langsam schummrig wurde und ich schlussendlich das Bewusstsein verlor.

Ich befand mich plötzlich mitten auf einer grünen Wiese,  welche von Bäumen umringt war.

„Anina?“, rief eine Stimme in fragendem Ton.

„Oma?“

„Anina!“

Meine Oma lief auf mich zu und schloss mich in ihre Arme.

„Wo bin ich? Was ist passiert?“

„Du bist in der Geisterebene“

„In der was?“, fragte ich erstaunt.

„Du befindest dich zwischen Leben und Tod. Du bist hier um dir über deine Bestimmung klar zuwerden“, antwortete sie.

„Und wie soll ich das anstellen?“

„Das musst du selbst herausfinden. Ich bin nur ein Begleiter und nichts weiter, eine Vertrauensperson, welche aufpasst, das du dich hier nicht verirrst“, erklärte sie ruhig und mit einem sanften Lächeln.

„Und was soll ich jetzt tun?“

„Das wozu du Lust hast.“

„Aber, wie soll ich dadurch herausfinden, zu was ich Bestimmt bin?“

„Das, meine Liebe, ist ganz allein deine Sache. Ich dir noch viel Spass und übertreib nicht so wie deine Geschwister!“

Mit diesen Worten löste sie sich vor meinen Augen in Luft auf und ich stand wieder ganz alleine auf der kleinen, leicht belichteten Waldlichtung, ohne jegliche Ahnung was ich tun sollte.

Ich begann orientierungslos rumzulaufen in der Hoffnung, das mir das irgendwie helfen könnte, was aber eher das Gegenteil bewirkte.  

Plötzlich hörte ich ein knackendes Geräusch und ich sah eine Person am anderen Ende der Lichtung. Ich begann auf sie zu zulaufen, aber noch bevor ich sie wirklich erkennen konnte, rannte sie in den Wald hinein.

Ich rannte ihr nach, aber es fühlte sich nicht wie rennen an. Ich flog schon fast über den Boden und der Wind riss meine Haare nach hinten. Ich fühlte mich freier denn je und dennoch fühlte es sich komisch an. Ich blieb kurz stehen und blickte mich um. Keine Spur der anderen Person.

„Mist!“, fluchte ich leise, als ich mich wieder auf den Weg zur Lichtung machte.

Ich lief langsam und roch den Wald stärker denn je. Ich roch jedes Blatt, jedes Tier und jeden Baum. Ich roch einfach alles und es war so überwältigend! Ich wusste gar nicht wie ich darauf reagieren sollte. Es waren so viele Gerüche zu gleich und es war einfach Atemberaubend, auch wenn es mich schon fast überforderte.

Nach einigen Minuten gewöhnte ich mich soweit daran, dass ich weiterlief. Meine Schritte klangen leiser als sonst. Fast so als würde ich nicht auf einem Waldboden, sondern auf Watte gehen. Vor allem im Vergleich zum Wald, welcher immer lauter zu werden schien. Ich hörte weit entferntes Vogelgezwitscher und bald auch einen kleinen Bach, welchem ich immer näher kam.

Als ich ihn erreicht hatte, setzte ich mich an das steinige Ufer. Ich spürte jede Unebenheit an den Steinen und sah jeden Partikel im Wasser. Ich zog meine Schuhe aus und streckte meine Füsse ins Wasser. Augenblicklich spürte ich, wie die leichte Strömung meine Füsse umspielte und mein Körper langsam immer kälter wurde, bis er die Wassertemperatur erreicht hatte.

Ich dachte über all das nach was mir in der letzen Stunde passiert war. All diese Eindrücke, diese Emotionen und dieses unbändige Gefühl von Freiheit, welches mich immernoch durchflutete. Ich wusste nicht wie ich auf all dies reagieren sollte.

„Anina!“

Ich hörte die Stimme meiner Grossmutter und kurz darauf sah ich sie auch. Erst jetzt bemerkte ich das sie schwebte anstatt zu gehen, obwohl sie eine Laufbewegung machte.

„Oma“, rief ich freudig zurück. „Ich weiss immer noch nicht-“

„Nicht jetzt! Du musst hier weg! Sofort!“, sagte sie fast panisch.

Neugierig und zugleich traurig fragte ich sie warum ich jetzt schon von hier weg müsse, jedoch antwortete sie mir nicht, sondern zog mich mit einem Arm aus dem Bach hinaus.

„Jetzt stell dir vor du liegst wieder auf der kleinen Lichtung in eurem Wald. Schnell!“

„A-aber“, stammelte ich verdutzt.

„Bitte, tu es für mich.“

Sie gab mir einen Abschiedskuss auf die Stirn, wie sie es auch früher immer getan hatte und ich begann mir vorzustellen, wie ich wieder bei meinen Eltern, Saro und Lilli war.

Rückkehr

Ich erwachte einige Sekunden später wieder in der realen Welt, in welcher sich sofort Saro auf mich stürzte.

„Was denkst du das du wirst?“, diese Frage stellte mir Saro etwa drei Mal am Tag.

„Ich bin mir sicher sie wird ein Vampir. Fühl doch ihre Haut!“, fuhr Lilli ihn an.

„Ich hab nicht dich gefragt!“, sagte Saro ruhig und setzte sich vor mich.

„Aber ich hab mit dir gesprochen. Lass sie doch einfach in Ruhe! Vampire sind Einzelgänger, sie brauchen auch mal Zeit für sich!“

„Und Werwölfe sind Rudeltiere! Sie kann genauso gut ein Werwolf werden. Die Chancen stehen eins zu eins.“

„Du willst dich mit mir anlegen“, fragte Lilli herausfordernd.

„Jederzeit Schwesterherz.“

Lilli rannte blitzschnell auf Saro zu und warf ihn gegen den nächsten Baum. Als Saro auf dem Baum aufschlug, war er kein Mensch mehr, er war ein Wolf. Um genauer zu sein ein überdimensional grosser Wolf und vermutlich auch um einiges stärker und schneller als ein normaler Wolf.

Jedoch war er trotzdem noch um einiges langsamer als ein Vampir, denn als er zum Gegenangriff starten wollte, war Lilli bereits auf den Baum über ihn geklettert. Nachdem Saro sich ein, zwei Sekunden umgesehen hatte, sprang Lilli schon auf seinen Rücken und drückte ihn zu Boden.

„Ist ja schon gut Schwesterchen. Ich geb auf, du hast gewonnen.“, jaulte Saro und wurde wieder zum Mensch.

Ich musste lauthals Lachen.

„Was gibt‘s da zu lachen?“, fragte mich Saro herausfordernd und sprang auf mich drauf, sodass ich bewegungsunfähig war.

„Menno, du bist so unfair!“, meckerte ich während ich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien.

„Sag nur lieb bitte und ich lass dich los“, sagte Saro mit einem übertrieben lächeln.

„Oh bitte mein Meister lasst mich gehen ich flehe euch zutiefst an“, antwortete ich mit möglichst sarkastischem Ton.

„Na geht doch. War das so schwer?“

Ich streckte ihm zur Antwort bloss meine Zunge raus und er liess mich zum Glück wieder los.

„Ich glaub wir sollten langsam reingehen. Es ist schon spät“, sagte Lilli plötzlich.

„Ich stimme dir zu. Komm Anina bei Fuss!“,

„Du bist hier der Hund!“, konnterte ich auf Saros billige Bemerkung.

Er grummelte zur Antwort bloss vor sich hin und wir setzten uns langsam in Bewegung.

„Ach die Nacht ist doch mal wieder herrlich“, zwitscherte Lilli fröhlich.

„Ja, vor allem durch den Regen gestern, es riecht alles noch so herrlich!“, stimmte Saro ein und begann merklich in der Luft rumzuschnüffeln.

„Es ist eine Nacht wie jede andere“, sagte ich, während ich mir das Lachen verkneifen musste.

„Tu nicht so griesgrämig!“, wies mich Lilli an und schnappte sich meine linke Hand. Eine Sekunde später spürte ich auch Saro in meiner rechten Hand.

„Was habt ihr vor?“, fragte ich misstrauisch, als sie nickten und beide gleichzeitig einen langsamen Spurt hinlegten.

Wir waren zwar schnell zuhause, dafür fühlten sich meine Arme und mein restlicher Körper wie Wackelpudding an.

„Ihr wisst genau wie sehr ich das hasse!“, schrie ich die beiden an, welche zur Antwort bloss lauthals loslachten.

„Und du weisst genau wie sehr wir es lieben“, grinste Lilli zurück. „Ausserdem hatten wir den Auftrag dich vor Sonnenaufgang nach Hause zu bringen.“

Sie tätschelte mir wie einem Hund den Kopf und betrat unser Haus.

„Dad sagte er könne nicht bleiben weil er heute ein Meeting hat und Mom meinte das wir genug alt sind um etwas Verantwortung zu übernehmen“, erklärte Saro mir knapp, bevor er ebenfalls ins Haus ging.

Ich trottete hinterher und ging hoch in mein Zimmer. Wie eine Schnecke stülpte ich ungeschickt meinen Rock über meinen Kopf und warf mich anschliessend aufs Bett um endlich meinen  wohlverdienten Schlaf zu bekommen. Jedoch stellte ich es mir einfach vor als es wirklich war.

Mir schossen plötzlich tausende von Gedanken durch den Kopf. Es war so wie wenn sich alles, über das ich nicht sofort nachgedacht hatte, sich in den Vordergrund meiner Gedankengänge zwängen wollte! Schmerzhaft schnell zappte ich von der einen Frage zur nächsten, obwohl ich zu keiner der Fragen eine Antwort wusste.

Nach gefühlten Stunden begannen meine Gedanken sich langsam wieder zu beruhigen und ich wurde immer entspannter, bis ich schliesslich einschlief.

Speck, Eier und Blondie

Als ich am Morgen aufwachte, hörte ich bereits von meinem Zimmer aus wie eine hohe, fremde Stimme rummeckerte. Ich warf mir schnell ein langes T-Shirt über und ging nach unten, um zu sehen was los war.

„Hey Anina. Darf ich vorstellen“, begrüsste mich Saro. „Das ist Delia, meine neue Freundin.“

Wie ich es bereits erwartet und leider auch bestätigt war sie blond und höchstwahrscheinlich strohdumm.

„Ich gebe ihnen zwei Wochen“, flüsterte Lilli mir ins Ohr.

Saro war einfach ein Frauenheld, egal wie man es dreht und wendet. Er hatte schon so viele Freundinnen, dass man sie nicht mehr an Händen und Füssen abzählen konnte! Meistens wechselte er sie spätestens nach einem Monat.

„Was ist mit Julia passiert?“, fragte ich neugierig.

„Sie war einfach nicht mein Typ. Delia ist tausendmal klüger und auch hübscher.“

„Das ist aber süss von dir“, antwortete sie mit einer zarten Stimme und gab ihm ein Kuss auf die Wange.

Womit ich meine persönliche Bestätigung hatte, dass es sowieso wieder bloss eine Ein-Monats-Beziehung ist. Wie es mich nervte wenn er immer wieder neue Tussen abschleppte, jedesmal das selbe Theater.

„Sie wird heute mit uns Frühstücken Anina“, erklärte meine Mutter und zeigte auf den zusätzlichen Teller vor mir.

„Aha“, antwortete ich desinteressiert.

Ich setze mich an meinen gewöhnlichen Platz und beobachtete wo sich Delia hinsetzte. Sie steuerte auf den Platz mir gegenüber an. Und als ob das nicht schon genug wäre, lagen auf meinem Teller bloss gebratener Speck, ein bisschen Rührei und ein Stück Brot.

„Wenn der Speck wenigstens Roh wäre“, sagte ich absichtlich laut maulend über den Tisch hinaus.

„Was?“, fragte die Blondine entsetzt. „Igitt! Wie kann man rohen Speck mögen?“

Meine Mom sah mich böse an und mein Paps grinste.

„Entschuldigt ihr mich bitte, ich muss zur Arbeit“, entschuldigte sich mein Vater schliesslich, nahm seinen vollen Teller, stellte ihn in Küche und gab meiner Mutter einen Kuss.

„Hast du deine Flasche?“, flüsterte sie und er nickte.

„Entschuldigt die merkwürdige Frage, aber wieso habt ihr alle so merkwürdige Augenfarben?“

„Gendefekt!“, kam es wie aus der Pistole geschossen von uns allen.

Sie nickte zögerlich und wandte sich wieder ihrem Essen zu.

„Ich hasse Rührei und Brot kann ich auch nicht ausstehen“, fuhr ich fort und erntete die nächsten bösen und verwirrten Blicke. „Ich will entweder etwas Blutiges oder was Rohes!“, schrie ich fast und schob den Teller von mir weg.

„Anina!“, schrie meine Mutter.

„Bist du verrückt! Wie kann man so etwas überhaupt essen! Geschweigenden mögen!“, schrie Blondie Nummer 50.

„Tja, es können halt nicht alle so Obertussen sein wie du!“, giftete ich zurück, doch ich hatte eine weitaus stärkere Lunge, was zur Folge hatte, dass ich etwa zehn Mal lauter war als sie.

Eingeschüchtert sass sie nun da und ich konnte in ihren Augen sehen, das ich vermutlich noch etwas lauter als geplant war.

„Anina! Entschuldige dich sofort bei Ju- ich meine Delia!“, sagte Saro in einem strengen aber nicht allzu lauten Tonfall.

„Wisst ihr was? Ich stell nicht für Blondie ach weiss Gott wie viel meine ganzen Essgewohnheiten und was weiss ich was um! Ihr könnt mich alle mal!“

Ich schritt in mein Zimmer, machte jedoch noch einen kleinen Ausschwenker zur Küche, um mir etwas richtiges zu holen. Auf meinem Bett verzehrte ich schliesslich ein Blut-Gurken-Sandwich. Es schmeckte fünf millionen Mal besser als Rührei und all der andere Kram. Ich mein ich kann Brot eigentlich gut leiden, jedenfalls solange der Aufstrich was mit Blut oder Gurken zu tun hat.

Nachdem ich fertig war legte ich mich mit den Augen zur Decke gerichtet aufs Bett und überlegte, was ich nun machen könnte, bevor mir wieder langweilig wurde. Entschuldigen kam schon mal nicht in Frage. Was blieb dann noch? Ich könnte einfach wieder meine Musik anmachen und alles vergessen. Nein, dann würde meine Mutter bloss wieder hochkommen und mich anmeckern. Ich verschwinde einfach! Genau das ist mein neuer Plan. Ich zog mir was anständiges an, dunkle Jeans und ein bequemes XXL T-shirt.

Ich sprang aus dem Fenster, welches glücklicherweise nur im zweiten Stock war und ging gemächlich zur Stadt! Dann sollen die mal sehen, was die mit dieser Tusse machen wollen, ich bin jedenfalls nicht dabei. Ausser sie würden plötzlich Lust dran bekommen sie aufzuschneiden und auszuweiden, dann wär ich vielleicht auch mit von der Partie.

Da dies aber weniger der Fall sein wird lief ich geradewegs zu einem meiner Lieblingsläden. Dem Starbucks.

Lucius?

 

„Bitte einen Frappuccino mit Kokosnuss, ohne Rahm und mit Karamell“, bestellte ich mir und setzte mich an einen der wenigen Tische draussen. Ich packte noch etwas Geheimzutat in meinen Kaffee und genoss ihn.

Während ich die gestresste Menschenmenge vor mir beobachtete, schwirrten mir mal wieder lauter Gedanken durch den Kopf, welche ich aber lieber verdrängte als auf sie einzugehen. Das laute schlürfen verriet mir schliesslich, dass mein Becher fast leer war und ich wohl oder übel wieder aufstehen musste.

Vor der Tür schmiss ich den Becher mit grosser Gestik in den Abfalleimer. Plötzlich hörte ich ein merkwürdiges Geräusch. Es kam direkt aus der kleinen Gasse neben mir. Es klang wie ein stöhnen, so als ob sich jemand verletzt hätte.

Langsam näherte ich mich der Männerstimme, die mittlerweile fluchte und staunte nicht schlecht. In der hintersten Ecke kauerte ein junger Mann ohne Oberteil!

„Kann…Kann ich ihnen irgendwie behilflich sein?“, fragte ich zaghaft.

„Keinen Schritt näher!“, brummte der Mann aggressiv und ich dachte eine Sekunde darüber nach, ob ich einfach weglaufen sollte, doch da sah ich die Wunden auf seinem Rücken!

Es klaffte eine gigantische Wunde, in der Form eines grossen verkehrten V ohne Spitze auf seinem Rücken! Wer oder was hatte ihm so schreckliche Wunden zugefügt?

„Ich könnte einen Krankenwagen rufen“, schlug ich vorsichtig vor.

„Verschwinde einfach! Sofort!“, flüsterte er in schroffem Ton zurück.

Konnte ich ihn einfach seinem Schicksal überlassen? Konnte ich so herzlos sein und ihn hier in der Nebengasse verbluten lassen?  Ich gab es nicht gerne zu, aber sein Blut roch verführerisch. Ich hatte schon oft Blut gerochen, doch seines roch so zart und bittersüss. Noch nie hat jemand so verlockendes gerochen!

Am liebsten hätte ich ihm das wenige Blut, welches noch in seinem Körper war, ausgesaugt und ihm sein Herz rausgerissen, nur um noch mehr davon zu kosten! An was dachte ich da! Ich bin kein Vampir! Und sogar wenn ich einer wäre, wäre dies ein überaus brutaler und stumpfsinniger Gedanke! Wie konnte ich bloss an so etwas moralisch verwerfliches denken?

Ich musste von hier weg, doch ich konnte den Mann nicht einfach zurücklassen! Was sollte ich bloss tun?

„Verschwinde“, brüllte der Mann in einem so lauten und starken Ton, dass ich ein, zwei Schritte zurück taumelte.

Ich wollte ihm helfen! Ich musste ihm helfen! So viel Blut! Überall war Blut! Ich wollte, konnte mich nicht mehr zurück halten! In einem Tempo, welches dem eines ausgewachsenen Vampirs ebenwürdig war, raste ich auf ihn zu! Doch noch bevor ich ihn erreichte, packte er mich am Hals und drückte mich gegen die Wand.

„Versuch das ja nie wieder!“, zischte er durch seine zusammengebissenen Zähne.

Doch als unsere Augen sich trafen erkannte meine Seele die seine wieder!

„L...Lucius?“, stöhnte ich so gut es ging.

„Nein!“, brüllte er und liess mich endlich los.

Er stotterte noch weitere ungläubige Neins vor sich hin, während er immer weiter zurück torkelte. Ich fiel zu Boden und hielt mit beiden Händen meinen Hals umklammert. Lucius liess sich auf der anderen Seite ebenfalls zu Boden sinken und starrte mich an. Ich wusste nicht, woher ich seinen Namen kannte. Ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen und doch kam er mir so bekannt vor.

„Das ist unmöglich“, flüsterte er heiser. „Du kannst es nicht sein! Es kann einfach nicht sein! Du! Hier! Deine Seele! Wieso? Wieso! Wie ist das möglich! Sag es mir“, stotterte er weiter und torkelte wieder auf mich zu.

Als er direkt vor mir stand, sah ich die Verzweiflung in seinen goldfarbenen Augen.

„Ich wollte doch nur, dass wir für immer zusammen sein können“, flüsterte er plötzlich sanft und strich mir mit einer Hand über mein Gesicht, bis hin zum Haaransatz. „Meine Teraphine“

Er strich mit seinem Daumen über meine Wange. Es fühlte sich vertraut und richtig an. Langsam bewegte er seinen Mund auf den meinen und als sich unsere Lippen trafen spürte ich alle möglichen Emotionen.

Liebe, Trauer, Hass und vor allem Sehnsucht. Sehnsucht nach jemandem den ich noch nie gesehen hatte und doch besser kannte als sonst jemanden. Eine Sehnsucht, die tiefer war als der tiefst Ozean auf diesem Planeten. Eine Sehnsucht, welche so schmerzte, dass ich ihn niemals wieder loslassen wollte.

Ich wusste nicht genau wie lange wir so dastanden, aber irgendwann löste er seine Lippen wieder von meinen und ich blickte zu Boden. Mir war es peinlich, dass ich mich von einem einfachen Kuss so hatte hinreissen lassen. Er hob mein Kinn an, sodass ich ihm direkt in seine schmerzerfüllten Augen sah.

„Wie konntest du mich so lange im ungewissen lassen?“, flüsterte er und löste sich von mir.

Ohne seinen Halt, sank mein Körper wieder auf den Boden und ich sass einfach da. Ich starrte ihm hinterher. Ich sah wie er sich immer weiter von mir entfernte, war jedoch zu schwach um ihm nachzulaufen. Langsam schloss ich meine Augen und liess mich bloss noch vom warmen Gefühl auf meinen Lippen leiten. Ich wollte meine Augen erst wieder öffnen, wenn ich mir sicher war, dass ich ihn sehen würde. Direkt vor mir.

Husten

„Anina.“

Ich wusste wie lange ich schon mit geschlossenen Augen in jener Gasse sass.

„Anina.“

Es mussten bestimmt schon mehrere Stunden sein.

„Anina!“

Ich spürte wie jemand an meinen Schultern rüttelt, ignorierte es jedoch.

„Nein“, antwortete ich auf das nervige rufen. „Sei still!“

„Anina“, rief es trotz meiner Antwort weiter.

Das blöde rütteln endete ebenfalls nicht. Widerwillig öffnete ich meine Augen und die Sonne blendete mich.

Nach ein paar Sekunden erkannte ich Lillis Silhouette.

„Was willst du? Lass mich in Ruhe!“, maulte ich und drehte mich von ihr weg.

„Mom macht sich Sorgen. Kannst du es glauben das sie erst jetzt bemerkt hat, das du überhaupt weg bist?“, fragte Lilli mich ungläubig. „Naja, nicht jeder kann so ein tolles Gehör haben wie ich.“

„Du eingebildete Tusse!“, fuhr ich sie spielerisch an und schubste sie, sodass sie leicht ins taumeln geriet.

„Was ich eigentlich sagen wollte“, fuhr sie ungeniert fort. „Du musst dir dringend eine Uhr zulegen, denn…“

„Es kann ja nicht jeder so ein tolles Zeitgefühl haben wie ich“, äffte ich sie nach.

Wir mussten beide lachen und sie half mir auf. Ich wollte jedoch nicht aufstehen und wehrte mich. Ich musste doch auf Lucius warten!

„Was ist?“, fragte Lilli verwirrt.

„Ich warte“, antwortete ich.

Sie schaute mich immer noch verwirrt an.

„Ich bleibe hier bis er zurück kommt!“

Tief in meinem Inneren wusste ich, dass ich Schwachsinn daher redete, aber es fühlte sich richtig an. Ich musste warten. Er würde bestimmt zurückkommen! Er würde mich nicht schon wieder verlassen. Er würde mich nicht schon wieder belügen. Was dachte ich denn da! Ich kannte den Typen gar nicht! Ich hatte ihn heute zum ersten Mal gesehen! Wieso wollte ich überhaupt auf ihn warten? Wieso sollte ich?

„Gehen wir“, sagte ich plötzlich zu Lilli, welche mich jetzt mit einem Hast-du-jetzt-völlig-den-Verstand-verloren-Blick anstarrte.

Ich richtete mich auf und lief ein paar Schritte. Es fühlte sich falsch an, von hier weg zu gehen und ein Teil in mir wollte unbedingt, dass ich hier sitzen bliebe und auf diesen durchgeknallten Typen warte. Ich zwang jenen Teil endlich die Klappe zu halten und lief einfach los.

Jeder Schritt gab mir ein Gefühl, als ob ich jemanden bezwingen müsste. Als ob jemand in mir drin wäre und mich mit aller Kraft zurückhalten wollte!

„Was ist Schwesterchen?“, fragte Lilli besorgt. „Du bist so blass. Wandelst du dich etwas jetzt schon? Wandelst du dich etwa in einen Vampir? Komm wir müssen schnell weg hier. Du musst dringend nach Hause!“, stammelte sie.

Noch bevor ich irgendetwas erwidern konnte, packte sie mich und rannte los. Ich spürte, wie sich etwas in mir zerriss. Mein Bauch begann zu schmerzen und ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Ich bemerkte erst jetzt, das es bereits Abend war und die Sonne unterging.

Benebelt trafen wir Zuhause ein und sie legte mich vorsichtig auf die Couch.

„Mom! Dad! Saro!“, rief sie laut und die drei kamen angerannt.

„Was ist passiert?“, fragte Mom sofort.

Ich machte schon den Mund auf, als Lilli für mich antwortete.

„Ich habe sie in einer Gasse gefunden. Es war überall Blut und dann war sie plötzlich so komisch. Ich glaub sie wandelt sich in einen Vampir!“, stammelte sie viel zu schnell. „Sie ist noch nicht achtzehn. Ich dachte es könnte vielleicht...“

„Lilli beruhig dich“, sagte Saro und sah ihr tief in die Augen.

Man sah sofort, wie die Nervosität von ihr abfiel.  Plötzlich befiel mich ein merkwürdiger Husten. Ich konnte nicht mehr richtig atmen!

„OMG OMG OMG“, schrie Lilli und ich sah, das ich Blut gehustet hatte!

Ich hatte keine Ahnung, was mit mir geschah. Mir wurde ganz schummrig.

„Es ist nicht die Wandlung, es scheint, sie hat innere Blutungen. Sie muss umgehend ins Krankenhaus!“, schrie mein Vater.

Er hob mich hoch und ich hustete noch mehr Blut.

„Saro! Du und deine Mutter nehmt den Wagen, ich und Lilli gehen mit Anina vor.“

Das war zuviel für meinen Körper und ich fiel in Ohnmacht.

Krankenhaus

 

Aus der Sicht von Lilli

Als wir endlich im Krankenhaus eintrafen, brachte Dad Anina in die Notaufnahme. Ich wollte zu ihr, die Ärzte liessen mich jedoch nicht. Ich konzentrierte mich auf die Stimme jenes Arztes, der mit Anina im Notfallraum verschwunden war. Ich suchte seine Stimme. Ich musste sie einfach finden!

„Schnell! Wir verlieren sie!“, schrie er.

„Nein!“, schrie ich und rannte los.

Ich rannte schnurstracks vor den Raum und wollte hereinstürmen, jedoch hielt mich mein Vater zurück.

„Du kannst da jetzt nicht rein“, flüsterte er mitfühlend.

„Du hast es doch auch gehört!“, schrie ich ihn an und die Tränen schossen in meine Augen.

„W...wie ist da...das möglich“, hörte ich plötzlich die Krankenschwester, welche neben uns stand flüstern.

Sie musste gesehen haben, wie ich hier her gerannt bin. Mein Vater löste sich von mir und redete der Frau ein, das wir schon die ganze Zeit hier standen. Als dies nichts nützte, setzte er alle seine “Überzeugungskräfte” ein und schon war der Vorfall vergessen.

„Sie können jetzt nicht in den...“

„Wir müssen aber!“, fiel ich der Krankenschwester ins Wort.

„Lilli, beruhig dich“, sprach mein Vater leise und nahm mich in den Arm.

Ich bemerkte, wie sich Tränen ihren Weg in meine Augen bahnten und ich liess mich von meinem Vater zurück in den Warteraum führen.

Nach einer Weile trafen auch Mom und Saro im Krankenhaus ein.

„Was ist mit Anina? Was hat sie? Wird sie wieder gesund?“, fragte meine Mutter.

„Wir wissen es nicht“, sagte Dad sachlich.

„Habt ihr denn nicht gelauscht?“

„Doch schon, bis der Arzt mit einem anderen Tauschte“, schluchzte ich.

Kurz nach meinen Worten kam die nächste Heulattacke. Das war alles meine Schuld! Ich hätte viel früher bemerken müssen, das mit ihr etwas nicht stimmte! Wie konnte ich nur so doof sein? Sie wird sterben und das nur wegen mir!

Die Tränen flossen nur so über mein Gesicht. Wie konnte ich nur so doof sein? Wie konnte ich nur? Wieso hab ich es nicht gemerkt? Wieso? Ich wusste nicht genau wie lange wir nun schon hier waren. Die Minuten des Wartens fühlten sich wie Stunden an.

Falls sie stirbt bin ich schuld! Ich hätte es besser wissen müssen! Ich hätte sie direkt ins Krankenhaus bringen müssen! Sie durfte einfach nicht sterben! Nicht hier!  Nicht jetzt! Nicht so!

„Familie Miller“, rief eine Krankenschwester ins Wartezimmer und winke uns hinaus.

Sie führte uns in ein kleines Arztzimmer. Ein Arzt, auf dessen Schild Meyer stand, begrüsste uns.

„Ihre Tochter hat es überlebt. Ihr Zustand ist jedoch instabil“, sprach er den erlösenden Satz zu meinen Eltern.

„Darf ich zu ihr?“, platze ich heraus.

„Später, wir behalten sie noch zu weiteren Untersuchungen hier. Wir wissen noch nicht genau was Anina fehlt“, fuhr er fort.

„Wann darf sie wieder nach Hause?“, fragte Saro leise.

„Das können wir noch nicht genau sagen“, antwortete Doktor Meyer. „Ihr Zustand ist sehr kritisch. Sie können froh sein, das ihre Tochter überhaupt noch lebt. Sie hatte einen sehr starken Blutverlust“, redete er weiter, doch diesmal an unsere Eltern gerichtet.

„Sie ist zäh, das liegt in der Familie“, sagte Mom etwas zu schnell.

Der Doktor schenkte ihr einen misstrauischen Blick, ging aber nicht weiter auf sie ein.

„Am besten gehen sie nach Hause und schauen sich einen Film an oder spielen ein Spiel. Ich werde sie auf dem laufenden halten“, sagte er, als ob er uns möglichst schnell loswerden wollte.

Widerwillig verliess ich das Arztzimmer und stieg ins Auto. Irgendetwas an diesem Typen war mir nicht geheuer.

Die Ruhe vor dem Sturm

 

Aus der Sicht von Anina

Ich wusste nicht genau, wie lange ich schon hier lag, aber ich hatte starke Schmerzen. Mein Hals fühlte sich an, als ob ihn jemand mit Schleifpapier gepolstert hätte, zudem hatte ich Durst. Mein Kopf dröhnte, als ob zehn Elefanten hindurch trampeln würden und dieses Gefühl von Verlust war stärker geworden. Ich schaute mich um.

Ich lag in einem hellen Raum mit grossen Fenstern. Es war bereits spät in der Nacht. Ich war alleine und hatte Krankenhauskleidung an. Ich war glücklicherweise an keine Maschine oder ähnliches angeschlossen, sondern hatte lediglich einen Pulsmesser am Finger. Ich setzte mich vorsichtig auf und schwang meine Bein so, dass ich aufstehen konnte. Aber als ich jedoch Gewicht auf meine Beine verlagerte, liessen diese einfach nach.

So sass ich, mit nichts weiter als diesem hellgrünen Kittel, auf dem Boden und versuchte es erneut. Mit Hilfe vom Nachtisch und viel Selbstbeherrschung schaffte ich es schliesslich mich aufzurichten. Ungeschickt wie ich war, schmiss ich dabei die Vase auf dem Tischchen um. Mit einem lauten Klirr zerschellte sie auf dem Boden. Ich realisierte erst jetzt wo ich war.

Ich lief zum Spiegel hinüber und schaute in meine Augen. Irgendwas an meinen Gesicht war merkwürdig, doch ich konnte nicht genau sagen was. Als meine Beine erneut ihren Geist aufgaben, sah ich die Kamera in der Ecke, über der Tür.

Ohne zu zögern, stand ich erneut auf und wackelte zu ihr hin. Also ich direkt unter ihr stand, bewegten sich meine Lippen, ohne dass ich es wollte.

„Bitte lassen Sie mich hier raus“, flüsterte meine heisere Stimme, kurz bevor ich erneut umfiel und mir schwarz vor Augen wurde.

„Wie konnte sie sowas bloss überleben?“ „Sie müsste Tod sein!“ „Wer oder was ist sie?“ „Ist sie überhaupt ein Mensch?“

Ich hörte ein Stimmengewirr. Alles Frauen. Vermutlich Krankenschwestern, was meinen vorherigen Verdacht bestätigen würde. Ich spürte, wie ich auf etwas weichem lag. Langsam versuchte ich meine Augen wieder zu öffnen.

„Sie bewegt sich!“, schrie eine besonders hohe Stimme plötzlich.

„Passt auf! Sie könnte gefährlich sein!“, sagte eine Zweite.

„Mir tut alles weh“, hörte ich mich sagen, als ich mich langsam aufsetzte.

Plötzlich verstummten alle und ein Mann in einem weissen Kittel betrat den Raum.

Er winkte mit der Hand in Richtung Tür und alle Schwestern verschwanden schlagartig.

„Was ist hier los?“, fragte ich, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten. „Wo bin ich hier?“

„Das muss sie nicht interessieren“, antwortete der Doktor. „Ich bin Doktor Meyer. Wie soll ich sie nennen?“

„Teraphine“, antwortete ich, noch bevor ich richtig über die Frage nachdenken konnte.

„Teraphine“, begann der Arzt, „an was können sie sich noch erinnern?“

Ich überlegte. Meine Gedanken waren ein unverständliches Wirrwarr von Erinnerungen, welche ich unmöglich haben konnte! Ich erinnerte mich an Engelsgleiche Gestalten mit schwarzen Flügeln. An Leute die aussahen wie Menschen, aber keine waren. Ich erinnerte mich an meinen Geliebten. Ich erinnerte mich an Lucius!

„Nein!“, schrie ich aus tiefster Seele.

Ohne das ich es wollte, begann ich damit meinen Kopf immer und immer wieder an die Wand zu schlagen. Der Arzt versuchte mich zwar davon abzuhalten, aber ich war viel stärker als er. Ich schlug so fest ich konnte, bis ich spürte, wie warmes Blut meine Stirn hinunterlief.

Langsam verlor ich mein Bewusstsein. Ich hörte noch wie die Krankenschwestern wieder angerannt kamen, bevor ich auf das weiches Bett fiel und mich endlich entspannte.

Erinnerungen?

 

Ich erwachte wieder in einem Nichts. Es war einfach schwarz. Ich stand mitten in einem schwarzen Nichts! Allein.

Plötzlich begann sich eine Landschaft zu bilden. Es sah aus, wie diese Wiese aus meinem Traum. Auf der Wiese standen zwei Personen. Sie waren gerade nahe genug, sodass ich sie sehen und hören konnte. Ein Mann und ein Mädchen.

Das Mädchen hatte grosse, weisse Flügel. Der Mann hatte pechschwarze Flügel. Hingegen zu den ihren, hatten seine keine Federn. Sie sahen auch nicht wie normale Flügel aus. Sie waren irgendwie Eckig und unnatürlich. Die Frau trug ein weisses, seidenes Gewand, er bloss eine kurze, braune Hose. Der Mann war Lucius. Ich war mir sicher!

Die Frau und er redeten über etwas. Es klang so, als ob Lucius die Frau zu etwas überreden wollte.

„Ich will bei dir bleiben! Sogar der Tod ist erlösender als ein Leben ohne dich!“, sprach Lucius traurig.

„Es geht nicht. Es darf nicht sein. Wir dürfen uns nicht lieben! Wir dürfen uns nicht treffen! Wir dürfen uns nicht küssen!“, flüsterte die Frau, mit einer silbern schimmernden Träne, welche ihr leise über das Gesicht floss.

„Und doch tun wir es. Wir lieben uns, wir treffen uns und nun werden wir uns küssen.“ Lucius strich ihr die Träne aus dem Gesicht und drückte Sachte seine Lippen auf die ihren. Vorsichtig erwiderte sie seinen Kuss und liess sich in seine starken Arme sinken. Sie verharrten für einen kurzen Moment. „Meine Teraphine“, hörte ich Lucius flüstern. In diesem Moment begann mein Herz zu pochen, plötzlich stand ich am Platz der Frau, mit Lucius Lippen auf den Meinen.

Die Wiese begann sich zu bewegen, es war als ob sie jemand von mir wegziehen würde! Ich stand wieder im nichts. Erneut bildete sich etwas. Jedoch war es diesmal nicht eine Wiese oder dergleichen.

Ich stand auf einer Wolke! Auf einer schneeweissen Wolke! Die Frau stand auf einer grauen Wolke. Sie sah betrübt, fast schon deprimiert aus. Ihre Flügel waren zerzaust und ihr Kleid war unten angekokelt. Ihre Haare waren matt und glanzlos. Sie machte einen schrecklichen Eindruck!

Plötzlich verschwanden ihre Flügel und sie brach zusammen! Sie weinte und schrie! Sie schrie die ganze Zeit nach Lucius, welcher aber nicht kam. Ich sah, wie die Wolke unter ihr immer dünner und dünner wurde, bis sie sich vollständig aufgelöst hatte.

Die Frau schrie panisch nach Lucius! Sie schrie und fiel! Sie fiel vom Himmel! Niemand half ihr. Niemand reagierte auf ihre Schreie. Niemand bemerkte sie, als sie langsam immer kleiner und kleiner wurde. Ich konnte mich nicht bewegen! Ich konnte nur dabei zusehen, wie sie vom Himmel fiel. Ich konnte nur beobachten, wie auch der letzte Funken Hoffnung aus ihren Augen schwand. Ich begann ebenfalls zu fallen.

Hilfe!

 

Schreiend fand ich mich in einem Bett wieder. Mein Kopf dröhnte unerträglich! Ich fasste mir reflexartig an meine Stirn und bereute es gleich danach. Als meine Hand meine Stirn berührte, durchfuhr mich ein Schmerzensstoss, welcher mich erneut aufschreien liess.

Dieser komische Doktor kam angerannt und drückte mich an meinen Schultern wieder zurück ins Bett. Er spritze mir irgendeine Flüssigkeit in den Arm, welche meine Muskeln entspannte und mich auf das Bett fallen liess.

„W... was haben sie mir d... da gespritzt?“, fragte ich nach einigen Sekunden.    

„Etwas zur Entspannung“, antwortete er knapp. „Können sie mir nun sagen an was sie sich erinnern.“

Etwas in mir drin wollte erneut, das ich mir Schmerzen zufügte, aber ich konnte mich nicht bewegen.

„Was haben sie mir gespritzt!“, rief meine Stimme tief und bedrohlich.

Ich wollte das nicht sagen. Ich wollte mir auch keine Schmerzen zufügen! Das war nicht ich! Mein Kopf drohte zu explodieren! Ich hörte, wie jemand schrie! So laut und so bedrohlich! Sie schrie und schrie! Diese Stimme! Ich begann ebenfalls zu schreien!

Nach gefühlten Stunden des Schreiens verstummte die Stimme. Für einen kurzen Augenblick dachte ich, dass sie mich nun in Ruhe lassen würde, aber da hatte ich mich gewaltig getäuscht.

„Er gehört mir! Mir! Mir! Mir! Er liebt mich! Nicht dich!“, hörte ich eine Stimme, welche genau wie meine klang, in mir schreien.

„Ich weiss nicht von was oder wem du sprichst“, antwortete ich verwirrt.

„Und ob du das weisst! Seit neustem schleichst du dich ja auch noch in meine Erinnerungen!“, schrie sie weiter.

„Ich habe keine Ahnung was du damit meinst“, sagte ich verzweifelt.

„Wenn du meinst, du könntest mir meine Identität stehlen, nur weil ich hier gefangen bin, dann hast du dich geirrt!“

„Wieso sollte ich das und wo bist du gefangen?“, fragte ich verängstigt.

„Du wirst in mir nicht stehlen! Du wirst in mir nicht stehlen! Du wirst in mir nicht stehlen!“, schrie die Stimme immer und immer wieder.

„Ich will ihn doch gar nicht stehlen! Ich weiss gar nicht von wem du andauernd sprichst!“

„Teraphine!“, hörte ich plötzlich den Arzt schreien.

Ich bemerkte, wie die Stimme innehielt, als ich den Doktor hörte. Ich wusste nicht mehr genau, warum ich dem Doktor gesagt hatte, er solle mich Teraphine nennen. Im Nachhinein fand ich das blöd. Er kannte meinen Namen sowieso schon. Wieso hatte ich ihm einen falschen Namen gesagt?

„Teraphine!“, rief er erneut.

Die Stimme flüsterte ein heiseres: „Was!“, jedoch hörte dies der Arzt nicht.

„Teraphine!“

„Was!“, schrie ich genervt.

„Eindeutig“, sagte er und nickte.

„Was?“, schrie ich erneut.

„Gespaltene Persönlichkeit“, flüsterte er der, aus dem nichts erschienenen, Krankenschwester zu, welche bloss nickte.

„Ich habe keine gespaltene Persönlichkeit!“, erwiderte ich empört.

Was bildete sich dieser möchtegern Doktor eigentlich ein! Ich hatte doch keine gespaltene Persönlichkeit! Diese Stimme war nicht ich! Das war eben diese Stimme! Der Doktor nickte bloss der Schwester zu, welche daraufhin wieder aus dem Zimmer ging.

„Ich werde mir nun ihre Stirn ansehen“, sagte er und nahm mir den Verband ab.

„Was ist?“, fragte ich, nachdem der Doktor gefühlte fünf Minuten auf meine Stirn starrte.

„Das ist... unglaublich!“, schrie er. „Wie ist das möglich?“

Ich war immer noch bewegungsunfähig, weswegen ich bloss tatenlos zusehen konnte, wie sich nach und nach ein immer breiteres Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. Ich spürte, wie meine Furcht anstieg und ich mir immer mehr wünschte, das ich mich bewegen könnte!

„Sag mir wie das möglich ist!“, befahl er mir.

„I... ich weiss nicht wovon sie sprechen“, antwortete ich ängstlich.

„Ich will es wissen!“, schrie er fast und ich bekam Angst.

Ich zitterte innerlich am ganzen Körper, als er langsam seine Finger zu meiner Stirn führte. Doch noch bevor er sie berührte hörte ich ein lautes klirren und der Arzt drehte seinen Kopf zum Fenster. Seine Pupillen weiteten sich uns unermessliche.

Ich konnte nicht sehen, wer oder was durch das Fenster geflogen war, aber es musste etwas wirklich furchteinflössendes sein. Ich bekam noch mehr Angst, als ich sowieso schon hatte.

„Er ist hier um mich zu retten! Er ist gekommen!“, schrie die Stimme in meinem Kopf.

„Teraphine!“, hörte ich die Stimme von Lucius.

Das letzte, was ich hörte war ein Schrei. Ich spürte, wie mich jemand hochhob und an seine Brust presste, kurz bevor ich mein Bewusstsein verlor.

Blind und Allein

 

Ich spürte etwas weiches unter mir ein Kissen, ein Bett oder sowas. Mein Kopf fühlte sich schon viel besser an und auch die restlichen Schmerzen waren fast vollkommen verschwunden. Ich versuchte mich zu bewegen, konnte es aber nicht. Auch meine Augen waren wie zugeklebt!

„Hilfe! Ich kann mich nicht bewe...“, schrie ich, kurz bevor mir jemand seine Hand auf meinen Mund presste.

„Beruhig dich!“, hörte ich Lillis Stimme.

Als sie bemerkte, dass ich mich nicht mehr dagegen wehrte, liess sie meinen Mund wieder los.

„Wo bin ich? Wieso kann ich mich weder bewegen, noch meine Augen öffnen?“, fragte ich panisch.

„Ich wollte nicht, das dir etwas geschieht“, sagte sie. „Ich konnte einfach nicht zulassen, dass der Mann dir etwas antut Schwesterherz“

„Wer bist du?“, fragte ich jedes Wort betont.

„Ich bins... Lilli“, antwortete die Stimme.

„Du bist nicht Lilli!“

„Doch“, beharrte die Stimme.

„Lilli würde niemals Schwesterherz sagen“, erwiderte ich. „Du hast mir noch nicht auf meine Fragen geantwortet.“

Ich wartete einige Sekunden.

„Hallo! Bist du noch hier?“, schrie ich in den Raum hinein. „Ich kann mich immer noch nicht bewegen!“

Keine Antwort.

„Ich finde das echt nicht witzig!“

Immer noch antwortete mir niemand. Da lag ich nun. Ich wusste weder wo ich bin, noch wie spät es war. Zur Krönung begann auch noch meine Nase zu jucken.

„Meine Nase juckt! Hallo! Ich meine es ernst! Ich kann mich nicht bewegen!“

Niemand antwortete, geschweigeden kratze jemand meine juckende Nase. Ich spürte, wie ich meine Fingerspitzen immer stärker bewegen konnte. Nach gefühlten Stunden konnte ich mich wieder vollständig bewegen. Meine Augen waren jedoch immer noch wie zugeleimt!

Ich setzte mich auf und tastete um mich. Die Fläche, auf welcher ich gelegen hatte, fühlte sich rau an. Vermutlich ein Gesteinsbrocken oder sowas ähnliches.

Hatte ich schon erwähnt, das ich immer noch dieses Krankenhauszeugs anhatte? Egal.

Ich ging einige, vorsichtige Schritte, weg vom Stein. Ich spürte Erde zwischen meinen Zehen, gemischtmit kleinen Stöckchen, Blättern und... Tannennadeln! Ich hüpfte zwei grosse Schritte zurück und stiess mich am Stein. Ich verlor mein Gleichgewicht und fiel mitten in einen Nadelhaufen! Mit meinen nackten Po!

So schnell ich konnte sprang ich wieder auf und wischte mir die Nadeln weg. Mit einem Seufzer setzte ich mich wieder auf den flachen Stein.

Wer war bloss diese Stimme? Lilli war es schon mal sicher nicht! Schwesterherz? Lilli? Diese Wörterpassten zusammen wie Engel und Dämonen!

Da fiel mir wieder diese "Erinnerung" von einem Ich mit Flügeln und einem Typ den ich einmal gesehen hab und trotzdem seinen Namen kannte. Ok, Erinnerung war definitiv das falsche Wort. Vision oder was-weiss-ich-was passt viel besser. Nennen wir es mal eine Vision. Genau. Es war bloss eine Vision. Eine Vision wie ich unsterblich in einen Typen verliebt war und dieser mich dann vom Himmel fallen liess, oder so ähnlich.

Mein Kopf fühlte sich an, als ob er jeden Moment platzen könnte! Das war alles einfach zuviel für mich! Vor ein paar Tagen war meine einziger Gedanke noch in was ich mich wandeln werde und jetzt! Jetzt war ich in einem gottverlassenen Wald! Blind! In Krankenhauswäsche! Alleine! Dazu hatte ich noch irgendeine Stimme in meinem Kopf, welche behauptete ich hätte ihr ihre Identität geklaut!

Ich wollte doch bloss ein Leben! Ein normales Leben! Ein Leben, in dem meine einzige Sorge meine Wandlung war! Wieso konnte ich das nicht haben? Wieso? War das zuviel verlangt? Durfte ich nichteinfach leben? Und als ob dies nicht alles schon genug wäre, spürte ich wie langsam Tränen über meine Wangen kullerten.

Der Unbekannte

 

Aus der Sicht von Saro

Ich spürte den Wind, wie er meinen schlanken Körper umspielte. Die Luft, welche in an meinen Ohren vorbeizischte. Die Erde, welche eine angenehme Kühle unter meinen Pfoten zurückliess.

„Lust auf ein Wettrennen“, fragte ich Lilli in Gedanken.

„Wer zuerst beim grossen Felsen ist“, schrie sie zurück und zischte an mir vorbei.

„Das ist unfair!“, schrie ich zurück und rannte ihr nach.

„Erste“, sagte sie, kurz bevor ich beim Fels ankam.

Ich schüttelte mich und verwandelte mich wieder in meine menschliche Gestalt.

„Du hast nur gewonnen, weil ich noch nicht bereit war“, sagte ich ausser Atem.

„Ach ja. Wer hat schon wieder ein Rennen vorgeschlagen?“, fragte sie neckisch.

„Ist ja schon gut. Ich ergebe mich.“

„Ich bin halt einfach schneller, klüger und vor allem schöner als du.“

„Dafür bin ich älter“, erwiderte ich auf ihr eingebildetes Getue.

„Hast du das gehört?“, fragte sie mich plötzlich.

„Nein, was?“

„Es klingt wie ein Schluchzen.“

„Jetzt wo du‘s sagst... ja... es klingt so als ob jemand weinen würde“, stimmte ich ihr zu.

„Es kommt von hier hinten.“

Lilli rannte unter den Felsen und ich hechtete ihr nach.

„Anina?“, hörte ich Lilli erstaunt rufen.

„Lass mich! Du bist nicht Lilli! Ich weiss nicht wer oder was du bist, aber verschwinde! Lass mich in Ruhe! Du kannst mich nicht nochmals täuschen!“, hörte ich Aninas Stimme kreischen.

Sie sass fast nackt auf einem Stein!

„Anina?“, wiederholte ich.

„Jetzt hast du auch noch Saros Stimme gestohlen? Super machst du das. Sie klingen fast echt. Wer kommt als nächstes? Mom? Dad? Ich falle nicht auf deine schmutzigen Tricks herein!“

 

Lilli zeigt mir den Vogel. Was war bloss in Anina gefahren?

„Komm wir bringen dich nach Hause“, schlug ich vorsichtig vor.

„Fass mich ja nicht an!“

Lilli ging nicht auf Aninas Warnung ein. Sie packte Aninas Arm und zog sie mit einem Kräftigen Ruck vom Stein hinunter.

„Wir gehen jetzt!“, sagte sie bedrohlich.

Anina riss sich von ihr los und rannte fort. Sie stolperte jedoch schon nach einigen Schritten und knallte gegen einen Baum! Sie fiel bewusstlos zu Boden und aus einer Wunde an ihrem Kopf floss Blut! Unmengen von Blut! Ich wollte zu ihr rennen, konnte mich aber nicht bewegen!

„Anina! Nein!“, hörte ich Lilli schreien, jedoch blieb sie wie versteinert an Ort und Stelle.

Sie stand da und ich sah in ihren Augen, dass sie wie ich am liebsten losgerannt wäre. Ich sah die Verzweiflung, welche sich in ihren Augen spiegelte, als wir abermals zu Anina geschaut hatten. Das Blut, welches ihr über das Gesicht lief, hatte sich bereits verdoppelt!

„Wen haben wir denn da?“, hörte ich eine unbekannte Stimme fragen.

Ich konnte mich nicht umdrehen, um den Unbekannten anzusehen!

„Ihr solltet doch gar nicht hier sein“, fuhr sie fort. „Was soll ich bloss mit euch anstellen?“

„T...tu....ihnen...b....bit...te...nichts“, hörte ich Anina schwer Atmend.

Ich sah, dass ihre Wunde sich vollständig geheilt hatte! Das war unmöglich! Nicht einmal bei einem ausgewachsenen Vampir heilen tiefe Wunden so schnell! Vor allem nicht bei ihrem Blutverlust! Wie war es möglich, dass sie bereits wieder bei Bewusstsein war? Es war einfach unmöglich! Sie konnte nicht...

„I...ich tu a...alles“, stöhnte sie weiter und versuchte sich aufzurichten, was ihr aber misslang.

„Weisst du wer ich bin?“, fragte der Unbekannte schon fast hoffnungsvoll.

„J...ja“

„Verzeihst du mir?“, flehte er weiter.

Anina brach nun endgültig zusammen. Ich spürte ein unerträgliches brennen auf meinen Augen, sodass ich sie schliessen musste. Ich hörte jedoch, wie jemand an mir vorbeiging und in Richtung Anina ging. Ich wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton hervor, geschweigeden wusste ich was ich überhaupt fragen wollte.

Ich bin nicht sie

 

Aus der Sicht von Anina

Als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem weichen Bett. Ich hätte schwören können, dass diese Matratze mit Federn gefüllt war. Mit extra weichen Federn. Ich versank förmlich in dieser Matratze. Sie war einfach perfekt!

„Gefällt dir dein Bett?“

„Mein Bett?“, fragte ich erstaunt.

„Dein Bett.“

„Es ist.... fantastigomanisch!“, rief ich.

Er schmunzelte bloss.

„Ich wusste doch, das es dir gefallen würde.“

Ich machte einen kleinen Hüpfer, nur um noch weiter in der Matratze zu versinken.

„Wo hast du die her?“, fragte ich.

„Das bleibt mein Geheimniss.“

„Du bist gemein!“, rief ich und schmiss Lucius ein Kissen voll in sein Gesicht.

„Du willst dich also mit mir anlegen?“, fragte er gespielt drohend.

Ich schnappte mir ein zweites Kissen und warf es. Er fing es auf und knallte mir die Kissen ins Gesicht. Sie waren so weich, dass ich es kaum spürte. Nachdem ich mich von meinem Lachkrampf erholt hatte, stand ich auf und stellte mich vor ihn. Er war einen halben Kopf grösser. Genau so gross, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Wir sahen uns in die Augen.

„Du weisst, das ich nicht sie bin“, flüsterte ich.

„Ich weiss“, erwiderte er traurig.

„Du weisst aber auch, dass ich irgendwie mit ihr verbunden bin.“

Er nickte bloss.

„Aber ich bin nicht sie“, sagte ich noch etwas nachdrücklicher.

Ohne das ich es wollte, bewegte ich mein Gesicht näher an das seine. Meine Arme umschlangen seinen Oberkörper und meine Fingerspitzen spürten die Wunden an seinem Rücken. In jenem Moment hätte er mich an sich reissen können. Er hätte mich Küssen können. Er hätte alles mit mir anstellen können. Aber er tat es nicht. Er legte bloss seinen Kopf an meine Schulte und umarmte meine Taille. Nicht stark. Ganz sanft. So sanft, dass ich ihn kaum spürte.

„Ich bin nicht sie“, flüsterte ich erneut, den Tränen nahe.

Alexander

 

Aus der Sicht von Angelus

Ich musste ihn einfach finden! Ich hatte nur noch wenige Menschentage Zeit um ihn zu finden. Ich glaube zwei normale Tage entsprechen hier etwa Zehn. Egal! Ich musste mich beeilen. Ich meine so ein Dämon wird Spuren hinterlassen haben!

In diesen paar Stunden musste er doch schon was gejagt haben! Ein Kapartodämon kann sich doch nicht in Luft auflösen! Wieso musste Luzifer ausgerechnet mich schicken! Der hätte doch genug erfahrene Jäger gehabt!

Von wo sollte ich denn wissen, wie man einen Dämon fängt, geschweigeden wie man einen findet! Egal. Wenn ich nicht der Rest meines Leben hier verbringen wollte, sollte ich mich schleunigst auf den Weg machen und all dem ein Ende setzten. Ich werde wohl sowieso nicht drum rum kommen.

Genervt suchte ich nach einer Telefonzelle, fand aber keine. Kein Wunder. Es war ja auch Ewigkeiten her, seit dem ich das letzte Mal auf diesen vermaledeiten Planeten musste. Wenn ich Alexander nicht erreichte, musste ich ihm Wohl oder Übel einen Besuch abstatten.

Wenigstens gab es immer noch Taxis! Ich lief zu einem hin, welches in der Nähe parkte. Ich stieg hinten ein und wies den Fahrer an, zu meinem Bruder zu fahren.

Als wir endlich dort waren, stieg ich aus. Den unbezahlten Taxifahrer ignorierend lief ich in das Haus. Ohne anzuklopfen riss ich die Tür aus und ging hinein.

„Angelus? Was erweist mir die Ehre?“, hörte ich Alexander vom Oberen Stockwerk.

Ich lief hinauf und er stand mit ausgebreiteten Armen da.

„Keine Umarmung!“, sagte ich kalt und lief an ihm vorbei, in sein Arbeitszimmer. „Wenigstens hat sich das Haus nicht verändert“, murmelte ich noch vor mich hin, als ich zum Bücherregal lief.

„Was suchst du?“, fragte  Alex neugierig. „Brauchst du meine Hilfe?“

„Ein Buch über Kapartos und bedauerlicherweise ja“, nuschelte ich, als ich das Buch aus dem Regal zog.

„Ich verstehe nicht, wieso du plötzlich so viel über Kapartos wissen willst, aber ich kann dir vermutlich besser helfen als dieses alte Buch“, antwortete Alexander. „Was musst du denn genau wissen?“

„So viel wie nur möglich“, sagte ich und schmiss das Buch auf den hölzernen Arbeitstisch in der Mitte des Raumes.

„Kapartodämonen sind eher Ruhig, können aber auch sehr aufbrausend sein. Meist verführen sie junge Engel, manchmal hält ein Kaparto sogar sein Leben lang an die gleiche Person. Inklusive deren Wiedergeburten! Ausserdem brauchen sie immer wieder frisches Blut, jedoch nicht allzu viel, ein bis zwei Liter täglich reichen vollends...“

„Entschuldige, dass ich dich unterbreche, aber wieso ist es so schlimm, wenn mal einer auf die Erde flieht?“, fragte ich Alex.

„Erstens wird er vermutlich nach seiner Geliebten suchen und er wird sie mit allen Mitteln beschützen. Koste was wolle! Zweitens sind sie sehr leicht reizbar und drittens...“

„Ist schon gut, ich habe es verstanden“, unterbrach ich ihn erneut. „Sag mir lieber, wie ich einen entflohenen finden kann.“

„Wieso willst du denn das wissen?“, erwiderte Alexander. „Du hast doch nicht schon wieder Ärger mit Luzifer?“

„Kann dir egal sein! Sag jetzt wie ich ihn finden kann!“, wies ich Alex zurecht. „Du weisst genau, dass ich der Stärkere bin!“

„Reg dich ab und hör zu!“, begann Alex, „Wie gut kannst du spuren lesen?“

„Das weisst du genau!“

Alex lief die Treppe runter und in sein Labor, während ich wie der letzte Volltrottel vor der Tür auf ihn wartete. Wenigstens würde er mir weiterhelfen können.

Ich konnte es auch nach all den Jahren noch nicht glauben, dass wir wirklich verwandt waren! Bis auf sein alter, war er mein genaues Gegenteil! Aber jedem das seine, ich hatte meine Vorteile er seine.

Kein Entrinnen

 

Aus der Sicht von Anina

Ich befreite mich vorsichtig aus unserer Umarmung und suchte nach einer Tür im Raum, jedoch bemerkte ich, dass es weder eine Tür, noch ein Fenster gab. Wir waren vollkommen von der Aussenwelt abgeschnitten.

„Wo sind wir hier?“, fragte ich mit leiser, vorsichtiger Stimme.

„Bei mir“, antwortete Lucius gelassen und zog mich wieder zu sich.

„Wo genau?“, mir wurde immer unbehaglicher und ich merkte, das irgendwas an der Sache faul war.

„Das muss dich nicht interessieren, du bist bei mir und wir können auf Ewig zusammen bleiben“, er packte mich und schmiss mich auf das Bett.

„Aber ich muss nach Hause! Zu meiner Familie!“

„Du musst zu niemandem. Du hast dich mir versprochen und dieses Versprechen wirst du nicht noch einmal brechen!“, schnitt er mir das Wort ab.

„A...aber ich habe nichts versprochen“, stammelte ich verwirrt.

„Und ob du das hast! Du hast mir geschworen das wir auf ewig zusammen sein werden! Du hast mir geschworen, bis an unser Lebensende vereint zu sein! Ich habe alles für dich aufgegeben! Ich habe alles für dich getan!“

„W...wie meinst du das?“, flüsterte ich kleinlaut zurück.

„Ich habe mich für dich geopfert! Ich wurde wegen dir zu dem!“, er machte eine Geste, welchen seinen ganzen Körper umfasste, „Ich habe für dich alles aufgegeben! Ich habe dich geliebt! Ich habe dich so geliebt. Du hast mich einfach verlassen. Wieso? Wieso hast du mir das angetan? Ich konnte dir nicht helfen! Ich wollte es! Ich hätte alles getan, dass es nicht soweit kommt! Ich hätte alles aufgegeben! Glaub mir bitte. Bitte verzeih mir.“

Er hatte bereits Tränen in den Augen und seine Stimme war brüchig. Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen und getröstet, aber ich konnte nur dasitzen und ihn anstarren. Ich hatte doch gar nicht gemacht!

„I....ich“, mehr brachte ich nicht heraus.

„Es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass es soweit kommt. Ich wollte doch bloss das es dir gutgeht. Ich wollte dir nicht schmerzen. Ich wusste doch nicht... ich konnte doch nicht“, seine Stimme war bloss noch ein heiseres Krächzen und er liess sich neben mich auf das Bett fallen. „Ich wollte dir nicht wehtun. Ich wollte das alles nicht Teraphine“

Jetzt begann mein Gehirn umzuschalten, endlich begriff ich, was er meinte. Er sagte das alles gar nicht zu mir. Er glaubte immernoch ich sei diese Teraphine! Wieso? Ich hatte es ihm doch klipp und klar erklärt, das ich nicht diese Teraphine bin und sie auch nie sein werde! Ich weiss nicht warum ich der so verdammt ähnlich sehe, aber es ist mir auch scheissegal! Ich will endlich nicht mehr für das verantwortlich gemacht werden, was die angestellt hat!
„Ich bin nicht Teraphine! Und ich werde sie nie sein! Wieso will das nicht in deinen Kopf rein? Ich bin Anina! Anina Schmidt! Ich habe ein Leben, eine Familie und sogar ein Facebookprofil! Ich bin nicht Teraphine Wie-auch-immer und ich will nicht das du immer so tust, als ob ich sie wäre!", schrie ich ihn an. Es reichte! Ich hielt das einfach nicht mehr länger aus!

„Du bist sie! Du musst Teraphine sein! Ich seh' doch ihre Seele! Ich sehe sie so deutlich in deinen Augen! Ich habe dich doch so lange gesucht! Wieso erkennst du mich nicht! Wieso erinnerst du dich nicht!“

„Weil es nicht stimmt! Das kann alles nicht sein! Ich bin nicht sie! Ich bin ich!“

„Wenn das so ist, vermute ich Teraphine ist in dir gefangen“, sein trauriger Blick wurde plötzlich entschlossen und er sah mir in die Augen. „Ich werde sie befreien!“

Ich sprang auf und suchte panisch die Wänd ab, während ich hörte, wie er irgendetwas in einer Schublade rumsuchte. Ich achtete auf nichts, ausser den Wänden. Es musste irgendeinen Eingang geben! Es musste einfach! Irgendwie musste er mich ja hier reingebracht haben!

Ich hörte, wie er die Schublade wieder schloss. Er musste das was er gesucht hatte gefunden haben. Hecktisch suchte ich nach irgendeiner Spalte, ein kleiner Spalt in der Wand, irgendwas was man wegschieben, oder reindrücken könnte.

„Du wirst mir meine Teraphine nicht nehmen“, flüsterte er in mein Ohr, als ich registrierte, das er ein Messer hatte. „Ich werde sie befreien!“

Ich wich ihm aus und suchte Schutz unter dem gigantischen Bett.

„Ich werde nicht zulassen, dass du Teraphine einsperrst!“

Ich spürte eine leichte Vertiefung im Boden und noch bevor mein Gehirn es bemerkte, untersuchten meine Hände den kalten Holzboden.

„Du wirst sie mir nicht nehmen!“

In dem Moment, als ich einen Griff fand, schleuderte er das Bett mit Leichtigkeit auf die andere Seite des Zimmers. Aus Panik zog ich an dem Griff, jedoch bewegte er sich kein Stück! Ich zerrte panisch daran, aber es brachte nichts! Ich war gefangen und es gab keinen Ausweg.

Der Geruch

 

Lucius kam immer näher und näher, mit einem Messer in der linken Hand und einem komischen, halb friedlichen halb verstörenden Blick auf mich zu. Ich kroch immer weiter nach hinten, bis ich schliesslich auf die Wand stiess. Ich wusste, dass nun alles vorbei war. Ich sah, wie er das Messer hob und sich zu mir runter beugte.

Angsterfüllt blickte ich in seine Augen und bemerkte, wie sich die meinen mit Tränen füllten. Wie komisch dass jetzt auch klingen mag, aber ich hatte schreckliche Angst vor dem Tod. Ich konnte mir nichts schlimmeres Vorstellen, als plötzlich nicht mehr existent zu sein.

Es sammelte sich immer mehr Tränenwasser, bis es schliesslich so viel wurde, dass es aus meinen Augen hinaus und über mein Gesicht hinunter lief. Ich konnte nichts machen ausser dazusitzen und ihn anzustarren, wie er sich mit erhobenen Messer zu mir beugte.

Plötzlich schien alles wie in Zeitlupe zu passieren, jedenfalls die Welt um mich herum. Ich konnte mich normal bewegen, aber alles andere war etwa um das Fünffache verlangsamt. Ich sass im Schockzustand da und sah, wie das Messer sich immernoch stetig auf mich zubewegte. Reflexartig riss ich es ihm aus der Hand.

Es war komisch, da ich kaum Kraft dazu benötigte und sich seine Augen in Sekundenschnelle weiteten. Nach jenem Manöver wurde die Welt wieder schneller und er starrte mich einfach nur an.

„Was zur Hölle“, begann ich heiser zu flüstern, auf das Messer in meiner Hand starrend, als plötzlich ein dumpfes Geräusch hinter mir immer lauter wurde. Schon nach wenigen Sekunden war es etwa so laut wie die Basstrommel eines Schlagzeuges.

Als ich mich jedoch umdrehte sah ich bloss wie der Typ immer näher auf mich zukam. Ich streckte das Messer nach vorne, sodass es genau seinen Hals berührte und begann einen leichten Druck auszuüben.

„Drück fester und zieh es nach rechts“, sagte Lucius mit einem schrägen Grinsen. „Mach schon.“

Als ich es nicht tat, griff er meine Hand und zog das Messer quer über seinen Hals. Sein Blut spritzte mir entgegen und ich roch einen merkwürdigen und zugleich anziehenden Geruch, welcher immer stärker wurde. Bevor ich reagieren konnte schoss mein Körper nach vorne und mein Mund öffnete sich. Trotz des guten Geruchs war es abscheulich, was ich schmeckte. Es schmeckte verfault und bitter, ganz im Gegenteil zu dem genüsslich, süssen Geruch, den er ausströmte.

„Na Kleine, schmeck ich etwas unmenschlich“, hörte ich plötzlich seine Stimme mit einem stumpfen, sarkastischen Lachen.

„Was? Wie meinst du das?“, versuchte ich einigermassen verständlich zu sagen.

„Hattest du etwa noch nie menschliches Blut oder tust du nur einen auf Dumm?“, antwortete er mit einem fiesen Grinsen.

Erst jetzt realisierte ich, was ich wirklich getan hatte. Ich hatte ihm indirekt die Kehle aufgeschlitzt.

„Wieso zur Hölle lebst du noch?“, fragte ich ihn und windete mich in seinen Armen.

„Hölle ist ein gutes Stichwort“, begann er, „Denk doch mal genauer nach. Du weisst genau wer und was ich bin und du weisst noch besser warum ich so geworden bin!“

Ich versuchte zurückzuweichen aber er liess mich nicht. Nach ein paar Minuten schaffte ich es schliesslich mich zu befreien und ich sah zum Platz, wo vorhin noch das Bett stand. Ich sah es nun deutlich, es war eine Falltür und ich versuchte sie aufzureissen, was mir diesmal auch gelang.

Er versuchte noch mich festzuhalten, aber ich war schneller, sprang aus der Falltür und fiel hinunter, immer weiter runter und weiter runter. Mein Fall schien kein Ende zu nehmen, bis ich schliesslich auf dem harten Betonboden aufprallte.

Fortsetzung?

 Das Buch ist bereits sehr alt, ich schreibe momentan nur noch aktiv auf Wattpad, vlt wird es einmal eine Neufassung der Geschichte geben. Schaut doch einfach vorbei ^^

 

https://www.wattpad.com/user/RefinnejMix

Impressum

Texte: Jennifer S.
Bildmaterialien: http://augenweide.deviantart.com / http://starrlightstarbright.deviantart.com und bei mir
Tag der Veröffentlichung: 12.08.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An die BookRix Community und an die die die mich immer wieder zum weiterschreiben drängen...

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