Im fernen Khitara rieb sich der Protektor Ximons die Hände. Der Bericht, welchen er aus Caer in Händen hielt, ließ ihn sogar vergessen, dass dieser verdammte Hüter Amas dem Anschlag entkommen war und immer noch lebte.
Doch seit die Verhandlungen mit diesem naiven jungen König von Caer über einen Friedensvertrag liefen, hatte die Handelsflotte seines Verbündeten Gheitan, anstatt Waren zu befördern, Regiment um Regiment Soldaten in die ehemals reichsfreien Hafenstädte, welche bereits unter Kontrolle der Gheitaner standen, gebracht. Es waren nun bereits an die vierzigtausend Mann Elitetruppen verschifft worden, wobei das Schwierigste gewesen war, den Männern vor der Überfahrt beizubringen, sich wie Söldner zu benehmen.
Im Moment machte ihm nur eines Sorgen, nämlich dass die Festung Ytamor der Ximonpiraten, kurz vor dem Fall stand und zu befürchten war, dass der momentan so störungsfreie Transfer der Truppen auf den Nordkontinent dann möglicherweise vorbei war. Momentan tauchten kaum Schiffe aus Krala im Nordosten des Binnenmeeres auf, dort wo die Transportroute verlief; und wenn, hatten sie bisher auch noch keine Schiffe unter gheitanscher Flagge angegriffen.
Also ordnete er an, dass die gheitansche Armee mit starken Kräften Richtung Ytamor vorrücken sollte, um die Belagerer zu vertreiben. Als diplomatischer Vorwand würde dabei dienen, dass sich die Ximonpiraten formal Gheitan unterwerfen würden, womit alle Festungen der Piraten automatisch zu Festungen des Sultanats würden. Dieser Umstand konnte dann auch genutzt werden, um lauthals beim König von Caer zu protestieren, dass Truppen aus Kaarborg Angriffe auf gheitanschen Besitz durchführten, was umgehend zu unterlassen sei, um den Friedensvertrag nicht zu gefährden. Falls es dann noch gelang, diesen jungen Idioten dazu zu bringen die Kaarborger anzugreifen, und damit den Hüter zu provozieren, dann würde ihm Caer wie eine reife Frucht in den Schoss fallen.
Was in den Berichten, welche er regelmäßig erhielt, allerdings fehlte, waren Nachrichten von diesem Hüter. Dieser schien irgendwie zunächst in den Steppen Chorosans und dann im Orkgebiet verschwunden zu sein. Nun vielleicht war dieser machtgierige Uruk doch zu etwas zu gebrauchen und würde diese lästige Figur endlich aus dem Spiel nehmen. Ansonsten interessierten ihn diese Orks längst nicht mehr, nachdem die Invasion nun direkt aus Caer heraus erfolgen konnte
„Guten Morgen Kamar! Macht die Eingliederung der Kämpfer aus dem Osten Fortschritte?“, begrüßte Ragnor seinen Freund mit einer brüderlichen Umarmung.
Der große, schwer gerüstete Ork grinste und zeigte dabei sein für einen Menschen furchteinflößendes Gebiss: „Ja, sie zerreißen sich förmlich. Noch nie habe ich Orks so diszipliniert und verbissen üben sehen. Offenbar hat sie unsere Vorstellung in der Dämonenschlacht mächtig beeindruckt. Es gibt überhaupt kein Gemotze. Offenbar ist die einzige Furcht, welche sie empfinden, nicht zu den Auserwählten zu gehören, die wider die Dämonen in Caer ziehen dürfen!“
Der junge Hüter schüttelte lächelnd den Kopf, ob dieser Aussage.
Die Tatsache, dass ihr Expeditionsheer aus den fünfzigtausend besten Kämpfern bestehen sollte, hatte offenbar diesen Wettbewerb unter den Kriegern so richtig angestachelt. Für die Beschränkung auf fünf Divisionen gab es mehrere Gründe, unter anderem natürlich auch, dass man die Stammlande der Orks nicht schutzlos zurücklassen konnte.
Natürlich spielte auch der begrenzte Schiffsraum für den Transport seiner Truppen nach Caer eine Rolle. Es war aufgrund der Informationen aus dem Kopf Uruks dringend, zunächst die am nördlichsten gelegene Hafenstadt Nura von den Khitarern und ihren dämonischen Verbündeten zu befreien. Dort hatten die Khitarer in den letzten Monaten an die fünfzigtausend Soldaten ihrer regulären Armee, darunter einige Ximonpriester, getarnt als gheitansche Söldner, stationiert. Es fiel ihm schwer zu glauben, dass Magnus da Momland, dieser missratene Sprössling seines Freundes Raskal, nichts davon wusste. Falls er tatsächlich ahnungslos sein sollte, war er schlicht unfähig.
Während Ragnor hoch im Norden festsaß und voller Ungeduld auf die Transportflotte wartete, um seine Truppen nach Caer transportieren zu können, brachten die Handelsschiffe der Gheitaner eine Schiffsladung Söldner nach der anderen in die freie Reichstadt Hiborg in der Grafschaft Seeland. Und dieses Mal geschah das sogar mit der ausdrücklichen Billigung des Königs, welcher beabsichtigte diese Truppen gegen die widerborstigen Kaarborger einzusetzen.
Nachdem, was ihm seine Flaggkapitänin Antonia berichtet hatte, spitzte sich derweil der Konflikt zwischen Trutz da Falkenberg und dem König immer weiter zu. Also hatte Ragnor beschlossen, durch einen Angriff aus dem Norden des Königs Aufmerksamkeit auf die Orks und den Nordosten des Landes zu lenken. Ralph, dieser eitle Idiot, hatte sich die Invasoren aus Khitara selber ins Land geholt.
Der junge Hüter konnte nur hoffen, dass die Gegenmaßnahmen, welche er eingeleitet hatte, den Nachschub an Truppen nach Hiborg in Bälde wirkungsvoll unterbinden würden. Doch falls nicht, war Trutz da Falkenberg Manns genug, dem Feind standzuhalten.
Nachdem Kamar gegangen war, trat Ragnor vor seine geräumige Hütte. Er ließ seinen Blick über die Drachenbucht schweifen, in der ein einsames Langschiff, welches den Seeraum vor der Bucht überwachte, an der Pier des kleinen Fischereihafens lag.
Die Lordprotektor und einige Drachenschiffe waren vor etwas mehr als vier Wochen ausgelaufen, um Ragnors Befehle nach Ytamor, Krala und Santander zu bringen. Darunter war auch die Kriegserklärung an das Sultanat Gheitan gewesen. Außerdem hatte er den Befehl gegeben die Häfen in Caer zu blockieren, um den weiteren Nachschub von Söldnern aus Gheitan über das Binnenmeer zu unterbinden, sobald Ytamor gefallen war. Nun konnte er nur hoffen, dass seine Pläne Früchte tragen würden. Noch gab es sehr viele Unbekannte in dieser Gleichung. Erst die nächsten Monde würden zeigen, ob er sich möglicherweise verrechnet hatte.
Mit einem ernsten Lächeln auf den Lippen kehrte er in seine Hütte zurück, die einst dem Häuptling des Drachenklans gehört hatte, welcher mit seinen Spießgesellen in einigen alten Fischerbooten übers Meer nach Gheitan geflohen war. Uruk, das Haupt der Ximonschamanen, hatte nicht so viel Glück gehabt und war auf dem Dorfplatz nach einem kurzen Gerichtsverfahren zusammen mit zwei weiteren Schamanen des finsteren Gottes enthauptet worden.
Vor der letzten Bastion der Ximonpiraten, der Festung Ytamor, brüteten Konsul Octavian und Oberst Briscot über ihrem Angriffsplan.
Nach einem nachdenklichen Schluck aus seinem Weinpokal, meinte der Oberst: „Zwei Wochen brauche ich noch, bevor wir die Kavernen unter der Burg erreicht haben. Schneller geht es leider nicht.“
„Ich denke das ist kein wirkliches Problem. Unser Admiral braucht auch noch einige Wochen, bevor er die Transportschiffe und unsere gesamten Kriegsschiffe hier versammeln kann, denn das Gros der Transportflotte kommt aus Santander. Es besteht also kein Grund zu überhasteter Eile“, entgegnete der Konsul der Amalegion mit einem fast belustig wirkenden Lächeln.
Konsul Octavian schätzte den äußerst kompetenten Obristen des Vidakarer Belagerungsregimentes sehr, insbesondere wegen seiner Besonnenheit. Lediglich wenn es darum ging dem Hüter zu Diensten zu sein, meinte man manchmal einen unreifen, übereifrigen Jüngling vor sich zu haben. Also schenkte er ihm noch einmal nach. Endlich entspannte sich Oberst Briscot ein wenig, der am liebsten gleich zu Fuß über das Binnenmeer geeilt wäre, um die Ximonisten zu vernichten.
Doch wenn der Konsul ehrlich war, dann ging es ihm ähnlich. Nach der langen Zeit der Isolation kamen die Dinge nun ins Rollen. Um nichts in der Welt hätte er das versäumen wollen. Also dankte er in Gedanken Ama so wie er es schon oftmals getan hatte, dass er Ragnor da Vidakar nach Krala geführt hatte.
In Santander, dem großen Handelshafen der Grafschaft Kaarborg, standen Trutz da Falkenberg, Lamar da Niewborg und Falk da Harkon am Kai und bestaunten die gewaltige Flotte, welche sich gerade dort versammelte um in Kürze gen Norden aufzubrechen.
„Ich habe gar nicht gewusst, dass Ragnor bereits über mehr als einhundert Frachtschiffe verfügt“, staunte Lamar, während sein Blick über den Mastenwald glitt, der sich weit über den ummauerten Hafen hinaus erstreckte.
„Nun seine Werftkapazitäten sind inzwischen gewaltig, seit er auch in Duralum in Lorca eine riesige Werft hat bauen lassen. Und wenn er auf Krala genügend Kriegsschiffe für die Flotte aufgelegt hat, werden noch mehr schnelle Frachtsegler dazu kommen“, stimmte ihm Trutz da Falkenberg lächelnd zu.
„Wir haben Glück, dass Admiral Menno inzwischen auch einige der nagelneuen Schnellsegler sein Eigen nennt. Sonst müssten wir nach Hiborg zu diesem verdammten Reichstag laufen“, entgegnete Lamar.
„Auf jeden Fall müssen wir dort nicht zu Kreuze kriechen, nachdem uns Ragnor mitgeteilt hat, dass er in Momland einmarschieren wird. Ich freue mich schon darauf, den lieben Ralph ein wenig zu provozieren!“, brummte Falk da Harkon, sehr zufrieden, dass endlich das Versteckspiel ein Ende haben würde. Man wusste nun durch Ragnors Bericht, dass der Feind in den ehemals freien Reichstädten lauerte, welche der König so leichtfertig an die Gheitaner verpfändet hatte.
Deshalb würde die Delegation der Westallianz auch nicht in den Hiborger Hafen einlaufen, sondern außerhalb der Hafenstadt, in einer geschützten Bucht, welche Admiral Mennos Kapitänen bestens bekannt war, die Fürsten und ihre Eskorte von einhundert Amarittern ausschiffen.
Im hohen Norden bekam Ragnor derweil einen gänzlich unerwarteten Besuch von einer Goblinfrau. Ihr Name war Pola und sie hatte sich mit drei anderen weiblichen Goblins auf die lange beschwerliche Reise von ihrem Dorf, hoch über dem Goblinpass bis ins Lager des Drachenklans gemacht, um den Hüter Amas zu treffen.
Nach dem von Ragnor herbeigeführten spektakulären Tod ihres von Ximon besessenen Oberhäuptlings war zunächst das blanke Chaos bei den Goblins ausgebrochen. Ihr Volk war in eine tiefe Depression gefallen, denn nun waren von den Orks keine Fleischlieferungen mehr zu erwarten. Damit stand das kleine Volk vor seiner endgültigen Vernichtung, denn ihre eigenen spärlichen Nahrungsvorräte waren nahezu aufgebraucht.
Ragnor betrachtete das verhärmte von den harten Entbehrungen gezeichnete Gesicht der Goblinfrau, während diese in demütiger Haltung von der schlechten Ernte dieses Sommers berichtete, als die Gerste, welche die Goblins ansonsten in einigen geschützten Bergtälern anbauten, im heißen Wind eines viel zu trockenen Sommers verdorrt war. Aufgrund der sich abzeichnenden Hungersnot im Winter, war es dem verblichenen Häuptling dann nicht schwergefallen, die verarmten Sippen der Goblins unter seinem Banner zu einer kleinen Armee zu vereinen. Der listige Ximonschamane hatte als Gegenleistung eine große Herde Nordlandhirsche versprochen, falls dass das kleine Volk für ihn kämpfte.
„Bis vor drei Jahren ist es recht einfach für uns gewesen, Fleisch von den Orks des Ostens zu bekommen, im Tausch gegen das Erz des Berges. Doch dann haben sie begonnen, Eisenwaffen aus Gheitan zu beziehen, und wollten für das schwarze Erz, welches wir im Gebirge für sie seit Jahrzehnten gefördert haben, nichts mehr bezahlen“, berichtete Pola mit leiser Stimme.
„Meint ihr mit schwarzem Erz das Tamiumerz, mit dem die Orks in der Vergangenheit ihre Bronzeschwerter legiert haben?“, fragte Ragnor nach, um sich zu vergewissern, dass er richtig gehört hatte.
„Ja, so nennen es die Orks!“, bestätigte die Goblinfrau.
„Nun, dann denke ich, dass wir den alten Vertrag umgehend wieder in Kraft setzen werden. Die Orks und auch mein eigenes Handelskontor werden euch in Zukunft alles an schwarzem Erz, das ihr nur fördern könnt, abkaufen!“
Erfreut ob dieser guten Nachricht, sprang die kleine Goblinfrau auf und rief voller Begeisterung: „Welch ein Glück, welch ein Glück! Wir können euch sofort einige hundert Tonnen davon liefern, denn eine Riesenmenge hat sich inzwischen in unseren Lagerschuppen angesammelt!“
Doch dieser Freudensprung, welchen sie bei Ragnors unerwartetem Angebot gemacht hatte, war dann doch ein wenig zuviel für ihren ausgemergelten Körper. Sie geriet ins Straucheln, sodass Ragnor ihr beispringen musste. Besorgt ob ihres vom Hunger geschwächten Körpers reichte er der Kleinen einen Becher mit frischem Quellwasser und rief dabei laut nach seiner Leibwache.
Während er sich um Pola kümmerte, ordnete er an, umgehend eine kräftige Mahlzeit für die vier Frauen des kleinen Volkes im Versammlungszelt herrichten zu lassen. Er ließ auch Kamar und Nateema, welche als einzige der Klanführer gegenwärtig im Lager weilten, bitten daran teilzunehmen.
Eine knappe Stunde später saßen sie dann mit den vier Goblinfrauen beim Essen und staunten, welche Mengen an Brot und Gelbkorngrütze diese verputzen konnten. Dabei fiel Ragnor auf, dass sie dem prächtigen Hirschbraten, welchen die Orks am Spieß geröstet hatten, nur wenig Beachtung schenkten.
„Was für ein wunderbares Brot“, schwärmte Pola.
„Ja“, stimmten ihr ihre Begleiterinnen offenbar ebenso begeistert zu. „Dagegen ist unser Gerstenbrot trocken und langweilig!“
Übergangslos wurde ihre Anführerin wieder ernst und wies die anderen in strengem Ton zurecht: „Das will ich nie wieder hören. Wir alle wären vor wenigen Tagen noch froh gewesen, unseren Kindern Gerstenbrot anbieten zu können. Vergesst nie, dass unser Volk hungert!“
Auch Kamars Freundin Nateema hatte die Goblinfrauen während des Essens aufmerksam beobachtet, und flüsterte ihrem Liebsten zu: „Kamar! Wäre es nicht schön, wenn Orks und Goblins endlich Frieden schließen könnten!“
„Ja, das sehe ich genau so“, antwortete Kamar mit einem ernsten Lächeln: „Dann könnten wir dem kleinen Volk helfen, einen Weg in eine bessere Zukunft zu finden. Damit könnten wir ein wenig von der Schuld unserer Vorfahren abtragen, die sie ohne Gnade aus der Steppe vertrieben haben!“
In Ragnor, der den kurzen Dialog seiner beiden Freunde mitbekommen hatte, reifte in diesem Moment ein Plan. Also wandte er sich an die Anführerin der Goblinfrauen: „Liebe Pola. Unser Gelbkornbrot scheint dir und deinen Kameradinnen besonders gut zu schmecken. Ihr scheint es ja sogar dem Fleisch vorzuziehen. Es wäre für uns sehr viel einfacher einige Wagenladungen Gelbkorn ins Gebirge zu schaffen, als eine Herde Nordlandhirsche bei diesem Wetter hunderte von Meilen über Land zu treiben.“
„Habt ihr denn Vorräte, welche ihr entbehren könnt?“
„Nun ja, vorgestern ist der erste Konvoi aus Krala eingetroffen, darunter zwei Frachtschiffe, die Gelbkorn geladen hatten, welches wir für die Vorbereitung des Feldzuges gegen die Ximonisten verwenden wollten!“
„Aber der Feldzug gegen die Ximonisten ist wichtig. Sie müssen ein für alle Mal vertrieben werden!“, antwortete Pola ernst, obwohl ihre Augen verrieten, wie dringend ihr Volk das Gelbkorn benötigte.
Ragnor schüttelte lächelnd den Kopf: „Es ehrt dich, dass du dich ebenfalls unserer Sache verschrieben hast. Aber wir können binnen drei Tagen sechzig Wagen mit insgesamt neunzig Tonnen Gelbkorn auf den Weg bringen, ohne unseren Feldzug zu gefährden. Das müsste bei einer Population von etwa fünftausend Goblins für etwa vier Monde ausreichen!“
„Wenn wir in sechs Tagen aufbrechen, könnten wir das Gelbkorn auf unserem Rückweg in den Westen mitnehmen“, warf Nateema ein.
„Ja, und dann könnt ihr gleich Tamiumerz aus den Goblinbergen mit in die Metallschmelzen des Wolfsklans mitnehmen. Wir brauchen noch mehr von den schwarzen Rüstungen, wenn wir in Caer siegreich sein wollen!“, stimmte ihr Kamar zu.
Und so kam es, dass sechs Tage später an die zwanzigtausend Westorks und mehr als einhundert Wagen unter der Führung der Khane Ukar, Proll und Nateema aufbrachen, um in ihre Stammesgebiete zurückzukehren.
Kurz vor der Abfahrt war Pola, die mit ihren Freundinnen mit dem Treck reisen würde, noch einmal in Ragnors Hütte vorbei gekommen, um sich zu verabschieden. Ihre Worte hatten den jungen Hüter tief im Herzen berührt: „Wir danken Ama dafür, dass sein Hüter hierher in die Orksteppe gekommen ist. Er hat den Orks den Frieden gebracht und meinem Volk das Überleben gesichert. Ich bin dankbar, dass unser Volk nicht von Almosen wird leben müssen, sondern dass wir das wunderbare Korn im Austausch für das Brechen des schwarzen Erzes bekommen werden.“
Als Ragnor daraufhin nachgefragt hatte, ob die Goblins sich vorstellen könnten, wieder auf den Ebenen zusammen mit den Orks zu leben, hatte Pola dankend abgelehnt: „Wir leben nun seit fast eintausend Jahren dort oben und wir lieben unsere karge Heimat, auch wenn das für Außenstehende sicherlich nur schwer nachzuvollziehen ist. Es ist ein hartes Leben, aber das kleine Volk liebt es inzwischen im Berg zu graben. Wenn ihr uns im Gegenzug dafür Nahrung und Werkzeuge gebt, dann wird es wieder wachsen und gedeihen!“
Also stand Ragnor mit den Khanen Egoman, Pekartok und Kamar am Tor des Drachendorfes und beobachtete den langen Zug, wie er langsam die Senke durchquerte, in welcher die Allmachtsträume der Ximonisten an den schwarzen Panzern von Ragnors Armee zerschellt waren.
Khan Pekartok, der das Kommando über den linken Flügel von Ragnors Armee von Khan Proll übernommen hatte, bemerkte mit leiser Stimme und eigentlich mehr zu sich selbst: „Nun hat sich die alte Prophezeiung tatsächlich vollständig erfüllt. Es steht geschrieben, dass mit der Rückkehr des Hüters auch eine alte Schuld getilgt werden wird. Heute habe ich begriffen, dass damit die Vertreibung der Goblins aus der Steppe und ihre Verfolgung durch unser Volk gemeint war.“
„Und wenn ich mich noch recht an die letzten Worte des alten Textes erinnere, stand dort geschrieben: „Nach der Niederwerfung von Ximons Horden werden die Völker Makars vereint und mit dem Segen Amas wachsen und gedeihen“, fügte Ragnors Freund Kamar lächelnd hinzu.
Einige hundert Meilen südwestlich am anderen Ufer des Binnenmeeres bereiteten unterdessen Ragnors Streitkräfte die Erstürmung der Feste Ytamor vor.
Die Mineure der Mercaner waren mit zwei Stollen auf die unterirdischen Höhlen unter der starken Burg gestoßen. Ein Erkundungstrupp von Legionären hatte dann in dem Höhlenlabyrinth einen Zugang zu den Verliesen der Burg gefunden. Ein besonders glücklicher Umstand war dabei gewesen, dass dieser Bereich offenbar seit Jahren nicht mehr benutzt und daher auch nicht bewacht wurde.
Daraufhin hatte sich Konsul Octavian persönlich davon überzeugt, dass zwei vollständige Untergeschosse ungenutzt waren und dass es ein halbes Dutzend Zugänge zum genutzten Teil der Festung gab. Die Gänge, welche nach oben führten, waren nicht einmal verschlossen, sondern nur mit einigen leicht zu entschärfenden Fallen gesichert worden.
„Falls wir ein wenig Glück haben, wird uns diese mächtige Festung nahezu unbeschädigt in die Hand fallen“, berichtete er Oberst Briscot, dem Wali Toros und dem Admiral der Seeflotte, Paolo di Nolfo.
Der Wali überlegte einen Moment und bemerkte dann mit nachdenklichem Gesichtsausdruck: „Falls wir Ytamor tatsächlich in Besitz nehmen wollen, dann sollten wir aber mindestens zwei Regimenter dort stationieren, wenn wir sie mit Aussicht auf Erfolg langfristig halten wollen. So viele Soldaten kann ich aber leider nicht mehr zur Verfügung stellen, denn eine Besetzung Ytamors war ja ursprünglich nicht vorgesehen.“
„Da hast du vollkommen recht mein lieber Toros. Ich würde sogar sagen, dass wir Ytamor nur halten können, wenn wir außer zweitausend Mann Besatzung auch noch ein schlagkräftiges kleines Geschwader unserer Flotte hier stationieren. Überdies werden wir schleunigst dafür sorgen, dass kein Zugang zur Festung über die Höhlen mehr möglich ist, sobald wir diese erobert haben!“, unterstützte der Admiral die Position des Wali.
Konsul Octavian war bereits ebenfalls zu ähnlichen Schlüssen gekommen. Er schlug deshalb vor, dass Ytamor direkt dem Protektorat von Krala unterstellt werden sollte, besetzt von zwei Kohorten Legionären, einer Kompanie Mercaner, unterstützt von einem kleinen Geschwader aus sechs Feuerschonern.
„Das hat auch klar den Vorteil, dass die Frontstellung zum Sultanat Gheitan vom Protektorat Krala und nicht vom Kalifat Zephir eingenommen werden wird!“, unterstützte auch Oberst Briscot den Vorschlag des Konsuls.
„Lordprotektor Ragnor hat in seiner letzten Depesche ja angekündigt, dass Krala dem Sultanat Gheitan nun auch formal den Krieg erklären wird. Dies wird geschehen bevor seine Orkarmee in See sticht, damit wir vorher die Gheitaner ganz legal vom Binnenmeer fegen können. Damit kann sich der Kalif noch eine Zeit lang bedeckt halten, falls er dies wünscht!“
„Ein wirklich guter Vorschlag“, stimmte Wali Toros, welcher bei diesem Feldzug der offizielle Vertreter des Kalifen war. „Ich werde dem Kalifen eine entsprechende Depesche mit einem der nächsten Kurierschiffe zukommen lassen!“
„Nachdem das entschieden worden ist, werde ich mich zu meinen Legionären in den Höhlen begeben!“, ließ der Konsul äußerst zufrieden vernehmen. An Oberst Briscot gewandt fuhr er fort: „Nun denn! Macht im ersten Morgengrauen bei eurem Scheinangriff so richtig Radau, damit sich die gesamte Burgbesatzung auf der Landmauer versammelt. Aber lass dir Zeit beim ‚Erstürmen‘ des Burgbergs; ich möchte nicht zu viele unserer Männer bei diesem Angriff verlieren!“
Der Oberst antwortete ihm mit ernster Miene: „Mach dir keine Sorgen mein lieber Octavian. Auch ich möchte unsere Verluste so gering wie möglich halten, aber wir müssen zumindest die erste Hälfte des Aufstieges bewältigen, damit du genügend Zeit hast bis in den Burghof vorzudringen, bevor wir die Mauern mit den Feuerkugeln räumen!“
Die Männer prosteten sich mit edlem zephirischen Weines aus den Beständen des Wali zu, der ein Genießer vor dem Herrn war. Sein Wein genügte selbst höchsten Ansprüchen. Sie tranken auf den Sieg, den sie zu erringen trachteten. Dennoch war Oberst Briscot in Gedanken bereits beim nächsten Schritt: der Invasion Ragnors im Nordosten von Caer. Sein Regiment würde nach der erfolgreichen Erstürmung von Ytamor unverzüglich dorthin verlegt werden, um den Hüter hinsichtlich des Einsatzes von Belagerungsgerät und Kriegsmaschinen zu unterstützen, welche die Flotte aus Krala dorthin bringen würde. Die Orks waren zwar furchterregende Kämpfer in der Schlacht. Die Eroberung von Festungen und die Bedienung komplizierter Maschinen gehörte aber nicht zu ihren Stärken.
In den Höhlen unter der Festung herrschte ein gespenstisches Licht, als der Konsul bei seinen Sturmtruppen eintraf. Die modernen Blendlaternen seiner Soldaten beleuchteten nur, was unbedingt notwendig war, um sich zu orientieren.
Dadurch wirkte die weitläufige Höhle, welche unterhalb der fünften Kellerebene der Festung lag, eher wie ein spärlich beleuchtetes Labyrinth und nicht wie der Sammelplatz von sechshundert Elitekämpfern, die sich darauf vorbereiteten die starke Festung zu stürmen.
Zenturio Crassus, der Anführer der Späherzenturie, nahm Haltung an, als der Konsul die fünfte Kellerebene betrat.
„Stehen sie bequem Zenturio“, begrüßte der Konsul den hageren, grauhaarigen Soldaten, dem man nachsagte, dass er im Anschleichen an den Feind noch immer mit seinen Leuten mithalten könne.
„Ist alles bereit zum Einrücken der Sturmtruppen?“
„Jawohl Konsul! Wir haben auch bereits das dritte Untergeschoss vollkommen ausgespäht. Dort gibt es keine Wachen, sondern es tauchen nur hin und wieder ein paar Lakaien auf, die irgendwelchen Krempel hier unter abladen. Die Zugänge zum zweiten Untergeschoss sind ohne Fußangeln und Fallen, sodass wir davon ausgehen können, dass uns auf dem Weg nach oben keine unliebsamen Überraschungen erwarten, bevor wir schließlich in den Burghof stürmen werden!“
„Das hört sich wirklich gut an, mein lieber Zenturio. Also schickt einen Läufer, und lasse die Soldaten langsam in das dritte Untergeschoss vorrücken. In gut drei Stunden geht die Sonne auf, dann müssen wir bereit sein!“
Oberst Briscot, trat voll gerüstet vor sein Zelt, als die alte Sonne von Makar endlich aus dem Meer hinter der Festung emporstieg. Die mächtige Burg verdeckte momentan den roten Ball, sodass man hätte meinen können, die mächtige Festung stünde bereits in Flammen.
Seine Sturmtruppen waren bereits angetreten, sein eigenes Regiment an der Spitze und dahinter zwei Kohorten Legionäre. Sein Regiment würde als erstes den Burgberg in Angriff nehmen, da seine Berufssoldaten mit ihren großen rechteckigen Schilden in perfekter Schildkrötenformation hochrücken konnten. Der Oberst hoffte dadurch, die Verluste an Menschenleben klein halten zu können, da seine Soldaten weit besser geschützt waren als die Legionäre mit ihren runden Schilden.
Dann war es schließlich soweit. Die Fanfaren ertönten und verkündeten dem Feind und natürlich auch dem Konsul und seinen Sturmtruppen, dass der Angriff begann. Die Trommler, welche das Belagerungsregiment von Ragnors Milizregimentern übernommen hatten, begannen mit ihrem Bumm Bumm. Langsam rückte die gepanzerte Schildkröte nun den Burgberg hoch.
Zufrieden nahm der grimmige Oberst zur Kenntnis, dass auf der Burg Alarm gegeben wurde, und schon füllte sich die lange Landmauer, hoch über dem Aufstieg, mit Bewaffneten.
Während die Schildkrötenformation langsam vorrückte und die erste Salve Armbrustbolzen auf die Schilde niederprasselte, arbeiteten sich die Sturmtruppen aus den Kellergeschossen nach oben und schalteten die wenigen Burgbewohner, welche sich zu diesem Zeitpunkt dort aufhielten,
lautlos aus. Die Soldaten trugen keinerlei Schuss- oder Stangenwaffen, sondern waren lediglich mit langen gekrümmten Schwertern und Wurfmessern, welche in den Schlaufen ihrer beweglichen, runden Schilde steckten, bewaffnet.
Inzwischen hatten die Angreifer etwa die Hälfte des Burgberges auf der Landseite überwunden und standen nun unter starkem Beschuss von Bolzen und Speeren. Inzwischen konnten die Verteidiger nämlich ihre Fernwaffen entlang der gesamten Landmauer einsetzen. Die schweren Bliden der Angreifer feuerten während des Vormarsches nicht einfach auf die Mauer, sondern konzentrierten ihren Beschuss auf die Türme und verhinderten damit recht erfolgreich, dass der Feind seine eigenen Onager wirkungsvoll einsetzen konnte. Einige gute Treffer von fünfzig Kilogramm schweren Onagergeschossen hätten die Schildkröte leicht aufbrechen können.
Wiederum reckte der Oberst entschlossen seine Faust in die Höhe und erneut erklangen die Fanfaren.
Konsul Octavian hatte mit seinen Leuten an einem der Zugänge zum Erdgeschoss auf dieses Signal gewartet. Nun ertönten die lauten Trillerpfeifen seiner eigenen Zenturios, und der Konsul stürmte an der Spitze seiner Männer die letzten Stufen hinauf ins Erdgeschoss.
Einen Moment lang blendete sie das Tageslicht, welches durch die Spitzbogenfenster der Hofseite fiel, als sie aus dem Dunkel des Kellergeschosses stürmten. Einige wenige Bedienstete, welche hier offenbar das Lazarett für die Verwundeten eingerichtet hatten, wurden mit schnellen Hieben niedergemacht.
In diesem Moment änderte sich die Farbe des Lichtes, welches durch die Fensteröffnungen fiel, von weiß auf rot. Es signalisierte den Angreifern, dass die Mauern soeben mit Feuerkugeln, gefüllt mit Vidakarer Feuer, beschossen worden waren.
Als die Legionäre im Laufschritt den Burghof erreichten, herrschte dort bereits ein unbeschreibliches Chaos. Die Verteidiger, seien es Ximonpiraten oder reguläre Soldaten aus Gheitan, versuchten verzweifelt dem Flammenmeer, welches die Zinnen der Landmauer nun einhüllte, zu entkommen. Während ein Großteil der Männer dabei brennend abstürzte, wurden diejenigen, welchen es gelang, nach unten zu fliehen, gnadenlos von den Legionären niedergemacht, die wie ein eiserner Rechen durch den Burghof fegten.
An der Spitze einer Zenturie ausgesuchter Legionäre rannte der Konsul im Laufschritt in Richtung Haupttor, ohne sich um die feindlichen Kämpfer zu kümmern. Diese wurden von den Legionären, welche die Flanken sicherten und angeführt von seinen beiden besten Zenturios, aus dem Weg geräumt. Das Adrenalin hämmerte dabei unentwegt in seinen Adern, und sein hochtrainierter Körper schien in diesem Moment das Gewicht seiner Rüstung kaum zu spüren.
Im Schatten der massiven Torbefestigung beobachtete der Kommandeur der gheitanschen Truppen fasziniert, wie der erste Balrog aus dem blutroten Pentagramm auftauchte. Dieses hatte der Ximonpriester Yokur, der Anführer der Ximonpiraten, direkt vor dem zwei Klafter breiten Haupttor auf die Steinplatten gezeichnet. In diesem Moment prallten Konsul Octavian und seine Legionäre auf die Doppelreihe der Verteidiger, welche die Rückseite des Torhauses absichern sollten, bis die Dämonen bereit waren, die Angreifer zu zerreißen.
Glaubte er im ersten Moment noch, seine Männer könnten lange genug standhalten, so wurde er schnell eines Besseren belehrt. Der Feind zerschlug die Formation seiner Soldaten bereits beim ersten Aufeinandertreffen.
Nun überstürzten sich die Ereignisse.
Der massige Balrog stürzte sich, vom telepathischen Befehl Yokurs angetrieben, auf die Legionäre, um diese zu zerschmettern. Doch die Angreifer wichen geschickt zur Seite, sodass der ungestüme Angriff des Monsters ins Leere stieß.
„Los jetzt rein und den Ximonpriester erledigen“, rief der Konsul, als der tonnenschwere Dämon vorüber war. Er stürmte sein schwarzes Schwert schwingend, von etwa zwei Dutzend seiner Männer gefolgt, ins Innere des Torraums.
Der wütende Balrog im Burghof hatte keine Zeit sich darüber zu wundern, dass er keinen der Feinde zu fassen gekriegt hatte. Er wurde von einem Schwarm äußerst scharfer schwarzer Wurfmesser empfangen, welche seine schwarze Dämonenhaut mühelos durchdrangen. Äußerst schmerzhaft für ihn, wenn auch nicht wirklich lebensgefährlich. Wütend versuchte das Monstrum der lästigen Menschlein, welche sich links von ihm in den Arkadengängen der Seeseite der Festung verbargen, habhaft zu werden. Diesen Moment nutzten vier ausgesuchte Elitesoldaten, welche sich auf der Landseite in einer Nische verborgen hatten, um nicht von den herabfallenden Trümmern der lichterloh brennenden Wehrgänge getroffen zu werden. Sie durchschlugen dem massigen Dämon von hinten mit ihren messerscharfen schwarzen Schwertern die Sehnen seiner Kniegelenke. Damit war es um ihn geschehen! Kaum war der Koloss gestürzt, fand er unter den Hieben der Legionäre ein schnelles Ende.
Auf seinem Weg zum Tor trafen Konsul Octavian und Albay Ashram aufeinander und kreuzten die Waffen. Schnell merkte der Gheitaner, dass sein Gegner ein Meister des Schwertes war. Diesem gelang es, ihn umgehend in die Defensive zu drängen, sodass er dem Geschehen am Tor nicht weiter folgen konnte, da er alle Hände damit zu tun hatte am Leben zu bleiben.
Die Legionäre stürmten weiter in Richtung auf das glühende Höllenportal vor, aus dem gerade ein Magog und ein Ifrit traten. Doch bevor sich die beiden Dämonen recht orientieren konnten, starben sie im Hagel der schwarzen Wurfmesser. Auch Yokur, der Anführer der Ximonpiraten, welcher vertieft in seine Beschwörung die Angreifer gar nicht zu bemerken schien, wurde tödlich getroffen, nachdem das wohl gezielte Wurfmesser eines Legionärs seinen Hals durchbohrt hatte. Hilflos am Boden liegend musste er zusehen, wie sein Höllentor zu flackern begann. Er hörte noch, dass sich in seinem Rücken rasselnd das Burgtor öffnete, um den Feind einzulassen. Dann starb er, die unabwendbare Niederlage vor Augen, und voller Furcht vor Ximons Strafe für sein Versagen.
Albay Ashram, der Kommandeur der gheitanschen Truppen hatte da mehr Glück, denn Konsul Octavian verschonte zunächst sein Leben, nachdem dieser, durch einen Schwerthieb in die rechte Schulter seine Waffe verloren hatte und sich hatte ergeben müssen.
Als die Schlacht schließlich vorüber war, hatten die Angreifer knapp dreihundert Mann verloren, während etwas mehr als viertausend Verteidiger getötet worden waren. Etwas mehr als eintausend Mann, vor allem Gheitaner, wurden gefangen genommen um später zu Reparaturarbeiten eingesetzt werden zu können.
In Vidakar facere gelang es derweil dem Meisterschmied Heimdal ‚schwarze Schwerter‘ auch außerhalb Kralas herstellen zu können. Grundlage des Erfolges war die Zusammenarbeit mit einem Meisterschmied der Zephirer und einem Metallurgen der Legion. Die drei Männer hatten auf Krala das Innenleben der merkwürdigen Maschine der Hüter, welche die schwarzen Schwertklingen produzierte, über mehrere Wochen gemeinsam beobachtet. Nachdem sie zunächst die verwendeten Eingangsmaterialien genauestens untersucht hatten, sahen sie dem ‚eisernen Schmied‘ durch das Sichtfenster der Maschine bei seiner Arbeit zu. Sie machten sich Notizen, welche sie später in langen Nächten auswerteten und zusammenführten. Vieles, was der eiserne Schmied machte, war nahezu identisch mit dem Vorgehen der zephirischen Meisterschmiede. Das Ergebnis ließ sich wie folgt zusammenfassen:
„Die Hauptschwierigkeit beim Feuerschweißen besteht ja seit jeher darin, dass das Material eine bestimmte Temperatur nicht überschreiten darf, da sonst der Kohlenstoff verbrennt. Gleichzeitig darf das Material nicht zu stark verzundern, weil es sich dann nicht mehr zusammenschmieden lässt. Da der Stahl vor dem Schmelzpunkt zu brennen beginnt, wird gegen Ende des Erhitzens Quarzsand als Flussmittel auf die zu schweißende Stelle gestreut. Dieser schmilzt zu einer flüssigen Glasschicht und schützt so den Stahl vor dem Zutritt von Sauerstoff. Der richtige Zeitpunkt dafür ist, wenn die ersten Funken des verbrennenden Kohlenstoffs auftauchen. Dabei entsteht ein glasiger Schild, der die beiden zu verschweißenden Teile umschließt. Dieser dient nicht nur als Schutz gegen Sauerstoffzutritt, sondern auch als Lösungsmittel für die Oxide, welche sich auf der glühenden Oberfläche bilden. Und genau zu diesem Zeitpunkt fügte der ‚eiserne Schmied‘ jeweils Kleinstmengen Tamium zu, das sich dann offenbar problemlos einarbeiten ließ.“
Es dauerte jedoch noch mehrere Wochen, bis es den drei Männern gelang, in einer ihrer Schmieden eine erste dieser Klingen herzustellen. Hauptgrund dafür war das Problem die richtige Temperatur und Menge des zugesetzten flüssigen Tamiums in langen Testreihen herauszufinden. Doch schließlich gelang es, die erste schwarze Klinge zu schmieden. Sie war zwar bei Weitem nicht so perfekt wie die Erzeugnisse der Maschine, aber der Durchbruch war gelungen.
Drei Tage nachdem Ytamor gefallen war, begann die Massenproduktion von schwarzen Schwertklingen in Vidakar facere. Da die Amaritter ja bereits mit Klingen des ‚eisernen Schmieds‘ von Krala ausgerüstet worden waren, konzentrierten sich die Vidakarer nun auf die Produktion von Kurzschwertern für die Milizen der Westallianz und die Angehörigen der Flotte. Sobald diese ausgerüstet waren, würden auch die Milizen der Lorcaner, welche in Nidda auf ihren Einsatz warteten, mit den neuen Waffen versorgt werden.
Im Kaarborger Hafen Santander gingen zwei Wochen später Trutz da Falkenberg, Lamar da Niewborg, Falk da Harkon und Walther da Ahrborg mit zweihundert Amarittern an Bord von sechs Feuerschonern, um gen Seeland zum Reichstag zu segeln.
Außerdem war auch der Legat Marius aus Krala an Bord, welcher im Auftrag von Konsul Vespasian den Reichstag über die Kriegserklärung des Lordprotektorats an Gheitan offiziell informieren sollte.
Für das Königreich Lorca war Kanzler Ramon da Torres nach Santander gekommen, um ebenfalls mit nach Seeland zu reisen. Königin Mirana hatte darauf bestanden, dass er König Ralph mitteilte, dass auch das Königreich Lorca dem Sultanat den Krieg wegen des Mordversuches an Graf Ansgar da Burgos erklärt hatte.
Die junge Königin war außer sich vor Wut gewesen, als sie von den feigen Mordanschlägen auf Ansgar und Graf Rurig gehört hatte. Sie hatte umgehend die Mobilmachung der gesamten Streitkräfte Lorcas befohlen. So standen nun acht Divisionen Miliz und vierhundert Ritter des Ordens vom roten Drachen in Nidda bereit, um die Westallianz zu unterstützen.
„Das wird ein turbulenter Reichstag auf Burg Greifenstein werden“, ließ Lamar da Niewborg vernehmen als er zu Trutz da Falkenberg und Falk da Harkon an die Reling des führenden Feuerschoners trat, um auf die ruhige See hinauszuschauen.
„Ja der liebe Ralph wird schäumen, wenn ihn Ramon und Marius über die Kriegserklärungen an Gheitan in Kenntnis setzen!“, stimmte ihm Falk da Harkon zu. „Deshalb bin ich auch froh, dass dieser Reichstag in Seeland stattfindet. Mein Neffe mag ja zum König halten, aber er wird wenigstens dafür Sorge tragen, dass wir unsere Schiffe unbehelligt wieder erreichen werden!“
Trutz da Falkenberg nickte zustimmend und fügte hinzu: „Da hast du vermutlich recht, mein lieber Falk. Dennoch ist damit zu rechnen, dass Ralph in Bälde militärisch gegen uns vorgehen wird. Deshalb sammeln sich unsere Milizregimenter, die Legionäre und die Bogenschützen in der Ebene von Santander unter dem Befehl von General Yörn, während Amaritter und Chorosani bei Vidakar auf ihre Einsatzbefehle warten.“
„Gut vorbereitet zu sein, war schon immer die halbe Miete“, versetzte Lamar da Niewborg, um sich dann erneut mit einer Frage an den Großmeister der Amaritter zu wenden: „Ist Ansgar eigentlich schon in Nidda eingetroffen?“
„Noch nicht“, antwortete Trutz da Falkenberg. „Aber er müsste noch im Laufe dieser Woche dort eintreffen, wie mir Ramon da Torres versichert hat!“
Dem jungen Baron war die Erleichterung über diese Nachricht anzusehen. Denn falls man gezwungen war, mit dem Feldheer gegen Ralph vorzurücken, war geplant, dass Ansgar da Burgos mit fünf Divisionen lorcanscher Miliz bei Vidakar in Stellung gehen würde, um das Hinterland der Westallianz zu schützen. Da war seine Anwesenheit mehr als gefordert! Fünfzigtausend Lorcaner auf Kaarborger Gebiet bedurften eines vertrauenswürdigen Anführers. Noch zu frisch waren die Wunden des vergangenen Krieges, als dass man sie ohne einen vertrauenswürdigen Kaarborger an ihrer Spitze dort hätte stationieren können.
Einige Tage später ankerte die kleine Flotte eine Tagesreise vor dem Hafen Hiborg in einer kleinen Bucht. Zwei weit seewärts stehende Feuerschoner sicherten die Landung der Ritter, ihrer Knappen und der Schlachtpferde.
Sie würden, während sie auf ihre Rückkehr warteten, immer wieder paarweise Erkundungsfahrten in den Häfen von Kis und Hiborg fahren, um die Blockadeeinheiten zu verstärken. Denn die Kriegserklärungen, waren dem gheitanschen Hof vor einigen Tagen offiziell zugestellt worden.
Die Bürger der Grafschaft Seeland staunten nicht schlecht, als der prächtige Tross der schwarzen Ritter durch ihre Dörfer zog. Alle, außer dem Legaten der Legion, trugen dabei die schwarzen Panzerrüstungen aus Tamiumeisen mit Ragnors Wappen auf den Schilden. Nur die vorangeführten Standarten zeigten den Bauern, dass sich vier Großadelige und zwei fremde Fürsten in diesem Tross befanden. In jedem Dorf, welches sie passierten, befand sich auch mindestens eine Kompanie Seeländer Milizen, was Falk da Harkons Annahme bestätigte, dass sein Neffe größten Wert auf die Sicherheit seiner Gäste legte.
Schließlich erreichten sie Burg Greifenstein, welche auf einem flachen Hügel mitten in der Seeländer Tiefebene lag. Da es hier in der Gegend nur wenige als Baustoff verwendbare Gesteinsarten gab, war sie aus roten Ziegeln erbaut worden. Da dieser Baustoff einer Beschießung nur bedingt standhalten konnte, waren die Mauerringe vierfach ausgeführt. Dazwischen befanden sich jeweils sechs Fuß gestampfte Erde und Geröll, sodass die Außenmauer auf die stattliche Dicke von fast drei Klaftern kam. Dadurch konnte man auf dem gesamten Mauerring, Katapulte und Onager platzieren, um eventuelle Angreifer zu bekämpfen.
Bereits als die Burg in Sicht kam, ertönte dort ein Fanfarensignal. Als sie sich auf eine halbe Meile genähert hatten, wurde das Tor geöffnet und Graf Eric da Seeland ritt Ihnen begleitet von seinem Standartenträger entgegen.
Der Zug der schwarzen Ritter hielt an und Falk da Harkon, Erics Onkel, ritt nach vorn, um seinen Neffen zu begrüßen.
„Seid gegrüßt, verehrter Onkel“, ließ Eric da Seeland vernehmen, als er herangekommen war, wobei sein Blick erkennbar irritiert die kleine Armee der schwarzen Ritter begutachtete.
Falk da Harkon ritt an seine Seite und reichte seinem Neffen die behandschuhte Hand, welche dieser lächelnd ergriff: „Auch ich grüße dich im Namen meiner Reisegefährten, mein lieber Neffe!“
Sichtlich erleichtert, ob der versöhnlichen Geste, ergriff Eric die dargebotene Hand.
„Ihr reist mit einer sehr starken Eskorte, mein lieber Onkel, falls ich das bemerken darf. Ist Herzog Ragnor ebenfalls hier? Ihr führt seine Standarte mit euch?“
Falk lächelte, befriedigt darüber, dass sein Neffe die versöhnliche Geste gut aufgenommen hatte, und antwortete: „Nein, mein lieber Eric, er weilt nach wie vor im Orkgebiet. Es befindet sich allerdings ein Gesandter des Lordprotektorats Krala, sowie der Großkanzler von Lorca in unserem Gefolge, da sie dem Reichstag einige Mitteilungen zu machen gedenken.“
Diese Information überraschte den jungen Grafen nun doch sichtlich, sodass er einen Moment brauchte um sich wieder zu fassen, bevor er mit etwas belegter Stimme vernehmen ließ: „Seeland fühlt sich geehrt von so hohem Besuch. Bitte folgt mir!“
Oben vom Fenster seines Gemaches aus, blickte der König auf den Zug seiner Feinde, welcher waffenklirrend in der Burg Einzug hielt. Hierbei erboste ihn vor allem, dass er sehr wohl erkannte, mit welcher Elitetruppe seine Gegner hier angereist waren, jedem Besucher signalisierend, wie wenig sie vom Landfrieden des Königs und dessen Schutzversprechen hielten. Eingehend musterte er die beiden Besucher, wobei er Ramon da Torres natürlich sofort erkannte, mehr als erstaunt darüber, dass auch dieser die Rüstung und das Wappen der Amaritter trug. Der Offizier der Amalegion hingegen war ihm völlig unbekannt, und er fragte sich, was dieser hier, auf dem Reichstag von Caer, zu suchen hatte.
Eine knappe Stunde später, klopfte es an der Tür von Trutz da Falkenbergs Unterkunft. Als er öffnete, stand Baron Oswald da Kormon vor Tür.
„Was verschafft mir die unerwartete Ehre eures Besuches?“
Oswald, dem der sarkastische Unterton nicht verborgen blieb, antwortete geschäftsmäßig kühl: „Ich bin im Namen des Königs hier, um euch zu befragen, was Ramon da Torres und dieser Legionär hier wollen?“
Mit einer Handbewegung bat Trutz da Falkenberg den Baron herein und schloss die Tür, bevor er antwortete: „Es ist nicht an mir, die Vertreter souveräner Staaten, nach ihrem Anliegen zu befragen. Sie hatten lediglich darum gebeten, mit unserer Delegation nach Greifenstein reisen zu dürfen.“
Sichtlich verärgert ob dieser Antwort warf sich Oswald da
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Texte: Jürgen Friemel
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Lektorat: Katja Friemel
Tag der Veröffentlichung: 02.12.2016
ISBN: 978-3-7396-8626-4
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Widmung:
Ich möchte mich ganz besonders bei Beate Rocholz für ihr großartiges Cover-Design bedanken, welches der gesamten Saga ein Gesicht gegeben hat.