Der Dämonenherrscher Xytramon räkelte sich, sichtlich amüsiert, auf seinem Knochenthron. Dabei blickte er auf den zum zweiten Mal in seinem Machtbereich gestrandeten Xitroca hinab, der völlig fertig zwischen zwei muskelstrotzenden Ifrits hing. Die beiden finsteren Paladine hatten auf Geheiß ihres Herrn den verweichlichten Zivilisationskörper des Protektors nicht gerade sanft behandelt, als dieser überraschend wieder im Orcus aufgetaucht war. Und das ausgerechnet nachdem er versucht hatte den Dämonenherrscher zu hintergehen, indem er, durch ein von ihm allein kontrolliertes Tor, Dämonen, aus Xytramons Herrschaftsbereich, auf den Planeten Makar gelockt hatte.
„Du Wurm hast versucht mich zu betrügen! Sag mir, was ich jetzt mit dir machen soll?“, eröffnete der Dämonenherrscher das Gespräch mit fast freundlicher Stimme, wobei das Lächeln, seiner mit scharfen Reißzähnen bewehrten Dämonenschnauze, auf einen Menschen alles andere als freundlich wirkte.
Voll Bitterkeit und Hass sah Xitroca zu seinem Peiniger hoch, immer noch verblüfft, ob seines abrupten Ablebens durch einen Pfeil, welcher seinem Wirtskörper den Kehlkopf und die Halswirbel zertrümmert hatte. Dennoch versuchte er, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und antwortete daher wahrheitsgemäß: „Ich gebe zu, ich habe versucht das Spiel, ohne dich zu spielen und habe verloren. Aber schließlich bin ich, wie auch du, ein Diener Ximons und daher eben böse!“
Diese erfrischende Antwort amüsierte den Dämonenherrscher und er brach in ein brüllendes Gelächter aus, welches seinen finsteren Thronsaal erbeben ließ. Dann wurde er übergangslos wieder ernst und verkündete: „Der Protektor Xitroca wird die nächsten sechsundzwanzig Monate für seinen Verrat büßen, indem er demütig „angenehme“ Aufgaben übernimmt, die ich sorgfältig auswählen werde! Während er arbeitet, werden meine Ifrits seine Rückkehr nach Makar vorbereiten, aber dieses Mal unter meiner Kontrolle. Er wird nach seiner Läuterung nach Khitara gehen, und mit Hilfe der dortigen Ximonpriesterschaft, die Übernahme dieses mächtigsten und größten Staates auf Makar vorantreiben. Damit er nicht wieder aus der Reihe tanzt, wird er mir seinen Bannschwur leisten, welcher meine drei Ifrits, auf Makar, vor seiner Macht schützt.“
Zurück in seiner kargen Felsenkammer verfluchte Xitroca einmal mehr den verdammten Hüter, der ihm zum wiederholten Male entkommen war, wie ihm Xytramon, sichtlich schadenfroh, erzählt hatte. Und nun würde es verdammt lange dauern, bis er ihm wieder würde gegenübertreten können, denn zwischen Khitara und Caer lagen tausende von Meilen.
Der Krieg mit dem Königreich Lorca war nun endlich formal beendet, als die Großkanzlerin von Lorca, sich nach längerem Zögern, und nur unter dem massiven Druck ihrer Generale, zum Abschluss eines Friedensabkommens mit dem Königreich Caer bereit erklärt hatte.
Herzog Ragnor war inzwischen, mit seinen Soldaten, nach Vidakar zurückgekehrt, und stürzte sich dort umgehend in den Wiederaufbau der Lehen Vidakar, Ladakar und Ratzenstein. Dabei war er in der glücklichen Lage, dass er über ein großes Vermögen verfügte, dass inzwischen auf mehr als achthunderttausend Goldtalente angewachsen war. Dieses erlaubte es ihm, die dringend benötigten Handwerker für die Baumaßnahmen, in großer Zahl, anzuwerben. Während Ratzenstein und Ladakar, im Wesentlichen, wieder so aufgebaut wurden, wie sie vor ihrer Zerstörung gewesen waren, hatte Ragnor für Vidakar ganz andere Pläne.
Nach intensiven Gesprächen mit den Anführern der Mercaner und der Waldleute, war er mit diesen übereingekommen, an Stelle von Heikes Heimstatt, und des völlig zerstörten alten Gutshofes, eine neue Stadt aus Stein für die mercanschen Einwohner im Tal, und eine Baumstadt, im Forst hinter dem Vulkan, für die Waldleute, errichten zu lassen. Der junge Burgherr war dabei gerne auf die Wünsche der beiden aus dem Königreich Lorca emigrierten Volksgruppen eingegangen, denn er wollte noch mehr von ihnen nach Vidakar holen. Da diese großen Pläne eine etwas längere Vorbereitungszeit benötigten, als ein bloßer Wiederaufbau, wohnten Mercaner und Waldleute vorerst weiterhin in der weitläufigen Burganlage. Die neue Stadt der Mercaner im Tal würde nicht nur eine Kanalisation, wie die Hauptstadt Caerum besitzen, sondern Heimdal und Ragnor würden eine komplette Versorgung mit fließendem Wasser installieren, sodass in jedem neuen Haus eine Zapfstelle zur Verfügung stehen würde. Obwohl die Bauarbeiten gerade erst begonnen hatten, war man sich doch schnell darin einig gewesen, dass beide Städte Vidakar heißen würden. „Vidakar altus“ war der Name für die steinerne Mercanerstadt im Tal und „Vidakar alta“ für die Baumstadt in den Hügeln. Das alte Dorf Vidakar, welches man bereits auf Wunsch der alteingesessenen Bauern, nahezu unverändert, wieder aufgebaut hatte, würde dann vor den Toren von Vidakar altus liegen und zukünftig einfach „Vidakar pagus“ genannt werden, was, in der alten Sprache, einfach bäuerliches Dorf heißt.
Der junge Burgherr war froh, dass so Vieles anzuleiern war, sodass er, Ama sei Dank, nur wenig Zeit hatte um Dana zu trauern. Sie fehlte ihm sehr, und es war ihm erst jetzt klar geworden, nachdem er sie verloren hatte, wie sehr er sie geliebt hatte. Deshalb hatte er, insbesondere des Abends, häufig das Bedürfnis alleine zu sein. Seine Freunde respektierten das, denn sie fühlten mit ihm. Zweimal, innerhalb von kurzer Zeit, einen solch schweren Verlust zu erleiden, war alles andere als einfach.
„Herein“, ließ Ragnor vernehmen, denn es hatte an der Tür seiner Kemenate geklopft. Rasa sein Königswiesel, welches wie gewohnt um diese Zeit, kurz nach dem Mittagessen, in seinem Körbchen döste, hob kurz den Kopf um zu nachzusehen, wer da wohl kam.
Die Tür öffnete sich und Heimdal, der Führer der Mercaner, betrat gut gelaunt und sichtlich aufgekratzt den Raum: „Auf geht’s, Ragnor! Wir müssen hinunter nach Vidakar altus. Meine Leute haben mir gerade gemeldet, dass der Wasserturm, unser erstes großes Bauwerk, endlich fertig ist.“
Ragnor grinste, ob der Begeisterung seines Freundes, der wie gewohnt in seiner einfachen Handwerkerkleidung vor ihm stand und antwortete freundlich, aber bestimmt: „Ich habe hier noch ein paar Papiere zu lesen und zu unterzeichnen, die heute noch rausgehen müssen. Da werde ich wohl noch eine gute Stunde benötigen. Geh schon einmal voraus, ich wollte nachher sowieso mit Amarana ausreiten, und werde mir dann dein Prachtstück ansehen!“
Heimdal nickte zustimmend, obwohl er im ersten Moment ein wenig enttäuscht gewesen war, dass sein Lehnsherr nicht sofort aufgesprungen war, um mit ihm zu kommen. Doch er wusste nur zu gut, dass er selbst zu einem großen Teil dafür gesorgt hatte, dass der junge Burgherr schon seit Wochen täglich mehrere Stunden auf seiner Kammer verbringen musste. Die Beschaffung von Menschen und Material für ihr ehrgeiziges Bauvorhaben brachte eben eine gewaltige Menge Schreibarbeit mit sich. Zwar hatte Ragnor bereits auf den wachsenden Verwaltungsaufwand reagiert, und in unmittelbarer Nähe seiner Gemächer einen großen lichtdurchfluteten Raum zur Verfügung gestellt. Dieser wurde im Moment zu einer Burgkanzlei umgebaut, aber die vier jungen Mercaner, die ihn zukünftig unterstützen würden, nahmen erst in der nächsten Woche ihren Dienst auf, um ihn und seinen Kastellan, Rolf da Maarborg, zukünftig nachhaltig zu entlasten.
Als der junge Burgherr eine gute Stunde später endlich hinunter zu den Ställen gehen konnte, erfreute er sich an den wärmenden Strahlen der Frühlingssonne und der geschäftigen Betriebsamkeit, die allenthalben in der weitläufigen Festungsanlage herrschte. Schließlich ritt er langsam durch das Tor der Oberburg hinunter, in Richtung Haupttor, wo gerade ein Trupp Mercaner das letzte der neuen Fallgatter einsetzte, welche diejenigen ersetzten, die von den Balrogs, bei ihrem Angriff auf die Burg, im letzten Winter herausgerissen worden waren.
Nachdem er die große Toranlage passiert hatte, ritt er den gepflasterten breiten Fahrweg hinab ins Tal. Von hier aus hatte er einen guten Blick auf die Baustelle von Vidakar altus, wo der prächtig anzuschauende neue Wasserturm, das weit hin sichtbare Symbol der Fortschrittlichkeit von Ragnors neuer Stadt, hoch über alle anderen Bauwerke aufragte.
Als er wenig später mit Heimdal das Innenleben besichtigte und das wuchtige Wasserhebewerk bewunderte, mit welchem das Grundwasser in den Hochbehälter befördert wurde, war er schon ein wenig stolz darauf, dass Vidakar altus die erste Stadt auf dem Nordkontinent von Makar sein würde, die allen Bürgern sauberes fließendes Wasser, direkt aus einer Zapfstelle in ihren Häusern, zur Verfügung stellen würde. Doch es war noch viel zu tun. Der imposante Wasserturm, war das erste große Gebäude der neuen Stadt, welches bisher fertiggestellt worden war. Ansonsten war man gerade dabei die Unterwelt der neuen Stadt, Kanalisation und Wasserleitungen zu verlegen. Dort, wo diese Arbeiten bereits fertig beendet waren, wurden die neuen Straßen mit großen Granitplatten gepflastert. In der zentralen Bauhütte trafen die beiden Männer dann auf den Burgbaumeister Pallander, welcher die Bauleitung für die neue Stadt übernommen hatte. Als der Alte des Burgherrn ansichtig wurde, schleppte er ihn umgehend und voller Begeisterung zu dem großen, die ganze Rückwand des Raumes ausfüllenden, Stadtplan. Dann erläuterte er ihm in aller Ausführlichkeit den Stand der Bauarbeiten.
Geduldig hörte ihm Ragnor zu, obwohl im Heimdal schon das Meiste, während seiner Visite des Wasserturms, erzählt hatte. Er freute sich ein wenig mit seinem Baumeister, welcher es als große Ehre empfunden hatte, als zuständiger Baumeister für die Wehranlagen von Vidakar altus, auch die Oberaufsicht über alle zivilen Bauvorhaben übertragen bekommen zu haben. Er konnte nur zu gut verstehen, dass es für jemand wie Pallander so etwas wie die Krönung seines Lebenswerkes war, nach dem Bau der größten Festung, die Caer je gesehen hatte, nun auch noch die modernste Stadt des Nordkontinents mit gestalten zu dürfen. Im Gegensatz zu Beginn ihrer Zusammenarbeit, wo sich Pallander anfänglich heftig gegen Ragnors neue Ideen gesperrt hatte, war er jetzt zu einem totalen Verfechter der Moderne geworden. Er nahm gerne und bereitwillig die Vorschläge der mercanschen Baumeister und Handwerker auf. Dann er fügte sie zu einem mehr als beeindruckenden Ganzen zusammen, sodass sich Ragnor sicher war, dass der Bau von Vidakar altus bei ihm in den besten Händen war.
Nachdem sich der junge Feudalherr sicher war, dass alle Entscheidungen, welche seiner Gegenwart bedurften, für die nächsten Monate getroffen worden waren, machte er sich, mit seinem Knappen Klaus, auf den Weg nach Kaar. Von dort aus würde er, nach einem kurzen Aufenthalt, zusammen mit dem Grafen nach Caerum aufbrechen. Der König hatte einen Reichstag einberufen, auf dem er alles regeln wollte, was, für die kommenden Jahre des Friedens und des Wiederaufbaus, als wichtig erachtet wurde. Ragnors offizielle Erhebung zum Herzog von Caer auf Lebenszeit, würde den gesellschaftlichen Höhepunkt des Reichstages bilden.
Der Ritt nach der Insel Kaar, auf der fast fertiggestellten, gepflasterten Straße, die Ragnor zu einem erheblichen Teil bereits vor dem Krieg hatte bauen lassen, war bei strahlendem Frühlingswetter ein wirklicher Genuss. Einzig der Rummel um seine Person, wenn sie in einem Gasthof einkehrten, um dort die Nacht zu verbringen, trübte das harmonische Bild. Ragnor ging der Personenkult, welcher sich inzwischen um seine Person gebildet hatte, tierisch auf den Geist. Nicht ganz unschuldig daran waren auch die teilweise haarsträubenden Geschichten, welche die Bänkelsänger, Land auf, Land ab, über ihn verbreiteten. Doch sein Knappe Klaus, eine echte Frohnatur, genoss die zuvorkommende Behandlung, die ihm und seinem Herrn zuteil wurde, in vollen Zügen und konnte Ragnors Missmut darüber so gar nicht verstehen. Meist gelang es ihm, mit seinen flotten Sprüchen, seinen Herrn wieder aufzumuntern und dessen Groll über das Getöse, wie dieser die Überschwänglichkeit der Leute zu nennen pflegte, zu vertreiben. Zwischen den beiden hatte sich im Laufe der Jahre, eine echte Freundschaft entwickelt, und so diskutierten sie des Abends gerne Ragnors weitreichende Pläne für die nächsten Jahre.
„Du willst also tatsächlich ein großes Handelskontor in der Hafenstadt Duralum in Lorca errichten. Glaubst du denn, dass die Lorcaner es zulassen werden, dass der Herzog von Caer in ihrem Land seinen Reichtum mehrt?“, fragte Klaus kritisch nach, nachdem ihm Ragnor, des Abends nach einigen Bier, großzügig Einblick in seine Pläne, bezüglich der Ausweitung seiner Handelsaktivitäten, gewährt hatte.
„Ich bin doch kein Narr, dass ich das offen und unter meinem Namen machen werde“, entkräftete er grinsend seines Knappen Einwand. „Ich werde mir natürlich dafür einen vertrauenswürdigen Lorcaner suchen, der meine lorcansche Handelsgesellschaft führen wird.
„Vertrauenswürdige Lorcaner?“, fragte Klaus mit einem Stirnrunzeln nach. „Gibt es die denn?“
„Nun mach mal einen Punkt, mein lieber Klaus! Wir haben vor Burg Harkon, genügend davon kennengelernt!“
„Ja, aber das waren Militärs und keine Händler!“
„Nun ich befürchte, dass einige von ihnen in Kürze viel Zeit haben werden, ihr Organisationstalent für andere Aufgaben einzusetzen. Ramon da Torres hat mir letzte Woche geschrieben, dass der König von Lorca das Friedensabkommen zwar akzeptiert hat, aber seine Mutter, die alte Furie, wohl wüste Drohungen von sich gegeben hat, dass die Generalität für ihre Unfähigkeit noch bezahlen werde. Ramon da Torres ist dann wohl der Einzige, der nicht davon betroffen sein wird, da sein Ritterorden geschlossen hinter ihm steht, und der König bei der Bestallung des Großmeisters nichts zu melden hat. Sobald die alte Vettel damit beginnt, die uns bekannten Generäle aus ihren Posten zu drängen, werde ich da sein und ihnen ein Angebot unterbreiten, welches sie nicht ablehnen können!“
Klaus war sichtlich beeindruckt, von den Ausführungen seines Herrn, hob den Krug; prostete ihm zu und meinte anerkennend: „Ich muss zugeben, nun klingt die Sache, mit dem Kontor in Duralum, schon erheblich durchdachter.“ Nach einem kurzen Innehalten, fügte er, mit einem nachdenklichen Blick auf seinen zur Neige gehenden Bierkrug, hinzu: „Aber wie so oft, hat das auch seine schlechten Seiten. Vielleicht will die Alte erneut in den Krieg ziehen, wenn sie ihre Generalität erst ausgetauscht hat!“
Energisch schüttelte Ragnor den Kopf und entgegnete: „Nein, da brauchst du dir die nächsten Jahre wirklich keine Sorgen machen. Lorca ist im Moment ziemlich pleite, sodass ich vermute, dass die armen Bürger des Landes die Sache werden ausbaden müssen, denn man sagt der alten Vettel eine ungezügelte Verschwendungssucht nach!“
Auf Kaar angekommen, traf sich Ragnor zunächst mit Martin, dem Faktor seines dortigen Kontors. Was er dort zu hören und zu sehen bekam, erfreute ihn über alle Maßen. Der Handel, auch nach Übersee, war, nach Beendigung der Kampfhandlungen, schnell wieder angelaufen, und warf erneut beträchtliche Gewinne ab. Besonders befriedigt nahm er dabei zur Kenntnis, dass der Aufkauf allen Tamiums, dessen man in Caer und in Übersee habhaft werden konnte, im gesamten Vidakarer Handelsnetzwerk bereits angelaufen war. Erstaunlicherweise waren die Preise, nach wie vor, erstaunlich niedrig. Das verwunderte ihn umso mehr, als dass der Nutzen von mit Tamium legiertem Eisen im vergangenen Krieg für jeden sichtbar zu Tage getreten war. Sollten die anderen ruhig noch eine Weile schlafen, bis er alles aufgekauft hatte, was preiswert auf dem Markt zu bekommen war.
Nach einigen entspannten Tagen auf der Insel, wo Ragnor jede freie Minute mit Rurig und dessen Familie verbrachte, brachen der Graf und Ragnor nach der Hauptstadt Caerum zum einberufenen Reichstag auf.
„Thor hat sich prächtig entwickelt! Ich bin echt erstaunt, was er schon alles kann!“, ließ Ragnor vernehmen, als der kleine Tross die Seebrücke über den Kaarsee überquerte, um sich dann gen Caerum zu wenden.
„Ja ich bin sehr stolz auf ihn“, versetzte der Graf mit einem warmen Lächeln. „Doch wenn du auf Kaar bist, dann bin ich bei meinem Sohn vollkommen abgemeldet!“
Ragnor grinste und meinte dann: „Ja, schließlich ist er mein Patensohn, und er kann ganz schön anstrengend sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dich tatsächlich gestört hat, dass er die letzten Tage mich zu seinem Lieblingspferd auserkoren hatte, und du in aller Ruhe mal wieder in deinem Ohrensessel Platz nehmen konntest!“
„Nein nicht wirklich“; gab der Graf lächelnd zu. „Und doch“, setzte er mit einem melancholischen Lächeln hinzu. „Kaum breche ich wieder auf, um für längere Zeit mein Heim zu verlassen, da fehlt mir der kleine Racker auch schon!“
Während die Kaarborger Delegation gen Caerum ritt, bekamen die widerspenstigen Generale in Lorca, bereits die harte Hand der Königsmutter zu spüren. Als erste Maßnahme, zur Entmachtung der missliebigen Kommandeure, ließ sie durch ihren Sohn anordnen, dass die Milizregimenter, welche ausnahmslos aus frommen Lorcanern bestanden, im Laufe eines Jahres, vollständig aufzulösen waren. Es sei schließlich an der Zeit, dass die Bauern auf ihre Höfe zurückkehrten, um die Nahrungsmittelversorgung des Landes sicherstellen zu können. General Malleine und seinen Kollegen war aber durchaus klar, dass dieses Argument, obwohl durchaus valide, nur vorgeschoben war. Der Krone war nämlich nicht verborgen geblieben, dass die Milizen, nach den Erlebnissen vor Burg Harkon, fest zu ihren Kommandeuren standen, die sie, nach deren fester Überzeugung, vor einem schrecklichen Schicksal bewahrt hatten. Gleichzeitig zu dieser Verordnung fuhr die Krone fort die Provinzgouverneure, welche noch aus der Zeit des vormaligen Königs stammten und die für die Zivilverwaltung zuständig waren, durch willfährige Gefolgsleute des neuen Machthabers zu ersetzen.
Unterdessen erreichte Graf Rurigs kleine Reisegesellschaft, die aus ihm, Ragnor, vier Grafenrittern und den dazugehörigen Knappen bestand, den Gasthof von Bammental, in welchem sie ja bereits einmal übernachtet hatten, während Ragnors erstem Besuch in Caerum. Ragnor hatte keine gute Erinnerung an diesen Ort, denn bei ihrem damaligen Aufenthalt hatte eine Assassinin versucht, ihn beim Frühstück zu vergiften. Es war nur einem glücklichen Zufall zu verdanken gewesen, dass, an seiner Statt, der Grafenritter, Jörg da Grönen, qualvoll gestorben. Als sie in den ummauerten Innenhof des Gasthofes einritten, fielen Ragnor sofort vier große Planwagen auf, welche im hinteren Teil abgestellt worden waren, und die von einigen exotisch gekleideten Kämpfern bewacht wurden.
Das war eindeutig zephirische Tracht, wie er sie bei Hassan, dem Wirt des Salamanca, hin und wieder gesehen hatte. Sofort war sein Unbehagen bezüglich des Gasthofes wie weggefegt. Er konnte es kaum erwarten, sein Pferd endlich los zu werden, um in der Gaststube nachzusehen, welch interessante Gäste dort abgestiegen sein mochten. Seit er bei Hassan im Salamanca einen leibhaftigen Zephirer kennengelernt hatte, war sein Interesse an dem fernen Land immer weiter gewachsen. Er war also schon sehr gespannt zu erfahren weshalb Hassans Landsleute ins kalte, ferne Caer gekommen waren. Da Graf Rurig nichts davon erwähnt hatte, dass man eine offizielle Delegation aus Zephir bei Hofe erwartete, tippte der junge Mann auf fahrende Händler. Da er selbst gerade dabei war ein kleines Handelsimperium auf dem Nordkontinent zu errichten, käme es ihm sehr gelegen, falls er hier möglicherweise einen potenziellen neuen Geschäftspartner würde finden können.
Doch als sie schließlich die Gaststube betraten, war nichts zu sehen von irgendwelchen fremdländischen Gästen. Nur einige wenige ganz normale Reisende, wohl größtenteils Handwerker oder kleine Handlungsreisende, hielten sich im Schankraum auf. Also gingen die Kaarborger erst einmal auf ihre Zimmer, welche der diensteifrige Wirt seinen hochgeborenen Gästen im Obergeschoss zugewiesen hatte. Zunächst einmal die Rüstungen ablegen, und sich vom Reisestaub befreien, bevor man sich später in der Gaststube zur Einnahme eines Nachtmals wieder treffen wollte. Der Graf hatte dem Wirt klare Anweisung erteilt, dass er ein ausgezeichnetes Abendessen mit reichlich Fleisch erwartete, und erstklassiges Bier aus einem frisch angestochenen Fass.
Ragnor, der sein Zimmer wie gewohnt mit seinem Knappen Klaus teilte, schälte sich aus Kettenhemd und Panzerstiefeln. Er stieg dankbar in den Zuber mit heißem Wasser, welcher in einem Nebenraum seines geräumigen Zimmers bereit stand. Dann kleidete er sich in einen reinlichen weißen Leinenanzug, zog seinen Wappenrock darüber, den Klaus auf seinem Bett bereit gelegt hatte. Zuletzt schnallte er den Waffengurt um und machte sich wieder auf den Weg in die Gaststube. Er hatte einen gewaltigen Hunger nach dem langen, anstrengenden Ritt, auf dem die kleine Reisegruppe nur ein wenig Brot und etwas geräucherte Hartwurst zu sich genommen hatte.
Der Gastraum der Herberge hatte sich inzwischen gut gefüllt und die meisten Tische waren bereits belegt. Der Wirt hatte für die hochgeborenen Gäste seinen schönsten Tisch, direkt am Kamin, reserviert. Er führte Ragnor dienstbeflissen dort hin, da er der Erste aus seiner Reisegesellschaft war, welcher in die Gaststube zurückgekehrt war. Der junge Ritter ließ seinen Blick schweifen und entdeckte die Fremden, von jenseits des Meeres, an einem Tisch weiter hinten im Schankraum. Ein vornehm wirkender, älterer Zephirer mit einem wertvollen Seidenturban und einem prächtigen weißen Vollbart erwiderte seinen Blick. Er erhob sich, als er an Ragnors wertvollem Wappenrock erkannte, dass er ein Edelmann war.
Ragnor blieb stehen und wartete bis der Fremde zu ihm herangetreten war. Dieser verbeugte sich artig, wie es in Zephir Sitte war und stellte sich mit wohlgesetzten Worten vor: „Gestattet, dass ich mich Euch vorstelle. Ich bin Karim al Wasir, Großkaufmann für Spezereien aus Zephir!“
„Ich freue mich, Euch kennenzulernen“, antwortete Ragnor ehrlich erfreut und antwortete: „Mein Name ist Ragnor da Vidakar, und auch ich betreibe einige Handelshäuser in Caer.“
„Ein Adeliger der Handel treibt!“, zeigte sich der Zephirer ausgesprochen erstaunt. „Sagt an, ist das üblich hier im Norden?“
Ragnor musste ob dieser Reaktion lächeln und antworte: „Nein, ganz bestimmt nicht. Ich bin der Einzige, den ich kenne. Doch, nein! Das stimmt nicht so ganz. Die Leiterin meines Kontors in Caerum ist Ana da Falkenberg, also kenne ich doch schon zwei!“
Der Wirt, welcher diese Szene aufmerksam beobachtet hatte, brachte eilends zwei Tonkrüge mit schäumendem Dunkelbier. Ragnor prostete dem Fremden zu und nahm einen tiefen Schluck. Der Zephirer nahm höflicherweise ebenfalls einen kleinen Schluck, aber es war ihm anzusehen, dass ihm das Getränk nicht wirklich behagte.
„Unser Bier ist für den Gaumen eines Südländers, der schweren zephirischen Wein gewohnt ist, wohl etwas zu bitter“; kommentierte Ragnor lächelnd den Versuch des Kaufmanns seine Abneigung gegen das Gebräu zu verbergen.
„Da habt ihr recht, verehrter Ragnor“, antwortete der Zephirer und stellte rasch den ungeliebten Krug auf dem Tisch ab. „Aber nun zum eigentlichen Anlass, warum ich Euch ursprünglich ansprechen wollte: „Ich würde gerne Euch und Eure Reisebegleiter heute Abend zum Essen einladen. Ich habe mit dem Wirt vereinbart, dass mein Leibkoch Jusuf ein zephirisches Abendessen in seiner Küche zubereiten darf.“
Ragnor überlegte einen Moment, bevor er antwortete: „Meine Kameraden sind noch nicht da, aber da ich sicher weiß, dass Graf Rurig zephirisches Essen sehr schätzt, werde ich Eure Einladung gerne annehmen.“
„Ich fühle mich sehr geehrt“; antwortete der Großkaufmann, verbeugte sich abermals, und machte sich eilends auf den Weg in die Küche, um seinen Koch entsprechend zu instruieren.
Als wenig später Ragnors Reisegruppe vollständig am Tisch saß, informierte der junge Ritter seine Gefährten über die freundliche Einladung des Zephirers. Graf Rurig war sofort Feuer und Flamme, sodass auch die vier Grafenritter und ihre Knappen, die bisher mit zephirischer Küche nichts zu tun gehabt hatten, keinen Einspruch erhoben, obwohl dem einen oder anderen anzusehen war, dass er sich nicht ganz wohl dabei fühlte. Doch als schließlich das Essen aufgetragen wurde, und der Raum vom Duft der fremden Gewürze erfüllt war, schwand mit jedem Bissen, den sie zu sich nahmen, die Skepsis. Nach einer wunderbar mit Minze und Koriander gewürzten Linsensuppe, wurde scharf gewürztes Kebab vom Milchlamm und ein opulenter Reispilaw mit Früchten und Nüssen gereicht. Gekrönt wurde das Menü von einer großartig zubereiteten Baklava, einer Nuss-Honig Schnitte, die für den nordischen Gaumen vielleicht eine Spur zu süß war.
Graf Rurig und Ragnor gingen nach dem Mahl zum Tisch der Zephirer hinüber, um sich für das köstliche Mahl zu bedanken und dem Koch ihre Hochachtung auszusprechen. Karim al Wasir war sehr erfreut, dass es seinen Gästen geschmeckt hatte. Also lud er die beiden Adeligen zu einem Glas tiefrot funkelnden zephirischen Rotweins ein, sodass sich die beiden genötigt sahen, am Tisch der Zephirer einen Moment Platz zu nehmen. Ragnor nutzte die sich bietende Möglichkeit, um mit dem Großkaufmann ins Gespräch zu kommen.
„Ihr müsst eine große Palette an Gewürzen mit Euch führen, mein lieber Karim. Ich habe Kardamom, Safran, Pfeffer, Gewürznelken und Koriander herausgeschmeckt.“
Beeindruckt von Ragnors Kenntnissen über zephirische Gewürze, antwortete der Großkaufmann lebhaft: „Ja ihr habt recht. Ich habe draußen auf dem Hof drei Planwagen mit zehn verschiedenen Gewürzen, die ich in Caerum verkaufen möchte.“
„Was denkt ihr, welchen Preis pro Deka ihr erzielen könnt?“, fragte Ragnor interessiert nach.
„Nun, ich denke, dass man zwischen zwanzig und einhundert Kupferpfennigen pro Deka beim Endkunden erzielen kann“; antwortete Karim al Wasir. „Ich habe vor, meinen neuen Geschäftspartnern dreißig Prozent Rabatt auf den Endverkaufspreis zu gewähren!“
Ragnor rechnete einen Moment nach und meinte dann: „Ich fürchte, dass ihr die Verkaufspreise für den Anfang etwas zu hoch angesetzt habt. Wir Nordländer müssen zuerst an diese Gewürze heran geführt werden. Das wird eine Zeit lang dauern, bis sie sich durchgesetzt haben. Könnt ihr mir Eure Vorstellungen einmal etwas näher erläutern.“
Wenig begeistert von Ragnors Aussage zog der Großhandelskaufmann eine Liste hervor, auf der er alle Gewürze, die er bei sich führte aufgeführt hatte, mit den von ihm geplanten Verkaufspreisen. Er reichte sie Ragnor und dieser vertiefte sich sofort in das hochinteressante Dokument. Er sah sofort, dass einige hundert Goldtalente von Nöten sein würden, um die gesamte Ladung aufzukaufen. Schließlich wandte er sich wieder dem Zephirer zu und meinte: „Ich hätte Euch einen Vorschlag zu machen, mein lieber Karim. Gebt mir vierzig Prozent Rabatt auf Eure kalkulierten Preise, und ich kaufe Eure gesamte Ladung für mein Kontor in Caerum auf!“
„Vierzig Prozent, ist sehr viel“; protestierte Karim al Wasir, doch Ragnor entging dabei nicht, das gierige Glitzern in seinen Augen, das ihm zeigte, dass er auf dem richtigen Weg war. Und tatsächlich einige Zeit und einige Gläser Rotwein später, war man sich einig. Ragnor kaufte mit fünfundreißig Prozent Rabatt Karims gesamte Ladung. Darüber hinaus hatte er sich mit ihm darauf geeinigt zukünftig die Gewürze direkt bei ihm in Rujaka, dem großen Handelshafen in Zephir, einzukaufen. Damit lag das Risiko des Transportes bei Ragnor, und dafür erhielt er sechzig Prozent Rabatt. Damit war der junge Ritter sehr zufrieden, denn er hatte dem Zephirer natürlich nicht erzählt, dass die Piraten, von der Insel Krala, einen weiten Bogen um die Schiffe mit seinem Banner machten. Diese fürchteten zu Recht seine Feuerschützen. Des Weiteren hatte er mit Karim vereinbart, dass dieser in Caerum sich das Warensortiment seines Kontors ansehen würde, um zu prüfen, ob er eine Möglichkeit für einen gegenseitigen Warenaustausch über das Binnenmeer sah, mit dem Ziel eine Liste von Waren zusammenzustellen, die Ragnors Segler mit nach Rujaka nehmen konnten. Am meisten freute sich der junge Burgherr darüber, dass Karim versprochen hatte, ihm zehntausend Rebstöcke des berühmten zephirischen Rotweins zu besorgen, die Ragnor auf dem vulkanischen Boden seines Burgberges anzupflanzen gedachte. Das war ein Projekt, welches ihm schon sehr lange im Kopf herum ging, und für das er heute einen perfekten Anfang gefunden hatte.
Graf Rurig war der Verhandlungsführung seines Schützlings mit großer Aufmerksamkeit gefolgt und konnte nicht umhin, als sie schließlich die Treppe hinauf in ihre Zimmer gingen, zu bemerken: „Mein lieber Ragnor. Herzlichen Glückwunsch zu deinem Handelserfolg. Ich hoffe aber, dass du in deinen Geschäften mit meiner Kämmerei etwas gnädiger verfährst. Sonst bist du am Ende steinreich und ich pleite!“
Kaum in Caerum angekommen, machte sich Ragnor eiligst auf den Weg in sein Kontor, um Ana da Falkenberg über seine Vereinbarung mit Karim al Wasir zu unterrichten. Er stellte ihr eine Anweisung über einhundert Goldtalente aus, damit sie den Zephirer bezahlen konnte, wenn er in einigen Tagen ebenfalls in der Hauptstadt Caers mit seinen Planwagen ankommen würde.
Als er schließlich sein Kontor wieder verließ, um sich auf den Weg in die Königsburg zu machen, war er mit sich und der Welt äußerst zufrieden. Er hatte nicht nur erfolgreich ein großes Geschäft angestoßen, sondern er hatte eine glückliche Ana da Falkenberg angetroffen, die in ihrer Ehe und ihrer Aufgabe als Vorsteherin seines Kontors ihre Erfüllung fand.
Der König hatte ihm in seinem Stammsitz eine großzügige Zimmerflucht zur Verfügung stellen lassen, als sichtbares Zeichen seines Amtes als oberster Heerführer des Königsreiches. Als Herzog von Caer war er nominell, nach dem König, der zweite Mann im Staate.
Doch er hatte keine Zeit in seinen Räumen zu verweilen. Er reinigte sich nur kurz vom Schmutz der Reise, denn der Hohepriester Amas hatte ihm eine Nachricht zukommen lassen, dass er ihn dringend, noch vor Beginn des Reichstages, zu sprechen wünsche.
Einige Stunden später begann bereits die Sitzung des Kronrates im großen Rittersaal der Königsburg. Als Ragnor den Saal betrat war schon gut die Hälfte der Großadeligen anwesend. Bis auf Roger da Vuerkon, der ihm wie immer mit Feindseligkeit begegnete, welche ihn wie eine rote Aura umhüllte, wurde der junge Herzog überaus freundlich empfangen und musste viele Hände schütteln. Insbesondere war Ragnor überrascht über die Herzlichkeit, mit der ihm Raskal da Momland begegnete. Ihm hatten die Eindrücke des Feldzuges gegen die Dämonen offenbar die Augen geöffnet. Er schien seinem ehrgeizigen Plan den Thron Caers zu erringen, welchen er in der Vergangenheit sehr beharrlich verfolgt hatte, abgeschworen zu haben.
Dies zeigte sich auch in der Sitzung des Kronrates, bei der der Graf von Momland, zusammen mit Rurig da Kaarborg, energisch für einen langfristigen Friedensvertrag mit Lorca focht, um für die nächsten Jahre den Frieden zu sichern. Dies gipfelte in einer kleinen Ansprache, die der Momländer, am Ende des Reichstages, hielt, in seiner Eigenschaft als turnusgemäßer Vorsitzender, und die seine Läuterung eindrucksvoll dokumentierte: „Ich freue mich sehr, dass wir unserer Verantwortung gerecht geworden sind. Uns zukünftig darauf konzentrieren unser geschundenes Land wieder aufzubauen, und unsere Streitkräfte auf weitere Auseinandersetzungen mit Ximons Horden vorzubereiten. Dafür wird jeder der anwesenden Träger eines Grosslehens seine Milizen auf Vordermann bringen. Er wird sie überdies mit Lanzenspitzen aus Tamiumeisen ausrüsten, die in Vidakar gefertigt werden. Wie beschlossen, werde ich, in Kürze, mit Herzog Ragnor nach Moron reisen, um den endgültigen Friedensvertrag mit Lorca zu verhandeln und hoffentlich erfolgreich zu besiegeln.“
Ragnor lächelte bei Raskals abschließenden Ausführungen ein wenig gequält. Die Reise mit dem Momländer nach Moron, welche ihm der Reichstag soeben verordnet hatte, war ganz und gar nicht nach seinem Geschmack. Er bot aber immerhin eine gute Gelegenheit, den streitbaren Momländer etwas besser kennenzulernen. Der Großauftrag, mehr als einhunderttausend Lanzenspitzen aus Tamiumeisen in Vidakar fertigen zu lassen, erfüllte ihn hingegen mit Befriedigung. Insbesondere da es ihm gelungen war, einen recht guten Preis für die Lanzenspitzen zu erzielen. Er würde je ein Silbertalent, pro Stück, erlösen, was Einnahmen in Höhe von eintausend Goldtalenten für die Waffenschmiede im nächsten Jahr bedeutete. Er beglückwünschte sich dazu, dass er inzwischen nahezu alle Tamiumbestände in Caer zu günstigen Preisen hatte aufkaufen lassen. Inzwischen waren die Preise für Tamium sehr stark angestiegen, da plötzlich alle Landesherren begonnen hatten, über ihre Kämmereien, Tamium nachzufragen, welches auf dem freien Markt inzwischen kaum noch zu bekommen war. So hatte Ragnor inzwischen mehr als dreihundert Tonnen des seltenen Metalls nach Vidakar schaffen können, was es ihm erlaubte weiterhin Waffen und Rüstungen aus Tamiumeisen herzustellen.
Dennoch hatte Ragnor inzwischen damit begonnen in allen ausländischen Häfen, die seine Handelsschiffe anliefen, so viel Tamium aufzukaufen zu lassen, wie zu bekommen war. Zusätzlich plante er in fernerer Zukunft eine Expedition ins Orkgebiet, um zu versuchen, von dort, Tamiumerz direkt von der Quelle zu beziehen.
Während der Reichstag in Caerum zu Ende ging, und sich Herzog Ragnor, der Graf von Momland auf ihre Abreise nach Lorca vorbereiteten, gingen die Bauarbeiten in Vidakar recht gut voran. Insbesondere die Baumstadt der Waldleute, „Vidakar alta“, hatte große Fortschritte gemacht.
Iskander, der Anführer der Waldleute in Vidakar, hatte den Bau äußerst energisch vorangetrieben, da er beabsichtigte, alsbald, Mara, die Sprecherin seines Volkes, dorthin einzuladen. Ragnor hatte ihm aufgetragen, die Rekrutierung eines weiteren Bogenschützenregiments für Vidakar vorzubereiten, und dazu musste Iskander mehr Waldleute dazu bewegen von ihrem bisherigen Hauptlager im Randgebirge, nahe Santander, dauerhaft nach Vidakar umzuziehen.
Als die ehrenwerte Mara, mit den Mitgliedern des Rates der Zwölf, in Vidakar alta anlangte, war sie sichtlich beeindruckt, eine großzügig dimensionierte, traditionelle Baumstadt ihres Volkes vorzufinden. Sie waren weit schöner und funktionaler als ihr altes Refugium im Randgebirge, wo der karge Bergwald die Errichtung so prächtigen Baumhäuser nicht zuließ. So kam es, dass die Alte spontan entschied, gleich selbst in Vidakar alta zu bleiben und ein neues Haus zu beziehen, welches Iskander eigens für sie hatte bauen lassen. Die anderen Mitglieder des Rates wies sie an, ins Randgebirge zurückzukehren und zu verkünden, dass die alte Fluchtsiedlung aufgegeben werden würde, zugunsten eines neuen Lebens in Vidakar alta.
Und so konnte sich Iskander daran machen die Vorbereitungen für die Aufstellung des Stadtschützenregimentes zu treffen und bei Heimdals Mercanern die Ausrüstung in Auftrag zu geben. Schon bald würden die berühmten Pfeilmacher der Waldleute in Vidakar ihre Produktion aufnehmen, und damit zum Wohlstand seines Volkes und von Vidakar beitragen.
Herzog Ragnor und Graf Raskal waren inzwischen an Bord der Rose von Farsborg gegangen, um sich nach Duralum, dem großen Seehafen von Lorca, einzuschiffen. Ragnor hatte in der freien Hafenstadt Kis, in der er ebenfalls ein großes Handelskontor besaß, kurzerhand eines seiner Handelsschiffe für den Transport der Delegation requiriert, sodass man nicht mit drei Kriegsgaleeren im Konvoi nach Lorca hatte segeln müssen, wie ursprünglich vorgesehen. Graf Raskal da Momland war zuerst etwas beunruhigt gewesen auf einem einzeln segelnden Handelsschiff, ohne Geleitschutz reisen zu müssen. Ragnor hatte seine Bedenken schnell zerstreuen können, nachdem er ihm erklärt hatte, welche Wirkung die Vidakarer Flagge auf Schiffe der Kralapiraten hatte. Tatsächlich erlebte der Momländer am dritten Seetag, wie drei Drachenschiffe aus Krala das Weite suchten als sie den Kurs der Rose von Farsborg kreuzten.
„Ich hätte es, ganz ehrlich, nie für möglich gehalten, dass drei Drachenschiffe vor einem einzelnen Handelsschiff Reißaus nehmen könnten, mein lieber Ragnor“; meinte der Graf am Abend desselben Tages, als er auf ein Glas Wein in Ragnors Kabine vorbei geschaut hatte. Der junge Herzog lächelte, prostete seinem Gast freundlich zu und meinte: „Mich wundert das nicht. Wie würdet ihr reagieren, wenn ihr bei jedem Angriff auf meine Frachtschiffe, ein paar Drachenschiffe verliert, ohne nur ein einziges Mal erfolgreich zu sein. Ihr würdet Euch auch Schiffe ohne Feuerschützen als Beute aussuchen!“
Als der Momländer seine Kabine wieder verlassen hatte, nahm Ragnor noch einen Schluck von dem hervorragenden zephirischen Wein, von dem der Graf einige Kisten mit an Bord hatte bringen lassen, und wunderte sich wie gut er inzwischen mit dem Momländer zurechtkam. Zwar hatte der Graf weder seine intellektuelle Schärfe noch seine spitze Zunge verloren, nur Ragnor war derzeit nicht mehr das Ziel seiner temperamentvollen Attacken. Ja, der Momländer war offensichtlich inzwischen ehrlich bemüht ein freundschaftliches Verhältnis zu ihm aufzubauen. Das gelang Ragnor zwar selber noch nicht so ganz, denn es war nicht so leicht zu vergessen, was Raskal da Momland alles versucht hatte, um ihm zu schaden. Aber er erkannte den guten Willen an, und so gelang es den beiden so unterschiedlichen Männern, mehr und mehr, konstruktiv miteinander umzugehen.
Der Momländer, eine rastlose Natur, liebte es mit dem jungen Herzog, während ihrer Seereise die neusten militärischen Taktiken zu diskutieren. Diese hatten sich in den letzten beiden Kriegen äußerst dynamisch entwickelt, beziehungsweise waren von Ragnor erst eingeführt worden. Besonders beeindruckt war Graf Raskal von Ragnors Berichten über den Einsatz seiner Schützen im Vorfeld der Belagerung der Festung Vidakar. Also stellte er, eines Abends, offen die Frage, ob unter Umständen die Möglichkeit bestünde, dass er selbst Waldleute, für die Aufstellung eines Bogenschützenregimentes, anwürbe.
„Das könnt ihr gerne versuchen, mein lieber Raskal“, antwortete Ragnor lächelnd, ob des offensichtlichen Eifers seines Gegenübers, dessen Gesicht an diesem Abend durch den reichlichen Genuss des schweren zephirischen Weines, fast so rot geworden war wie seine Haare. „Aber ich befürchte, dass das nicht ganz so einfach sein wird. Es ist alles andere als leicht die Waldleute für sich zu gewinnen. Ich würde, wenn ich an eurer Stelle wäre, lieber ein stehendes Armbrustschützenregiment aufbauen. Die könntet ihr dann problemlos aus den Reihen eurer eigenen Bauern rekrutieren.“
Der Momländer zog einen Schmollmund, ob der Antwort und bemerkte leicht angesäuert: „Ich habe fast befürchtet, dass ihr das sagen werdet. Könnt ihr nicht ein gutes Wort bei den Waldleuten für mich einlegen?“
„Nein mein lieber Raskal, das werde ich sicherlich nicht machen. Wir sind bezüglich der Waldleute leider Konkurrenten. Ich versuche gerade, ein zweites Bogenschützenregiment für die Stadtverteidigung von Vidakar altus aufzubauen, und auch die Seeschützen in Santander sollen von Kompaniestärke auf ein Halbregiment aufgestockt werden.“
„Nun, dann hab ich wahrscheinlich schlechte Karten, nachdem ich gehört habe, dass ihr gerade für die Waldleute eine große Baumstadt errichten lasst “; konstatierte der Momländer ziemlich ernüchtert. „Nun ja, vielleicht ist es besser für uns alle, wenn ihr die wenigen Waldleute, die es in Caer gibt, unter eure Fittiche nehmt und ihnen in Vidakar eine echte Heimat bietet. Schließlich wollen wir alle, dass sie dauerhaft bei uns bleiben!“
So viel abgeklärte Weisheit von seinem ansonsten sehr impulsiven Gegenüber verblüffte den jungen Herzog dann doch. Er hob spontan das Glas, um Raskal da Momland zuzuprosten.
„Falls ihr meinem Vorschlag folgt und ein Armbrustschützenregiment aufbaut, dann biete ich Euch an die Armbrüste von meinen Mercanern für Euch fertigen zu lassen. Niemand baut Bessere!“
Raskal da Momland stutzte einen Moment, ob des Vorschlages, dann bog er sich vor Lachen und prustete los: „Ihr seid schon ein geriebener Hund, mein lieber Herzog Ragnor. Zuerst macht ihr mir ziemlich drastisch deutlich, dass ich wohl keine Waldleute bekommen werde, und dann schlagt ihr mir im selben Atemzug vor, ich soll die Ausrüstung für den Ersatz bei Euch kaufen. Die Krönung des Ganzen ist, dass ihr auch noch verdammt recht habt!“
So kam es, dass der Herzog und der Graf an diesem weinseligen Abend noch einen Vertrag über eintausendzweihundert Armbrüste aus mercanscher Fertigung schlossen, wobei Ragnor, trotz eines ordentlichen Rabattes, den Raskal da Momland erstritten hatte, immer noch einen guten Profit einstreichen würde.
„Wisst ihr“, gestand der Momländer dem überraschten jungen Herzog, kurz bevor sie müde in ihre Kojen krochen. „Die Ereignisse vor Burg Harkon haben mein Leben grundlegend verändert. Mit einem Mal wurde mir klar, wie bedeutungslos mein Streben nach Einfluss und Macht gewesen ist. Die Menschheit wird nur überleben, wenn sie bedingungslos zusammen steht, sonst werden wir unweigerlich von den Heerscharen aus dem Orcus vernichtet werden!“ Mit einem melancholischen Lächeln fügte er hinzu: „Nach meiner Rückkehr nach Momland habe ich mich hingesetzt und nochmals aufmerksam die Aufzeichnungen meines toten Bruders studiert. Bedingungslose Treue und Hingabe an eine Aufgabe, an die man glaubt, das war seine Maxime. Es ist, wie ich den Pergamenten entnommen habe, auch die Eure. Ihr könnt versichert sein, dass ich Euch in Zukunft zum Wohle Caers bedingungslos unterstützen werde!“
Schließlich erreichte ihr Schiff Duralum, den großen Seehafen im Süden von Lorca, welches von einer alten, immer noch recht imposanten Festung beherrscht wurde. Graf und Herzog musterten aufmerksam den weitläufigen Hafen, in welchem, neben einer großen Anzahl an Frachtschiffen, normalerweise ein starkes Kontingent an Galeeren der lorcanschen Seeflotte stationiert war. Es lagen aber keine Kampfschiffe im Hafen, also waren sie vermutlich alle gerade auf Patrouillenfahrt.
„Die Lorcaner haben offenbar keine Reserven mehr, seit sie vor Santander einen wesentlichen Teil ihrer Seeflotte verloren haben“; mutmaßte Ragnor, während er die verwaisten Kriegskais musterte.
„Ja, wir haben sie schwer geschlagen, zu Lande und zur See!“; stimmte ihm Raskal da Momland zu. „Ihr Glück, dass sie sich am Ende mit uns verbündet haben. Sonst wären sie noch mehr geschwächt, als sie es eh schon sind!“
„Ja, im Moment geht es im lorcanschen Heer ziemlich rau zu. Meine Gewährsleute berichten, dass der König, angetrieben von seiner Mutter, gerade dabei ist die uns bekannten Mitglieder des Generalstabs zu entmachten“, fügte Ragnor ernst hinzu.
„Keine wirklich guten Nachrichten“, versetzte der Momländer. „Aber ich habe nicht wirklich erwartet, dass das Königshaus, welches diesen sinnlosen Krieg angezettelt hat, mit Begeisterung auf die Niederlage reagieren würde!“
„Nein, das war nicht zu erwarten“, stimmte der junge Herzog zu. „Es ist schon augenfällig, dass der Hof versucht, alle alten Gefolgsleute des verblichenen Königs kalt zustellen, die Zeuge der Schlacht vor Burg Harkon gewesen sind. Die einzige Instanz, bei welcher der Hof auf Granit beißt, ist die Ritterschaft, da der Großmeister Ramon da Torres, dort weiterhin unangefochten ist!“
„Nun, wir werden ja sehen, wie die Friedensverhandlungen laufen werden, und ob das Königshaus etwas dazu gelernt hat.“, fasste Raskal da Momland ihr Gespräch äußerst treffend zusammen.“
Inzwischen hatte ihr Schiff am Pier angelegt, und es war zu erwarten, dass in Kürze der Gouverneur von Duralum oder einer seiner höheren Beamten an Bord kommen würde, um die caersche Delegation offiziell zu begrüßen. Also war es nun höchste Zeit unter Deck zu gehen, um sich präsentabel zu machen.
In seiner Kabine angekommen, legte Ragnor seinen schwarzen Bogenschützenwaffenrock gewebt aus Vikonarfasern ab. Er tauschte ihn gegen ein aufwendig versilbertes Kettenhemd, welches ihm der König anlässlich seiner Erhebung zum Herzog geschenkt hatte. Obwohl dieser Kettenpanzer prächtig aussah, bot er im Grunde genommen nicht mehr Schutz, als der unscheinbare Waffenrock, war dafür zehnmal so schwer. Über dem Kettenpanzer trug er, wie es in Adelskreisen Sitte war, seinen Wappenrock und seinen schwarzen Mantel, der mit der caerschen Herzogsbrosche, die in ihrer Mitte einen großen Rubin trug, an seiner rechten Schulter befestigt war, als sichtbares Zeichen seines Amtes.
Schwert und Dolch gürtete er ebenfalls um, verzichtete aber auf Helm, Panzerhandschuhe und Panzerstiefel. Als Haarschmuck trug er einen schlichten Silberreif, um sein schulterlanges Haar zu bändigen. Schuhe und Stiefel waren aus bestem schwarzem Leder gefertigt, und ebenfalls mit einigen Silbereinlagen verziert, die ihren Tragekomfort nicht minderten. Es waren Meisterstücke mercanscher Handwerkskunst.
Als er fertig war, bemerkte sein Knappe Klaus, der sich ebenfalls in den Farben seines Herrn gekleidet hatte, sichtlich zufrieden: „Wirklich eine gute Wahl und eines Herzogs würdig! Schwarz und Silber stehen dir wirklich gut.“
Dieses Kompliment nötigte seinem Freund und Herrn ein eher gequältes Lächeln ab. Dieser hasste nichts mehr, als offizielle Auftritte in repräsentativer Kleidung. Aber es half ja nichts, er war nun mal der Herzog von Caer. Von seinem Auftreten und seinem Verhandlungsgeschick konnte im schlimmsten Fall das Ergebnis der Verhandlungen mit dem lorcanschen Hof abhängen.
Als Ragnor schließlich, in Begleitung des Grafen Raskal da Momland und der beiden Knappen, am Palast des Statthalters von Duralum, einem aus rotem Sandstein errichteten, recht prachtvollen Palazzo ankamen, brummte der Graf leise beim Aussteigen: „Keine üble Stadtresidenz. Hier lässt es sich leidlich wohnen. Sicherlich komfortabler, als, dort oben auf dem Berg, in der alten düsteren Festung!“
Auf der Treppe begrüßte sie der Majordomus des Statthalters und geleitete die beiden Adeligen in den Innenhof, die Knappen und ihre Eskorte auf dem Vorplatz zurücklassend. Hatten die beiden kriegerisch gekleideten Caerer bereits die Nase über den geschminkten, parfümierten Haushofmeister gerümpft, so übertraf ihn sein Herr, der Statthalter von Duralum, namens Franio da Loco, noch Weitem.
Dieser trug nämlich, neben einer geckenhaften Kleidung, auch noch eine gepuderte Perücke, welche offenbar aus Rosshaar, oder einem ähnlichen Material gefertigt worden war. Er begrüßte die beiden Caerer mit näselnder, hochmütiger Stimme: „Willkommen in Lorca. Ich bin Franio da Loco, der Statthalter von Duralum und ein Vetter ersten Grades unseres geliebten Königs Massimo!“
Über den herablassenden Blick, den ihm dieser Geck von einem Statthalter zuwarf, erbost, antwortete ihm der Momländer, ohne die geringste Andeutung einer begrüßenden Verbeugung mit kühler Stimme: „Ich bin der Graf von Momland, der amtierende Vorsitzende des Kronrates von Caer. Ich möchte Eure Zeit nicht über Gebühr beanspruchen, sondern lediglich von Euch wissen, ob unsere unverzügliche Weiterreise nach Moron sicher gestellt ist.“
„Mein lieber Graf“, antwortete der Lorcaner sichtlich geschockt über die brüske Reaktion des Grafen, welchen seine enge Verwandtschaft mit dem regierenden Königshaus offenbar nicht im Geringsten beeindruckt hatte. „Leider muss ich Euch mitteilen, dass Eure Eskorte, bestehend aus Reichsrittern, noch nicht in Duralum eingetroffen ist. Wir werden Euch informieren, sobald alles zu Eurer Weiterreise bereit ist.“
Wohl erkennend, dass Graf Raskal sich wiederum daran machte zu einer harschen Entgegnung anzusetzen, fügte er hastig hinzu: „Doch jetzt lasst uns erst einmal gemeinsam, mit einem Glas Wein, auf den Frieden zwischen unseren Ländern anstoßen!“
Das nahm dem Grafen erst einmal den Wind aus den Segeln. Er klappte den Mund wieder zu, den er schon geöffnet hatte, um sich über die ungebührliche Verzögerung zu beschweren.
Der Statthalter führte seine beiden Gäste zu einigen, bequem aussehenden, Ohrensesseln nahe dem Kamin. Ein Lakai reichte, auf ein Fingerschnippen des Statthalters, drei schwere, reich mit kostbaren Edelsteinen verzierte Goldpokale. Daraufhin brachte der Lorcaner einen Tost auf die Königshäuser von Lorca und Caer aus. Seine Gäste nahmen daraufhin artig einen Schluck aus ihren Weinpokalen. Gerade als der Lorcaner wieder ansetzen, etwas zu sagen, erhob sich ein lauter Tumult vor dem Audienzsaal. Eine Ragnor wohlbekannte Stimme donnerte laut und vernehmlich: „Es ist mir vollkommen egal, wen der Statthalter gerade empfängt. Falls du nicht sofort zur Seite gehst, werde ich dir in deinen parfümierten Lakaienarsch treten!“
Der Statthalter sprang wie von einer Wespe gestochen auf und eilte zur Tür, um die Peinlichkeit, die sich hier anbahnte, irgendwie noch zu verhindern. Doch bevor er die Türklinke erreichen konnte, öffnete sich diese krachend. Die stämmige Gestalt von General Malleine, den Ragnor im letzten Krieg kennen und schätzen gelernt hatte, stürmte in voller Rüstung herein. Dabei prallte er fast mit Franio da Loco zusammen. Bevor der Statthalter auch nur den Mund aufmachen konnte, polterte der General bereits los: „Wie könnt Ihr es wagen meinen Soldaten, mitten im Frieden, die Rationen zu kürzen. Ihr mischt Euch in Dinge ein, die Euch überhaupt nichts angehen!“
„Bitte General, ich habe Gäste.“, versuchte der Statthalter, den Redefluss seines Gegenübers zu bremsen, doch dieser ließ sich nicht beirren und fuhr grimmig fort: „Es ist mir vollkommen egal, ob ihr gerade irgend eine unwichtige Hofschranze empfangt. Hebt unverzüglich diesen illegalen Befehl auf, und ihr seid mich sofort wieder los!“
„Äh, na gut. Ich werde den Befehl zurücknehmen“, knickte der Statthalter ein. Er winkte hektisch nach seinem Schreiber, um seinen Worten Taten folgen zu lassen. Während er mit der Ausstellung des Befehles beschäftigt war, löste sich der Blick des Generals von da Locas geschminktem Gesicht und wanderte hinüber zum Kamin, wo Ragnor und der Graf saßen.
Als er herüber blickte, erhob sich Ragnor und verbeugte sich zum Gruß. Der alte Fuchs erkannte ihn natürlich sofort, stürmte an dem verdutzten Statthalter vorbei. Er ergriff die dargebotene Hand des jungen Herzogs: „Bei Ama, ich habe Euch eine Hofschranze genannt. Ich hoffe ihr könnt mir vergeben, Herzog Ragnor, Schrecken aller Dämonen der neun Höllen Ximons!“
Ragnor grinste, erfreut den alten Kämpen gesund und munter wieder zu sehen. Er antwortete, während er des
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Texte: Jürgen Friemel
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Lektorat: Katja Friemel
Tag der Veröffentlichung: 07.03.2015
ISBN: 978-3-7368-8239-3
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich möchte mich ganz besonders bei Beate Rocholz für ihr großartiges Cover-Design bedanken, welches der gesamten Saga ein Gesicht gegeben hat.