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Leseprobe

New York Bad Boys – Nick

Verliebt in einen Wallstreet Broker

 

Yearn for – Band 5

 

 

Allie Kinsley

 

 

 

 

 

 

1 Work

 

 

NICK

 

Schwer atmend lehnte er seinen Kopf gegen Nancys Schulter und musste grinsen. Sex im Kopierraum war so unfassbar klischeehaft, aber dennoch sexy.

Er schob sich rückwärts und zog sich aus ihr zurück, dann drückte er den Start-Knopf des Kopierers, um ein Schwarz-Weiß-Bild von Nancys kleinem, perfektem Arsch zu machen.

"Hey!", beschwerte sie sich und rutschte vom Gerät, als der grüne Lichtstreifen bereits an ihrem Arsch vorbeigefahren war.

"Ein Andenken", neckte Nick sie und griff nach der Kopie, nachdem er sich wieder angezogen hatte.

Nice. Fast schon moderne Kunst oder Ähnliches, dachte er, während er sein Kunstwerk betrachtete.

Nancy, seine wirklich heiße Kollegin, zupfte ihr strenges Bürokleid zurecht und kontrollierte ihre Haare, bis sie wieder in einem perfekten Dutt zusammengesteckt waren.

Warum sie so auf diesen Seriositätsscheiß abfuhr, würde Nick nie verstehen. Es gab für jeden Moment die richtige Kleidung, aber man musste nicht immer für den großen Business-Auftritt angezogen sein, wenn man eigentlich zum Vögeln im Kopierraum ins Büro gekommen war.

Okay, das galt vielleicht nur für ihn und nicht für Nancy, denn diese bestand auf ihre geregelten Arbeitszeiten, genauso wie ein Beamter.

Ganz und gar nicht beamtenlike schmiegte sie sich jetzt an seine Brust und zupfte zugleich den Kragen seines blauen Hemdes gerade.

"Du bräuchtest kein Andenken, wenn du einfach öfter bei mir sein würdest", schnurrte sie und knabberte lasziv an seinem Kinn.

Doch Nick hatte den Braten schon gerochen. In der letzten Zeit machte sie viel zu häufig Anspielungen, die über ihr wunderbares, simples Sexengagement hinausgingen.

Doch noch bevor er antworten musste, öffnete sich die Tür zum Kopierraum und Ace kam herein. Nick war sich nicht sicher, ob Ace nun besser oder schlechter war als jeder andere Kollege. Wäre jemand anders in den Raum gekommen, hätte Nancy sich sofort von ihm entfernt und gebührenden Abstand zwischen sie gebracht, wie es sich gehörte. Doch damit wäre dieses immer wiederkehrende Problem nur sehr kurzfristig behoben worden.

Und vielleicht war genau dieser Tag der richtige, um Nancy mal wieder einen etwas nachhaltigeren Dämpfer zu versetzen. Denn wenn es eines gab, das Nick nicht wollte, dann war es eine Beziehung.

Er hatte oft überlegt, ob es irgendwelche tiefergehenden Gründe für seine – wie Frauen es gern nannten – Bindungsprobleme gab. Aber nein. So war es nicht. Er hatte weder eine schlechte Kindheit noch eine Krankheit oder ein Trauma, das er vorschieben konnte. Er war einfach nur er und nicht gewillt, sich auf eine Person festzulegen.

Was vielleicht sogar daran lag, dass er sich ja noch nicht einmal auf ein Geschlecht festlegen wollte. Er wollte Sex mit jedem. Wann und wo er wollte. Also kein Grund, sich in die Ketten einer Beziehung legen zu lassen, oder? Dieser etwas unangenehme Moment machte das Warum wieder mal ganz deutlich.

Jegliche Form von Gefühlen – seine sehr innige Freundschaft zu seiner selbst gewählten Familie einmal ausgeschlossen – führten zwangsläufig früher oder später zu Problemen.

Ergo: Keine Gefühle – keine Probleme. Ende der Gleichung. Und dass dieses Gesetz immer noch galt, musste wohl allen Parteien noch mal ins Gedächtnis gerufen werden, wenn er die etwas drückende Stille im Raum richtig interpretierte.

"Schau, Nancys Arsch", sagte er deshalb grinsend und hielt das Bild in Richtung Ace.

Empört schnaubte Nancy, riss es ihm aus der Hand und stopfte es in den Aktenvernichter.

Der Vorteil: Sie hatte ihn endlich losgelassen. Und um noch eins draufzusetzen, zuckte er mit den Schultern und deutete auf den Kopierer.

"Schwing deinen hübschen Hintern auf den Kopierer, Ace, dann können wir auch ein Vögelbild machen."

"Du bist so ein total kindisches Arschloch, Nick!", fauchte Nancy.

Und du bist eine Klammerkrake, hätte er gern geantwortet, verkniff es sich aber.

Dafür zischte Nancy weiter: "Du wirst dich schon irgendwann mal entscheiden müssen, oder was meinst du, wie lang das hier noch gehen soll?"

Ace' dunkle Augenbraue schoss nach oben, aber er schwieg. Nick nicht, dafür war er jetzt zu sauer. Die Arme vor der Brust verschränkt lehnte er sich gegen den Kopierer, auf dem er gerade noch so viel Spaß gehabt hatte, und musterte Bibliothekarinnen-Look-Nancy.

"Tu nicht so überrascht. Ich habe dir nie mehr als eine Fick-Affäre angeboten." Bewusst vermied er das Wort Beziehung, da das alles nur noch schlimmer machen würde.

"Da sind wir doch schon weit drüber hinaus!"

Er zuckte mit den Schultern. "Wenn du nicht mehr willst, okay, dann lass es. Solange du die Beine für mich breit machst, sind wir aus meiner Sicht immer noch da, wo wir angefangen haben."

Ungehalten schnaubte sie und stieß ihn grob vor die Brust, ehe sie aus dem Raum stürmte.

Drama-Queen! Tief durchatmend setzte er ein Lächeln auf und wandte sich Ace zu, der noch immer stumm neben dem Eingang stand.

"Und du? Drama oder Quicky auf dem Kopierer?"

Ace verdrehte die Augen. "Ob du es glaubst oder nicht, ich bin tatsächlich hier, um zu arbeiten." Er hob einen kleinen Stapel Papiere hoch, als wollte er seine guten Absichten beweisen.

Nick wusste nicht, ob das stimmte oder nicht, aber es war ihm auch egal, solange nicht die nächste Drama-Runde anstand.

"Tu dir keinen Zwang an", antwortete er zwinkernd und trat zur Seite, nicht ohne Ace im Vorbeigehen auf den Knackarsch zu klapsen.

Ace legte die Papiere in den Kopierer, doch bevor Nick das Zimmer verlassen konnte, sagte er leise: "Ich werde dein Kondom hier nicht entsorgen."

Lachend drehte Nick um und packte es in ein Taschentuch; als er wieder an Ace vorbeiging, küsste dieser ihn flüchtig auf den Mund.

Herrlich unkompliziert. So wie es auch mit Nancy sein sollte. Aber Frauen waren ja immer komplizierter als Männer, oder? Wahrscheinlich wollte er sich gerade deshalb nicht ernsthaft an eine Frau binden. Dieses ganze Drama und Geheule war einfach zu viel für ihn.

Er wollte Spaß haben und das Leben genießen. Das ging mit einem unkomplizierten Mann eben deutlich besser.

Okay, zugegeben, ganz so unkompliziert war es auch mit Ace im Moment nicht. Er war irgendwie stiller und in sich gekehrt, aber wer wusste schon, was in seinem Leben vor sich ging?

Und Nick hatte nicht vor, danach zu fragen, denn das wäre einfach nicht Teil seiner Fick-Affäre. Da ihm das Drama für heute aber bis zum Hals stand, beschloss er, die Mittagspause lieber mit seinen Freunden als mit seinen Kollegen zu verbringen.

Hazel hatte bestimmt Zeit für ihn.

 

NANCY

 

Okay, sie war zu weit gegangen. Natürlich war sie auch stinkwütend über Nicks abfällige Worte, aber ihm so die Pistole auf die Brust zu setzen, war eine denkbar schlechte Idee gewesen.

Doch nach all den Monaten immer noch geduldig zu sein, fiel ihr zugegebenermaßen wirklich schwer. Vor allem in Gegenwart von Ace, der sie verdammt eifersüchtig machte.

Warum? Nun … Nancy hatte zunehmend das Gefühl, dass sich das, was zwischen Ace und Nick lief, viel schneller und weiter von Sex weg entwickelte als das, was Nick mit ihr hatte.

Zwischen Ace und Nick war es fast schon freundschaftlich und die Dinge, die sie teilten, gingen eindeutig über eine Fick-Affäre hinaus.

Also nicht, dass sie das nicht verstehen konnte. Sie mochte Ace ja ebenfalls, und eine Zeit lang, als sie beide noch neu in diesem Büro gewesen waren, hatte sich sogar fast so etwas wie eine Freundschaft zwischen ihnen entwickelt. Zumindest so lange, bis es zwischen Ace und Nick enger und enger geworden war und die beiden … mehr hatten.

Und bei ihr?

Nun, von ihrer Seite aus war schon lange alles klar. Eigentlich seit dem ersten Moment, in dem sie Nick gesehen hatte. Es war Liebe auf den ersten Blick. Dieses atemberaubende Gefühl, mit dem das Herz für einige Takte aussetzt und alles um sie herum verschwamm. Dieses Wissen, dass man in diesem Moment den einen gefunden hatte, mit dem man sein ganzes Leben verbringen wollte.

Nick war dieser eine. Die Liebe ihres Lebens und ihr Soulmate.

Sicher.

Ganz sicher!

Nur leider hatte Nick das noch nicht erkannt. Er war so davon überzeugt, keine monogame Beziehung zu brauchen, dass er alles, was dafürsprach, völlig ausblendete.

Doch auch Nancy war überzeugt. Überzeugt davon, dass er es irgendwann erkennen würde, dass er es irgendwann sehen würde, dieses besondere Band zwischen ihnen, das mehr aus ihnen machte als Menschen, die miteinander ins Bett stiegen. Oder auf den Kopierer oder die Küchenzeile oder die Toilette.

Doch so klar ihr das war, so klar war ihr – an guten Tagen – auch, dass sie Nick damit nicht bedrängen durfte.

Nicks Freigeist schlug um sich, wenn jemand versuchte, ihn einzusperren. Das wusste sie, und dennoch tappte sie immer wieder in diese Falle, überschritt diese Grenze, die doch so grellrot vor ihr aufleuchtete!

Sie konnte sich nicht beherrschen, wollte ihn einfach nur schütteln, bis er aufwachte und sah, was sie sah.

Liebe.

Alles umfassende Liebe und die Chance, etwas ganz Besonderes zu haben.

Stattdessen rannte er zu Ace. Immer und immer wieder. Und jedes Mal brach er ihr damit das Herz. Ihr war kotzelend, wenn sie daran dachte, dass Ace und er Sex hatten. Schlimmer noch, dass er Ace danach vielleicht im Arm hielt und ihn küsste.

Aber es war so, wie es war, und nur die Zeit würde dieses Problem lösen. Irgendwann würde er verstehen, wie viel sie für ihn empfand, und würde dankbar für dieses Geschenk sein.

Irgendwann. Und bis dahin musste sie geduldig bleiben, musste stark sein und voller Zuversicht. Nicht das kleine bettelnde Mädchen oder schlimmer noch: die kleine zickende Tussi. Denn das verabscheute Nick mehr als alles andere.

Was blieb ihr also anderes übrig? Sie würde sich bei ihm entschuldigen müssen, ihn anflehen, sie zurückzunehmen, um dann auf die Gunst der Stunde zu warten und zu wissen, dass schlussendlich alles gut werden würde.

Also goss sie sich ein weiteres Glas Wein ein und arbeitete an der perfekten Entschuldigung. Sie musste verdammt gut sein nach allem, was sie sich bei ihrem Gefühlsausbruch heute geleistet hatte. Ein einfaches Sorry war da bei Weitem nicht genug, so viel war sicher! Aber sicher war auch, dass, wenn sie sich genügend anstrengte, Nick ihr vergeben würde, und irgendwann würde er sie auch so lieben wie sie ihn. Sie musste nur härter an sich arbeiten, mehr so sein, wie Nick sie wollte. Mit genügend Anstrengung würde alles gut werden.

Mit Sicherheit.

Sie würde all das sein, was Nick sich immer von einer Frau gewünscht hatte, und dann würden sie glücklich bis an ihr Lebensende zusammen sein.

 

 

 

 

 

 

2 Unter Freunden

 

 

NICK

 

Das Bier schmeckte. Zumindest etwas, das so war, wie es sein sollte. Hätte er vor einem Jahr gewusst, wie anstrengend alles werden könnte, hätte er sich niemals auf all das eingelassen.

Okay, ja, seine Freunde hatten ihn gewarnt, immer wieder, aber wer glaubte schon seinen Freunden, wenn die keine Ahnung von Affären im Allgemeinen hatten. Sie alle steckten schließlich bis zum Hals in ihren Beziehungen.

Sogar Liam, von dem Nick niemals geglaubt hätte, dass er sich jemals binden würde. Doch vor gar nicht allzu langer Zeit hatte sein Freund mit dem Modelgesicht es geschafft, sich seine angebetete Fotografin zu angeln. Unfassbar, wenn man bedachte, dass Liam sonst im Schnitt fünf Models die Woche abgeschleppt hatte.

"Noch eins?" Adams Stimme riss ihn aus seinen Gedanken, und ein Blick auf seine Bierflasche bestätigte, dass diese bereits wieder leer war.

Er nickte. "Ja, bitte."

Adam war wie immer. Und anders. Seit er mit Faith verheiratet war und die beiden ein Baby hatten, merkte man einfach, dass das Central – die Bar, die Adam gehörte und die ihr aller zweites Zuhause war – nicht mehr an erster Stelle stand. Wer konnte es ihm verdenken? Die kleine Penelope war ein Goldstück und würde ihrem Vater einmal kräftig den Verstand rauben.

Er selbst konnte sich nicht vorstellen, jemals eine Familie zu haben. Ja, klar, Babys waren niedlich und er war liebend gern Patenonkel für die kleine Prinzessin. Aber er war lieber die Sorte Patenonkel, die das Vermögen des Winzlings verzehnfachte, als eine einzige Windel zu wechseln.

Allein bei dem Gedanken schüttelte es ihn und er nahm dankbar das Bier von Adam entgegen. Einen großen Schluck später hatte er die Vorstellung verdrängt.

"Schwere Woche?", fragte Deacon, der neben ihm am Tresen saß.

Ein Blick zur Seite zeigte ihm das so vertraute Gesicht seines Freundes. Es hatte Zeiten gegeben, da hatte Nick sich ernsthaft Sorgen um Deacon gemacht. Er hatte den Tod seiner Schwester so verdammt schlecht verkraftet, hatte Jahre daran zu knabbern gehabt. Als all der Scheiß mit Hazels Ex-Mann ans Tageslicht gedrungen war, hatte Nick tatsächlich daran gezweifelt, ob Deacon das alles schaffen würde.

Und heute? Heute ging es seinem Freund besser denn je. Er hatte die Liebe seines Lebens gefunden, war verlobt und hatte ein Haus. Deacon war der Glückspilz in Person und gegen ihn kam Nick sein eigenes Leben fast schon armselig vor.

"Frag nicht." Nie im Leben hatte er gedacht, dass er einmal so ungern zur Arbeit gehen würde. Er liebte seinen Job. Brocker zu sein war alles, was er sich jemals gewünscht hatte. Sein Job war ein einziger Nervenkitzel. Gefangen zwischen Spekulationen, der Angst zu verlieren und dem Endorphincocktail, wenn er das Geld um einen großen Batzen vermehrt hatte.

Und er war verdammt gut in seinem Job. Nicht umsonst hatte er fast schon so etwas wie Narrenfreiheit bei seinem Boss.

Er kam und ging, wann er wollte, arbeitete nachts oder am frühen Morgen, war immer on Tour, selten im Büro und wenn, dann eher, weil er seine Kollegen vermisste. Körperlich vor allem.

Und genau das hatte ihn in diese verzwickte Situation gebracht. Gefangen zwischen zwei Kollegen, die er – zumindest körperlich – mochte. Leider entwickelten sich beide in den letzten Wochen nicht gerade zum Positiven.

"Sag bloß, das Mädel hat dich endlich abgeschossen?", fragte Lilly mit hochgezogener Augenbraue.

Das Mädel. Nancy.

Nein, Nancy hatte ihn nicht abgeschossen. Aber Nancy machte ihm das Leben gerade richtig schwer. Eifersuchtsdramen am Arbeitsplatz waren wirklich nicht nice.

Aber das würde Lilly wohl nicht verstehen. Sie hatte von Anfang an ziemlich allergisch auf diese Dreiecks-Affäre – und nein, es war keine Beziehung – reagiert. Slades Frau war aber dank ihrer Schwangerschaft sowieso völlig in ihrem Hormoncocktail gefangen.

Warum sie schwanger in einer Bar war? Höchstwahrscheinlich nur, weil sie Slade hier abgeliefert hatte, ehe sie selbst nach oben zu Faith ging und Dinge tat, die Mütter untereinander nun mal so taten.

Wenn eines sicher war, dann, dass Nick das niemals vermissen würde. Mal ernsthaft: Wer zum Teufel unterhielt sich schon gern über die Konsistenz der Auswürfe des Nachwuchses?

"Man kann niemanden abschießen, mit dem man nicht zusammen ist", antwortete Nick überzeugt und stieß dann mit Aiden an, der ihm zustimmend seine Flasche entgegenhielt.

Aiden, Adams Zwillingsbruder. Einer der wenigen, der noch nicht auf diesen Pärchenbus aufgesprungen war.

"Jemand, mit dem man regelmäßig Sex hat, ist doch ein Partner." Hazel klang wunderbar verwirrt.

Nick stupste sie mit dem Zeigefinger auf die kleine Nase. "Du bist so herrlich unschuldig, Bambi", sagte Nick.

Wenn er jemals eine Beziehung hätte haben wollen, dann mit einer Frau wie Hazel. Auch wenn er niemals das Durchhaltevermögen von Deacon hatte. Hazel war wundervoll. Ruhig, freundlich, zurückhaltend, aber wenn es drauf ankam, eine kleine Raubkatze, die fauchen konnte wie ein Tiger.

Außerdem war sie bildhübsch und das kleine Baby, das noch kaum sichtbar in ihrem Bauch schlummerte, würde genauso hübsch werden wie Bambi.

Dennoch, das allein war doch diesen ganzen Aufwand nicht wert! Dieses ständige Kämpfen, Versöhnen, Streiten, Wieder-Lieben.

Wer sollte da schon hinterherkommen?

Beziehungen waren anstrengend. Man musste sich anpassen, Kompromisse eingehen. Wofür das alles? Sex konnte er auch ohne das ganze Drama haben! Also für gewöhnlich zumindest. Denn im Moment hatte er mehr Drama, als er jemals hatte zulassen wollen.

"Worüber denkst du nach?" Slade beobachtete ihn, als wäre er ein Insekt unter dem Mikroskop. Dabei sollte er lieber seine Frau hier wegbringen, bevor noch mehr von den Idioten sie anstarrten.

Schnell schüttelte er den Gedanken ab. Er war schon genauso verrückt wie all die anderen Macho-Pärchen-Typen, die sich brusttrommelnd ins Getümmel warfen, um ihre Frauen zu verteidigen und sie dann anschließend an den Haaren in ihre Höhle zu zerren, um unzählige Babys in ihre Baby-Backöfen zu befördern.

Es wurde Zeit, dass er sich selbst aus seinem Selbstmitleid-Loch zog und der Welt lieber sein Gute-Laune-Gesicht zeigte.

"Nun, first of all", setzte er an und glitt von seinem Barhocker, damit seine Zuhörerschaft ihn besser sehen konnte. Dass diese fast nur aus seinen Freunden bestand, weil der Rest der Gäste des Centrals mit ihren eigenen Dramen beschäftigt war, zählte dabei nicht.

Was zählte, war ein großer Auftritt. Immer. Es kam darauf an, wie man sich verkaufte. Sich oder die Aktien, alles kein Problem. Er grinste in sich hinein. Vielleicht stiegen ihm die Coronas doch schon zu Kopf.

Er räusperte sich und fuhr fort: "Also, ich denke darüber nach, warum ihr alle in Beziehungen seid."

"Ich nicht!", warf Aiden ein und hob sein Glas.

Nick winkte ab. "Unfreiwillig, das zählt nicht." Denn eigentlich wussten sie alle, wem Aiden hinterher hechelte. Dann wandte er sich wieder seinem Publikum zu. "Ich sehe die Vorteile nicht."

"Sex! Sooft man will", warf Slade ein, woraufhin Lilly die Augen verdrehte.

Nick winkte wiederum ab. "Das bekomme ich auch ohne Beziehung."

"Man ist nicht allein", sagte Harper, die an Liams Brust gelehnt dastand.

"Ich bin nicht allein", sagte Nick und deutete auf die Runde. "Ich habe die besten Freunde der Welt."

"Und wenn all diese Freunde nach Hause gehen, bist du allein", sagte Deacon im Oberlehrer-Ton.

"Dann besuche ich entweder jemanden auf einen Fick", antwortete Nick. "Oder ich will sowieso schlafen und meine Ruhe."

"Es ist schön, wenn jemand in deinen Armen liegt", warf Slade ein und zog seine Frau an sich, die er eben noch mit seinem Sexargument vergrault hatte.

"Oooh …" Hormon-Lilly schmiegte sich an ihn. "Das macht das Sex-Ding fast wieder wett."

Alle lachten und für einen Moment fühlte es sich an wie früher.

"Ihr habt keine Ahnung." Nick trank einen Schluck Corona. "Ich habe alles, was ihr habt, nur ohne Drama!"

"Hast du nicht eben erzählt, dass du Probleme mit Natalie hast?", fragte Adam ungerührt, während er eines seiner Gläser abwischte.

Das war das Problem mit Barkeepern, sie waren immer nüchtern und konnten die herrlich angetrunkenen Theorien ihrer Gäste mit reiner Logik zunichte machen.

"Nancy", korrigierte Nick und stellte seine Bierflasche ab. "Aber das ist kein Problem, die bekommt sich schon wieder ein." Hoffentlich. Denn so war das alles ja kaum tragbar!

In diesem Moment klingelte sein Handy. Schnell zog er es aus seiner Hosentasche und sah neugierig auf das Display.

Ace.

Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. Wenn das mal kein positiver Wandel war. Endlich jemand, mit dem er sein Nancy-Drama vergessen konnte. Ace war der gute Fick-Kollege.

Der, der kein Drama machte. Schließlich war er ein Mann. Männer machten kein Drama. Oder zumindest nicht so häufig wie Frauen. Männer waren eben die besseren Frauen.

Nick hob einen Finger, um den anderen zu bedeuten, dass sie nicht dazwischenquatschen sollten, und ging an sein Handy.

"Ace! Wie schön, von dir zu hören." Und Nick meinte es so. Wahrscheinlich hätte niemand sonst ihm so den trübseligen Abend versüßen können.

Schweigen antwortete ihm am anderen Ende, dann seufzte Ace irgendwie geschlagen. "Dachte, du willst vielleicht vorbeikommen."

Okay, das klang nicht ganz so begeistert, wie Nick sich fühlte, aber immerhin hatte Ace angerufen, also wollte er doch einen Bootycall, oder?

Grinsend trank Nick sein Bier aus. Gut, dass Ace nicht auf das Gezicke mit Nancy anspielte und den glücklichen Gewinner heraushängen ließ. Das wäre definitiv upturn gewesen.

"Bin schon unterwegs", antwortete Nick und stellte die Flasche auf dem Tresen ab. Dann legte er auf und steckte das Handy ein. "Seht ihr. Megaunkompliziertes Leben."

Seine Freunde sahen ihn allesamt fassungslos an, als wäre er ein seltenes Insekt oder Ähnliches. Er konnte nicht verstehen, dass die anderen das nicht sahen. Aber in diesem Moment war es ihm auch egal, denn er freute sich einfach auf die Nacht mit Ace.

"Morgen Training mit Jordan, vergiss das nicht!", sagte Slade.

Er nickte. Ein Sparring gegen den Jungspund wäre genau das Richtige, um seine Energie loszuwerden. Dann küsste er die Ladys auf die Wange, mehr um seine Freunde zu ärgern als wegen allem anderen, bevor er aus der Bar verschwand. Das Central. Sein zweites Zuhause.

Oder drittes?

In Slades Boxclub war er fast genauso oft. Eigentlich überall da, wo seine Freunde sich regelmäßig aufhielten. Und diese Aufteilung zwischen seiner Arbeit, dem Boxen und den entspannten Abenden in der Bar war genau das Richtige.

Work-Life-Balance hatte der voll im Griff. Für gewöhnlich auch seine Drama-Sex-Balance, nur die war heute ziemlich ins Wanken gekommen.

Doch vielleicht würde Ace das jetzt wieder in die Waage bringen. Nick hoffte es, für alles andere hatte er an diesem Abend keine Kraft mehr.

Denn zugegeben, er freute sich auf Ace, und er freute sich, dass sein Lieblings-Sex-Kollege sich zu so später Stunde noch gemeldet hatte, um Nick die Nacht zu versüßen. Was konnte es schon Besseres geben?

Ein Grinsen schlich sich auf Nicks Züge, während er die nächsten Stunden plante. In seinen Gedanken ging es vorrangig um Sex.

Viel Sex.

Verdammt guten Sex.

Die Hände in die Hosentaschen gesteckt, schlenderte er durch die noch immer belebten Straßen von New York und hielt Ausschau nach einem Taxi, das ihn endlich zu Ace bringen würde.

 

ACE

 

Tief durchatmend öffnete er die Tür. Nick sah genauso sexy aus wie jeden Tag. Die Lederjacke, die er über dem maßgeschneiderten weißen Hemd trug, gab ihm ein irgendwie verwegenes Aussehen. Bad-Boy-Style, wie Nancy es nennen würde.

Der Gedanke an seine Kollegin verschlechterte seine Laune gleich noch weiter. Es war ihm schwergefallen, zu sehen, was zwischen den beiden abgelaufen war. Nicht nur, weil eine ekelhafte Eifersucht an ihm genagt hatte, sondern auch, weil er Nancy so verdammt gut verstehen konnte.

Er wusste genau, wie sie sich fühlte, wollte sich gleichzeitig nicht so fühlen. Das Durcheinander in seinen Gefühlen, das von Woche zu Woche schlimmer wurde, machte ihn nach und nach fertig.

Du klingst wie eine Pussy!, schalt er sich selbst in Gedanken.

Er sollte nicht so denken wie Nancy. Er war kein verdammtes Weib, das einen Gartenzaun und drei Kinder wollte.

Genau genommen hatte er doch jetzt alles, was er sich immer gewünscht hatte. Er hatte ein fantastisches Apartment, fast schon ein Loft, das er mit seinem hervorragenden Job bezahlte. Einen Job mit coolen Kollegen, mit denen er jeden verdammten Tag Spaß hatte. Mit einem von ihnen sogar mehr als das.

Nick war nicht nur ein super Kollege und Kumpeltyp, sondern auch die mit Abstand beste Affäre, die er jemals gehabt hatte. Der Sex mit diesem Kerl war unfassbar gut. Er wusste einfach, wie er Ace anpacken musste, um für beide das größtmögliche Vergnügen herauszuschlagen.

"Lässt du mich rein, oder willst du noch ne Weile starren?", fragte Nick frech, griff vorn in Ace' Shirt und küsste ihn dann auf den Mund.

Nicht flüchtig, wie Ace es heute Vormittag getan hatte, sondern fast schon grob und fordernd. Aber genau deshalb war er ja hier, oder? Nicht für eine nette Romance, sondern für leidenschaftlichen, bahnbrechenden Sex.

Also griff Ace in Nicks Nacken, hielt ihn grob fest und erwiderte seinen Kuss mit der gleichen Intensität und Leidenschaft. Als wollte er ihm beweisen, dass es ihm ebenfalls nur um Sex ging.

Nick schob ihn rückwärts und knallte die Tür zu, woraufhin Ace ihn gegen ebenjene presste.

Alles um ihn herum verschwamm in diesem Rausch aus Leidenschaft. Er vergaß alles, worüber er eben noch gegrübelt hatte, fühlte nur Nicks starke Hände, die ungeduldig an seiner Kleidung rissen. So war es immer, so voller Spannung, so voller Feuer. Ace liebte es, dass seine Umwelt in weite Ferne rückte und er nichts anderes mehr spürte als die festen Griffe an seinem Körper. Alles, was er hörte, war Nicks Keuchen in seinem Ohr, alles, was er spürte, waren Nicks Lippen und Zähne, die seinen nach und nach nackten Körper hinunter wanderten.

Sein Schwanz war mittlerweile schmerzhaft steif, und es fühlte sich wie eine Erlösung an, als Nick auch die Shorts von seinem Körper streifte.

Dann nahm er ohne Vorwarnung seinen Schwanz in den Mund, leckte ihn und saugte ihn, bis Ace' Eier ganz straff wurden. Sie brannten vor Verlangen, doch kurz bevor er zum Höhepunkt kam, brach Nick ab.

Beinahe aggressiv wirbelte Nick ihn herum, griff in seinen Nacken und presste ihn gegen das kühle Holz der Wohnungstür.

Dann drückte er seinen Schwanz in seinen Anus, dehnte ihn langsam, aber unerbittlich. Stoß um Stoß presste er sich tiefer in ihn, füllte ihn aus, bis kein Blatt zwischen sie passte.

Ace riss seine Augen auf. Es war Schmerz und Lust zugleich. Zu viel und doch zu wenig. Hart pumpte Nick in ihn, alles fühlte sich zum Zerreißen gespannt an. Mit jedem seiner harten Stöße presste er Ace' viel zu erregten Schwanz gegen das kühle, glatte Holz.

Ace' Knie wurden weich, als er sich an die Tür ergoss, im selben Moment, als er spürte, wie Nick in ihm zum Orgasmus kam und keuchend in sein Ohr stöhnte.

Kurz blieb er an ihn gelehnt stehen, dann biss Nick ihn spielerisch in die Schulter. "Kann ich bei dir duschen?"

Ace nickte, konnte nichts sagen, fühlte sich völlig ausgelaugt von dieser unglaublichen Nummer.

Nick küsste ihn auf die eben noch malträtierte Schulter und löste damit ein warmes Gefühl in Ace' Bauch aus. Ein Gefühl, das völlig gegensätzlich zu dem war, das nachkam.

Die Kälte und Leere, die zurückblieb, als Nick aus ihm glitt, war genauso ätzend wie die letzten Male. Sie schien sich zu vermehren. Leider.

Noch immer schwer atmend und mit rasendem Herzen lehnte er an der Tür und beobachtete, wie Nick in Richtung des Badezimmers ging. Seine Rückansicht war genauso zum Anbeißen wie die Front. Der breite Rücken, die schmale Taille mit den Grübchen über dem Knackarsch.

Alles an Nick war perfekt und leider Gottes wusste das dieser Kerl genau.

Im Weggehen erzählte er irgendetwas, aber Ace verstand nichts von dem Gemurmel, viel zu abgelenkt war er von dem Anblick, wie Nicks Bizeps sich aufwölbte, als er sich durch das blonde, kurze Haar strich.

Erst als Nick durch die Tür zum Bad verschwunden war, konnte Ace sich wieder bewegen und beseitigte zunächst die Spuren ihrer Leidenschaft, ehe er sich in der Gästetoilette frisch machte.

Seine Gedanken kreisten dabei die ganze Zeit um Nick, der nicht nur ihm, sondern auch Nancy den Kopf verdreht hatte. Ace konnte einmal mehr verstehen, was in Nancy vor sich ging. Nur er war beherrschter, nicht ganz so emotional, wie Nancy es war.

Gut so, denn Nick – da war Ace sich sicher – würde bei jeder Form von Druck einfach die Schotten dichtmachen.

Als er hörte, dass Nick die Dusche abstellte, legte er die Klamotten auf die Kommode neben der Schlafzimmertür und warf sich dann aufs Bett.

Vielleicht würde Nick bleiben? Es war noch nicht allzu spät und eine zweite Runde durchaus im Bereich des Möglichen, oder?

Ace biss ich auf die Unterlippe und musterte Nick, als dieser, nur mit einem Handtuch um die Hüften gewickelt, aus dem Badezimmer kam.

Einen Arm hinter seinem Kopf an das Kopfteil des Bettes gelehnt, beobachtete er Nick dabei, wie er sich wieder anzog. Wie er es immer tat. Er war kein einziges Mal nach dem Sex hiergeblieben.

Ob er bei Nancy über Nacht blieb? Er wusste es nicht, wusste nur, dass Nick viele Betten wärmte. Und dieser Gedanke bereitete ihm zunehmend Unbehagen. Ein seltsames Gefühl der Eifersucht, das ihm bislang völlig fremd gewesen war. Er hatte es nie vermisst, war sich eigentlich immer sicher gewesen, dass er es niemals empfinden würde. Niemals empfinden wollte.

Es war kein schönes Gefühl. Nicht für den, der eifersüchtig war, und schon gar nicht für den, der im Mittelpunkt all dieser Eifersucht stand. Diese Seite kannte er zur Genüge und er hatte sie immer gehasst.

Eifersüchtig zu sein, weil jemand einem mehr bedeutete als man selbst diesem jemand … Das war ihm bisher völlig fremd gewesen.

Nun, bis Nick kam. Der Mann, der sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt hatte. Als Ace Nick vor fast zwei Jahren das erste Mal außerhalb des Büros gesehen hatte, war er ziemlich genau so gekleidet gewesen. Enge Jeans, die seine muskulösen Schenkel zur Geltung brachten. Das fast schon obligatorische weiße Hemd schloss er in diesem Moment über seinen definierten Bauchmuskeln. Dann zog er sich die allgegenwärtige schwarze Lederjacke über.

Ein Mann wie aus einer Parfümwerbung, und Ace wusste, dass er auch so gut roch.

Jedes Mal vernebelte Nick ihm seine Sinne. Sein Geruch, sein Geschmack, die Art, wie er ihn anfasste. Alles an Nick war fast schon zu perfekt. Also war seine Arroganz durchaus berechtigt.

"Was machst du das Wochenende?", fragte Ace und hätte sich dafür gern selbst in den Arsch getreten.

Es klang so bedürftig, als hätte er es furchtbar nötig. Dabei sollte ihn Nick überhaupt nicht interessieren. Dass hier war eine Affäre. Mehr nicht. Das stellte Nick ja immer wieder klar.

Nick zögerte einen Moment in seinem Zuknöpfen und musterte Ace, als würde er das nächste Drama erwarten. Aber so tief würde Ace nicht sinken. Er war keine Pussy, auch wenn seine Gedanken zuweilen in diese Richtung gingen. Irgendetwas an Nick trieb ihn ständig dazu, sich so furchtbar aufzuführen, aber Ace konnte den Finger nicht darauf legen … oder doch, es war die Veränderung, die zwischen Nancy und Nick vor sich ging, die ihm das Gefühl gab, aufs Abstellgleis geschoben zu werden. Als würden sie sich dem Ende der Schlacht nähern, so aluhutmäßig sich das Ganze auch anhören mochte. Ace konnte nichts gegen dieses Endzeitstimmungs-Gefühl tun.

"Training, Arbeit, Central", murmelte er dann und fuhr fort, sich anzuziehen.

"Cool." Ace gab sich möglichst desinteressiert, was wirklich schwer war, wenn einem das "Wann" und "Mit wem" und "Wo" so unter den Nägeln brannte.

"Jap … Also ..." Nick fuhr sich wieder durchs Haar und sah Ace dann irgendwie merkwürdig an, als würde er noch auf etwas warten.

Worauf?

Keine Ahnung! Aber er würde sich hüten und jetzt irgendetwas sagen, was vielleicht das Falsche sein könnte. Man wusste ja nie!

Damit seine Finger etwas zu tun hatten, zündete er sich eine Zigarette danach an und sog tief den kratzenden Rauch in seine Lungen. In solchen Situationen hatte er sich einfach nicht im Griff, obwohl er schon vor langer Zeit hatte aufhören wollen.

"Du solltest den Scheiß lassen", sagte Nick und ging zur Schlafzimmertür. Dann grinste er über seine Schulter zurück. "Vielleicht sollte ich dich mal mit zum Joggen nehmen, so merkst du erst mal, wie wenig Lungenvolumen du noch hast."

"Raus hier!", rief Ace grinsend zurück und war froh, dass die angespannte Stimmung zwischen ihnen wieder verflogen war.

Es mochte armselig sein, aber er blieb lieber bei dieser Affären-Lüge, als nichts mehr von Nick zu haben. Zumindest so lange, bis er mit dem, was gerade in seinem kranken Kopf abging, im Reinen war.

Und wenn seine Endzeit-Gedanken sich bewahrheiteten, dann hätte sich das Thema sowieso schneller erledigt, als er wollte.

 

 

 

 

 

 

 

 

3 Zwei Seiten

 

 

 

NICK

 

Schmerz explodierte in seinem Kopf, als dieser unter der Wucht des Schlages zur Seite flog. Sein Schädel dröhnte, als wäre er im Inneren einer Glocke und der Schlägel würde ein ätzendes Vibrieren auslösen.

Er taumelte weiter, bis ihn eine feste Hand am Ellenbogen packte. "Alles okay, Mann?", fragte Slade, der verschwommen in seinem Sichtfeld auftauchte und ihn besorgt musterte.

"So okay, wie man sein kann, wenn man mit einer Güterzug-Faust zusammenprallt."

Langsam bewegte er den Kopf, um zu schauen, ob noch alles an Ort und Stelle war.

"Wie viele Finger siehst du?" Slade hielt ihm zwei Finger vor die Nase.

"Sieben." Stöhnend richtete er sich weiter auf. "Ernsthaft, Leute, ich weiß, warum langsam keiner mehr Bock hat, gegen Jordan zu sparren."

"Sorry", sagte der Schönling mit dem Schlag einer Panzerfaust. Von Jahr zu Jahr wurde Slades Lieblingsschüler besser. Mittlerweile war er so gut, dass Slade ihm diverse Verstöße gegen die Stipendatsauflagen verzieh und der junge Mann Anfang zwanzig sogar mit ihnen ins Central ging.

Er war nicht einer von ihnen, aber nah dran. Und der wohl Einzige in seinem Freundeskreis, der Nick in Sachen Frauenverschleiß noch Konkurrenz machte.

"Wirklich alles okay?", fragte Slade erneut.

"Jap. Weiter geht’s." Mühsam hob Nick seine Fäuste. Doch dieser Schlagabtausch tat ihm insgesamt verdammt gut. Er bekam seinen Kopf frei und dachte nicht permanent an sein etwas komplexes Beziehungsdreieck.

Er sprang auf der Stelle, bewegte sich schnell, um Jordans Schlägen auszuweichen, doch der junge Scheißer schien jede Bewegung vorherzusehen.

Immer wieder kassierte er schmerzhafte Körpertreffer und auch einige Schläge an den Kopf, obwohl es sich nicht so anfühlte, als würde Jordon noch immer voll durchziehen.

O Fuck. So weit war es schon gekommen. Er wurde von jüngeren geschont.

Grinsend schüttelte er den Kopf, als Slade das Sparring für beendet erklärte.

"Danke, Mann", sagte Jordan und schwang sich dann aus dem Central, dem Ring in der Mitte von Slades Box.

"Gerne wäre übertrieben", rief Nick ihm hinterher und beobachtete den muskulösen Hühnen dabei, wie er sich die grünen Bandagen von den Knöcheln wickelte. "Er ist ein Supertalent", sagte Nick dann leiser zu Slade.

Dieser nickte. "Ja, auf jeden Fall. Ich will ihn in diesem Jahr beim Stadtfinale anmelden. Er ist so weit und wird durchmarschieren. Überregionale Kämpfe dürften kein Problem sein."

"Ich bin ganz deiner Meinung." Nick stieg ebenfalls aus dem Ring. "Das wird richtig gute Promo für den Club!"

Slade reichte ihm ein Handtuch. "Definitiv. Ich hab auch schon mit Harper vereinbart, dass sie Fotos von Jordan macht, damit wir damit Plakate und Banner drucken können."

Nick lachte auf. "Sind wir nicht mehr gut genug? Nicht einmal Liam der Schönling?"

"Mal wieder ein Aushängeschild, das auch auf Wettkämpfen richtig gut abschneidet, wäre mir lieber als immer nur Promibonus." Doch Slade sagte es mit einem Lachen, was der Aussage die Schärfe nahm.

Schließlich wusste Nick selbst am besten, dass sie alle mit Wettkämpfen nicht viel am Hut hatten. Ihnen ging es um den Sport und um die Familie, die sie waren, nicht um Medaillen und Ruhm. Sie alle hatten eigene Jobs, eigene Leben, die ihnen wichtiger waren als eine Sportkarriere.

Apropos Job, er hatte noch ein paar Unterlagen, die er aus dem Büro holen musste. Das ganze Wochenende ohne Arbeit kam für ihn nicht infrage. Für keinen seiner Freunde, um genau zu sein, obwohl sie alle so unterschiedliche Jobs hatten.

Und das war auch gut so, reichte schon, dass er sich sein Büro mit seinen Affären teilen musste. Vielleicht hatten die anderen doch recht und es war nicht die klügste aller Ideen, ausgerechnet im Büro eine Dreiecksbeziehung einzugehen.

"Ich geh duschen, dann muss ich los, wenn du sonst nichts mehr brauchst", sagte Nick.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Allie Kinsley
Bildmaterialien: © Depositphotos.com - len_pri
Cover: nawillart-coverdesign.de
Korrektorat: SW Korrekturen Sybille Weingrill
Tag der Veröffentlichung: 27.07.2023
ISBN: 978-3-7554-4785-6

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