LOST LOVE
Boston Billionaires – 3
Evan
Allie Kinsley
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4 Monate zuvor
Evan
"Halt! Wartet!", rufe ich und bekomme meine Hand noch gerade so in die Aufzugtür, damit dieser mir nicht vor der Nase davonfährt.
Ich bin sowieso schon viel zu spät dran für meinen Termin mit Adrian West, dem Besitzer des Westtowers, in dem sich auch mein Immobilienbüro befindet.
Meinen Vater würde es nicht wundern, dass ich zu spät zu diesem Meeting komme. Er kennt meinen Lebenswandel nur allzu gut und weiß genau, dass ich zu spät bin, weil ich meine Finger nicht bei mir behalten konnte und meinen letzten One-Night-Stand noch zum Frühstück verführen musste.
Er findet es verwerflich. Ich nicht. Im Gegenteil, wie sollte ich fitter und konzentrierter in den Tag starten?
Das empörte Gegrummel der anderen Fahrgäste ignorierend drücke ich mich mit den schon viel zu vollen Fahrstuhl. Keine Ahnung warum, aber irgendwie scheint der gesamte Westtower auf einmal mit diesem Aufzug fahren zu wollen.
"Hey, geht’s noch?", zischt eine zarte Stimme, als ich mich näher zum Bedienfeld schiebe.
Ich sehe nach unten und wäre wohl zurückgetaumelt, wenn ich nicht so zwischen die anderen Fahrgäste eingepfercht gewesen wäre.
Die mit Abstand strahlendsten blauen Augen, die ich jemals gesehen habe, funkeln mich wütend an. Sie sind von dichten schwarzen Wimpern umrahmt und zu Schlitzen verengt, als würde ihre Besitzerin bereits meinen Mord planen. Ihre schwarzen Haare sind zu einem strengen Pferdeschwanz zusammengebunden, der perfekt zu dem ebenfalls schwarzen Hosenanzug passt. Das viele Schwarz hebt die blauen Augen und die rosafarbenen, endlos weich aussehenden Lippen noch mehr hervor.
Plötzlich kräuselt sich ihre kleine Stubsnase und sie schnaubt abfällig. "Bist du irgendwie auf Drogen, oder was stimmt nicht mit dir?" Dann verschränkt sie die Arme vor der nicht allzu großen Brust.
Ich stehe eigentlich auf große Titten. Gern auch unecht, dafür schön prall. Aber zu diesem zarten Persönchen würden unechte Titten überhaupt nicht passen.
Nur allzu gern würde ich ihren Arsch ansehen, bin mir sicher, dass er klein und fest sein würde, genau passend für meine Hände.
Auf einmal verlässt sie den Aufzug, und ich kann nicht anders, als ihr einfach zu folgen. Ich bleibe direkt hinter ihr und muss feststellen, dass ihr Arsch genauso perfekt ist, wie ich ihn mir ausgemalt habe.
"Was ist dein Problem?", faucht sie, dreht sich zu mir um und bleibt dabei so schlagartig stehen, dass ich gegen sie pralle. Ich kann sie gerade noch an den Hüften packen und stabilisieren, damit sie nicht zu Boden geht.
Wieder ist sie mir so nah und ich bemerke ihren Duft nach Vanille. Er ist viel süßer, als ihr Aussehen vermuten lässt. Ohne weiter nachzudenken, lege ich meine Hände an ihre Wangen und küsse ihre Lippen, will wissen, ob sie genauso süß schmeckt, wie sie riecht.
Erst ist sie ganz steif, fast wie geschockt, doch dann erwidert sie meinen Kuss. Zu anfangs vorsichtig, dann drängender. Das ist meine Chance, herauszufinden, wie sie schmeckt und was das ist, das mich so sehr fasziniert.
Die Berührung ihrer Zunge durchzuckt mich wie ein Blitz. Heiß zuckt es mein Rückgrat hinauf, hinterlässt ein sehnsüchtiges Ziehen in meinen Lenden.
Ihre weiche Zunge spielt mit meiner, sie stellt sich auf die Zehenspitzen und reckt sich mir entgegen. Da erst fällt mir auf, dass sie weit über einen Kopf kleiner ist als meine 1,90 Meter. Ich will sie hochheben, sie gegen die nächste Wand drücken und mich tief in ihr vergraben.
Ihre kleinen scharfen Nägel bohren sich in meinen Nacken, unterdrückt stöhne ich in ihren Mund, ziehe sie fester an mich, damit sie spürt, was sie mit mir macht. Dass sie dafür sorgt, dass ich wie ein Schuljunge mit einer Latte mitten auf den Fluren des Westtowers stehe.
Die Erinnerung an den Westtower bringt mich zurück in die Gegenwart. Ich habe einen Termin, zu dem ich nun endgültig zu spät komme. Es ist mir fast schon egal, aber ganz kann ich diese Verantwortung nicht einmal für Miss Atemberaubend verdrängen.
Widerwillig beende ich den Kuss, kann mich aber nur Millimeter von ihren Lippen lösen. Ich öffne die Augen und verliere mich augenblicklich in ihren blauen Tiefen.
"Wer bist du?", flüstere ich und kann ihren hektischen Atem auf meinen Lippen spüren.
Ich bin mir sicher, dass ihr Herz genauso rast wie meines, denn auch in ihren Augen steht ein fast schon unbändiges Verlangen.
"Blue", wispert sie und ich muss lächeln. Einen passenderen Namen hätte ihr niemand geben können.
"Heute Mittag, Essen im Meets, kleine Blue."
Sie nickt zögerlich, also presse ich meine Lippen noch einmal auf ihre, um sie daran zu erinnern, dass es, was auch immer das zwischen uns ist, einfach perfekt ist.
"Um zwölf Uhr am Empfang", sage ich, als ich mich erneut von ihren Lippen löse.
Diesmal lächelt sie, als sie nickt, und ich bin mir sicher, dass sie da sein wird.
2 Monate später
Blue
Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit scheint mein Leben wieder bergauf zu gehen. Die vergangenen acht Wochen habe ich mir ganz hervorragend einbilden können, dass alles sich zum Besten wendet. Was so eine kleine rosa Brille nicht alles ausrichten kann … denn ich weiß, dass der Mann, den ich an diesem verhängnisvollen Tag im Aufzug getroffen habe, keinen unwesentlichen Beitrag zu meiner Bombenlaune geleistet hat.
Aber noch mal ganz langsam von vorn.
Ich habe endlich einen Job gefunden, der mir wirklich gefällt, gute Arbeitsbedingungen hat und bei dem man sogar ganz passabel verdient. Die Kirsche auf diesem Arbeits-Eisbecher sind wirklich nette Kollegen, von denen eine nächsten Monat sogar mein akutes Mitbewohner-Problem lösen wird. Kate ist genial und sucht zufälligerweiße gerade eine neue Wohnung.
Und als wäre das alles noch nicht genug der Glückssträhne, habe ich dann eben auch noch den Mann meiner Träume getroffen.
Sexy-as-Hell-Evan ist mehr, als ich mir jemals zu träumen gewagt hätte. Eins neunzig groß, muskulös, braune Haare, grüne Augen und wahnsinnig gut im Bett. Warum auch immer, scheint er es sogar halbwegs ernst mit mir zu meinen, auch wenn mehrere meiner Kollegen mich schon vor dem Fahrstuhl-Casanova gewarnt haben.
Aber Evan war mehr als diese Begegnung im Fahrstuhl, mehr als ein Mittagessen im Meets. Es waren unzählige Dates und eine Zeit, die mich mein Leben hat vergessen lassen.
Ich bin also an einem Punkt in meinem Leben, an dem nichts besser sein könnte.
Und das, nachdem ich kurzfristig schon wirklich an dessen Sinnhaftigkeit gezweifelt habe.
Es ist alles bestens … nun, bis auf die unerträglichen Gelenkschmerzen, die wieder wie aus dem Nichts aufgetaucht sind, die mich daran hindern, das Bett zu verlassen, oder auch nur dran zu denken, nach dem Telefon zu greifen. Ich kann nichts, außer liegen und mich in der Schwärze, die die Schmerzen in meinem Kopf hervorrufen, verlieren.
Heute
Evan
"Einmal lächeln, bitte!", quietscht die Freundin von Blondie, die auf meinem Schoß sitzt und für die Kamera posiert.
Auch ich lächle, obwohl es mir schwerfällt. Ich würde es gern auf den Alkohol schieben, der nicht nur meine Zunge, sondern auch alle anderen Muskeln meines Körpers schwer und träge macht.
Leider nur die Muskeln, denn die eine Erinnerung, die ich gern für immer vergessen würde, hat sich so tief in meine Gehirnwindungen gebrannt, dass der Rausch sie eher noch detaillierter darstellt. Als würde mein beschissenes Leben mich verhöhnen, indem es mir sogar das süße Vergessen verwehrt.
Plötzlich spüre ich feuchte Lippen auf meiner Wange, fühle wie durch Watte, dass Blondie ihre dicken Titten gegen meinen Arm drückt. Ich hasse es. Hasse fremde, feuchte Lippen auf meiner Haut. Vielleicht hasse ich sogar Blondie und diese ganze beschissene Party.
"Happy Birthday, Evan!" Die Stimme kommt aus dem Nichts, aber ich erkenne sie. Lee, einer meiner besten Freunde.
Blondie verschwindet endlich. Dafür bin ich Lee sehr dankbar. Ich umarme ihn, freue mich, dass er auf meine Party gekommen ist. Ein paar Leute, die ich mag, machen das Ganze hier erträglich.
Dann zieht er eine andere blonde Frau zu sich, und ich will schon genervt aufstöhnen, als mir klar wird, dass das wohl die berühmte Ava sein muss, so wie Lee sie anhimmelt.
"Alles Gute zum Geburtstag." Sie wirkt ein wenig verlegen, fast schon deplatziert. Ich kenne diesen Blick von einer anderen Frau, die nie hier im Bonitas sein wollte.
Klar, ich kann es verstehen. Das hier ist unser Groupieclub. Hier könnte ich an jedem Abend eine Frau für jeden Finger aufreißen. Aber Ava muss sich da keine Gedanken machen, da bin ich mir sicher. Wenn jemand hierhin eine Frau mitnimmt, wie Lee oder Adrian, dann bestimmt nicht, um sie gegen eines dieser Flittchen zu ersetzen. Da hätte man sich die Mühe mit der Einladung auch sparen und gleich ans Groupie-Buffet gehen können.
Und ich kann verstehen, was Lee in ihr sieht. Sie ist definitiv heiß und bei allem, was ich so mitbekommen habe, auch ziemlich schlau.
„Endlich lässt du mich deine Freundin auch mal sehen, Lee. Ich freue mich, dass du mitgekommen bist, Ava“, sage ich und grinse sie an.
Einen Moment lang wirkt sie ein bisschen verwirrt, als könnte sie mein Grinsen nicht einordnen oder hätte mir gar nicht erst zugehört.
Doch dann lächelt sie höflich. „Danke für die Einladung.“
„War doch selbstverständlich. Wir im Westtower sind eine große Familie.“
Ich muss mich wirklich zusammenreißen, nicht sarkastisch zu klingen. Wann immer ich in dieser ekelhaften Selbstmitleid-Phase bin, verursacht die Erwähnung des Westtowers mir Brechreiz.
Zwar schaffe ich es jeden Tag, halbwegs gelassen die Lobby zu durchqueren und sie zu ignorieren, aber in meinem jetzigen Zustand fällt es mir zugegebenermaßen schwer, ruhig zu bleiben.
„Dann werden Kate und Blue auch noch kommen?“, fragt Ava, und ich sehe die Freude in ihren Augen, die ich nicht empfinden kann.
Mein Zusammenzucken kann ich leider nicht mehr verhindern, dafür reicht meine Körperkontrolle nicht mehr. Allein ihren Namen zu hören reicht, um ihr Bild wieder äußerst präsent in meinem volltrunkenen Kopf zu platzieren.
„Ähm … nein“, antworte ich und sehe mich im Raum um in der Hoffnung, jemanden zu entdecken, zu dem ich flüchten kann, um diesem viel zu nervenaufreibenden Thema zu entgehen.
Zu meiner Erleichterung entdecke ich Hailey und Adrian, die auf mich zusteuern und mir den Arsch retten.
Lächelnd breite ich die Arme aus. Nicht nur, weil ich Hailey wirklich gern mag, sondern auch, weil ich weiß, dass es Adrian in den Wahnsinn treibt. Warum? Nun, ich weiß eben, wie es ist, wenn man alles für eine Frau tun würde und diese dann mit einem anderen Mann sehen muss.
„Aber Hailey ist da“, sage ich an Ava gewandt und begrüße Hailey mit einem Wangenkuss, als diese endlich bei uns eintrifft.
Ein echtes, zugegeben ein wenig gemeines Lächeln schleicht sich auf meine Züge, als ich Adrians verdrießliche Miene sehe.
Lange hält mein Freund es nicht aus, zuzusehen, wie ich Hailey umarme, dann tritt er hinter sie und zieht sie von mir weg.
„Lass deine Griffel von ihr, Casanova“, knurrt er, ehe er mich an sich zieht. „Und alles Gute zum Geburtstag, Kumpel.“
Er schlägt auch mit Lee ein, dann wendet er sich Ava zu und scheint einen Moment lang irritiert zu sein.
„Miss Kingston … ich bin doch überrascht, Sie hier zu sehen“, sagt Adrian dann in eher förmlichem Tonfall.
Besitzergreifend zieht Lee sie an sich. „Ja, ist ja kein Problem, meine Freundin mitzubringen." Er klingt schnippisch, falls ich das durch meinen Alkoholnebel richtig interpretiere.
Adrian sieht mich an, als könnte er nicht fassen, dass Lee das eben gesagt hatte. Ich weiß nur nicht, warum er sich wundert. Er hat doch Hailey, er weiß, wie es ist, wenn eine Frau einem vollkommen den Kopf verdreht. Ich zumindest verstehe Lee voll und ganz. Er ist hoffnungslos verloren, genau wie ich es war. Oder bin … nur fehlt mir der glückliche Teil dieser Farce.
Fast schon unbewusst wandert meine Hand zu meiner Hosentasche. Ich spüre die glatte Oberfläche meines Handys, weiß, dass ihre Nummer darin gespeichert ist.
Wie schon Tausende Male zuvor will ich es herausnehmen und ihr schreiben. Will ihr sagen, wie unglaublich sie mir fehlt, doch ich zwinge mich, meine Hand wegzunehmen. Ich kann ihr nicht nachlaufen, das lässt mein Stolz nicht zu. Ich kann ihr doch nicht wie ein verlorener Welpe hinterherlaufen und darum betteln, dass sie mir ihre Aufmerksamkeit schenkt.
Nicht ich. Evan Caplan, Millionenerbe und Top Ten im Boston Billionaires Club.
Ich konzentriere mich lieber wieder auf das Schauspiel vor mir, sehe, dass meine Freunde kurz davor sind, sich die Köpfe wegen Ava einzuschlagen. Ich bin froh, dass Joel dazwischengeht. Ich kann mich ja selbst gerade so auf den Beinen halten. Zwei tollwütige Streithähne auseinanderzuhalten, klappt heute definitiv nicht mehr. Ich meine, ich bin froh, wenn der Boden gerade nicht unter mir schwankt.
Innerlich lache ich hart auf, denn genau dieses Gefühl begleitet mich seit einer ganzen Zeit. Genau genommen, seit sie mir gnadenlos den Boden unter den Füßen weggerissen hat.
Es gibt Tage, an denen hasse ich sie dafür, Tage, an denen ich mich frage, wie das alles hatte so weit kommen können.
Und es gibt Tage, an denen möchte ich am liebsten einfach nur im Selbstmitleid ertrinken oder wahlweise jemand anderen umbringen, damit es mir endlich wieder besser geht.
2 Monate zuvor
Seit sieben verdammten Tagen hatte ich kein Sterbenswörtchen von Blue gehört. Sie war nicht bei der Arbeit aufgetaucht und ich erreichte sie auf ihrem Handy nicht. Wann immer ich bei ihrer Wohnung war, hatte sie mir nicht aufgemacht, auch wenn ich mir sicher war, sie das ein oder andere Mal gehört zu haben.
Aber an diesem Tag würde sie mir nicht so leicht davonkommen. Ich wusste, dass sie zu Hause war. Ich hatte gehört, dass Kate bei ihr zu Besuch gewesen war. Also wartete ich in meinem Auto vor dem Haus, in dem ihre kleine Wohnung lag. Ich parkte direkt hinter ihrem kleinen Ford, in dem sie mir ihre Lieblingsecken Bostons gezeigt hatte. Ich konnte ihr Lachen fast noch hören, obwohl es in diesem Moment meilenweit entfernt zu sein schien.
Seit drei Stunden wartete ich nun hier, war mir sicher, dass sie irgendwann auftauchen würde.
Auf das, was ich dann sehen musste, war ich allerdings nicht gefasst gewesen. Als sich die Tür zum Wohnhaus endlich öffnete, war ich schon fast auf dem Sprung aus dem Auto, ließ mich aber sofort zurück in die Sitze sinken, als ich sah, dass Blue in den Armen eines anderen Mannes das Haus verließ.
Dieser Anblick versetzte mir einen Schlag auf die Brust, der mir den Atem raubte. Sie lehnte sich vertrauensvoll an ihn, kuschelte sich fast schon an seine Schulter, während sein Arm um ihre Taille lag. Ich konnte nichts anderes tun, als tatenlos dabei zuzusehen, wie dieses Arschloch mein Mädchen in sein Auto brachte.
Heute
Blue
"Hailey schreibt, dass die Party beschissen ist, Adrian sich beinahe mit Lee geprügelt hat und Ava Hals über Kopf davongelaufen ist." Kate hat wieder dieses Glitzern in den Augen, das immer aufflammt, wenn sie Klatsch und Tratsch hört. Sie hätte Reporterin für eines dieser Promi-Magazine werden sollen, das ist ihre wahre Leidenschaft.
Meine nicht. Mich interessiert nicht, was die Reichen und Schönen Bostons machen. Vor allem interessiert mich aber nicht, was die Geschäftsmänner aus dem Westtower machen. Denn das erinnert mich nur an Evan, einen Mann, von dem ich nichts mehr wissen will.
Dass Hailey sich auf seiner Geburtstagsparty nicht wohlfühlt, hätte ich ihr auch vorher sagen können. Evan ist ein Aufreißer, ein Frauenheld, also wird es auf seiner Party nur so von kleinen Flittchen wimmeln. Na ja, nicht nur auf seiner Party, sondern im Bonitas im Allgemeinen. Manchmal glaube ich, dass dieser Club nur dafür erbaut wurde. Ein Ort, an dem Bostons Millionärssöhnchen sich den Bauch bepinseln lassen konnten, während leichte Mädchen alles tun würden, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
3 Monate zuvor
Mit großen Augen betrachtete ich die vielen leicht gekleideten Frauen, in ihren winzigen, schrillen Kleidern. Dagegen kam ich mir mit meinen schwarzen, hautengen Jeans und dem ebenfalls schwarzen Oversize-Tanktop geradezu underdressed vor.
"Ich weiß nicht, ob das der richtige Laden für mich ist …", murmelte ich, konnte aber ein kleines bisschen freier atmen, als Evan seinen starken Arm um meine Schultern legte und mich an seine Seite zog.
"Es ist mein Stammclub", sagte Evan und küsste mich auf die Schläfe. Ich liebte das Gefühl seiner weichen Lippen auf meiner Haut.
"Aber so richtig passe ich nicht hierher …"
Evan schnaubte und winkte eine der Kellnerinnen heran. "Babe, du bist mit mir hier, also kannst du sein, wie du willst, du passt perfekt an meine Seite und damit auch hierher."
Ich lächelte, weil seine Worte Balsam für mein ein wenig angeknackstes Ego waren. Es fühlte sich gut an, einfach mal so akzeptiert zu werden, wie man war. Gerade nach dem neuerlichen Streit mit meinen Eltern und dem Auszug meines Mitbewohners brauchte ich jemanden, der mich nicht verändern wollte. Warum auch immer schien dieser jemand Evan zu sein.
Evan zog mich mit sich auf eines der Sofas und hielt mich dicht an seine Seite gepresst. Er bestellte uns Drinks und lachte mit einigen Männern, die ich nicht kannte.
Die Frauen an ihren Seiten hätten problemlos durch jede andere im Raum getauscht werden können. Nur ich stach als schwarzer Rabe zwischen all den bunten Papageien hervor.
"Du fühlst dich überhaupt nicht wohl, oder?", flüsterte Evan eine Zeit lang später in mein Ohr. Dass er so aufmerksam war, hatte ich nicht geahnt.
Verlegen grinsend schüttelte ich den Kopf. "Nein, sorry … es ist furchtbar", gestand ich, auch wenn ich ihm den Abend nicht verderben wollte.
Evan seufzte, stand auf und zog mich mit sich auf die Beine. "Dann lass uns gehen."
Und wieder hatte er sich ein kleines Stückchen meines Herzens erschlichen.
Heute
Kopfschüttelnd tauche ich zurück in die Realität und lausche Kates Geschichten über das Bonitas und Evans Party. Ich habe nicht allzu viel Verständnis für so einen Lebenswandel. Früher schon, aber manchmal wird man gezwungen, sein Leben zu überdenken. Zumindest der Normalo, jemand wie Evan natürlich nicht.
"Sag Hailey, sie soll zu uns kommen", antworte ich unverbindlich und scrolle weiter durch die Social-Media-App, die Ava entwickelt hat. Was so eine schlaue Frau mit einem Kerl wie Lee Hunter will, werde ich wohl nie verstehen. Vielleicht ist es ja auch nur etwas Kurzfristiges. Auf so etwas bin ich immerhin auch schon hereingefallen. Und ich würde mich nicht unbedingt als naives Dummchen bezeichnen.
Es wundert mich nicht, dass ich die Elite der Boston Billionaires allesamt in Avas App finde. Man unterstützt sich nun mal gern gegenseitig, um noch mehr Vermögen anzuhäufen.
"Hailey will bei Adrian bleiben. Er ist wohl ziemlich aufgewühlt." Kate seufzt verträumt und drückt das Handy an ihre Brust. "Hach … die beiden sind schon ein Traumpaar."
Ich mag Kate.
Wirklich!
Sie ist eine tolle Mitbewohnerin, eine einmalige Freundin, die alles für einen tun würde, und eine wunderbare Kollegin. Aber diese romantische Weltansicht, die rosa Brille und all die Herzchen und Blümchen in ihrer Welt sind irgendwie nichts für mich.
Wann immer ich sie daran erinnere, dass dieser ganze Kitsch einfach nicht echt ist, komme ich mir vor wie die böse Hexe, die dem kleinen Mädchen erzählt, dass es überhaupt keine Einhörner, Osterhasen und Weihnachtsmänner gibt. Ich will nicht der Miesepeter sein, der ihre rosa Welt kaputt macht, aber jemand muss sie vor Männern wie Jesper oder Evan beschützen!
Wie zum Teufel ich zu diesem Job gelangt bin, kann ich mir nicht erklären. Manchmal wünsche ich mir meine Einsiedler-Zeit zurück, aber jemand muss auf Kate aufpassen … und Kate auch ein bisschen auf mich. Es war eine glückliche Fügung, dass Kate zu mir gezogen ist, auch wenn ihre endlos langen Beine immer viel zu viel Platz auf Charly – meinem alten, blauen Zweisitzer-Sofa – einnehmen. Dafür kann sie ganz wunderbar mit meiner Bücher-Sammelleidenschaft leben und hat auch nichts gegen mein allgegenwärtiges Chaos.
Mittlerweile konnten wir uns sogar darauf einigen, dass zumindest die Küche neutrales Gebiet bleibt, in dem keiner von uns sein Chaos zurücklässt. Nur für das Badezimmer haben wir noch keine Einigung getroffen.
Aber hey, man kann nicht alles haben. Im Gegensatz zu meinem letzten Mitbewohner ist Kate fast schon eine der Ordnungsheiligen!
Lächelnd schüttle ich den Kopf und widme mich wieder meiner App. Ich bin glücklich … zumindest bis ich Evan Caplans Profil sehe und sein Profilbild, mit dem breiten, strahlenden Grinsen, in das ich mich von der ersten Sekunde an verliebt hatte.
Evan
Ich würde gern
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Allie Kinsley
Bildmaterialien: © zamphotography - Fotolia.com & (c) 108MotionBG / Shutterstock.com
Korrektorat: SW Korrekturen e.U., www.swkorrekturen.eu
Tag der Veröffentlichung: 14.01.2022
ISBN: 978-3-7554-0544-3
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