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BOSS LOVE

BOSS LOVE

Boston Billionaires – 1

Adrian




Allie Kinsley













Copyright © 2019 Allie Kinsley

All rights reserved.

SW Korrekturen e.U., www.swkorrekturen.eu

Cover Foto: Bookcover4everyone by Tom Jay, (c) Thanakorn_P / Shutterstock,com und (c) 108MotionBG / Shutterstock.com


Inhaltsverzeichnis




 

 

 

 

1. Kapitel

 

 

 

Hailey

 

Völlig außer Atem hetze ich die überfüllte Passage entlang. Wie zum Teufel kann es sein, dass ich an meinem ersten verdammten Arbeitstag verschlafe?

Also, theoretisch weiß ich natürlich, wie es sein kann, praktisch möchte ich mir dafür selbst in den Arsch treten. Das hier ist meine Chance auf ein neues Leben und ich setze sie so leichtfertig aufs Spiel.

Immerhin ist mittlerweile der Westtower in Sicht, das Gebäude, in dem ich ab heute arbeiten werde. Der riesige Glasbunker beherbergt viele Unternehmen aus verschiedensten Branchen und in völlig unterschiedlichen Größen. Mit mehr Glück als Verstand habe ich es geschafft, einen Job am Empfang des Gebäudekomplexes zu bekommen. Vorausgesetzt, ich verspiele mir nicht all meine Chancen bereits am ersten Tag.

Ich sprinte die letzten Schritte auf die Eingangstür zu. Besser komme ich außer Atem an als zu spät. Doch anstatt die Tür aufzustoßen, werde ich von jemandem mit der Wucht eines Footballspielers getroffen.

Mein „Verdammte Scheiße! Kannst du nicht aufpassen!“ kommt ziemlich gleichzeitig zu seinem „Fuck! Blöde Göre!“.

Dass die Göre bereits 30 Jahre alt ist, scheint den Superarsch im Anzug wenig zu stören. Der ist sowieso nur damit beschäftigt, sich die drei Kaffee-Spritzer auf seinem Anzug abzuwischen, während ich mir ziemlich sicher bin, dass ich mir mindestens zwei Rippen gebrochen habe.

Gut, das ist sehr wahrscheinlich übertrieben, dennoch bin ich stinksauer, dass er sich noch nicht einmal entschuldigt, geschweige denn überhaupt aufsieht, um zu prüfen, ob mir etwas passiert ist.

Da ich wütend bin und sowieso zu spät, reiße ich die Glastür absichtlich mit zu viel Schwung auf und knalle sie ihm direkt vor den Latz. Er flucht ungehalten, aber ich ignoriere ihn; ich bin sowieso schon fast zu spät, ich habe keine Zeit, mich mit ihm und seinem übersteigerten Ego auseinanderzusetzen.

 

Adrian

 

Fassungslos sehe ich dem kleinen Arsch in diesem süßen schwarzen Röckchen hinterher. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so behandelt worden bin.

Ich! Adrian West. Ganz davon abgesehen, dass mir dieser verdammte Laden gehört, in den die Göre gerade gestürmt ist, bin ich eigentlich nicht der Typ Mann, der von einer Frau übersehen wird.

Ich weiß, das hört sich jetzt verdammt nach Arroganz an. Ist es vielleicht auch ein bisschen, aber das kommt schließlich nicht von ungefähr. Seit Jahren habe ich keine Frau mehr getroffen, der nicht zumindest für einen Moment der Mund offen stand.

Mein persönlicher Rekord wurde hiermit vereitelt.

Ich verfluche meine innere Stimme und überprüfe noch mal mein Jackett. Man sieht die Kaffeeflecken auf dem schwarzen, schweineteuren Designerstück nicht. Gott sei Dank, immerhin habe ich gleich eine wichtige Besprechung mit Lee Hunter und einem Erfinder, in dessen Social-Media-Plattform Lee investieren will.

Warum ich als sein Vermieter dabei bin? Lee ist der festen Überzeugung, dass es auch genau der richtige Invest für mich ist.

Ich öffne die Glastür, die die Göre mir gerade vor die Nase geklatscht hat, und betrete die Vorhalle des riesigen Glaspalastes. Der Bau dieses Gebäudes war einer meiner klügsten Schachzüge, seit ich das Immobilienimperium meines Vaters geerbt habe.

Ich kann die Rolle des klassischen Self-Made-Millionärs leider nicht spielen. Im Gegenteil, ich bin eigentlich eher das verwöhnte Söhnchen, das durch einen beschissenen Unfall dazu gezwungen wurde, die Zügel in die Hand zu nehmen. Genau das mache ich jetzt seit sechs Jahren. Sechs Jahre, in denen ich mir den Arsch aufreißen musste, um aus der Firma meines Vaters etwas zu machen, mit dem auch ich etwas anfangen kann.

Beim Durchqueren der Lobby sehe ich die Göre am Empfang stehen und überlege krampfhaft, zu welchem meiner Freunde sie wohl geht … und vor allem, warum derjenige sie zu sich bestellt hat.

Das, was ich von ihrer Figur sehen kann, ist heiß, deshalb gehe ich nicht davon aus, dass sie ausschließlich wegen ihrer Qualifikation hier ist.

Sie hat schlanke Beine, die unter dem Röckchen hervorblitzen. Sie sind nicht allzu lang, was daran liegt, dass die Göre insgesamt nicht sonderlich groß ist. Sie geht mir ziemlich genau bis zur Brust. Die Größe, die ich bevorzuge. Damit ist sie handlich, sodass ich sie einfach hochheben und gegen die nächste Wand gepresst vögeln könnte … also wenn ich wollte – was ich natürlich nicht tue, weil sie eben eine unverschämte Göre ist, die mir keinen Respekt entgegenbringt.

Ich stöhne auf, weil sich meine Gedanken im Kreis drehen. Sie geht mich doch so oder so nichts an. Sie nicht, nicht ihr kleiner, entzückender Hintern, nicht die schmale Taille und auch nicht die langen, glänzend schwarzen Haare.

Leider kann ich mich so gar nicht daran erinnern, wie sie von vorn ausgesehen hat. Bis ich mich wieder aufgerichtet hatte, war sie schon – die Tür in mein Gesicht knallend – im Inneren verschwunden.

Es interessiert dich sowieso nicht!, ermahne ich mich selbst. Sie ist schließlich höchstwahrscheinlich da, um sich von einem meiner Freunde vögeln zu lassen.

Warum ich mir da so sicher bin? In diesem Gebäude arbeiten nur sehr ausgewählte Personen. Meine Freunde, die ihre Unternehmen von hier aus leiten. Bostons Elite hat sich nach und nach in diesem Gebäude versammelt.

Dennoch muss ich mich fast schon zwingen, meinen Blick von der Göre abzuwenden und mein Handgelenk über den Scanner zu ziehen.

Die Chefetage, die Zugang zu fast allen Bereichen des Towers hat, hat eben so einen Zugangschip im Handgelenk implantiert. Das macht Diebstahl oder Missbrauch nahezu unmöglich, was mir bei der Installation der Sicherheitsanlage am wichtigsten war.

Ich trete in den Aufzug und tippe auf die 13, in der sich meine Konferenzräume befinden. Es dauert nicht lange und der Fahrstuhl kündigt mit einem Ping die Ankunft an.

„Da bist du ja endlich!“ Lee sieht aus, als hätte er mehr als nur ungeduldig auf mich gewartet. Die Haare sind verwuschelt, er muss mehrfach mit den Händen darin gewühlt haben, und seine Züge wirken angespannt.

„Ich bin aufgehalten worden“, sage ich ehrlich. Die Göre hat meinen sowieso schon engen Zeitplan um mindestens zwei Minuten verzögert.

„Los, los! Sie wartet!“ Lee packt mich am Arm und zieht mich überraschend kräftig mit sich.

„Sie wird auch noch länger warten. Sie will schließlich Geld von uns für ihre App.“

Lee schüttelt den Kopf. „Wird sie nicht. Sie ist nicht der Typ Mensch, der auf irgendjemanden wartet“, sagt Lee, der eigentlich nie aus der Ruhe zu bringen ist.

Ich habe schon viel gesehen und viel erlebt, aber auf den Anblick von Ava Kingston – der Name, den ich aus Lees Mail erfahren habe – war ich nicht vorbereitet. Für gewöhnlich sind Menschen, die auf der Suche nach Investoren sind, immer ziemlich adrett gekleidet und versuchen einem so tief wie möglich in den Arsch zu kriechen.

Ava-Schätzchen hier scheint das aber vollkommen anders zu sehen. Denn sie hat die blonden Haare zu einem unordentlichen Etwas auf ihrem Kopf zusammengeknüllt und ihren Körper in nichts mehr als Jeans und Hoodie gehüllt.

Zudem hält sie es noch nicht einmal für nötig, von ihrem Laptop aufzusehen, als wir den Raum betreten.

Erst als Lee sich räuspert, hebt sie für eine Sekunde den Blick. „Moment“, murmelt sie dann und tippt wieder etwas in ihr Notebook.

„Ist das dein verdammter Ernst, Lee?“, knurre ich. Was ist das für ein Tag? Hat irgendjemand alle Frauen versammelt, die mich wie den letzten Vollpfosten behandeln?

„Hör es dir einfach an!“, sagt Lee in einem fast schon bittenden Tonfall, den ich von ihm so überhaupt nicht gewohnt bin.

„Okay, jetzt“, sagt Ava dann auf einmal. Sie springt auf und lässt eine Powerpoint-Präsentation auf der Leinwand erscheinen. Ohne sich weiter vorzustellen, beginnt sie mit ihrer Präsentation. Es interessiert sie einen Scheißdreck, wer ich bin, wer Lee ist, wo im Raum wir uns befinden oder ob wir uns für ihr Produkt interessieren.

Ein Blick zu Lee sagt mir, dass seine volle Konzentration auf dem hübschen Ding vor mir liegt. Hübsch ist sie wirklich, wenn auch nicht ganz mein Stil. Ich mag meine Frauen zarter und kleiner und vor allem interessierter.

Die ersten beiden Kriterien würden auf die Göre definitiv zutreffen. Interessierter war sie aber keineswegs. Vielleicht sogar noch weniger interessiert als Ava. Denn Ava will ja immerhin noch mein Geld. Die Göre will gar nichts, außer dass ich ihr aus dem Weg gehe.

Diese Tatsache kann ich noch immer nicht so recht fassen, was dazu führt, dass ich Ava nicht wirklich zuhöre.

Da ich mich vor Lee aber nicht zum Affen machen will, sage ich am Ende der Präsentation nur: „Ich verlass mich auf dein Urteil und steige zu gleichen Anteilen ein.“

Lee wirkt sehr zufrieden. Ava weniger. Ihr Blick sagt mir, dass ich für ihren genialen Plan nicht genügend Begeisterung aufgebracht habe, aber hallo? Sie hat mich bislang noch nicht mal wirklich beachtet.

Kopfschüttelnd verabschiede ich mich von beiden. Was ist das eigentlich für ein seltsamer Tag?

Ich mache mich auf zu meinem nächsten Meeting mit Jesper. Nach dieser Budgetplanung gehen wir zusammen mit Lee Mittagessen.

 

Hailey

 

Sue, die Chefin aller Westtower-Mitarbeiter, hat meine winzige Verspätung zwinkernd zur Kenntnis genommen, hat aber nicht weiter darauf herumgehackt. Gott sei Dank, ich kann es mir nicht leisten, diesen Job zu verpatzen.

So ganz habe ich nicht verstanden, wie die ganzen Firmen in diesem Westtower – was by the way keinen Sinn macht, weil das Gebäude im Norden Bostons liegt – zusammengehören.

Es gibt eine Holding, die die Verwaltung und einige andere Firmen zusammenschließt. Andere sind nur eingemietet … In dem Moment, in dem Sue gesagt hat, dass sie für den Personalbereich in diesem Gebäude zuständig ist, habe ich alles andere ausgeblendet. Eindeutig zu viele Informationen für einen Tag.

Mittlerweile sitze ich allein am Empfangsschalter. Kate, die die letzten Stunden damit verbracht hat, mich einzulernen, ist losgegangen, um uns etwas zum Mittagessen zu holen. Ich hatte zwar angeboten, das zu übernehmen, aber sie wollte sich unbedingt die Beine vertreten.

„Einen Wagen.“ Die Stimme kommt mir sofort bekannt vor.

Es ist der Großkotz von heute früh, und ich muss mich zwingen, meinen Blick nach oben zu wenden.

Er ist verdammt heiß. Ein Arsch, aber Mannomann, was für einer.

Schnell verbiete ich mir diesen Gedanken und gehe lieber wieder dazu über, mich über ihn zu ärgern. „Es heißt Bitte.“ Ich kann mir den Kommentar nicht verkneifen. Bis jetzt waren alle zu Kate und mir sehr höflich; dass ich das vom rempelnden Arsch nicht erwarten kann, hätte mir eigentlich klar sein müssen.

Entweder hat er auch meine Stimme wiedererkannt oder er ist Widerworte einfach nicht gewohnt. Auf jeden Fall sieht er jetzt zu mir herab, als wäre ich das achte Weltwunder. Blöderweise muss ich zugeben, dass er wirklich heiß ist und ich es mir noch so oft verbieten kann, darüber nachzudenken.

Er hat schwarze kurze Haare, eisblaue Augen, eine gerade Nase und schmale Lippen. Sein Blick ist so bohrend, dass ich am liebsten unruhig auf meinem Stuhl herumgerutscht wäre. Ich zwinge mich aber dazu, still sitzen zu bleiben.

Plötzlich zuckt sein Mundwinkel und er lehnt sich lässig gegen den Tresen. „Sieh mal einer an, die Göre.“ Er mustert mich fast schon spöttisch, was mich wirklich sauer macht. Ich hasse Menschen, die sich für etwas Besseres halten, nur weil das Leben ihnen immer die Sahnestücke zuteilt.

Ich meine, ist es denn fair, dass ein Typ, der aussieht wie frisch von einem Calvin-Klein-Plakat geklettert, anscheinend auch noch genug Kohle hat, um sich einen Wagen zu bestellen. Ohne Bitte und Danke?

Da ich mich nicht länger als unbedingt notwendig mit dem Kotzbrocken unterhalten möchte, nehme ich das Telefon und rufe beim Fahrdienst an.

„Hi, William, einen Wagen für Mister …“ Ich sehe ihn auffordernd an, woraufhin sein Lächeln nur noch breiter wird. Meine Güte, er sollte damit aufhören, bevor sein Ego nicht mehr zusammen mit uns anderen in einen Raum passt.

„Adrian West“, sagt er, als würde er die Lottozahlen verkünden.

Ich gebe die Information weiter und wende mich dann übergangslos an den nächsten Mann, der hinter Mister Arrogant wartet.

Er könnte das nächste Calvin-Model sein, auch wenn seine braunen Augen nicht ganz so faszinierend sind wie die blauen von dem Typen, den ich ab sofort wieder vergessen werde.

„Wie kann ich Ihnen helfen?“, frage ich so liebenswürdig, wie es mir möglich ist, um meine Geringschätzung für den West-Arsch noch einmal zu unterstreichen. Ein Lachen hinter dem Braunäugigen lässt meinen Blick auf einen weiteren unverschämt gut aussehenden Mann fallen. Diesmal in Blond mit stechend grünen Augen. Was wird das hier? Versteckte Kamera?

„Mein Name ist Lee Hunter, ich fahre mit Adrian, Miss …“

Er sieht mich mit neugierig schräg gelegtem Kopf an und lächelt dabei gewinnend. Es ist nicht dieses überhebliche Lächeln, das der West-Arsch hat, und auch kein abschätziges wie das vom Grünäugigen. Also entschließe ich mich, ihm zu antworten.

„Ich heiße Hailey Stone.“

„Neu hier?“ Der mit den grünen Augen schiebt sich näher zu uns.

Ich nicke zögerlich, weil ich nicht will, dass der West-Arsch zu viel über mich weiß.

„Ich bin Jesper.“ Der dritte streckt mir seine Hand entgegen. Das hat heute noch niemand gemacht, und ich bin mir nicht sicher, was die Etikette für diesen Fall vorschreibt. Da Kate aber nicht hier ist, bleibt mir nichts anderes übrig, als zu improvisieren.

Kurz bevor ich Jespers Hand ergreifen kann, sagt Adrian ziemlich scharf: „Der Wagen ist da.“ Dann dreht er sich auf dem Absatz um und geht energischen Schrittes nach draußen.

Warum auch immer veranlasst es die anderen beiden dazu, breit zu grinsen. „Bis später, Hailey“, ruft Lee und zieht Jesper hinter sich her zum Eingang.

Meine Güte, wie können drei so unverschämt heiße Typen so verdammt gut in Anzüge passen?

Halt! Stopp!, korrigiere ich mich selbst sofort. Zwei heiße Typen. Der West-Arsch zählt natürlich nicht dazu.

„Hey, ist Lee schon raus?“ Die Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Als ich aufschaue, sehe ich wieder in ein Paar stechend grüner Augen. Nur dieses Mal sind die dazugehörigen Haare braun, was den Typen aber nicht weniger heiß aussehen lässt.

„Ähm … ja“, antworte ich leicht verzögert, weil ich nicht anders kann, als neidisch auf seine dichten Wimpern zu starren.

„Evan! Komm endlich!“, ruft Jesper vom Eingang aus und winkt dem Neuankömmling hektisch zu.

Evan grinst mich noch einmal an und sagt: „Danke, Kleines.“ Dann joggt er los und verschwindet zusammen mit Jesper durch die Glastür.

Vielleicht ist hier im Haus ja irgendwo eine Model-Agentur? Das würde all die Calvins zumindest erklären.

Seufzend lehne ich mich zurück. Bis auf den West-Arsch darf mein Job definitiv so weitergehen.

 

 

 

 

 

 

 

2. Kapitel

 

 

 

Adrian

 

An diesem Morgen gehe ich nach meinem Frühsport ein wenig aufmerksamer auf den Westtower zu. Immerhin möchte ich die Göre nicht noch einmal über den Haufen rennen.

Es ist so, wie Evan mir immer wieder sagt. Ich schaue zu viel auf mein Smartphone und sehe zu wenig von meiner Umwelt.

Wie sollte es auch anders sein, ich versuche so viel wie möglich von meiner Arbeit unterwegs zu machen, damit ich mir zwischendurch ein bisschen Freizeit gönnen kann.

Sei es nur für ein bisschen Training oder einen Abend mit meinen Freunden. Okay, die ein oder andere Frau ist dann für gewöhnlich auch dabei, aber darum geht es selten in erster Linie.

Allen voran wollen wir einfach wieder so zusammen sein, wie wir es früher waren. Ein Haufen junger Männer, die keine Sorgen im Leben hatten. Söhne von reichen Eltern, deren einziges Problem war, welche Frau sie als Nächstes in ihr Zimmer locken konnten. Diese Zeit ist bei den meisten von uns schon lange vorbei, andere wünschen sich, nicht mehr so sehr unter dem Einfluss ihrer Familien zu stehen. Schlussendlich ist uns aber nur unsere Freundschaft geblieben.

Ich gehe durch die große Glastür in den Westtower. Ich habe den Namen für meine Familie gewählt. Als Erinnerung, als eine Art Denkmal. Ein überdimensionaler Grabstein für ihre nicht vorhandenen Überreste.

Hailey sitzt wieder am Empfang. Heute scheint sie bessere Laune zu haben, denn sie lacht mit dem anderen Empfangsmädchen. Karla? Kathrin? Ich weiß es nicht mehr. Namen waren noch nie meine Stärke.

Haileys Namen kann ich mir auch nur merken, weil … na, weil sie eben die eine freche Göre ist, die es einen Scheiß zu interessieren scheint, wer ich bin.

Vielleicht sind wir gestern aber auch einfach nur unglücklich ineinander gestolpert und ihre Laune ist heute ganz anders.

Ich ziehe mir die Manschetten zurecht und mache mich auf den Weg zum Empfang. Ich setze mein Gewinner-Lächeln auf, mit dem habe ich bislang noch jede Frau herumbekommen. Hailey wird da sicher keine Ausnahme sein.

Als sich unsere Blicke treffen, erlischt ihr Lächeln sofort. Das … lässt mich ehrlich gesagt ein bisschen stutzen. Sicherheitshalber lächle ich noch ein bisschen breiter, was ihre Miene nur frostiger werden lässt.

Verdammt. Was ist los mit dieser Frau?

Alles in mir schreit danach, zu ihr rüberzugehen und die Antwort aus ihr herauszuschütteln. Wahlweise würde auch ein Herausvögeln infrage kommen. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass letzteres mit Hailey verdammt angenehm werden könnte.

„Hey, Mann!“ Joels schwere Hand landet auf meiner Schulter und stoppt mich auf meinem Weg zu Hailey.

„Hey, Joel, wie war euer Urlaub?“ Joel und Caine hatten zusammen mit ein paar Mädels die letzten zwei Wochen auf den Bahamas verbracht. Wenn man nur arbeitet, um sich die Zeit zu vertreiben, ist es natürlich auch kein Problem, einfach mal zwei Wochen frei zu machen.

„Klasse. Kommst du heute Abend?“

Ich nicke und folge Joel notgedrungen zu den Aufzügen.

Obwohl gerade er die Ausrede: „Ich habe keine Zeit, ich muss diese Frau flachlegen“, wohl durchaus verstanden hätte. Joel erzählt noch mehr von den letzten zwei Wochen, aber wenn ich ehrlich bin, kann ich ihm nicht wirklich folgen. In meinen Gedanken spielt sich immer und immer wieder die Szene ab, wie Haileys Lächeln bei meinem Anblick verschwunden ist.

 

Hailey

 

„Hey, Katy-Baby.“ Überrascht sehe ich auf, bislang kannte ich Kate und mir gegenüber nur überwiegend kühle Höflichkeit. Der Typ mit den grünen Augen vom Vortag … hieß er Jesper? Auf jeden Fall ist es dieser Typ, der meine Kollegin Kate gerade heftig erröten lässt.

„Hi, Jesper, braucht ihr einen Wagen?“, fragt sie so schüchtern, dass ich sie kaum wiedererkenne.

Jesper nickt. „Zwei bitte, wir sind zur Abwechslung vollzählig.“ Was auch immer das bedeuten soll. Ich konzentriere mich lieber wieder auf meine Arbeit, während Kate beim Fahrdienst anruft.

„Na, Hailey, wie war dein erster Tag?“, fragt Jesper mich dann.

„Gut, danke.“ An einem Gespräch habe ich im Moment nicht sonderlich viel Interesse.

„Jesper, flirtest du schon wieder mit den Ladys vom Empfang?“, fragt der Typ, der gestern nach Lee gefragt hatte. Er streckt mir eine Hand über den Tresen. Völlig automatisch ergreife ich sie. „Ich bin Evan.“

„Hailey“, antworte ich und bin ehrlich gesagt etwas abgelenkt von der Art, wie er meine Hand hält. Es ist irgendwie … sinnlich.

In diesem Moment treten aus dem Fahrstuhl eine Gruppe Anzugträger. Ich erkenne Lee und den West-Arsch darunter, ebenso einige Männer, die ich noch nie gesehen habe. Jesper und Evan schließen sich dem Trupp an.

„Was ist das? Men in Black oder der monatliche Gruppenausflug der Modelabteilung?“, frage ich Kate, während ich all den hübschen Ärschen in Anzügen nachsehe.

Kate lacht. „Eher wöchentlicher Ausflug der reichen Söhne“, sagt sie zwinkernd. „Ich gehe Mittagessen holen, möchtest du auch was?“

Ich bitte sie, mir ein Sandwich mitzubringen, und sehe ihr dann nachdenklich hinterher. Bis auf den West-Arsch schienen bislang alle ganz sympathisch zu sein. Irgendwie habe ich mir einen Haufen verwöhnter Schnösel anders vorgestellt. Schulterzuckend wende ich mich wieder meiner Arbeit zu.

 

Adrian

 

Tag drei mit der Göre am Empfang gestaltet sich nicht wirklich erfolgreicher.

Ich bin sowieso schon viel zu spät dran, als ich durch die Türen des Westtowers stürze. Ich habe nur noch wenige Minuten bis zu meinem Termin mit Caine und Jesper. Am liebsten würde ich sie versetzen, weil ich viel lieber bei Hailey anhalten würde.

Sie und Karen – wenn sie denn so heißt – lachen ausgelassen miteinander. Hailey sieht atemberaubend aus. Sie hat den Kopf in den Nacken geworfen und ihr Oberkörper bebt.

Genau so würde sie aussehen, wenn ich es ihr so richtig besorgen würde. Meine Hände kribbeln, ich kann Hailey beinahe spüren, was eine ganze Menge Blut in meinen Schwanz befördert.

Kopfschüttelnd lege ich mein Handgelenk auf den Scanner und fahre mit dem Aufzug nach oben zu den Konferenzräumen.

Mittags steuere ich auf den Empfang zu, um mir wie üblich einen Wagen zu bestellen. Ich muss mich anstrengen, mein Lächeln beizubehalten, als ich sehe, wie Haileys Lächeln bei meinem Anblick verschwindet.

Leider nicht nur Haileys Lächeln, denn noch bevor ich am Tresen ankomme, packt Hailey ihre Handtasche und verschwindet durch die Glastüren nach draußen.

Verärgert sehe ich ihr nach. Sie kann doch nicht einfach so abhauen!

„Wo geht sie hin?“, frage ich Kitty oder Karen oder wie auch immer sie hieß.

Die Brünette blinzelt mich einen Moment lang fragend an. Dann sagt sie: „Hailey?“

Ich nicke.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Allie Kinsley
Bildmaterialien: (c) Thanakorn_P / Shutterstock,com und (c) 108MotionBG / Shutterstock.com
Cover: Bookcover4everyone by Tom Jay
Korrektorat: SW Korrekturen e.U., www.swkorrekturen.eu
Tag der Veröffentlichung: 14.01.2022
ISBN: 978-3-7554-0542-9

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