Protect Me
Band 2
Ash Living
Allie Kinsley
Copyright © 2015 Allie Kinsley
All rights reserved.
Lektorat: doktor-lektor.com
Cover Foto: bigstockphoto.com,
ID: 27470642, Vasilchenko Nikita
ASH
Der erste Tag nach seiner zweiwöchigen Krankenzeit schlauchte ihn enorm.
Die Kugel, die ihn bei dem Schusswechsel vor dem Krankenhaus am Oberschenkel getroffen hatte, war nur ein Streifschuss gewesen. Trotzdem schmerzte es nach einem Achtstundentag.
"Ich mach Feierabend", rief er den wartenden Mitarbeitern der Security-Abteilung zu.
JB-Industrials war ein guter Arbeitgeber. Ash konnte sich nicht beklagen. Sie zahlten gut und pünktlich, die Arbeitstage waren nicht übermäßig lang und die Sozialleistungen einwandfrei.
Dennoch fehlte etwas.
Seit vier Jahren machte er nun diesen Job und manchmal kam es ihm so vor, als würde er auf der Stelle treten.
Jeden Tag der gleiche Ablauf. Er saß mit seinen Jungs im Aufenthaltsraum und wartete auf einen Auftrag.
Die wenigsten waren dabei so aufregend wie der Job vor zwei Wochen, bei dem er für die Sicherheit von Tia Moreno sorgen musste. Sie war die Schwester seines Chefs und wurde von einem Gangmitglied bedroht.
Leider hatte er diesen Job durch und durch versaut.
Als Tia vor einer Klinik gestellt wurde, kam es zu einem Schusswechsel. Er wurde angeschossen und sein Schützling ebenfalls.
Zusammenfassend ließ sich also sagen: Er hatte auf ganzer Linie versagt.
Und das, wo dieser Job doch sein Sprungbrett auf der Karriereleiter hätte sein sollen.
Er wollte seinem Chef zeigen, dass er mehr drauf hatte, dass er genauso wie Brian Cruise, einer seiner Kollegen, ein guter Buddy sein würde.
Er wollte einen festen Schützling, den Status als Personenschützer. Mehr Verantwortung, weniger Wartezeiten.
Mit dieser Aktion hatte er es vermasselt!
Die Jungs winkten und riefen ihm Verabschiedungen zu.
Ash ließ die schwere Sicherheitstür hinter sich ins Schloss fallen und machte sich dann auf den Weg in die Tiefgarage.
Wieder ein langweiliger, beschissener Tag, den er einfach nur zu den Akten legen wollte.
CHLOE
"Das kann doch nicht dein Ernst sein!", rief Chloe aufgebracht.
"Und wie das mein Ernst ist, Schwesterchen. Wenn du dein Leben nicht auf die Reihe bekommst, mache ich das für dich!"
Chloe schnaubte. Mat trieb sie in den Wahnsinn. Ihr großer Bruder hatte einen verdammten Kontrollzwang!
"Ich bekomme mein Leben sehr wohl auf die Reihe. Es passt lediglich nicht in deine engstirnige Welt!"
Mat presste die Kiefer zusammen. Ein sicheres Zeichen, dass sie ab jetzt gegen eine Wand rennen würde.
Komme was wolle, Mat würde seinen verdammten Dickschädel durchsetzen.
"Ende der Diskussion, Chloe. Ab morgen wirst du pünktlich um neun hier bei Logan stehen. Du wirst deine Arbeit machen und dein Praxissemester vernünftig abschließen."
"Ich hätte selbst etwas gefunden."
"Ach ja? Bei Joey? Ich will jetzt nichts mehr davon hören. Fahr nach Hause und bereite dich vor", knurrte Mat in diesem ekelhaften Ich bin der Boss-Ton.
Gott, wie sehr sie es hasste, wenn er den großen Bruder raushängen ließ!
"Wie soll ich nach Hause fahren? Du hast mich doch hier hergebracht!"
Hergebracht war ein klein wenig untertrieben. Gezerrt traf es wohl eher. Sie war gerade bei Candy in Netti's Diner gewesen, als ihr Bruder mit quietschenden Reifen auf den Parkplatz gefahren war.
Er hatte sie am Ellenbogen aus dem Diner gezogen und in sein Auto gesetzt.
Dann hatte er die ganzen zehn Minuten von Netti bis zu JB-Industrials auf sie eingeschrien; Was sie sich dabei denken würde, ihr Praxissemester bei Joey zu absolvieren. Ein Praktikum in dem Tattoostudio ihres Freundes wäre genau das richtige für sie gewesen.
Allein der Gedanke machte sie wütend. Sie würde Joey dafür umbringen! Wie konnte er das Mat nur auf die Nase binden!
Und gleich danach würde sie Logan erwürgen. Sie hasste ihn dafür, dass er Mats irrem Plan zugestimmt hatte.
Sie wollte nicht bei JB-Industrials arbeiten. Alles an dieser Firma war steif.
Ihr Praktikum hätte cool sein sollen und etwas anderes.
Langweilige Pressearbeit würde sie für den Rest ihres Lebens machen, da könnte doch zumindest die Studienzeit noch aufregend sein. Auch das hatte sie sich schließlich nicht aussuchen dürfen.
Chloe wäre lieber Kindergärtnerin geworden. Wenn es schon ein Studium sein musste, dann Sozialpädagogik oder etwas in die Richtung.
Aber Marketing und Presse? Hallo? Da hätte sie sich genauso gut einen Job als Altenpflegerin oder Bestatterin suchen können!
Siehe Logan! Logan war für Chloe der Inbegriff von Langeweile. Einfach immer aalglatt, ohne irgendeine Regung in seinem perfekt rasierten Gesicht.
Wie Trish es mit ihm aushielt, war ihr ein absolutes Rätsel. Chloe sah sich in Logans Büro bei JB-Industrials um, in dem ihr Bruder und Logan über ihr Praktikum sprachen. Allein das Aussehen dieses Raumes sagte ihr, dass dieses Praxissemester nur langweilig werden konnte.
"Verdammt … ich habe gleich einen Termin mit Ryan."
Chloe verdrehte die Augen. "Siehst du, hätte ich ein Auto, könnte ich einfach selber fahren."
Mat schnaubte. "Hättest du ein Auto, wärst du inzwischen entweder schon tot oder durchgebrannt. Vergiss es!"
Chloe wollte gerade zu einer gezischten Erwiderung ansetzen, da stand Logan auf.
"Ich kümmere mich darum. Auch, dass sie die nächsten Wochen pünktlich hierher und zurückkommt."
"Danke. Ich muss los."
Chloe würde sich nicht dafür bedanken. Sie wollte ja noch nicht einmal hier sein. Und dass Mat keine Zeit hatte, war ihr auch klar gewesen. Mat hatte nie Zeit für nichts und niemanden.
Chloe hatte ihre halbe Kindheit allein zuhause verbracht. Ihre Mutter starb, als sie zwölf war, ihr Vater ging kurz darauf ins Gefängnis.
Theoretisch hatte sie nur Julien und Mat gehabt. Julien und sie hatten kein gutes Verhältnis, und Mat war immer nur beim Arbeiten.
Mat küsste sie als ganz großer Bruder auf die Wange und verschwand mit einem letzten Tu was ich dir sage-Blick aus dem Zimmer.
Dann packte Logan sie am Ellenbogen und zog sie den Gang entlang.
"Du solltest mehr auf deinen Bruder hören", sagte er bestimmt. Aber sie hatte auch nichts anderes erwartet.
"Klar." Sie hatte keine Lust mit Logan zu diskutieren. Sie hatte noch nicht einmal Lust hier zu sein.
"Warte hier, ich rede mit Ty", befahl er dann und ließ sie allein im Flur stehen.
Verdammt! Wie sie diese ganze Befehle gebende Bande hasste!
Der einzige Freund ihrer Brüder, den sie annähernd mochte, war Justin. Aber den bekam sie äußerst selten zu Gesicht, da Julien am liebsten nichts mit ihr zu tun haben wollte.
Den Kopf gesenkt und die Arme um ihren Körper geschlungen, lief sie den Gang auf und ab, bis sie gegen jemanden prallte.
"Huch!", keuchte sie erschrocken und taumelte einen Schritt zurück.
"Hoppla. Entschuldige, ich hab dich nicht gesehen", sagte eine dunkle Stimme, die sie nicht kannte.
Er hielt sie am Oberarm fest, damit sie nicht weiter stolperte.
Ihr Blick wanderte seinen breiten Oberkörper entlang nach oben, bis sie sein Gesicht sehen konnte.
Nein, dieses herausragende Exemplar der männlichen Schöpfung kannte sie definitiv noch nicht. Aber das würde sich hoffentlich bald ändern.
Verdammt heiß!
Seine schwarzen Haare waren etwas länger und ebenso wie Logans zurückgegelt. Dichte, lange, schwarze Wimpern umrahmten seine strahlend blauen Augen. Seine Nase war gerade und die Lippen schmal. Das tadellos rasierte Kinn war kantig und männlich.
Gerne hätte sie mehr von ihm gesehen, aber sie konnte ihn ja schlecht auffordern, diesen schrecklichen, schwarzen Anzug auszuziehen, damit sie seinen Körper genauer unter die Lupe nehmen könnte.
"Was machst du hier unten?", fragte er dann und zog die dunklen, energisch geschwungenen Augenbrauen zusammen.
Was sollte sie darauf antworten? Ich warte darauf, dass der Freund meines Bruders mich nach Hause bringt, weil ich unartig war?
Nie im Leben!
"Ähm … ich hab mich verlaufen. Ich wollte nach draußen", antwortete sie stattdessen und lächelte ihn strahlend an.
Wenn er öfter hier sein würde, könnte das Praktikum gar nicht so übel werden.
Leider befürchtete sie, dass er nur ein Model für irgendeine Kampagne war und nicht regelmäßig hier herkam.
"Dann komm, ich zeig dir den Weg!" Er lächelte und bedeutete ihr dann, den schmalen Flur entlang zu gehen.
Chloe lächelte ebenfalls und nickte. Sie würde überall hingehen, wenn er sie nur begleitete. Einem Mann wie ihm konnte Frau wirklich nicht widerstehen.
Sie gingen den Flur in Richtung der Tiefgarage entlang.
"Wie heißt du?", fragte er.
"Chloe."
"Ich bin Ash. Hier durch!" Er hielt ihr die Tür auf und folgte ihr dann die wenigen Stufen hinauf, bis sie aus dem Gebäude heraustraten.
"Hat mich gefreut, Ash", sagte sie dann hastig. Sie spürte das Vibrieren ihres Handys in ihrer Hosentasche. Sie wollte nicht, dass Ash Mats Geschrei mitanhören musste.
So wie sie die Freunde ihres Bruders kannte, hatte Logan ihm bestimmt schon Bescheid gesagt.
"Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Bis bald", sagte er grinsend und verschwand zurück im Gebäude.
Vielleicht arbeitete er doch hier? Dann würde sie ihn vielleicht schon morgen wiedersehen.
Seufzend schüttelte sie den Gedanken ab und ging an ihr Handy. Nicht Mat, sondern Logan … nicht viel besser.
"Ja?"
"Wo zum Teufel bist du?"
Puh, einen brüllenden Logan hatte sie auch noch nicht erlebt. Irgendwie hatte sie nicht erwartet, eine andere Gefühlsregung als Missbilligung bei ihm zu sehen … arme Trish.
ASH
Auf dem Weg zurück in die Tiefgarage strich er sich den Anzug glatt.
Chloe … verdammt süßes Mädchen. Ihm gefielen die wilden, braunen Locken, die bei jedem Schritt auf ihren Schultern hüpften.
Die großen, braunen Augen waren lebhaft und offen. Die kleine Stupsnase und die vollen, glänzend rosafarbenen Lippen passten perfekt in ihr unschuldiges Gesicht.
Sie war klein, ging ihm gerade mal bis zur Brust, was bei seinen 1,86 Metern nicht allzu selten vorkam.
Aber sie hätte die perfekte Größe, wenn sie statt der Chucks Highheels tragen würde.
Perfekte Größe für wen?, dachte er und schüttelte den Gedanken ab.
Er kannte sie nicht und suchte auch keine Freundin. Er wollte sich voll und ganz auf seine Karriere konzentrieren.
Leider ging ihm der kleine, knackige Hintern in den abgewetzten Jeans nicht aus dem Kopf. Unter dem engen, weißen Tanktop zeichneten sich ihre schmale Taille und die festen, kleinen Brüste deutlich ab. Sogar ihr Oberarm faszinierte ihn.
Er sah so dünn aus, hatte sich aber sehr hart in seiner Hand angefühlt, als würde sie regelmäßig Sport treiben.
Schade, dass sie ihn so schnell abserviert hatte, er hätte gern mehr Zeit mit ihr verbracht.
Ash stieg auf seine grüne Kawasaki Ninja und ließ den dröhnenden Motor an. Er liebte diese Maschine und nichts konnte ihm einen Feierabend mehr versüßen als eine kleine Spritztour mit seinem Baby.
Grinsend raste er aus der Tiefgarage.
Oben angekommen hielt er noch mal, um sich in den Verkehr einfädeln zu können und sah, dass Chloe immer noch vor dem Gebäude stand.
Sie blaffte sichtlich genervt etwas in ihr Handy, dann sah sie ihn, verdrehte die Augen und legte auf.
Er zog den Helm herunter. "Probleme?", fragte er und lächelte automatisch bei ihrem Anblick.
"Ja", antwortete sie schulterzuckend. Sie hatte ein atemberaubendes Lächeln. Eines, das er auf jeden Fall öfter sehen wollte.
"Kann ich dir helfen?"
Sie legte ihren Kopf schief und musterte ihn genau. "Würdest du mich mitnehmen?", fragte sie. Er würde sie überall hin mitnehmen, aber er hatte leider keinen zweiten Helm dabei.
Chloe schien seine Gedanken zu erraten. "Das geht schon kurz ohne, was soll schon passieren?"
Nein, definitiv nicht. Aber in der Garage musste noch ein Ersatzhelm liegen.
"Warte einen Moment." Schnell fuhr er hinunter, schnappte ihn sich von der Ablage und war nur Sekunden später wieder bei ihr.
"Wohin soll es gehen?"
Er konnte sich nichts besseres vorstellen, als eine Runde mit ihr, dicht an seinem Rücken gepresst, zu fahren.
Sie zuckte mit den Schultern. "Ich hab nichts Spezielles vor." Mit wiegenden Hüften kam sie zu ihm herüber.
"Eine Spritztour?", fragte er und streckte ihr dann eine Hand entgegen, um ihr auf das Motorrad zu helfen. In diesem Moment war er mehr als froh, dass sie Chucks trug und keine Highheels.
Er hatte den letzten Absatz-Anschlag auf seinen Lack noch nicht verkraftet.
"Wenn du Zeit hast, gern."
Selbst wenn er keine Zeit gehabt hätte, würde er auf diese Gelegenheit nicht verzichten wollen.
"Ist dir klar, dass dein Anzug zu dieser Maschine lächerlich aussieht?"
Gekonnt schwang sie ihr wohlgeformtes, linkes Bein über sein Motorrad.
"Ist dir klar, dass du gerade deine Mitfahrgelegenheit ganz schön beleidigst?", gab er kopfschüttelnd zurück. Dieses Mädchen nahm absolut kein Blatt vor den Mund.
Sie legte ihre Arme um seine Mitte und presste sich fest an ihn. "Ist dir klar, dass du mich jetzt sowieso nicht mehr los wirst?", hauchte sie nah an seinem Ohr und lachte.
Ihr Lachen klang rau und unbeschwert. Ash lachte daraufhin ebenfalls und ließ dann den Motor aufheulen.
"Ist dir klar, dass ich dich jetzt überall hin verschleppen könnte?"
Er setzte sich den Helm auf und Chloe tat es ihm gleich.
"Fahr endlich, sonst stehen wir hier morgen noch!"
Ihre Arme und Beine spannten sich fest um ihn herum an, als er ohne Vorwarnung losschoss. Dann ertönte wieder ihr helles, leichtes Lachen, das so unglaublich ansteckend wirkte.
Er fühlte sich wie neugeboren. Sogar der Schmerz in seinem Bein war kaum noch zu spüren.
Schnell, aber nicht mit seiner gewohnten Geschwindigkeit, fuhr er durch die Bostoner Innenstadt.
Chloe schmiegte sich perfekt an seinen Rücken, folgte jeder seiner Bewegungen und störte das Gleichgewicht überhaupt nicht, so als würde sie regelmäßig auf einem Motorrad mitfahren.
CHLOE
Sie liebte den Fahrtwind, das Dröhnen des Motors unter ihr und die in der Geschwindigkeit verschwimmende Umgebung.
Kurz gesagt: Sie liebte Motorradfahren!
Diese 2007er Ninja war ihre absolute Traummaschine. Sie hätte so ziemlich alles dafür getan, auf ihr mitzufahren.
Dafür hatte sie Logan gerne aus der Leitung geschmissen.
Ein Blick auf Ash und die Ninja hatten gereicht, um eine Entscheidung zu fällen.
Wenn sie jemals aus Mats Radar würde verschwinden können, dann wäre es genau diese Maschine, die sie sich als Erstes kaufen würde!
Leider war er schon völlig ausgerastet, als er erfahren hatte, dass sie den Motorradführerschein gemacht hatte.
Also hatte es vorher absolut keine Möglichkeit gegeben.
Das war so ziemlich das einzige Thema,
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: © 2015 Allie Kinsley
Bildmaterialien: Foto: bigstockphoto.com, ID: 27470642, Vasilchenko Nikita
Lektorat: doktor-lektor.com
Tag der Veröffentlichung: 29.01.2016
ISBN: 978-3-7396-3437-1
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