Goldrausch
Aus der Reihe
Vom Läbe und vo de Liebi
E.R.Thaler
Da die Geschichte meiner Fantasie entsprungen ist, kann es durchaus Abweichungen zum realen Leben geben.
Ähnlichkeiten zu Personen, ob öffentlich oder privat, sind nicht beabsichtigt.
Ich möchte mit der Geschichte unterhalten und niemandem auf die Füße treten.
Nach meinem Unfall, bei dem ich mit einem inkompletten Querschnitt im Rollstuhl landete, hätte ich nie gedacht, dass ich je wieder ein eigenes Leben führen würde. Dank meinem Vater landete ich jedoch hier am Arsch der Welt, in einem Hotel im Appenzellerland. Genau genommen in Weissbad, das zum sogenannten Alpstein-Gebiet gehört. Mein anfänglicher Frust wurde einfach ignoriert und ich lernte schnell, dass das Team hier eine große Familie war, und jeder auf seine Art und Weise ein wichtiger Beitrag zum Erfolg des Hotels beitrug.
Simon, Maitre-de-Spülmaschin, wie ich ihn manchmal neckte, trug viel dazu bei, dass ich mittlerweile Teil dieser Familie wurde. Die verrückte Idee, mit einem Raumschiff zu den Sternen zu reisen, scheiterte zwar, aber sie brachte uns zusammen und ich liebte meinen Simon trotz seiner Behinderung abgöttisch. Irgendwelche verrückten Ideen, bei denen ich oft nicht widerstehen konnte und mitmachte, soweit sie nicht in einer Katastrophe endeten, belebten den Hotelalltag. Ja, selbst Herr Maihof, Oberhaupt und Direktor des Hotels, ließ sich hin und wieder anstecken und unterstütze manchmal sogar unsere Pläne.
Seit meinem Unfall mochte ich den Winter nicht mehr. Schnee bedeutete, dass ich mit meinem Rollstuhl oft irgendwo feststeckte. Ein Umstand, den ich gar nicht leiden konnte. Vielleicht stellte ich mich ja nur dämlich an, keine Ahnung. Aber Simi liebte den Schnee und ich lernte, trotz Fahrgestell unter meinem Hintern, dass diese Jahreszeit auch ihre Reize hat. Schwester Yvonne, Simis Tante und Herr Maihof, taten das ihre dazu und so kam es, dass ich Unterricht im Monoskifahren erhielt.
Der Winter verlor für mich den Schrecken und ich wurde mir bewusst, ohne all die lieben Menschen um mich herum, hätte ich mich in einem Schneckenhaus verkrochen. Sie lockten mich aus meinen Reserven, ohne das ich mich bedrängt fühlte. Sie gaben mir das Gefühl, ein ganzer Mensch zu sein.
Simon war mein Schlüssel zum Glück und ich liebte meinen Schmusebär von ganzem Herzen.
Der Winter wich dem Frühling und mit dem Frühling kam die Schneeschmelze. Die kleinen Bäche rund um Weissbad schwollen an und mit den tobenden Wassermassen aus den Bergen kam oft auch Geröll mit, welches sich auf seinem Weg ins Tal vom Berg löste und etwas mitführte, dass einen Hotelgast anlockte, der sich dafür interessierte. Professor Martin. Er war Geologe, Paläontologe, Archäologe und arbeitete vor allem für das naturhistorische Museum in Basel.
Was er zu finden hoffte, war Gold und löste damit einen Goldrausch aus, von dem sich meine Kollegen anstecken ließen. In vorderster Front, mein Simi und ich. Wie konnte es auch anders sein.
Es war kurz nach Ostern, als Professor Martin eincheckte. Im Hotel war es eher ruhig, die Osterferienzeit war vorüber und wir hatten nicht viele Gäste. Nur ein paar Gäste, welche ein Seminar besuchten, bei dem es um Wichtel und Kobolde ging. Aber sonst war nicht viel los. Simi erzählte mir gerade, was er über die Seminarbesucher herausgefunden hatte und amüsierte sich köstlich darüber, wie die Gäste sehr ernst darüber philosophieren konnten, ob jetzt hinter jeder Tulpe so ein Gartenzwergding lauern würde, oder nicht. Unser Gespräch wurde von einer tiefen Stimme unterbrochen:
„Nun, zumindest Kobolde sollte es ja hier geben, hab ich gehört. Sie hüten das Gold der Berge und ich gedenke ihnen das eine oder andere Splitterchen zu entreißen. Darf ich mich vorstellen? Ich bin Professor Martin und habe ein Zimmer reserviert.“
Wir begrüßten ihn höflich, ein älterer Herr, so um die sechzig, stand vor uns. Die Anmeldeformalitäten waren schnell erledigt und Simi half dem Neuankömmling, seine Sachen aufs Zimmer zu tragen.
Als Simi zurückkam, wedelte er mit einem Buch in der Hand und strahlte.
„Markus, guck was mir der Professor gegeben hat. Er will Gold suchen. Da steht alles drinn. Er hat mich gefragt, ob ich helfe. Jetzt werde ich Goldsucher!“
Simi steckte mich mit seiner Begeisterung an und schon bald vergaß ich meine Pflicht. Das Thema war wirklich spannend und die Vorstellung ...
Ja, ich konnte nachvollziehen, warum die Menschen nach Amerika zogen, um ihr Glück zu finden, und damals für den Goldrausch in dem Land sorgte. Der Traum von Reichtum beherrschte die Menschheit seit je her und nun soll es hier auch welches geben? Wenn das nicht genial war, was sonst? Ein Räuspern unterbrach unsere Träumerei.
„Markus, hast du die Statistik Formulare schon fertig?“ Herr Maihof kam aus dem Büro und warf uns einen Blick zu, den ich nicht recht deuten konnte. Dafür spürte ich, wie ich rot wurde, und stotterte verlegen:
„Öhm, naja, ich - ich ...“
„Ist wegen dem Gold, Chef. Du darfst nicht schimpfen.“, rief Simi dazwischen, doch Herr Maihof ignorierte ihn.
„Markus, du weißt genau, die Statistik muss heut noch weg! Der Pöstler kommt in einer Stunde und holt die Briefe, klemm dich schleunigst hinter deine Arbeit! Echt jetzt! Ich fass es nicht! Bücher anschauen könnt ihr in der Freizeit! Und was soll das Gelaber von Gold? Simon, du kommst mit. Dann kann Markus seine Arbeit machen, sonst lenkst du ihn nur wieder ab. Husch, ins Büro!“
„A-a-ber Chef ...“
„Kein aber, Simon. Mitkommen!“
Simi warf mir einen panischen Blick zu und ich seufzte resigniert.
„Geh schon mit, er hat ja recht. Ich hab die Statistik schnell zusammen und dann rette ich dich. Herr Maihof beißt nicht, auch wenn er schimpft.“
„Ok.“, und mit hängenden Schultern trotte Simi hinter unserem Chef ins Büro.
Ich konzentrierte mich auf die Statistik für das Tourismusamt und schaffte es, nach einer halben Stunde fertig zu sein. Zufrieden rollte ich in das Büro und überreichte Herr Maihof das Couvert, in dem sich die ausgefüllten Anmeldeformulare und das Formblatt befanden. Zufrieden nahm er es in Empfang und legte es zu der Korrespondenz, welche abgeholt werden sollte. Bevor ich fragen konnte, über was Simi und er geredet hatten, klingelte es an der Rezeption.
Bis zum Feierabend hatte ich neben einigen Passanten, die nur eine Nacht blieben, noch zwei weitere Geologen, ein Franzose und ein Deutscher, eingecheckt, welche ohne Reservation kamen. Ob die auch auf der Suche nach Gold waren? War da vielleicht mehr dahinter, als ich mir vorstellen konnte? Die beiden waren mir nicht so recht geheuer, sie wirkten verwegen und ihr abweisendes, unfreundliches Verhalten erinnerten mich irgendwie an Grabräuber, oder so was in der Art. Ich beschloss, bei nächster Gelegenheit Professor Martin auf die beiden anzusprechen.
Simi hatte frei und ich musste an der Rezeption einspringen, weil Monika krank war. Normalerweise hatten Simi und ich immer zusammen frei, doch bei Notfällen musste ich einspringen. Seit die Herren Geologen eingecheckt hatten, war nun eine Woche vergangen. Die Männer gingen nach dem Frühstück los, jeder in eine andere Richtung und ich wunderte mich, dass sie sich nicht kannten. Mit Professor Martin verstand ich mich sehr gut und er kam hin und wieder zu einem kleinen Plausch an die Rezeption. Oft war auch Simon dabei und Professor Martin freute sich, wenn Simi ihm gebannt zuhörte. An diesem Morgen saß Simi gelangweilt neben mir, als Professor Martin mit seiner Ausrüstung vorbei lief.
„Ja guten Morgen, ich dachte, Sie hätten heute frei, junger Mann.“, grüßte er mich und ich zuckte mit den Schultern.
„Tja, ist halt nichts draus geworden, die Kollegin ist leider krank. Ich wünsche Ihnen auch einen guten Morgen, Herr Martin. Viel Erfolg heute, vielleicht finden sie ja etwas.“
„Oh, dann ist die Frau Monika heute nicht da? Das ist aber schade. Ich wollte sie so gerne einladen, mal mitzukommen. Wissen Sie, es ist ein einsames Arbeiten, so ganz ohne nette Unterhaltung. Wirklich schade. Aber, vielleicht möchte mich Ihr Freund begleiten? Das wäre doch sicher lustiger, als hier zu sitzen. Was meinen Sie, Simon? Würde ihnen das Spaß machen?“
„Wirklich? Ich darf mit? Markus?“ Simi warf mir einen fragenden Blick zu.
„Klar darfst du, mach einfach keinen Seich und mach genau, was Herr Martin dir sagt. Dann erzählst du mir alles und vielleicht geht es ja Monika morgen wieder besser. Vielleicht darf ich ja auch mitkommen, das heißt, wenn Sie nichts dagegen haben, Herr Martin.“
„Oh, das wäre ja wirklich schön. Dann hätte ich ja zwei Assistenten und die Suche ist nicht so öde.“ Professor Martin strahlte vor Freude. Dann beugte er sich zu mir runter und raunte mir zu:
„Wissen Sie, Frauen sind wunderbare Geschöpfe, aber für die Feldforschung nicht so geeignet.“
Ich musste grinsen und fragte ihn:
„Sie halten nicht viel von Frauen in ihrem Beruf? Etwas klischeehaft, oder? Lassen sie das nur nie Monika hören, oder Thea, unsere Abend-Rezeptionistin. Da könnte es schon sein, dass sie nicht mehr ins Haus kommen.“
Professor Martin errötete wie ein Schulbub und antwortete:
„Oh, ähm, naja, wie gesagt, sie sind wunderbar, aber - egal. Also, ich finde es toll, wenn ihr mitkommt. Wie gesagt, ich bin nicht so gern allein beim Suchen.“
Simi hatte in der Zwischenzeit seine Jacke geholt und gab mir einen Kuss zum Abschied. Professor Martin lächelte nur und gemeinsam mit Simon verließ er das Hotel.
Natürlich zogen mich meine Kollegen auf, als ich ohne Simi in der Kantine zum Mittagessen erschien. Lapidar antworte ich auf die Fragen, dass er am Goldsuchen wäre und innert kürzester Zeit waren alle in einer hitzigen Debatte, ob man denn hier überhaupt Gold finden würde und Simis Abwesenheit war vergessen.
Am Abend kehrten Professor Martin und Simi zurück. Da ich früh Feierabend machen konnte, passte es und ich war gespannt, was mein Schatz zu berichten hatte. Schon von Weitem sah ich ihm an, dass die beiden wohl etwas gefunden hatten und ich platzte vor Neugierde.
Schneller als sonst erklärte ich Thea, welche Sachen noch gemacht werden mussten und da die Gerüchteküche auch vor ihr nicht halt gemacht hatte, raunte sie mir beim Abschied zu:
„Meinst du, die haben was gefunden? Sagst du es mir dann?“ Dabei zwinkerte sie und sah mich mit einem Blick an, der selbst Steine schmelzen ließ.
„Vielleicht?“, sagte ich und brachte mich so schnell wie möglich aus der Wurfbahn irgendwelcher Gegenstände. Thea war grundsätzlich nett, aber wenn sie nicht bekam, was sie wollte, ging oft ihr Temperament durch und ein Kugelschreiber war noch das Harmloseste, welchem sie Flügel verlieh. Thea lachte hinter mir her und rief: „Bestimmt!“
Simi's stürmische Begrüßung zu überleben war eine andere Sache, sein Kuss raubte mir den Atem und sein strahlendes Gesicht ließ mich vergessen, dass mein Rolli umgekippt auf dem Boden lag, während ich wie ein nasser Sack in seinen Armen hing.
„Habt ihr Gold gefunden?“, fragte ich ihn, doch Simi schüttelte den Kopf.
„Nein, das nicht, aber dafür etwas ganz Tolles. Wie ein Dinosaurier, aber klein und hat im Meer gelebt. Aber es ist trotzdem groß. Siehst du, so ...“, dabei ließ er mich los und ich klammerte mich verzweifelt an seinem Pulli fest.
„Simi!“, rief ich erschrocken und er sah zu mir runter.
„Oh! Nicht gut. Wo sind deine Räder?“ Er zog mich erneut in seine Arme und drehte sich, bis er den Rolli sah und mit mir drauf zu ging. Eine vor Schadenfreude grinsende Thea hatte den Rolli aufgestellt und Simi setzte mich rein. Das Spektakel hatte einige Gäste angelockt, welche anfingen, zu klatschen, und Herr Maihof stand plötzlich neben uns.
„Was soll der Aufstand? Kann mir jemand erklären, was das Theater hier soll?“
„Ja, Verzeihung, ich bin Professor Martin. Der Junge hat mir heute geholfen und dabei einen Ammoniten gefunden, der dreißig Zentimeter im Durchmesser hat. Für die Gegend eher ungewöhnlich, deshalb die überschwängliche Freude. Ich bin sehr stolz auf ihn, wissen sie. Er war mir eine große Hilfe. Ich bitte Sie, nicht allzu hart zu ihm zu sein.“
„Hm, wenn Sie meinen, dann lassen wir es gut sein. Ach, bevor ich es vergesse, Monika liegt mit einer Angina im Bett, aber deinen freien Tag kannst du morgen trotzdem haben. Und an Sie, Herr Professor hätt ich auch noch einige Fragen, immerhin brodelt hier das Gerücht, in den Bächen soll es Gold haben.“
„Aber gerne doch. Auf wiedersehen Jungs, bis morgen. Ich hoffe doch, ihr begleitet mich.“
„Klar, gerne. Tschüss, Herr Professor, Chef!“, rief Simi den beiden zu und winkte ihnen nach, als die in Richtung Bar verschwanden.
Beim Abendessen waren wir umringt von unseren Kollegen und Simi musste erzählen, was er erlebt hatte. Jonas und seine beiden Unterstiften, Oliver und Fabian, löcherten Simi, wie das mit dem Sandsieben funktionierte und schmiedeten Pläne, ob man auch mit dem Küchensieb Erfolg haben könnte. Philippe, drohte ihnen und warnte sie, wenn auch nur ein Sieb fehlen würde, müssten sie mit einer Strafe rechnen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, den dreien war das ziemlich egal.
Das Simi einen großen Ammoniten gefunden hatte, interessierte niemand. Alle waren auf das Gold fixiert und die Thematik schien Nährboden für die wildesten Fantasien zu sein. Ich war froh, als wir endlich in unserem Zimmer waren.
Wir kuschelten uns auf dem Bett ein und Simi zeigte mir in einem Buch, dass ihm Professor Martin ausgeliehen hatte, seinen Fund.
„Da, siehst du, mit den kleinen Beinchen haben die Viecher ihr Futter gefangen. Weißt du, so ...“, dabei krabbelte er unter mein Shirt und berührte meine Haut am Bauch. Er löste ein wohliges Kribbeln aus und schon bald war das Buch vergessen. Sanft fanden seine großen Hände ihren Weg, entlockten mir lustvolle Schauer. Mit meiner Hand verwöhnte ich sein hartes Glied und er bäumte sich mir entgegen.
„Mar-kuss ...“, stöhnte er, und ich rutschte runter, nahm seine pralle Härte in den Mund und kostete die Essenz seiner Lust. Ich wusste genau, was er mochte. Wie ich ihn mit meine Zunge immer weiter verwöhnen konnte, bis er in Sphären schwebte, welche ihn zu den Sternen emporführten. Ihn von allem irdischen befreite und er einfach nur der Mann sein konnte, den ich liebte.
Mit einem leisen Seufzen kam er, heiß schoss sein Sperma in meinen Rachen und ich schluckte alles, was er mir schenkte. Der Anblick, wenn ihn sein Orgasmus überrollte, war für mich das schönste Geschenk und ich schwebte mit ihm auf Wolke sieben. Dicht aneinander gekuschelt waren wir schon fast eingeschlafen, als es an der Tür klopfte. Gedämpft erklang die Stimme von Herr Maihof:
„Markus, Simon - seid ihr noch wach?“
„Ja, warum? Wir sind aber schon im Bett!“, rief ich und wunderte mich, dass er um die Zeit, es war fast zehn, noch ins Personalhaus kam.
„Tut mir leid, aber ich habe etwas Wichtiges mitzuteilen. Das kann nicht bis morgen warten.“
„Moment, ich komme gleich!“
Vom Bett auf den Rolli zu wechseln, fiel mir mittlerweile leicht. Doch nackt wollte ich auch nicht die Tür öffnen, deshalb zog ich beim vorbei rollen mein T-Shirt vom Stuhl, wo ich es bereitgelegt hatte, und bedeckte damit meine Mitte. Ich öffnete die Tür und ließ ihn rein. Simi hatte sich im Bett aufgesetzt und die Decke hochgezogen und starrte schon fast ängstlich zu uns rüber. Herr Maihof schnappte sich einen Stuhl und setzte sich neben das Bett.
„Chef, was ist passiert, dass sie um die Zeit noch hier sind?“, fragte ich verwundert.
„Oh, nichts Schlimmes. Eigentlich möchte ich nur in aller Ruhe berichten, was ich mit dem Professor abgemacht habe. Simon, solange Herr Martin hier ist, hast du eine neue Aufgabe. Er möchte, dass du ihn begleitest. Er meint, du wärst eine große Hilfe.“
Verwundert sah Simi unter seiner Decke hervor.
„Oh, du schimpfst nicht, weil wir so viel Lärm gemacht haben? Und – ich darf wirklich helfen suchen? Aber, wer macht dann den Abwasch? Die können doch die Maschine nicht recht bedienen. Chef! Das geht doch nicht!“
„Doch, doch. Wenn etwas nicht geht, kannst du immer noch nachsehen. Aber es schadet den Stiften nicht, wenn sie auch mal sehen, dass es nicht nur den Herd gibt. Was dich betrifft, Markus, wie schon sagte, morgen hast du frei. Ich werde deine Aufgabe für morgen übernehmen, denn Monika fällt wahrscheinlich länger aus. Stefanie, das Lehrmädchen im Bereich Hotelfachassistentin, soll eingefuchst werden. Mit Frau Gerber, der Hauswirtschafts-Gouvernante habe ich das schon geklärt und Stefanie freut sich, dass sie mal an die Front darf. Du wirst ihr dann alles zeigen, dann kann sie dich vertreten, wenn du frei hast. Na, Jungs, ist das was?“
Dabei strahlte er uns so freudig an, dass es schwerfiel, nein zu sagen.
„Ich darf Goldsucher werden? Schön, Chef. Aber du musst sagen, wenn es der Maschine nicht gut geht. Dann geht das schon. Denke ich.“, antwortete Simi und Herr Maihof nickte zufrieden.
„Gut, dann haben wir das geklärt. Simi, du bist jeden Morgen um halb zehn bereit, Markus, du machst die nächste Zeit Tagschicht. Thea hat zugestimmt, den Abend abzudecken.“
Kurz danach verabschiedete sich Herr Maihof und ich wechselte vom Rolli wieder ins Bett, wo sich Simi gleich wieder an mich kuschelte. Von Müdigkeit war keine Spur mehr vorhanden und wir plauderten noch lange nach diesem Gespräch.
Am nächsten Tag trafen wir uns pünktlich mit Professor Martin. Er fuhr zu der Stelle, am Schwendibach, welcher von der Ebenalp ins Tal floss, an der er sich sein Goldwaschlager eingerichtet hatte. Der Weg zum Bach war zwar steil, aber mit Simis Hilfe schafften wir es, mich und meinen Rollstuhl ganz nach unten zu bringen.
Die Goldwäscherei war eigentlich ein langweiliges Unterfangen. Aber Professor Martin sorgte mit seinen Geschichten über seine Arbeit für Unterhaltung und ehe wir es versahen, war es Abend. Gefunden hatten wir zwar nichts, dass irgend einen Wert gehabt hätte, aber dafür war es lehrreich. In der Schule fand ich das Fach Geschichte oft nur langweilig und es war mir egal, ob Römer, Kelten oder sonst irgendwelche Völker, hier in der Schweiz lebten. Aber Herr Martin erzählte so spannend, dass man das Gefühl hatte, die Geschichte wäre lebendig.
Die nächsten Tage arbeitete ich mit Stefanie zusammen, während Simi mit dem Professor zusammen am Goldsuchen war. Doch je mehr Zeit er mit dem Professor verbrachte, desto frustrierter wirkte er. Auf meine Frage, was den los sei, druckste er herum. Ich musste ein paar mal nachhaken, was ihn beschäftigte, bis er mir dann sagte:
„Da hat es nichts, das ist doch blöd. Jeden Tag sieben, sieben und immer weiter die Steine sieben. Aber da ist kein Gold. Es ist nass und dreckig. Und das Ammo-dingsbums-Viech durfte ich nicht mal behalten. Was soll das!“
Ich versuchte, ihm zu erklären, dass es halt Geduld braucht, aber ich kannte meinen Simon. Geduld war nun mal nicht seine Stärke. Dafür hatte ich eine Idee.
Am nächsten Morgen, nachdem Simi weg war, durchstöberte ich das Internet. Schnell fand ich eine Seite, welche fünfzig winzige Goldsplitterchen für hundert Franken anbot und ich bestellte sie kurzerhand. Die wollte ich dann unbemerkt meinem Schatz ins Sieb schmuggeln, in der Hoffnung, seine Laune würde sich wieder bessern. Drei Tage später kam das Paket an und ich war froh, dass ich es selber in Empfang nehmen konnte. Unbeachtet entsorgte ich die Verpackung, das durchsichtige Döschen mit den winzigen Goldklümpchen passte perfekt in meine Hosentasche. Die Mittagspause nutzte ich, um es im Zimmer zu verstecken. In zwei Tagen hatte ich wieder frei, dann konnte ich meinem Schatz eine Freude machen. Zufrieden mit mir selber verflogen die Tage wie im Fluge und schon war ich wieder mit dabei, saß am Bachufer und schüttelte mein Sieb.
Simi saß neben mir, seine Laune war zum fürchten und er starrte wütend zum Professor hinüber. Dies war genau der Moment, welchen ich ausnutzte und ihm ein paar von den Nuggets ins Sieb schmuggeln konnte, ohne dass er es bemerkte.
„Der hat doch nicht alle Tassen im Schrank, echt jetzt!“
Wütend wollte er das Sieb in den Bach zurück kippen, als ich rief:
„Simi, schau! Was glänzt da, zwischen den Steinchen?“
„Was? Oh! Ich hab etwas! Herr Martin, sehen sie, schnell! Was muss ich machen?“ Vor Aufregung zitterten seine Hände und ich musste mir ein Grinsen verkneifen, um mich nicht zu verraten. Plötzlich war sein Frust weg und seine Begeisterung wieder da.
Herr Martin besah sich den Fund und vorsichtig siebte er nun weiter. Am Ende glitzerten vier kleine, gelbe Kügelchen im Sonnenlicht auf, welche er vorsichtig in eine verschließbare Box legte. Bis zum Abend gelang es mir, noch zwei- oder dreimal, Simi ein Paar von den Nuggets ins Sieb zu schmuggeln, ohne dass es jemand merkte. Ja, ich opferte sogar zwei Körnchen, welche im Sieb vom Professor landeten. Herr Martin nannte Simi seinen Glücksbringer und ich amüsierte mich köstlich, wie begeistert die beiden den Bach durchsuchten.
Die Kunde, dass wir tatsächlich Gold gefunden hatten, verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Hotel. Plötzlich waren wir Helden und wir wurden gefeiert. Simis Laune war wie ausgewechselt und ich war glücklich, meinen Sonnenschein zurückzuhaben.
Es gab nur zwei Gäste, die sich nicht mit uns freuten. Die beiden komischen Geologen, die mir schon beim Einchecken nicht sympathisch waren. Doch in dem ganzen Trubel viel ihr Verhalten niemandem auf. Die Konsequenzen sollten wir jedoch schon am nächsten Tag zu spüren bekommen.
Am nächsten morgen trafen wir auf Jonas und Oliver. Beide trugen einen großen Rucksack, in dem es verdächtig klapperte. Nach unserer Begrüßung, erzählten sie, wie es kam, dass sie auch Frei hatten. Nachdem sie erfahren hatten, dass ihr Chef mit Fabian in Richtung Schwendibach losgezogen waren, um ebenfalls Gold zu suchen, hatten sie ihren Dienst mit ein paar älteren Kollegen getauscht.
Sie wanderten noch ein Stück weiter und hofften so, vor uns Gold zu finden. Professor Martin freute sich über den Eifer der beiden und wünschte ihnen Glück. Simi war jedoch in keinster Weise begeistert und schimpfte leise vor sich hin:
„Das ist doch unser Gold, wenn die es zuerst finden, dann hat es doch bei uns keins mehr.“
Herr Martin und ich versuchten, ihn zu beruhigen, doch an der Schürfstelle angekommen, packte er das Werkzeug und fing an, mitten im Bachbett zu suchen. Mit grimmiger Mine schaufelte er einen viel zu großen Haufen Steine und Sand in sein Sieb. Er stapfte ans Ufer damit, doch das Gewicht war zu groß, die Goldwaschpfanne rutschte ihm aus der Hand und der Inhalt fiel erneut ins Wasser. Zum Glück war er schon fast am Bachrand. Vor sich hin fluchend wollte er schon nach der Schaufel greifen, als er stutze. Professor Martin und ich hatten ihm amüsiert zugeschaut, doch seine Reaktion weckte unsere Neugierde.
„Professor, was ist das? Ihr müsst schnell kommen! Ich glaub, das Gold ist gewachsen!“
Professor Martin war wie der Blitz bei ihm, während ich mit meinem Rolli versuchte, über den unebenen, von Steinen übersäten Weg ebenfalls ans Ufer zu kommen. Leider blieb ich stecken und wollte schon um Hilfe rufen, als sich eine Hand über meinen Mund schob.
„Still, ein Laut und deine komischen Freunde sind dran!“, zischte es und der Lauf eines Revolvers kam in mein Sichtfeld.
Unbemerkt von den beiden im Bach, trat der französische Geologe von der anderen Seite auf sie zu und hielt ebenfalls einen Revolver in der Hand, mit dem er auf sie zielte.
„Ände hoch, Messieurs, keine Bewegung!“, schrie er und fuchtelte dabei mit seiner Waffe herum.
Hinter mir rief der Typ, der mir immer noch den Mund zu hielt dem Franzosen zu:
„Ormond, genug der Höflichkeiten! Der Idiot da, der Große, soll dir geben, was er in der Hand hält!“
Ich glaubte, ich hätte mich verhört. Der Dreckskerl nannte meinen Schatz einen Idioten? Sicher hatte Simon eine Behinderung, aber Idiot? Die Waffe vergessend, griff ich nach den Rädern und drehte sie rückwärts, in der Hoffnung, den Kerl zu rammen und ihn um zu schmeißen. Ein Schuss löste sich, doch ich konnte gerade noch erkennen, dass niemand getroffen wurde, bevor ich an einer Wurzel, oder einem Stein, hängen blieb und nach hinten kippte. Dabei riss ich den Angreifer mit und begrub ihn unter meinem Rollstuhl. Fluchend versuchte er sich zu befreien, doch im selben Moment erklang ein lautes Kriegsgeheul. Jonas und Oliver stürmten herbei und während sich Oliver um den am Boden liegenden Kerl kümmerte, stürmte Jonas mit seinem scheppernden Rucksack auf den überraschten Franzosen zu.
Mehr konnte ich nicht sehen, denn ich lag wie eine Schildkröte auf dem Rücken da. Oliver grinste über das ganze Gesicht, als er über mir auftauchte und mich aus meiner misslichen Lage befreite. Ich warf einen Blick auf den Kerl und musste ebenfalls grinsen. Sauber gefesselt mit Paketkleber lag er auf dem Boden und starrte uns wütend an.
Ja, und dann ging die Action so richtig los. Jonas rief uns zu, dass der andere Kerl ebenfalls gefesselt war, als wir auf einmal von Polizisten umringt waren. Anerkennend nickten sie uns zu und führten die beiden ab. Zurück blieb nur noch ein Polizist, der ziemlich eindringlich auf Jonas einredete. Da ich alleine nicht zum Bach runter kam, konnte ich nur zusehen. Simi stand verwirrt am Ufer, wusste nicht, was er tun sollte und ich winkte zu ihm hinüber. Es dauerte zwar einen Moment, bis er mich bemerkte, doch dann kam er zu mir.
„Markus, dir ist nichts passiert? Der Knall, dann warst du weg und ... ich hatte Angst.“ Er zog mich aus meinem Rollstuhl, hielt mich fest umschlungen und küsste mich, bevor ich antworten konnte. In einer kurzen Pause, zwischen seinen Küssen, gelang es mir zu antworten.
„Nein, Simi, mir ist nichts passiert. Aber was war bei euch los? Ich konnte nichts sehen, weil ich den Kerl umgeschmissen habe. Dann war Oliver bei mir, aber da war der andere schon gefesselt und meiner auch.“
„Der Oliver? Ach so. Bei uns war's Jonas, du, der ist auf uns zugerannt, sag ich dir ... Dann hat er den Rucksack auf den Mann geworfen und der hat vor Schreck seinen Revolver fallen lassen. Dann hat der Professor plötzlich auch einen Revolver gehabt und zusammen haben sie ihn gefesselt. Dann sind die Polizisten gekommen und mit den Männern verschwunden. Jetzt schimpft der Papa von Jonas mit ihm. Dabei hat er uns doch gerettet!“
„Dann gehen wir doch runter zu ihnen, du kannst mich ja auf den großen Stein setzen und dann können wir mitreden.“
„Oh, klar. Ja, wir müssen Jonas auch helfen, damit der Papa nicht mehr schimpft.“
Doch wir waren wohl zu spät, denn als wir bei den anderen ankamen, verabschiedete sich der Vater von Jonas gerade von ihnen.
„Wir sehen uns dann heute Abend im Hotel, Herr Martin - oder wie auch immer. Buben, ihr auch, es gibt kein Kneifen! Ich hätte da noch ein paar Fragen und wehe, einer fehlt!“
Er nickte uns zu und verschwand. Übrig blieben noch wir fünf und sahen uns an. Jonas und Oliver grinsten wie Honigkuchenpferdchen und öffneten ihren Rucksack.
„Hat jemand Lust auf ein Sandwich?“
Da sagte doch niemand nein und schon bald saßen wir zufrieden kauend am Ufer und sprachen über den Überfall.
Nachdem die beiden uns getroffen hatten, wanderten sie noch ein Stück weiter. Dabei waren ihnen die beiden Hotelgäste aufgefallen und sie hörten, wie sie sich über den bevorstehenden Überfall unterhielten. Da beschlossen sie, ihnen zu folgen. Jonas rief seinen Vater mit dem Handy an und alarmierte so die Polizei. Dann beobachteten sie, wie wir überfallen wurden und nachdem ich den Kerl umgeschmissen hatte, griffen sie ein. Den Paketkleber hatten sie dabei, falls ihre Siebkonstruktion nicht halten sollte, so wie sie es sich ausgedacht hatten. Am meisten interessierte mich jedoch, warum der Vater von Jonas Herrn Martin wie auch immer nannte. Für einen Moment sah er uns zögerlich an, dann reichte er uns seufzend einen Ausweis. Darin stand: Stefan Morgenrot, Ermittler für besondere Angelegenheiten, Departement für historische und seltene Artefakte.
Kleiner, seine Adresse und das Geburtsdatum. Der Jahrgang ließ mich stutzig werden und ich rechnete aus, dass er höchstens sechsunddreißig sein konnte.
Natürlich löcherten wir ihn mit unseren Fragen, doch er hob abwehrend seine Hände.
„Jungs, nicht alle auf einmal. Ich erkläre alles heute Abend. Ehrlich gesagt, habe ich keine Lust, alles zehnmal zu erklären. Ich hoffe, ihr seid mir darüber nicht böse.“
Wir akzeptierten seinen Vorschlag und Simi fragte:
„Was ist mit dem Gold, dass ich gefunden habe? Darf ich das behalten?“
„Nicht ganz, ich werde ein paar Proben einschicken müssen, um die Reinheit zu bestimmen. Aber ich verspreche dir, den von heute kannst du behalten. Bevor wir überfallen wurden, hab ich gesehen, dass es in dem Haufen noch mehr hat. Und die holen wir uns jetzt. Los, dann gibts vielleicht für jeden eine Belohnung. Ist das was? Ach ja, bevor ich es vergesse, es würde mich freuen, wenn ihr Stefan zu mir sagt. Der Professor war ja nur Tarnung und der ist ja wohl aufgeflogen.“
Was für eine Frage! Eifrig schleppten Jonas und Simi den Dreck zu Oliver und mir und gemeinsam mit Stefan wuschen wir wie die Wilden. Bis zum späteren Nachmittag hatten wir so beinahe zwanzig Nuggets gefunden. Von winzig klein bis Fingernagel groß. Und das, ohne dass ich etwas unter den Sand mischen musste. Wahrscheinlich hätten wir auch ohne mein Zutun etwas gefunden, nur wäre es halt später gewesen. Doch der Gedanke, wenn der Professor und Simi alleine hier gewesen wären, ließ mich erschauern.
Jeder suchte sich ein Nugget aus. Simi wollte seinen ersten, den er am Morgen fand, unbedingt behalten, doch Stefan drückte ihm noch einen zweiten in die Hand. Als besondere Belohnung für seine Arbeit in den letzten Wochen.
Frisch geduscht und sauber begaben wir uns in das Sääli, welches der Vater von Jonas reserviert hatte. Wir waren zehn Leute, Herr Maihof, Philippe, die Lehrlinge, Herr Gruber, der Vater von Jonas, Stefan und jemand den ich nicht kannte. Stefan unterhielt sich angeregt mit ihm und verstummte, als wir eintraten.
Herr Gruber stellte uns den Fremden vor, ein Herr Siggenthaler und er war der Chef von Stefan.
Wir erfuhren, dass die beiden Verbrecher sogenannte Grabräuber und Schmuggler waren. Sie plünderten wertvolle Artefakte bei Grabungen und verkauften sie auf dem Schwarzmarkt. Dass sie sich für so etwas banales wie Waschgold interessierten, ließ darauf schließen, dass ihre Geschäfte wohl nicht so gut liefen. Stefan war ihnen schon länger auf der Spur, doch bis zu diesem Tag fand er keinen Beweis, mit dem er die beiden dingfest machen konnte. Mit ihrem Überfall jedoch, hatten sie sich selber ans Messer geliefert. Wahrscheinlich dachten sie, dass so ein alter, vertrottelter Professor und zwei behinderte Burschen keine Gefahr wären. Ihr Pech, dass sie Jonas und Oliver nicht bemerkten. Philippe und Fabian hatten nichts mitbekommen, da sie nicht direkt am Schwendibach suchten, sondern an einem kleinen Nebenbach.
Simis Ammonitenfund wurde ebenfalls erwähnt und wir erfuhren, dass der Ammonit eine Leihgabe des naturhistorischen Museums St. Gallen war und nur als Köder für die beiden gedacht war. Da man nicht sicher wusste, was die beiden hier zu finden hofften, legte man verschiedene Fährten. Die Möglichkeiten, Fossilien oder Gold, passten am besten in diese Gegend. Stefan wollte eigentlich ein paar römische Schmuckstücke für diesen Zweck, aber die Museumsdirektion fand, dass in der Gegend Fossilien glaubhafter wären. Sie schloss jedoch eine mögliche Besiedelung in der Frühzeit nicht aus, und man behielt die Idee mit den Schmuckstücken zurück. Sie sollten erst mit ins Spiel kommen, wenn keine der ersten beiden Optionen die Verbrecher aus der Reserve locken sollte. Schließlich musste man ja annehmen, dass die beiden durchaus mit der hiesigen Geschichte vertraut waren.
Über all die Fragen und Diskussionen wurde es sehr spät, bis Simon und ich zu unserem Zimmer zurückkehrten. Müde kuschelten wir uns ins Bett und Simi sah mich nachdenklich an.
„Markus, eigentlich verstehe ich gar nicht, warum man so ein Aufstand wegen diesem Gold macht. Da hat man so viel Arbeit und zum Schluss nur ein kleines bisschen gelbe Steine. Das ist doch blöd, oder?“
„Ja, da hast du recht. Weißt du, es gibt immer Menschen, die denken, Gold sei der Schüssel zur Macht. Reich sein, viel Geld besitzen, da kann man sich ja alles kaufen. Aber das Wertvollste kann man nicht kaufen. Nämlich einen Schatz wie dich.“
„Oh, dann bin ich jetzt ein Goldschatz für dich?“
„Nein, ja. Aber du bist wertvoller als Gold. Mit Gold kann man nicht reden, oder Schmusen.“
„Dann bin ich aber froh, dass ich nicht aus Gold bin.“
„Ich auch.“, seufzte ich und dachte an das Säckchen mit den Goldsplitterchen.
„Du, Simi ...“ „Hm?“ „ ... Ich muss dir noch etwas beichten.“
Simi drehte sich zu mir und legte seinen Arm auf meinen Bauch.
„Etwas schlimmes?“
„Eigentlich nicht. Nur, ich glaube, ich bin schuld daran, dass diese Typen uns heute überfallen haben.“
„Wieso glaubst du das? Nur weil ich dir nicht geholfen habe?“
„Nein, nicht deswegen. Aber weil du so enttäuscht warst, weil ihr nichts gefunden habt - da dachte ich, naja ... Also ich hab gestern etwas nachgeholfen. Ich hoffe, du bist jetzt nicht böse auf mich. Ich wollte dir eine Freude machen. Halt weil du mein Schatz bist.“
„Ach so. Das war nicht sehr klug.“
„Nein, klug war es bestimmt nicht. Aber jetzt bin ich froh, denn so haben die Verbrecher uns überfallen als Hilfe in der Nähe war. Stell dir vor, ihr wärt allein gewesen! Wenn wir nicht gestern deinen Fund gefeiert hätten, dann wäre Philippe nicht mit Fabian auf die Goldsuche. Jonas und Oliver hätten nicht den Dienst getauscht, zufällig die Verbrecher belauscht und so schnell reagiert.“
„Hm, das stimmt. Nur, warum soll ich böse sein? Jetzt bin ich einfach dein Goldschatz-Schatz. Weil du deinem Schatz ein Goldschatz geschenkt hast. Wertvoller bin ich auch, weil du mit mir schmusen kannst. Das machen wir jetzt und reden nicht mehr über das Gold.“
Ja, wir schmusten so lange, bis wir glückselig in einen erholsamen Schlaf drifteten.
Die Zeitungen berichteten von den Ereignissen und schon bald hatten wir etliche Gäste, die ihr Glück in den Bächen rund um Weissbad suchten. Doch nachdem sie nichts fanden, verlor sich das Interesse und nach Pfingsten kehrte so etwas wie Ruhe ein. Auch meine Kollegen gaben es irgendwann auf, den Schwendibach nach Gold zu durchsuchen, und der normale Hotelalltag hatte uns wieder im Griff. Von Stefan hörten wir nichts mehr und irgendwann dachten wir auch nicht mehr an ihn.
Bis zu einem Tag Mitte Juli. Simi hatte Zimmerstunde und kam zu mir, um mir Gesellschaft zu leisten. Er erzählte mir, wie Jonas und Oliver dem armen Fabian einen Streich gespielt hatten, in dem sie ihn die Herdverlängerung holen ließen. Dabei schickten sie ihn ins Dorf, wo er in der Pizzeria das Teil abholen sollte. Entweder waren die in der Pizzeria eingeweiht oder haben einfach schnell reagiert, denn sie gaben dem armen Kerl eine alte Kühlschranktür mit, gut eingepackt, damit er nicht merken sollte, dass er veräppelt wurde. Natürlich konnte er die nicht tragen und so borgten sie ihm einen Handkarren, mit dem er das Teil ins Hotel bringen konnte. Unser Hotel lag oberhalb des Dorfes und Fabian tat mir leid, bei der Vorstellung, wie er sich da abgemüht hatte. Solche Späße waren in Lehrbetrieben beliebt und ich kannte einige solcher Ideen. Einer meiner Lieblingsausdrücke war der Kümmelspalter. Dabei wurde dem armen Lehrling ein altes Waffeleisen aus Gusseisen, ebenfalls gut verpackt, mitgegeben. Hauptsache, das Ding war schwer. Die entwaffnende Logik dabei ließ manch zweifelnden Lehrling kapitulieren. Schließlich brauchte es ja für die winzigen Kümmelsamen ein richtig großes Teil um sie zu spalten ... Tja, der Spaß ging sicher auf Kosten des Lehrlings und irgendwann erwischte es jeden einmal.
Auch wenn mir Fabian leidtat, Simon brachte mich mit der Geschichte zum Lachen und ich bemerkte nicht gleich den Gast, der sich amüsiert über den Tresen beugte und fragte:
„Guten Tag, ich hab ein Zimmer reserviert auf den Namen Gänseblum. Für das Kobold Seminar, dass hier stattfindet.“
Na der sieht ja ulkig aus, dachte ich und musste mir ein Grinsen verkneifen. Weiße, lockige Haare ringelten sich um sein Gesicht, das mit einem weißen Rauschebart bedeckt war. Ein gelbes Hemd wurde von einer grünen Latzhose bedeckt. Es fehlte nur die Zipfelmütze und der Gartenzwerg wäre perfekt gewesen.
„Guten Tag Herr Gänseblum. Tut mir leid, aber wir haben kein Kobold Seminar und Ihren Namen finde ich auch nicht auf der Reservationsliste. Sind sie sicher, dass sie nicht der neue Gärtner sind?“
Simon fing an zu lachen und der Gast nickte mir anerkennend zu.
„Der war gut, junger Mann.“, und ich grinste zurück. Hinter mir erklang ein verärgertes: „Markus! Seit wann werden neue Gäste beleidigt?“
Übereifrig trat er an den Tresen und fing an, sich für mein ungebührliches Verhalten zu entschuldigen. Doch Meister Gänseblümchen, wie ich ihn gleich im Stillen taufte, winkte nur ab.
„Herr Maihof, regen sie sich doch nicht so auf. Ich mag Leute mit Humor und der Spruch war gut. Meistens höre ich dümmere Sprüche.“
Er zwinkerte uns zu und Simon zupfte mich am Ärmel. Während Herr Maihof mit seiner Entschuldigung fortfuhr, flüsterte mir Simon ins Ohr:
„Du, das ist doch der Stefan, der Professor-Polizist.“
Ich sah ihn mir genauer an, doch ich fand beim besten Willen keine Ähnlichkeit. Ich schüttelte den Kopf, doch Simi nickte und wirkte absolut überzeugt.
„Trotzdem, da scheint wohl ein Fehler passiert zu sein. Ich werde dem ...“
Weiter kam er nicht, denn das Gänseblümchen fiel ihm ins Wort.
„Übernehmen Sie sich nicht, guter Mann. Ehrlich gesagt, komme ich wegen den beiden da. Ich hatte nicht mit so einem Trubel gerechnet. Aber als ich im Frühling hier war, habe ich mitbekommen, dass die beiden nicht viel von Kobolden halten. Mir ist letzthin einer begegnet und da dachte ich, ich bring ihn vorbei. Er hat übrigens auch ein Kesselchen Gold dabei und einen Brief. Es ist ein sehr wichtiger Brief und darf nur an die Herren Simon und Markus übergeben werden.“
Ratlos sah Herr Maihof zwischen dem Gast und uns hin und her.
„Ja, wenn das so ist. Aber, haben Sie jetzt reserviert oder nicht? Brauchen sie ein Zimmer?“
„Wenn sie noch eins frei haben, wäre das ja schon toll. Ich würde gerne ein paar Tage bleiben. Reserviert habe ich nicht, schließlich wollte ich zwei Freunde überraschen.“
Simon, der sich zurückgehalten hatte trat einfach vor die Rezeption und ging grinsend auf den Gast zu und hielt ihm die Hand zur Begrüßung hin.
„Salü Stefan. Wenn die nicht merken, wer du bist, sind sie echt blöd. Gell?“
Lachend nahm er Simons Hand und schüttelte sie.
„Ja, die haben wirklich eine lange Leitung. Aber woran hast du mich erkannt?“
„Och, an der Stimme. Du hast immer so viel geredet, das war einfach. Was ist das für ein Kobold? Ist er da?“
„Im Auto, aber zuerst hoffe ich, dass dein Chef mir trotz der kleinen Scharade ein Zimmer gibt.“
Herr Maihof hielt bereits einen Schlüssel in der Hand und gab ihn Stefan mit den Worten:
„Nur wenn Sie nicht wieder den Schwendibach umgraben, Herr Morgenrot.“
Der schüttelte den Kopf und versprach, dass er einfach nur ein paar ruhige Tage genießen wollte.
Die Zeit bis Simon Feierabend hatte, wollte nicht vorbeigehen. Wir hatten abgemacht, dass wir uns in der Gartenwirtschaft treffen.
Simi duschte in Rekordzeit und als wir endlich um halb elf loszogen, fürchtete ich, dass Stefan schon weg war.
In der Gartenwirtschaft saßen noch einige Gäste und genossen den lauen Sommerabend. Im ersten Moment erkannte ich niemand, der Stefan sein könnte und ich fürchtete bereits, dass wir ihn verpasst hatten. Bis mir ein einzelner Mann auffiel. Er saß am Rand der Terrasse und in der Mitte des Tisches stand tatsächlich ein Kobold. Der Rauschebart und die Lockenpracht fehlten, doch als er uns erblickte, winkte er uns zu. Zum ersten mal sahen wir ihn ohne Verkleidung. Die Rolle als liebenswerter und trotteliger Professor hatte er so überzeugend gespielt, dass ein Vergleich mit dem attraktiven Mann vor uns, schwer fiel.
Heidi, die nur aushilfsweise kellnerte, nahm unsere Bestellung entgegen und nachdem sie wieder weg war, drehte Stefan den Kobold so, dass wir den kleinen Kessel genauer sahen. Winzige, kleine Goldnuggets schimmerten darin und irgendwie kamen sie mir bekannt vor.
„Nun, ich vermute, die gehören Dir, Markus. Wie du dich vielleicht erinnerst, habe ich das Gold analysieren lassen. Dabei stellte der Prüfer fest, dass die Reinheit der Nuggets, und der Mineralgehalt in keinster Weise mit den Funden des ersten und des zweiten Tages übereinstimmte. Ich hab eins und eins zusammengezählt und es gab für mich nur eine Erklärung. Ich hatte ja auch bemerkt, wie Simon niedergeschlagen war und wie sehr er sich dann freute. Ich fand, das war eine echt süße Geste und ich hoffe, Simon ist jetzt nicht sauer.“
Hitze schoss mir ins Gesicht und ich schüttelte den Kopf.
„Markus hat es mir gesagt. Jetzt bin ich nicht nur sein Schatz, sondern sein Goldschatz-Schatz. Ich hab ihm auch gesagt, dass er das Geld sinnlos ausgegeben hat, weil wir doch das andere gefunden haben. Da war schon etwas blöd, aber darum habe ich ihn so lieb.“
Stefan lächelte zufrieden.
„Wenigstens hat er es dir erzählt. Nun, in dem Brief hier steht alles. Die Goldprüfstelle hat sogar ein Zertifikat für die Nuggets vom zweiten Tag ausgestellt. Damit ist hochoffiziell bestätigt, dass das Gold im Schwendibach gefunden wurde und steigert den Wert beträchtlich. Aber ich habe noch etwas.“
Er gab Simon ein kleines Geschenkpäckli und der machte es gleich auf. Simi zog zwei Anhänger heraus, die einzeln an einem Lederbändel hingen. Es waren Ammoniten, die in der Mitte in zwei Hälften geteilt waren und so das Innenleben präsentierten.
„Ich dachte mir, das wäre doch etwas, anstelle von dem Riesenteil aus dem Museum. Das soll euch immer an unser Abenteuer erinnern.“
Wir erfuhren auch, dass die beiden Kunsträuber im Auftrag eines Sammlers Goldnuggets für seine Sammlung finden sollten. Der hatte anscheinend den Spleen, Flussgold aus allen Ländern zu horten. Da sie keinen eigenen Erfolg hatten, dachten sie, mit dem Überfall könnten sie Zeit sparen. Dabei hatten sie nicht gerechnet, dass sie verhaftet wurden. Bei Hausdurchsuchungen fanden die Ermittler reichlich Belege und Kunstgegenstände, die für den Schwarzmarkt gedacht waren.
Mein kleiner Streich ist zwar aufgeflogen, aber so richtig übel nahm ihn niemand. Stefan wurde ein lieber Freund. Selbst Monika konnte sich seinem Charme nicht entziehen und es funkte zwischen ihnen. Nachdem er abgereist war, wurde es wieder sehr ruhig hier im Hotel. Alles lief wie immer, doch hin und wieder zog es uns zu der Stelle am Schwendibach, wo wir die Goldstückchen fanden. Doch wir hatten kein Glück mehr, es schien, als hätte jemand das Gold nur für uns da hingelegt und der kleine Kobold mit dem Goldkesselchen, der nun in unserem Zimmer einen Ehrenplatz hatte, lächelte nur geheimnisvoll.
Doch dann, nach dem Bettag, mitten im September besuchten wir mal wieder unser Plätzchen. Schimmerte da nicht etwas Gelbes zwischen den Steinen?
Simi holte den Stein aus dem Wasser und hielt ihn mir hin. Tatsächlich war es ein Goldklumpen, so groß wie ein Wachtelei.
„Markus, es ist noch da, das Gold. Aber was meinst du, diesmal sagen wir nichts. Sonst werden wieder alle verrückt und spinnen.“
Ich nickte. Ja, hier muss der Goldrausch enden und wir beschlossen, in Zukunft nicht mehr hierher zu kommen.
Zuhause bat ich Simi, mir den Kobold zu geben. Ich legte den gefundenen Nugget in das Kesselchen und ich hatte den Eindruck, die Figur würde mir zu zwinkern. Was bestimmt nur Einbildung war.
Und so endete unser Abenteuer.
Texte: E.R.Thaler
Bildmaterialien: E.R.Thaler
Cover: E.R.Thaler
Lektorat: Noch kein Lektorat
Tag der Veröffentlichung: 13.10.2017
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Die Geschichte widme ich allen Leserinnen und Lesern und möchte Euch an dieser Stelle danken.