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Prolog

Siamun

Langsam trat er auf den unscheinbaren, kleinen Eingang im Felshang zu, der ein Stück über ihm lag. Der schmale Pfad auf dem er sich bewegte, ging rechts von ihm in die Tiefe und er musste darauf achten, wohin er trat. Dennoch rutschten auf der Seite immer wieder in Eis gehüllte Steine ab und stürzten in die Tiefe. Über ihm war eine Wolkenwand, die den Himmel bedeckte und die Schneefall verkündete.

 

Selbst seinem Gefährten und ihm war in diesen schwindelerregenden Höhen kalt, obwohl sie an Winter, Eis und kalte Tage gewohnt waren. Die Chance zu erfrieren schien sogar noch größer zu sein, als abzustürzen. Würde ihn am Ende nicht das erwarten, was er unbedingt wollte, dann würde er das Risiko des Aufstieges nicht eingehen. Siamun hielt kurz an. Sein Atem bildete weiße Wölkchen in der Luft und er rieb seine Hände, die in dicke Wollhandschuhe gepackt waren, um sie zu wärmen. Sein Freund, der bisher immer ein Stück hinter ihm lag, kam endlich näher. Außer Atem bat ihn dieser um eine kurze Pause. Genervt stieß er einen Seufzer aus, gewährte ihm aber, um was er gebeten hatte.

 

Es war noch immer nicht sicher, ob die Reliquie auch wirklich in dieser Höhle zu finden war, sonst hätte er es in Erwägung gezogen, den jungen Mann vor ihm vom Weg zu stoßen. So konnte er sich das nicht leisten, vielleicht brauchte er ihn ja in naher Zukunft noch und grundlos einer weiteren Person zu erzählen, was er suchte, empfand er als unnötig. Siamun sah ihm zu, wie er mit seinen Händen auf die warmen Pelzhosen gestemmt nach vorne gebeugt vor ihm stand und keuchend atmete. Dies lag wohl an der Tatsache, dass er eher korpulent war und es schien, als hätte er das Wort Ausdauer noch nie gehört.

 

Nach bereits kurzer Zeit sah Siamun ihn genervt an und ging weiter auf den Eingang zu. Wie er es doch hasste unbegründet aufgehalten zu werden. Auf seinem geisterhaft weißen Gesicht zeigte sich ein Grinsen, als er endlich den Eingang überwunden hatte und in das Dunkel der Höhle eingetreten war. Seine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit, doch es war, aufgrund des schwachen Lichtes, das von draußen einfiel, nicht viel zu erkennen. Aber nicht einmal das konnte ihn jetzt noch missmutig stimmen. Er war seinem Ziel näher denn je.

 

Nach dem Rätsel und den Schneestürmen in den Wochen des Aufstieges hatte er die Hoffnung beinahe aufgegeben, aber nicht seinen Ehrgeiz verloren. Dieser war ihm schon in jungen Jahren immer wieder von Vorteil gewesen. Vieles konnte erreicht werden, wenn man es nur hartnäckig genug versuchte. Eine Weile nach seiner Ankunft vernahm er hinter sich unregelmäßige Atemzüge, welche ihm sagten, dass sein Freund nun auch endlich hier war. Ohne ihn wäre er bestimmt schon vor Tagen hier oben angekommen, doch alleine war die Reise noch gefährlicher als ohnehin schon, so musste er diese Zeitverzögerung wohl hinnehmen. Dazu brauchte er ja auch jemanden, der die Sachen schleppen half.

 

Kurz blickte er zu seinem Freund zurück. Er sah in ein rundliches Gesicht, das an manchen Stellen von der Kälte eine unnatürliche Röte angenommen hatte. Selbst durch gute Kleidung war es unmöglich, den Temperaturen in dieser Höhe entgegenzuwirken. Würden sie nicht aus dem Eisreich stammen und an Kälte gewohnt sein, wären sie unlängst erfroren. In den ausdrucksstarken grünen Augen seines Freundes konnte er Stolz und Erleichterung ablesen. Sein kastanienbraunes, bis gerade zu den Schultern reichendes Haar war durch die Pelzmütze, die er trug, nur leicht zu erkennen und vom Weiß der darin gelandeten Schneeflocken durchzogen. Siamun wandte seinen Blick wieder der Dunkelheit vor sich zu.

 

Mit sicheren Griffen zog er den wollenen Handschuh von seiner rechten Hand, um ein Streichholz aus seiner Jackentasche zu fischen und mit diesem eine Fackel in seiner Linken zu entzünden. Das Licht, welches das entstandene Feuer spendete, erhellte einen kleinen Teil der Höhle. Unheilverkündende Schatten entstanden an den Stellen, die das Licht nicht erreichte. Vor ihnen lag ein kurzer Gang, an dessen Ende eine Treppe in die Tiefe führte. Mit vorsichtigen Schritten ließen sich die Männer nun gänzlich von der Höhle verschlingen und traten auf die Treppe zu. Vor ihr angekommen, erkannten sie, dass sie in Eis gemeißelt war. Die Decke war weit über ihren Köpfen und doch war zu erkennen, dass sie gleichmäßig abfiel, sobald die Stufen begannen. Einen Schritt nach dem anderen setzten sie ihren Weg auf den kleinen Quadraten fort, die sie immer weiter in die Tiefen der Höhle führten. Unheimlich erklang in der Nähe und in weiter Ferne immer wieder das Tropfen von Wasser auf Eis.

 

Staunend wanderten die dunkelgrauen Augen Siamuns über die nun deutlicher zu erkennenden Stalaktiten und Stalagmiten aus klarem Eis. Würde die Sonne je hier ihre Strahlen hinwerfen, würde die ganze Höhle in allen erdenklichen Farben erstrahlen. Diese Vorstellung gefiel ihm, doch er würde nicht länger als einen kurzen Moment daran Gefallen finden, sollte sie Realität werden. Er hatte andere Ziele, wichtigere und größere.

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde die recht schmale Treppe mit jeder Stufe ein wenig breiter. Nun konnten die beiden Männer nebeneinander gehen. Die Eiszapfen, die aus dem Boden ragten und von der Decke hingen wurden zunehmend dicker und eindrucksvoller. Als sie um eine Ecke bogen wurden sie davon überrascht, dass eben diese Zapfen einer Macht auszuweichen schienen. Wie Könige traten sie von oben herab in eine Halle, die weit über ihnen in einer Kuppel endete. Es fühlte sich für ihn richtig an. Der ewige Durst nach Macht, den er verspürte, war für einen Augenblick gestillt und in seinen Augen spiegelte sich etwas, das man mit Freude vergleichen konnte, wider. Die Kuppel über ihm war mit Stalagmiten durchzogen, wo hingegen der Boden auf dem Siamun inzwischen mit seinem Gefährten stand, spiegelglattes Eis war.

 

Die Fackel schien diesen Teil der Höhle großzügiger zu beleuchten, denn es kam ihm in dieser großen, offenen Halle wärmer und heller vor. Nur unter ihnen erstreckte sich Dunkelheit und er erkannte, dass sie auf einem zugefrorenen Gewässer standen, dessen Tiefe nur zu erraten möglich war. Zu seiner Erleichterung war das Eis dick genug, um sie beide zu tragen. Jetzt, da er sich der Sicherheit des Bodens bewusst war, wandte er seinen Blick wieder der restlichen Umgebung zu. Das Erste, das er nun sah, war der Tisch in der Mitte der Halle.

 

Es war ein kleiner Beistelltisch, der ihm wahrscheinlich bis zum Bauch reichte, was bedeutete, dass er recht hoch wäre. Die Tischplatte hatte die Form eines Kreises, an welche an der Mitte der Unterseite ein Tischbein nach unten ragte. Kurz vor dem Boden lief dieses mit Muster verzierte Bein in vier weitere kleine Beine aus. Das Eis aus welchem der Tisch gefertigt war, sah aus wie Glas. Er schien wertvoll und zerbrechlich, doch der Gegenstand, der auf ihm lag, zog Siamuns volle Aufmerksamkeit auf sich und die Schönheit des Tisches wurde in seinen Augen zu einer unwichtigen Nebensächlichkeit.

 

Im unergründlichen Grau seiner Augen lag ein triumphierendes Glitzern und er trat sicheren Schrittes auf das Tischchen mit dem Gegenstand zu. Das Blau des Lapislazuli, der, nur mit viel Fantasie, einen Teil einer Krone darstellte, hätte für jeden anderen keinen besonderen Wert angenommen, doch für Siamun bedeutete er alles. Gierig streckte er seine Hand nach dem Stück aus und nahm es auf. Vorsichtig, fast ehrfürchtig, um es ja nicht zu beschädigen. Es war alles andere als klein, aber seine Hand war groß genug, um es mit Leichtigkeit zu umfassen. Endlich hatte er es geschafft. Ein unglaubliches Gefühl des Geschafft Habens, gefolgt von Freude, durchströmte ihn. Er war der lang erträumten Macht eben einen Schritt näher gekommen.

 

Der Blick des anderen lag genauso gebannt auf dem blauen Stein, der eine besondere Form hatte.
„Endlich haben wir es geschafft“, meinte sein Freund mit stolz erhobenem Haupt in seine Richtung. Die recht hohe Stimme für einen Mann, hallte laut in der Höhle wider.
„Ja, aber-“, fing Siamun an, doch er brach den Satz ab, kaum dass er ihn angefangen hatte und ging anstatt langsam auf den Jüngeren zu. Sein geheimnisvoller Tonfall und das vielsagende Lächeln auf seinen Lippen, stellte er die Wichtigkeit des unvollständigen Satzes klar. Dass sein Plan aufging, erkannte er auf dem Gesicht seines Gegenübers, eindeutig Neugierde. Seine freie Hand lag an seiner Hüfte, während er die volle Hand freundschaftlich um seinen Freund legte.
„Aber?“, hakte dieser nun erwartungsvoll nach.

„Aber nur einer von uns wird es nach Hause schaffen.“

 

In Siamuns Augen trat ein gefährliches Glitzern, das seine Augen noch dunkler und noch bedrohlicher wirken ließ. Kurz hatte es den Anschein, als würde der Braunhaarige etwas entgegnen wollen, aber er hatte verstanden. Er sah ihn mit einem verständnislosen und genauso Angst erfüllten Gesichtsausdruck an. Doch Siamun erkannte im Gesicht des Kleineren auch noch etwas anderes. Der Wille, um sein Leben zu kämpfen. Ehe sein Opfer jedoch wirklich reagieren konnte, hatte er das Messer aus dem Gürtel gezogen und seinem Freund in die Brust gerammt. Um die Stelle herum, an der das Messer in seinem Körper steckte, färbte sich der fast weiße Pelz in einem dunklen Rot. Ein Schrei und ein paar letzte, schwere Atemzüge waren noch von ihm zu hören, ehe das Leben vollkommen aus ihm wich.

 

Vom anklagenden, hasserfüllten und nun auch leblosen Ausdruck in den Augen des Toten, ließ Siamun sich nicht stören. Achtlos zog er seinen Arm zurück und ließ den Leichnam wie ein nichtsbedeutendes, erledigtes Tier einfach zu Boden fallen. Mit einem dumpfen Laut landete er auf dem Eis. Ohne einen weiteren Blick an den Toten zu verschwenden, machte Siamun sich auf den Weg zurück. Er würde sein Geheimnis nicht teilen.

Kapitel 1

 

Atlanta

Nichts ahnend war sie auf dem mühsamen Weg in die Stadt, die etwa eine halbe Stunde Fußmarsch entfernt war, in der Hoffnung, heute eine Arbeit zu finden, wenn auch nur für einen Tag. Für etwas Essen würde der Lohn bestimmt reichen. Im Gegensatz zu den vielen reichen Leuten hatte sie nichts. Wirklich nichts. Ihr früher mal weißes Kleid – das inzwischen schon braun und schwarz vor Dreck war - wärmte sie aufgrund der vielen Löcher längst nicht mehr, zudem war es ein wenig oberhalb der Knie abgerissen. Schuhe besaß sie sowieso nicht, den Winter hatte sie immer nur irgendwie überstanden. Stark unterkühlt und halb verhungert. Doch interessierte es jemanden? Nein. So beschwerte sie sich auch nicht, alles Jammern half ja nichts.

 

Die Tatsache, dass sie im Feuerreich lebte, machte zumindest die restlichen Jahreszeiten sehr erträglich. Von Frühling bis Herbst war es warm genug, um in diesem ‚Sommerkleid‘ herum zu laufen. Im Reich nebenan, dem Eisreich nämlich, hätte sie nicht einmal den Sommer überlebt. Dort sollte es so kalt sein, dass einem die Haare einfrieren, wenn man ohne Mütze nach draußen geht. Ziemlich wahrscheinlich war dies stark übertrieben, doch man kann nie wissen. Riskieren würde sie es jedenfalls nicht, dem König dort einen Besuch abzustatten. Erlaubt wäre ihr die Einreise ohnehin nicht. Seit Jahrzehnten waren diese zwei Reiche nun verfeindet und es würde sich auch in der Zukunft nicht ändern. Warum dem so war, wusste Atlanta nicht, aber sie hatte sich auch nie besonders dafür interessiert. Warum sollte sie auch. Sie hatte andere Probleme als irgendwelche machtgierigen Herrscher, die nichts außer Krieg im Kopf hatten.

 

Atlanta beobachtete ihre Umgebung. Es war Herbst, dafür aber sehr warm, fast wie im Sommer. Die Wälder links und rechts von ihr erstrahlten in den schönsten Brauntönen und ein leichter, aber erfrischender Wind wehte durch ihr feuerrotes Haar. Sie genoss die Ruhe, die dieser Wald ihr bot und ein Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit, als sie kurz anhielt, um den Tierlauten zuzuhören. Vögel zwitscherten, Rehe liefen durch den Wald auf der Suche nach Futter oder auf der Flucht vor gefährlichen Räubern. Nachdem sie den natürlichen Geräuschen eine Weile gelauscht hatte, setzte sie sich wieder in Bewegung.

 

Der Weg unter ihren Füßen wurde langsam besser begehbar und das war eine große Erleichterung für sie. Wo sie herkam war es steinig und häufig rissen Steine ihr richtige Löcher in ihre nackten Zehen. Ja, Atlanta kam aus dem Wald. Kein Zuhause wollte man ihr in der Stadt bieten, einzig eine kleine, leerstehende Holzhütte bot ihr Schutz vor Kälte, Gewitter und Raubtieren. Doch selbst die Bezeichnung klein, aber fein traf nicht mehr auf ihr Heim zu.

 

Es war kaum größer als ein kleines Schlafzimmer in einem alten Hotel - und diese waren wirklich klein - und besaß weder ein Bett, noch einen Herd, geschweige denn irgendwelche Bequemlichkeiten, wie ein Bücherregal, Kleiderschrank oder einen Tisch. Nicht einmal eine kleine Feuerstelle zum Heizen gab es, wenn ihr kalt war, musste sie sich mit einer ausrangierten, kaputten Decke begnügen. Bei jedem noch so kleinen Schritt knarrte das Holz unter ihr und man musste beim Betreten jedes einzige Mal Angst haben, das Haus nicht mehr lebendig zu verlassen.

 

Aber für Atlanta war diese Hütte alles was sie besaß und sie konnte sich einen Umbau weder leisten noch ihn selbst ausführen. Sie hatte schon oft Arbeiten von Männern erledigt, nie aber Holz gehackt und transportiert. Zudem hätte sie nicht das Geld für Nägel und Hammer, ihr Budget reichte höchstens für essen, wenn überhaupt. Auch heute war ihr wieder unklar, ob sie mit leerem und knurrendem Magen ins Bett gehen musste, wobei, ein Bett hatte sie ja nicht. Also musste sie sich darüber keine Sorgen machen.

 

Plötzlich nahm sie unheilbringende Geräusche hinter ihr wahr. Tausende von Pferden schienen sich ihr zu nähern, und so laut wie sie waren, mussten sie bestimmt Männer mit schweren Rüstungen tragen. Starr vor Angst war es ihr unmöglich, sich vom Platz zu bewegen und auszuweichen. Noch bevor sie reagieren konnte, drückte ein stumpfer Gegenstand gegen ihre Brust und sie wurde von der Kraft zu Boden gerissen und war nicht mehr fähig, aufzustehen. Für kurze Zeit wurde ihr schwarz vor Augen und ein unglaublicher Schmerz durchfuhr ihre Brust. Furcht machte sich in ihrem Körper breit, aber auch ein unfassbarer Überlebenswille. Trotz der starken Verwundung robbte sie sich unter größter Mühe zur Seite. Pferdehufe galoppierten an ihr vorbei und niemand schien sich für Atlanta zu interessieren. Man hätte sie eiskalt zu Tode getrampelt, wäre sie nicht irgendwie noch in der Lage gewesen, den rettenden Rand zu erreichen.

 

Erkennen konnte sie die Reiter nicht, sie schienen weder von hier zu sein noch etwas Gutes im Schilde zu führen. Soweit es ihr möglich war zu erkennen, waren die Tiere weiß wie Schnee und die Männer nahezu vollkommen von Rüstungen und Helmen verdeckt. Über ihre Nase und ihren Mund hatten sie ein Tuch, doch wozu das gut war, war ihr ein Rätsel. Es hätte mehrere Gründe geben können. Einzig ihre Augen konnte man sehen, aber Atlanta war es unmöglich diese einzuordnen. Breite Schwerte und volle Taschen waren das einzige, was sie bei sich trugen.

 

Eine gefühlte Ewigkeit später waren sie verschwunden, lediglich eine dicke Staubwolke hinterherziehend. Atlanta überkam ein Hustanfall und bei jedem Mal fühlte sie sich, als würde ihr Körper sie zerreißen. Vorsichtig setzte sie sich auf und drückt eine Hand gegen die Wunde. So stumpf war der Gegenstand wohl doch nicht gewesen, eine rote Flüssigkeit tropfte stetig zu Boden und schien eine ganze Blutlache unter ihr zu hinterlassen. Die Fasern ihres einst fast weißen Kleides färbten sich in der Farbe des Blutes.

 

Den Druck ihrer Hand auf der Verletzung verstärkend konnte sie nur hoffen, es bis nach Hause zu schaffen, um zu vermeiden, an Blutverlust zu sterben. Sie war zu jung und vor allem wollte sie noch einiges erreichen, bis der Tod sie im hohen Alter endgültig einholte. Auf Hilfe würde sie nicht warten müssen, niemand würde ihr helfen, niemand würde ihr je helfen. Früher hätte sie dies traurig gestimmt. Und jetzt?

 

Auch jetzt könnte sie deshalb anfangen zu weinen, aber würde dies irgendetwas an ihrer misslichen Situation ändern? Würde ein junger, womöglich gutaussehender Mann des Weges kommen und sie auf Händen in ein Krankenhaus tragen, wo richtige Ärzte sich um sie kümmern würden? Würde sie gar dessen Frau werden und endlich der Armut entrinnen? Nein. Nichts davon würde passieren wenn sich Tränen in ihrem Gesicht breitmachen würden und ihren Wangen entlang den Weg zum Boden suchen würden. Rein gar kein Wunsch, gar kein Traum und gar keine Hoffnung würde in Erfüllung gehen.

 

Sie wäre weiterhin das arme Mädchen aus dem Wald, das Mädchen, das keine Eltern hat hatte, das Mädchen, das es wahrscheinlich nie zu etwas bringen würde. Wenn sie noch länger hier verweilen würde, würde sie nur unweigerlich dem Tod in die Arme laufen, also suchte sie mit der freien Hand eine Art Verband, den sie einst gefunden hatte, aus ihrer kleinen Tasche, die sie immer dabei hatte. Schwer atmend versuchte sie, das lange Tuch um ihren Körper zu wickeln und die Blutung damit für kurze Zeit zu stoppen, um heil daheim anzukommen, wo sie einige Kräuter für Situationen wie diese aufgehoben hatte.

 

Atlanta bemerkte erst jetzt die aufsteigenden Rauchwolken, die innerhalb der Stadtmauern in die Luft stiegen und somit ein Feuer kennzeichneten.

Begleitendend nahm sie das Geschrei panischer Leute wahr und das Läuten des Verteidigungsturms, welcher da war, um feindliche Truppen vom Eindringen abzuhalten. Dies hieß jedoch, dass sie zu spät dran waren und die Ritter, die sie verwundet hatten, eben genau diese Feinde waren. Auch wenn sie noch so gerne etwas getan hätte, ihr eigenes Wohl war ihr im Moment wichtiger und außerdem, was hätte sie in ihrem Zustand schon groß ausrichten können?

 

Sie hätte es nicht einmal bis in die Stadtmitte geschafft, und selbst wenn, was hätte sie tun sollen? Helfen die Verwundeten zu verarzten, wenn sie selbst Hilfe brauchte? Sich den Feinden gegenüberstellen ohne eine Waffe zu besitzen und erst recht ohne kämpfen zu können? Sie kam sich im Moment noch nutzloser vor als sowieso schon, und auch wenn sie die Leute in der Stadt verachtete, so ein Schicksal hatte keiner von ihnen verdient. Dazu hatte sie lange Zeit unter ihnen gelebt und die Stadt lieb gewonnen. Auch wenn dieses Reich gerüstet war und sie immer vielen Wachen begegnete, so waren sie ziemlich wahrscheinlich doch nicht in der Lage, diesen Reitern Stand zu halten.

 

Zu viele waren sie, zu überraschend kam der Angriff. Hätte der König eine Kriegserklärung erhalten, so nahm sie an, dass die Glocken früher geläutet hätten und nicht erst nach dem Eindringen des Feindes, als es ohnehin schon zu spät war. Jetzt erst – Atlantas Meinung nach zu spät – stürmten aufgebrachte und teils auch blutende Bürger aus der Stadt. Frauen trugen ihre Babys oder nahmen ihre Kinder durch den eigenen Mantel in Schutz. Einzig den Männern schien es egal, was mit den Frauen und Kindern geschah, sie liefen um ihr eigenes Leben, und nur um das eigene. Ob sie gar bereit gewesen wären, andere zu opfern, nur um selbst nicht getötet zu werden?

 

Ein heilloses Durcheinander entstand und wie nicht anders vermutet lief jeder an ihr vorbei. Sie konnte nur froh sein, nicht von den Menschen totgetrampelt zu werden, sie konnte den Pferden immerhin nur gerade so ausweichen. Atlanta kämpfte inzwischen doch mit den Tränen, der Schock schien vorbei zu sein, denn der Schmerz wurde immer schlimmer und entfaltete erst jetzt seine tödliche Wirkung. Sie hatte zu wenig Mittel, um die Blutung zu stoppen, der Verband tat längst nicht mehr seine Arbeit.

 

Sie musste heim, und das jetzt. Immer wieder hallte dieser Satz in ihrem Kopf wider und sie befahl ihren Füßen, sich zu erheben und sie endlich zur Hütte zurück zu schleppen. Doch sie taten nicht, wie ihnen geheißen, sie stellten auf stur und bewegten sich nicht. Wäre ihre Hüfte eine Person, so würde sie inzwischen schreien. Aus Verzweiflung, aus Schmerz, aus Leid. Und auch sie würde am liebsten schreien, doch keiner würde ihr helfen, es war dasselbe wie wenn sie anfangen würde zu weinen, auch wenn dies inzwischen unvermeidbar schien.

 

Ihre Augenlider wurden schwer, und allmählich sah sie nur mehr einen kleinen Kreis. Um den herum war alles schwarz und er wurde immer und immer kleiner, bis sie schließlich nichts mehr erkennen konnte und nach hinten kippte. Sie würde sterben, hier und jetzt. Und niemand, niemand würde sie jemals vermissen.

Kapitel 2

 Atlanta
Als sie endlich wieder zu Bewusstsein kam, war es ihr nahezu unmöglich, ihre Augen zu öffnen. Die Lider waren noch immer schwach und schienen gegen ihren Willen zu arbeiten. Für einen kurzen Moment dachte Atlanta, dass sie tot sei, doch der stechende Schmerz nahe ihrer Hüfte widerlegte diese Theorie. Wo war sie? Lag sie noch immer neben dem Weg? Wie viel Zeit war vergangen? Gedanken und Fragen, die ihr nicht mehr aus dem Kopf gingen, Zumindest nicht so lange, bis sie ihre Augen öffnen könnte.
Plötzlich nahm sie Schritte wahr, die beängstigend nahe waren und aufgrund der Lautstärke konnte sie sagen, dass sie immer noch näher kamen und nicht etwa an ihr vorbei gingen. Ihr Herz fing vom einen aufs andere wie wild an zu pochen und sie hielt ihren Atem an, in der Hoffnung, für tot gehalten zu werden. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie zugedeckt war und weich lag. Die Wurzeln, auf welchen sie sich vorhin wohl oder übel niederlassen musste, waren bei Weitem nicht so bequem wie der Boden, auf dem sie nun lag, es fühlte sich an wie...ein Bett! Hatte wirklich jemand sie mitgenommen? Wenn ja, wer? Was wollte er von ihr? Wollte er ihr Böses oder bildete sie sich das alles nur ein? Vielleicht war sie ja in der Hölle gelandet, der Schmerz würde dort bestimmt nicht besser werden.
„Atlanta?“ In dieser sanften Stimme eines Mannes nahm sie Besorgnis wahr. Besorgnis um sie? Aber diese Stimme, sie kannte sie doch. Sie war sich sicher, sie schon mehrmals gehört zu haben, aber zuordnen konnte sie sie im Moment nicht.
Leicht öffnete sie ihre Lippen, um ihm zu antworten, aber mehr als ein leises Krächzen entwich ihr nicht. Ihre Stimme versagte gänzlich und sie konnte sich nicht erklären, warum dem so war. Aber vielleicht war es ja besser so. Vielleicht wollte der Mann ihr Böses, wenn er bemerkte, dass sie endlich aufgewacht war. Doch hätte er das nicht an ihrer Lippenbewegung eben erkannt?
Die Schritte waren inzwischen verklungen, vermutlich stand der Mann jetzt direkt neben ihr und beobachtete ihre Bewegungen. Langsam war es ihr sogar möglich, ihre Augen zu öffnen, erkennen konnte sie aber alles nur verschwommen. Mehrmals blinzelte sie, in der Hoffnung, dann alles etwas klarer sehen zu können. Atlanta drehte ihren Kopf ein wenig zur Seite und bemerkte die dort stehende Figur/Silhouette ihres Helfers. Oder Entführers?
„Zum Glück, du bist wach...“ Sichtliche Erleichterung konnte man in seiner Stimme wahrnehmen, aber gleichzeitig auch weiterhin die Besorgnis von vorhin.
„Wie fühlst du dich? Hast du noch große Schmerzen?“ Ja, Schmerzen hatte sie noch, aber sie waren nichts im Gegensatz zu vorhin. Warte, vorhin? Sie hatte ja keine Ahnung, wie lange sie schon hier lag.
„Ich...“ Und erneut versagte ihre Stimme. Darauf wartend, endlich sehen zu können, wer dieser Mann ist, blieb sie einfach liegen, wobei sie vermutlich gar nicht aufstehen hätte können. Sie sammelte sich und setzte erneut zum Sprechen an.
„E-es geht...“ Ihr Blick wanderte etwas nach oben und sie war endlich in der Lage, ihm ins Gesicht zu sehen. Talon! Er hatte sie tatsächlich gefunden und mitgenommen?
„Talon...“ Schon nach Beginnen des Satzes wusste sie nicht, wie sie ihn fortsetzen sollte. Sie war ihm ewig dankbar und wusste nicht, wie sie dies in einem Satz formulieren konnte, sie musste sich noch so gut wie nie bei jemandem bedanken.
„Ich weiß was du sagen willst Kleines. Natürlich freut es mich dass du dich bedanken willst und ich freue mich auch, dir geholfen zu haben“
Woher wusste er so genau was sie sagen wollte? Ja, er arbeitete in derselben Mine wie sie und man konnte sie als befreundet bezeichnen, aber dennoch war es nahezu unheimlich, wie genau er nur ein Wort von ihr deuten konnte.
„Ok...“
„Wegen der Wunde musst du dir keine Sorgen machen. Sie ist nicht so schlimm wie sie aussieht und ich habe sie gut genug versorgt. Ich mag zwar kein Arzt sein, aber ich hatte oft genug selbst Verletzungen und musste so wohl oder üblich doch lernen sowas zu verarzten.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem frechen Grinsen, was ich mit einem Seufzen quittierte.
Wenn sie ihn mit nur einem einzigen Wort beschreiben wollen würde, so wäre es unmöglich. Aber genau dafür mochte sie ihn. Er ließ sich nicht verbiegen, ganz egal was passierte und er blieb sich selbst treu. Er half den Armen, obgleich man ihn auch nicht als reich bezeichnen konnte und auch in der Arbeit war er stets dazu bereit, Überstunden einzulegen, damit ein anderer früher gehen konnte.
Er beugt sich etwas nach vorne und hob ihr Oberteil an.
„W-w-was machst du da...?“ Auch wenn sie sich selbst nicht sehen konnte, so war ihr doch durchaus bewusst, dass ihr Gesicht gerade einer Tomate Konkurrenz machte. Sie hatte nie wirklich Kontakt mit Männer gehabt, es sei denn, sie lief in der Mine aus Versehen gegen einen. Das andere Geschlecht hatte sie nie besonders interessiert und das würde sich auch in Zukunft nicht ändern. Ihre Meinung über sie war sehr negativ, denn in ihren Augen waren Männer nur auf den Körper von Frauen aus und Hochzeiten waren nur da um sie legal zu versklaven. Sie mussten dann ihrem Ehepartner dienen und bis auf Essen und ein Dach über dem Kopf war für sie das Leben dann nahezu unerträglich.
An Liebe glaubte Atlanta nicht. Nur an die Liebe zwischen Mutter und Kind. Aber sie hatte beides nicht, also konnte sie sich nur denken, dass dem so sei.
Geschickt warf er sein, ihrer Meinung nach zu langes, Haar zurück. Doch zugegeben, ihr gefiel es auch irgendwie. Es war schwarz wie die Nacht und doch glänzte es, als hätte er eben in Öl gebadet. Seine eisblauen Augen bildeten den perfekten Kontrast zu seiner schwarzen Mähne und aufgrund der markant männlichen Gesichtsform konnte man ihn ohne schlechten Gewissens als hübsch, wenn nicht gar als absolut attraktiv bezeichnen.
Würde man sie nach dem perfekten Mann fragen, so würde die Antwort ohne nachzudenken, Talon heißen. Doch man hatte sie noch nie nach ihrer Meinung gefragt und würde es auch nie tun.
„Die Stadt...was ist passiert...?“ Wie ein einschlagender Blitz kam es ihr wieder in den Sinn. Das Feuer, das Geschrei und natürlich...die Reiter!
„Ich weiß es nicht genau Atlanta. Alles was ich sah, waren die Leute, die wie wild aus dem Tor gestürmt sind, begleitet von Geschrei und dem Klirren von aufeinander treffenden Wachen...“
„Ich..hab Reiter gesehen...Sie waren nahezu weiß gekleidet und schienen nicht besonders freundlich, einer von ihnen hat mich verletzt...“ Angst machte sich wieder in ihr breit, was man durch ihre zitternde Stimme erkennen konnte.
„Dann wurden wir vermutlich vom Eisreich überrannt...“ Ob er Recht hatte? Vermutlich ja, so wie diese Reiter gekleidet waren, kamen sie bestimmt aus dem kalten Norden.
„Ich will nach Hause...“ Eigentlich war ihr Ziel ja die Stadt, aber er hätte sie nie gehen lassen, wenn er das gewusst hätte, also musste die kleine Notlüge wohl sein, auch wenn er ihr gerade geholfen hatte.
„Pass aber ja auf dich auf Atlanta. Geh nicht auf dem Weg, sondern bleib im Wald und lauf los, wenn du auch nur irgendein gefährliches Geräusch wahrnimmst. Wer weiß wozu diese Männer fähig sind, sie machen bestimmt keinen Halt davor, ein junges Mädchen wie dich zu töten oder schlimmeres...“ Sie wusste zwar nicht genau, was er unter schlimmeres verstand, jedoch wagte sie auch nicht, weiter nachzuforschen.
„Natürlich...“
„Und wenn du was brauchst, dann komm wieder vorbei. Das Essen würde für uns beide reichen und auch Verbände habe ich genug, um dich wie eine Mumie aussehen zu lassen.“ Er versuchte, leicht zu lächeln, was ihm nicht Recht gelang. Seine Augen verrieten ihn, das Lächeln erreichte sie nicht. Im Gegenteil. Sie sahen traurig und besorgt aus, wie vorhin schon. Atlanta hatte es sich angewöhnt, einen anderen an seinen Augen einzuschätzen. Bei manchen war sie auch in der Lage, herauszufinden, ob sie sie anlogen oder ehrlich waren. Aber eben nur bei manchen.
Vorsichtig setzte sie sich auf, was ihre Hüfte nicht besonders guthieß. Also biss sie die Zähne zusammen und versuchte vergebens, die Schmerzen zu ignorieren. Stützende Hände legten sich um sie und halfen ihr auf, was ihr plötzlich ganz leicht fiel.
Talon war, vermutlich durch die viele harte Arbeit, ein richtiger Muskelprotz geworden. Dank des ärmellosen, noch halbwegs sauberen Oberteils, das er meist trug, konnte man dies auch bestens erkennen. Doch abgesehen davon waren seine Klamotten voller Staub oder kaputt. Und Männer konnten nicht flicken, das sah man an den Löchern, die so schlimmer aussahen, als wenn sie einfach nur offen wären.
Als sie endlich wieder Boden unter ihren Füßen spürte, war sie sichtlich erleichtert.
Ihr Blick schweifte durch den Raum. Das Zimmer, in dem sie sich befand, war klein, hatte aber dennoch alles, was sie sich immer gewünscht hatte. Einen Kamin, ein Bett – das war das Beste – einen Schrank in dem sie Kleider vermutete und sogar einen Teppich. Allein der wäre schon bequemer zum Schlafen als der Boden. Am liebsten wäre sie einfach hier geblieben, aber sie wollte Talon nicht auf die Nerven fallen und außerdem in die Stadt, um sich der momentanen Lage bewusst zu werden.

„Ich...danke...“ Das zweite Wort kam nur mehr gemurmelt und kaum verständlich aus ihrem Mund, wie der Mann bereits treffend erwähnt hatte, war das bedanken nicht so ihre Sache. Warum? Nie hatte sich jemand bei ihr bedankt, und nie hatte ihr jemand einen Grund gegeben, danke zu ihm zu sagen, und das würde sich so schnell auch nicht ändern. Wenn es sich überhaupt ändern würde...
„Und du bist dir sicher, dass du dich nicht doch lieber noch etwas ausruhen möchtest? Mit Wunden ist nicht zu spaßen und ich möchte dich nicht wieder auf halber Strecke einsammeln müssen Kleines.“ Ein breites Grinsen begleitete diese Worte und Atlanta stieß einen Seufzer aus. So schwach war sie nun auch wieder nicht, die Verletzung war versorgt und sie fühlte sich einigermaßen fit.
„Ja Talon, ich bin mir ganz hundertprozentig tausendmal sicher, dass ich nicht mehr rumliegen und Däumchen drehen möchte. Wenn du dir aber wirklich so große Sorgen um mich machst“, was sie sich inzwischen sogar vorstellen konnte, „so werde ich nachher wieder bei dir vorbeischauen, um dir zu zeigen, dass es mir gut geht, was ich dir zu verdanken habe.“ Wie zu erwarten hörte man das „Verdanken“ wieder kaum, sie war geübt darin, dieses kleine Wort zu verschlucken. In ihrer Stimme konnte sie nicht ganz verdecken, dass sie Angst hatte. Angst davor, Leichen zu finden, wenn sie in die Stadt ginge. Angst, dass sie selbst sterben würde. Angst, dass die Häuser alle nicht mehr stehen würden.
„Das wäre schön Kleines. Aber versprich mir noch eines. Pass auf dich auf. Und wenn die Angst überhandnimmt, komm einfach wieder her. Du musst das nicht tun, niemand erwartet von dir, dass du jetzt gehst, um zu helfen. Vielleicht kannst du das ja nicht mehr tun...“
Ein Nicken war die ganze Antwort von ihr. Atlanta wollte sich weder eingestehen, dass er Recht hatte, noch dies offensichtlich zugeben. Ohne weitere Worte in den Raum zu werfen, verließ sie das Zimmer. Die Tür nach draußen war schnell gefunden, war sie doch nebenan. Den Rest vom Haus wollte sie sich vielleicht ansehen, wenn sie zurückkam.
Draußen angekommen war ihr Ziel klar. Die Stadt. Der Weg war auch hier wieder etwas steinig, da Talon außerhalb der Stadtmauern in einem kleinen Dorf lebte, daher verlangsamte sie ihre Schritte, um sich selbst etwas zu schonen. Auf der Straße angekommen begegneten ihr kaum Menschen, um nicht gar zu sagen, überhaupt keine. Dicke Rauchschwaden hingen noch in den Wolken über den Gebäuden der Stadt, doch bis auf die Hufen von trabenden Pferden war nichts zu hören. Bereits von außen hätte man sie problemlos als Geisterstadt bezeichnen können, was Atlanta einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ. Sie konnte nicht verstecken, dass sie Angst vor dem hatte, was vor ihr lag. Bilder des Schreckens würden sich ihr bieten, sobald sie angekommen sein wird und vergessen würde sie diese bestimmt nie können. Und trotzdem. Sie wollte dorthin, unter allen Umständen. Man hatte sogar ihr geholfen, also wollte sie nun auch etwas tun.
Nach einer halben Ewigkeit schließlich erreichte sie ihr Ziel. Eine große, hölzerne Brücke war das Einzige, das sie noch vom riesigen, bereits rostigen Tor trennte. In den Gräben links und rechts davon tummelten sich für gewöhnlich zahlreiche Bettler und verkrüppelte Leute, die von den Menschen, die sich für etwas Besseres hielten, verstoßen wurden. Doch auch hier war ihr Leben kein Stück besser. Das Highlight des Tages war es schließlich, wenn ein Adeliger ihnen ein Stück Brot zuwarf, um welches sie sich stritten wie wilde Tiere. Nicht selten zückte dabei einer das Messer und stach einen anderen damit nieder. Und das nur für etwas zu Essen! Nie wäre sie zu so einer Tat fähig gewesen, aber so verzweifelt, wie diese Leute, war sie auch nicht. Zumindest ein Dach über dem Kopf hatte sie und zumeist genug Geld, um zu überleben.
Atlanta bemerkte nicht, dass ihre Füße ihre Angst in sich trugen und das Tempo immer mehr verlangsamten. Am liebsten wären sie auf der Stelle umgekehrt und zu Talon zurückgelaufen.
Beim Tor angekommen, konnte sie gar nicht so problemlos hindurch gehen, es war nur einen Spalt erschlossen und sie zu schwach, es weiter zu öffnen. Also zwängte sie sich mit Mühe hindurch. Jemand anderes wäre nie durchgekommen, machte sie doch einer Bohnenstange Konkurrenz.
Drinnen angekommen, streifte sie erst einmal ihre ohnehin total dreckigen Klamotten ab. Es dauerte Sekunden, wenn nicht gar Minuten, bis sie es wagte, ihren Kopf zu heben und sich umzusehen. Die von ihr erwarteten, schrecklichen Bilder blieben jedoch aus. Bis auf die Tatsache, dass sie die einzige Person weit und breit war, war nichts Schlimmes zu sehen. Keine Leichen, keine leidenden Menschen und keine feindlichen Truppen. Einzig ein paar Häuser, die nicht wie die anderen aus Stein, sondern aus Holz gebaut waren, brannten. Von ihnen aus gingen auch diese Rauchwolken, die sie bereits von weit her gesehen hatte. Die Vorhänge der noch stehenden Behausungen waren zugezogen und sie war sich sicher, dass die Türen verriegelt waren. Vielleicht würde sie in der Stadtmitte oder dem Vorhof mehr erfahren. Der Boden unter ihren Füßen war kalt, aber deutlich angenehmer als der Weg hierher, weshalb sie auch dementsprechend schnell unterwegs war. Einerseits war Atlanta erfreut darüber, doch keine Toten vorzufinden, doch andererseits wuchs die Angst in ihr, dass alle Menschen geflohen waren und nie jemand hierher zurückkommen würde.
Am Marktplatz – oder auch Stadtplatz – angekommen, war sie wieder allein. Der sonst so rege Betrieb hier war zum Erliegen gekommen. Die Stände waren voll befüllt mit Gemüse, Obst, Fisch, Kleidung, edlen Stoffen und allerlei Krimskrams. Die Versuchung, etwas zu stehlen, war groß, doch wollte sie wirklich Profit aus dieser Sache schlagen? Nein. So war sie nicht. So würde sie auch nie werden. Stehlen war unter ihrem Niveau und darauf war sie stolz. Weil sie es auch so schaffen konnte.
Das einzige, was ihr jetzt noch blieb, war der Palast und dessen Vorhof, auf dem Hinrichtungen stattfanden. Auch wenn ihr König gerecht war, so gab es doch Verbrechen, die eine dermaßen harte Strafe forderten. Mord beispielsweise. Sie hatte nie einer dieser Vollstreckungen beigewohnt, sie wollte sich so etwas ersparen. Doch ihre Befürchtungen, so einer heute nicht mehr aus dem Weg gehen zu können, trafen ein. Zahlreiche Leute hatten sich bereits um das Podest herum versammelt, auf der sich eine Guillotine befand. Viel sehen konnte sie trotz der Erhöhung nicht, aber das wollte sie auch nicht.
Sie wusste nicht, wie so etwas normalerweise ablief, aber Atlanta wurde einst gesagt, dass die Leute sich an dieser Art der Unterhaltung amüsieren könnten und sich über die Gefangenen lustig machen würden, oder sie mit Schimpfworten überhäuften. Doch nichts von dem allen traf heute ein, was bedeutete, dass man sie entweder angelogen hatte oder jemand hingerichtet wird, der den Tod nicht verdient hatte.
Ihr Blick wanderte zu dem Balkon hinauf, auf dem der König angeblich während so einer Exekution saß und sie leitete. Auch heute war dieser nicht leer, doch sie kannte den Mann nicht, der dort Platz genommen hatte. Sie schätzte ihn um die 20, doch seine weißen, ziemlich verwuschelten Haare erschwerten ihr die dies. Nie hatte Atlanta einen Mann jungen Alters gesehen, der solch eine Haarfarbe aufwies. Erst jetzt bemerkte sie im Hintergrund eine Gestalt, die für ihre Verhältnisse extrem großgewachsenen war. Sein Gesicht wurde zum größten Teil vom Schatten verdeckt und sie konnte nicht erkennen, wer er war. Aber da sie auch den sitzenden nicht kannte, lag es nahe, dass sie auch den hinteren noch nie getroffen hatte.
Was, wenn sie vom Eisreich kamen? Den eisblauen Augen und den nahezu weißen Rüstungen zufolge konnte sie mit dieser Vermutung sogar richtig liegen. Bedeutete dies jedoch nicht, dass der eigentliche König gestürzt wurde? War nur das das Ziel dieser Reiter gewesen? Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus und die zuvor nahezu verschwundene Angst war vom einen Augenblick auf den nächsten wieder da.
Und sie wurde nicht besser, als sie den jungen Prinzen sah, welcher von zwei dieser weißen Reiter zur Bühne geschleppt wurde. Seine Hände waren hinter dem Rücken gefesselt und in seinen Augen war die Furcht vor dem bevorstehenden deutlich zu erkennen.

Kapitel 3

 

Siamun
Sein Blick wanderte über die unter ihm stehende Menge. Die Schaulustigen reckten die Hälse, um möglichst viel zu Gesicht zu bekommen, doch in ihren Augen sah er noch etwas anderes als Neugierde. Er sah Angst. Überall auf den Gesichtern und in den Gesichtszügen der Leute spiegelte sie sich wider. Bei dieser Erkenntnis huschte ein gehässiges Lächeln über seine Lippen. Wie er es doch liebte, anderen dabei zuzusehen, wie sie litten. Die Klamotten der Anwesenden waren einfach und in matten Farben gehalten. Dass die Bürger der unteren Schicht sich so schlicht kleideten, war einer der Gründe, warum Siamun auf sie hinabblickte und warum er sich für etwas Besseres hielt.

 

Kurz hielt er in seiner allgemeinen Musterung inne, denn eine junge Frau der unter ihm Stehenden hatte seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Ihr Haar umfloss ihren Körper in leichten Wellen und reichte ungefähr bis zu ihrem Bauch. Im Licht der Nachmittagssonne glänzten sie und mit jeder Bewegung, die sie machte, hatte er mehr den Eindruck, auf eine brennende Flamme zu blicken. Ihre Augen fanden die seinen und einen kurzen Augenblick hielt sie seinem Blick stand, dann wanderten ihre emeraldfarbenen Augen weiter.

 

Siamun betrachtete seinerseits das Mädchen nicht länger, sondern konzentrierte sich auf den jungen Mann, der zu der Guillotine in der Mitte des Platzes gebracht wurde. Die zwei Soldaten waren keineswegs sanft in ihrem Umgang mit ihm. Dennoch reckte er das Kinn und ging, soweit es ihm möglich war, mit erhobenem Haupt seinem Ziel entgegen. Die beiden Männer hatten undurchdringliche Minen aufgesetzt, wobei einer älter war als der andere und bereits schütteres, weißes Haar hatte. Der junge Prinz wurde mit hinter den Rücken gefesselten Händen zu der Vorrichtung geführt, die dazu gedacht war, sein Leben zu beenden. Er wirkte erschöpft und obwohl in seiner Haltung nichts davon zu erkennen war, spiegelten seine Augen Furcht und Panik wider. Er war nicht bereit für das Kommende, es machte ihm mehr als Angst. Siamun hingegen gab die Situation des Prinzen und die damit verbundenen Emotionen ein krankhaftes Gefühl von Freude.

 

Wie sehr man das Leben zu schätzen lernte, wenn man zusehen konnte, wie ein anderer es so früh schon verlor. Eine Schande, die Zeit nicht früh genug auszukosten, denn man weiß nie, wann das Leben vorbei ist, es wäre doch zu dumm, wenn es enden würde, ehe es wirklich begonnen hatte. Das hier war das beste Beispiel dafür. Ein tragisches Ereignis, das notwendig war. Für Siamun war diese ganze Situation ein Ausdruck von Macht, denn er konnte über das Leben eines anderen bestimmen. Er konnte dessen Leben ein Ende setzen, ein Ende, das in einem Kalender vermerkt war und ein wo und wie dabei hatte. Es fühlte sich herrlich an. Ein Gefühl des erfüllt Seins, das sich in seinem ganzen Körper ausbreitete, seinen Gliedern vortäuschte, fliegen zu können, seinem Verstand vorgaukelte alles erreichen zu können.

 

Bald schon würden diese grau-grünen, ausdrucksstarken Augen und dieser dunkelblonde Schopf ihren Reiz verlieren, genauso wie dieser dunkle Goldton der Haut. Für die Frauen im Feuerreich galt er bestimmt als attraktiv, doch alles ist vergänglich, vor allem die Schönheit. Kurz bevor er seinen Weg vollendet hatte, bröckelte die Fassade hinter der er sich versteckt hatte, die ihm Kraft gegeben hatte und er begann sich zu wehren. Erfolglos. Ohne auf die Proteste des Gefangenen zu achten, drückten sie ihn auf die Vorrichtung hinter der Guillotine, befestigten ihn. Ein entsetztes Raunen breitete sich in der Menge aus. Bisher waren die Zuschauer zu fasziniert, zu schockiert gewesen, um reagieren zu können.

 

Jetzt wurde ihnen die Situation mit voller Wucht bewusst. Sie würden heute ihren Prinzen verlieren, während zwei wildfremde Männer auf dem Balkon des Monarchen die Hinrichtung verfolgten und auf das Volk herabblickten. Sie hatten Angst, Angst vor einer unbekannten Zukunft, der sie entgegen zu gehen hatten. In den Augen Siamuns lag ein gefährliches Glitzern und eine Gier, eine Gier nach Blut, nach Macht.

 

Den Blick weiterhin auf das Schauspiel gerichtet, legte er dem Mann neben sich die Hand auf die Schulter, um ihm zu sagen, dass es nun so weit war. Mit einem knappen Nicken gab Devas seinem Bruder Bescheid, dass er verstanden hatte. Was in dem Jüngeren vorging, konnte er nicht ausmachen, zumal es ihn auch nicht interessierte. Eine leichte Bewegung der Hand genügte, damit die Soldaten wussten, dass sie beenden konnten, was sie begonnen hatten. Ohne zu zögern, löste der Ältere den Knoten im Seil, welcher der einzige Gegenstand zwischen dem Leben und Tod des Prinzen war.

 

Kaum war es gelöst und losgelassen, fiel die Schneide mit einem Zischen am Holz entlang direkt auf den Hals seines Opfers nieder. Glatt durchtrennte sie Fleisch und Knochen. Das im Sonnenlicht glänzende Metall war nun mit Blut besudelt. Unter dem Hals des Prinzen bildete sich eine Blutlache. Ein Aufschrei der Menge und ein dumpfer Laut beim Aufprall des körperlosen Kopfes auf das harte Steinpflaster. Dieses Geräusch hörte sich für die Leute endgültig und grausam an, in Siamuns Ohren klang es jedoch wie Musik. Gelassen blickte er auf die Szene hinunter, nahm jedes Detail gierig in sich auf, brannte die Bilder tief in seine Erinnerungen, um sie ja nie wieder zu vergessen.

 

In kleineren Rinnsalen verteilte sich das Blut, in den Kerben zwischen den kleinen Steinen des Pflasters, über einen Großteil des Platzes. Nachdem der Kopf noch ein paar Zentimeter gerollt war, blieb er reglos liegen. Die Augen des nun toten Prinzen starrten, vor Schreck weit aufgerissen und mit leerem Blick, die Leute an. Beinahe wirkten sie anklagend, doch keiner der Umstehenden wagte es, sich zu rühren oder etwas gegen die Soldaten zu unternehmen. Die Grausamkeit des vor ihnen Geschehenen und die dadurch entstandene Angst, hatten sich in ihre Glieder geschlichen und eingenistet. Sie würden das Tun des neuen Königs nicht tolerieren, nicht gut heißen, aber sie würden auch nicht den Mut aufbringen, das Risiko einzugehen, dass ihnen, sollten sie etwas unternehmen, dasselbe widerfährt.

 

Die vom Himmel strahlende, warme Sonne stand in krassem Kontrast zu der düsteren Szene vor ihm. Lange Schatten, die der Palast auf den Platz vor ihm warf, schienen nach dem Toten zu greifen. Siamun durchzuckte ein Gefühl von Belustigung. Fasziniert und zufrieden betrachtete er sein Werk. Was anderen heute Nacht Albträume beschaffen würde, würde ihm verhelfen einzuschlafen. Blut, Leid und Tod. Neben Macht waren das drei seiner größten Ziele im Leben.

 

Im Augenwinkel nahm er wahr, dass sich das Flammenmädchen eiligst davon machte. In den Augen der jungen Frau hatte er Entsetzen und Angst erkennen können, so klar, dass es schien, als wären sie greifbar. Doch er hatte auch bemerkt, dass ihr übel war. Diese Tatsache amüsierte ihn. Sein Spiel hatte ihr wohl nicht gefallen. Ihr im Wind wehendes Haar kam ihm einmal mehr wie ein flackerndes Feuer vor. Kurz fragte er sich, ob er ihr je wieder begegnen würde, doch gleich darauf war sie vergessen und er widmete seine volle Aufmerksamkeit wieder dem Szenario vor sich.

 

Die Leichenteile des Prinzen wurden vom Platz geschafft und die Menge löste sich langsam auf. Die Sonne näherte sich immer mehr dem Horizont und leuchtete lange nicht mehr so hell, wie zuvor. Während die Soldaten noch aufräumten, betrat Siamun die leicht kühlenden Mauern des Palastes durch die gläserne Balkontür hinter ihm. Auf Devas achtete er nicht weiter, sondern ging mit eleganten Schritten durch die offene Tür des Salons, in den Gang. Die Einrichtung des Salons nahm er nur flüchtig wahr. Da war eine Couch, zwei gemütliche Stühle für Besucher, ein Schrank und ein paar weiter unwichtige Möbelstücke. Alles aus dunklem Eichenholz gefertigt und die gepolsterten Möbel alle mit roten Stoffen überzogen. In der gleichen Farbe war ein Teppich, der beinahe den ganzen Raum ausfüllte, gehalten. Der Boden, der zwischen den Einrichtungsstücken immer wieder durchschimmerte, war aus weißem Marmor.

 

An diese Farbe würde er sich nie gewöhnen, an keine der hier vorherrschenden Farben. Kaum war er im Gang angelangt, hatte er das Gefühl, in einem brennenden Meer unter zu gehen. Das Sonnenlicht, das durch die rot und orange getönten Fenster fiel, brachte den Flur zum Brennen wie Feuer. Rot war seines Erachtens nach eine viel zu warme Farbe. Im Eisreich waren die Scheiben der Fenster in Blau oder Weiß gehalten, kalt und passend. Doch ihn störte nicht nur dies. Er vermisste den Frost an den Fenstern und die Eiszapfen, die davon hingen, genauso wie die weitlaufenden, weißen Felder. Auch war es ungewohnt für ihn, auf den Gipfeln im Westen nicht das gewohnte Weiß zu sehen, sondern nur ein Grau, in den weiter unten liegenden Regionen durchbrochen vom Grün der Bäume oder Wiesen.

 

Diese weinroten Vorhänge, die die Fenster edel umrahmten und die hellroten Teppiche, die überall die Gänge durchliefen und den Marmorboden bedeckten, würden ersetzt werden müssen. Er konnte es sich genau vorstellen, saphirblaue Vorhänge und weiße Teppiche, wie im Palast des Eisreiches. Kurz war da ein Schmerz in seiner Brust, denn er vermisste sein zu Hause, doch gleich darauf schob er diese Tatsache beiseite. Er konnte es sich nicht leisten, sich von derartigen Kleinigkeiten aufhalten zu lassen. Es war ärgerlich, dass er den weißen Marmor nicht auch durch schwarzen ersetzen konnte, doch man musste sich mit dem zufrieden geben was man bekommen konnte. Leider.

 

Die Flaggen, die überall am Palast befestigt waren und imposant in die Tiefe reichten, würden ausgetauscht werden müssen, denn der darauf abgebildete Phönix und die Rot-, Orange- und Gelbtöne, aus denen der Stoff bestand, war zu typisch für das Feuerreich. Schon bald würden jedoch die Banner des Eisreiches anstatt von den Dächern hängen und es würde ein weiteres Zeichen dafür sein, dass der Eiskönig nun hier herrschte. Beinahe am anderen Ende des Palastes angekommen, betrat er durch eine Tür das für ihn bestimmte Zimmer, welches trotz den draußen vorherrschenden warmen Temperaturen kalt war.

 

Mit wenigen, langen Schritten durchquerte er den Raum und öffnete ein Fenster. Eine warme Brise, mit einem Hauch von Kälte darin, wehte ihm ins Gesicht. Kurz genoss er die frische Luft, dann schlug er das Fenster wieder zu und zog die Vorhänge zu. So musste er die Farben, die durch das Fenster entstanden wenigstens nicht mehr ertragen. Anschließend nahm er auf dem Sessel vor seinem Schreibtisch Platz. Er streckte die Beine elegant aus und überkreuzte sie an den Knöcheln, während er sich mit den Ellbogen an den Armlehnen abstützte und die Finger locker ineinander verschlag. Lässig zurück gelehnt und mit einem eiskalten Funkeln in den Augen, wirkte er in dieser Haltung äußerst herablassend. Mit lauter und befehlender Stimme rief er einen er Männer, die vor seiner Tür postiert waren, herein. Dieser kam seinem Befehl ohne Fragen zu stellen oder zu zögern nach und trat ein.

 

Der junge Mann kniete sich vor ihm nieder und hielt den Kopf gesenkt.
„Hilian, sag den Dienern Bescheid, sie sollen die Flaggen ändern. Sorg auch dafür, zu veranlassen, die Gewänder der Bediensteten zu verändern.“
„Ja mein Prinz.“ Der junge Krieger kniete noch immer vor ihm und er würde es so lange, bis er ihm die Erlaubnis erteilen würde, aufzustehen. Schwarze Haare, die ihm über die Schultern reichten. Ungebändigt umrahmten sie sein Gesicht, flossen über Schultern und Rücken und ließen die weiße Haut noch weißer wirken. Die blauen Augen sprangen einen förmlich an wenn man ihn ansah, doch die Kälte, die darin lag, würde jeden zurückweichen lassen. Mit einem Wink gab er dem Soldaten zu verstehen, dass er nun gehen konnte. Der Schwarzhaarige stand auf, verbeugte sich leicht und ging dann davon.

 

Nun war es an der Zeit, den nächsten Punkt auf seinem Plan abzuarbeiten. Mühelos erhob er sich in einer einzigen, eleganten Bewegung vom Stuhl. Ein triumphierendes Grinsen im Gesicht und einer kalten Vorfreude, machte er sich auf den Weg zu den Gemächern seines Bruders. Es war an der Zeit ihn dazu zu überreden, heiraten zu müssen und er würde es tun. Daran hatte er keinen Zweifel, denn Devas hatte nicht den leisesten Verdacht, dass Siamun ihn benutzen würde, um an seine Ziele zu gelangen. Ein naiver Narr, doch genau das kam ihm zu gute.

Kapitel 4

 

Siamun

Ohne anzuklopfen öffnete er die Tür aus dunklem Eichenholz und betrat das Zimmer seines Bruders, dessen Blick sogleich auf ihm lag. In seiner Mimik konnte er einen Hauch Missbilligung sehen, doch dieser verblasste, kaum dass er ihn erkannte. Niemals würde er sich ihm in den Weg stellen oder sich beschweren. Daher schenkte Devas ihm ein freundliches Lächeln, während er seinen Bruder begrüßte. Siamun setzte seinerseits ein Lächeln auf und nahm unaufgefordert auf der Couch Platz. Trotz der Tatsache, dass er nun ein wenig kleiner wirkte, sah er elegant und majestätisch aus. Seiner Meinung nach war er der geborene König und konnte nicht verstehen, wie sein Vater das nicht sehen und dafür entscheiden hatte können, Devas den Thron zu geben. Es war nicht fair, es würde nie fair sein.

 

„Es freut mich, dass du vorbei kommst, aber wie ich dich kenne, wird es dazu einen Grund geben. Was ist es diesmal?“
„Ich wollte mich lediglich erkunden, was du von der Idee hältst, dir eine Frau zu nehmen?“
„Ich weiß nicht.“ Devas klang unsicher, als würde er sich Sorgen machen worauf sein Bruder hinaus wollen würde. Diese dunkelgrauen Augen lagen ruhig und unerlässlich auf ihm, was dieses Unbehagen, das sich in ihm breitmachte, nicht verbesserte. Siamun wusste das, er konnte es spüren und er genoss es, jeden Augenblick davon.
„Du solltest dir Gedanken darüber machen Bruder, immerhin musst du inzwischen über zwei der drei Reiche herrschen. Das Volk wird irgendwann von dir verlangen, ihnen einen Nachfolger zu schenken.“ Er klang fürsorglich und vernünftig, nur wer genau in seine Augen gesehen hätte, hätte bemerkt, dass er sich am Leid des Jüngeren erfreute. Kurz überdachte dieser die Worte, ehe er darauf antwortete.

„Darüber hatte ich nie nachgedacht, aber zählt mein Glück nicht auch? - Ich möchte die Frau heiraten, die ich liebe Siamun, wird mir das verwehrt?“ Narr! Beinahe hätte er gelacht.
„Natürlich zählt dein Glück, doch als guter Herrscher musst du dein Glück hinter das Wohlergehen und das Glück deines Volkes stellen. Ich weiß, du zweifelst manchmal daran, ein guter Herrscher zu sein, aber Vater hat es nicht getan, also mach ihm keine Schande. - Liebe ist nichts, das man einfach findet, es entwickelt sich, also heirate ein paar Frauen und wenn du für keine von ihnen Gefühle entwickeln kannst, hast du immer noch die Möglichkeit, dir weitere zu suchen.“ Jedes Wort eine Lüge, genauso wie das liebevolle, zuversichtliche Lächeln auf seinem Gesicht.

Nie wäre er der Meinung, Devas wäre ein guter Herrscher. Um das zu sein, war er zu naiv, zu manipulativ. Nicht so wie Siamun, er war perfekt dafür geschaffen König zu sein, nein, noch viel mehr, er war dazu bestimmt, die absolute Macht zu besitzen. Ob er seinen Bruder unglücklich machen würde beim Anstreben eben dieser Macht, war ihm herzlichst egal. Im Gegensatz, es war ihm alles recht und die Tatsache, dass dieser Narr davon träumte, sich zu verlieben, amüsierte ihn absolut. Liebe gab es nicht. Sie war lediglich ein Hirngespinst von Leuten, die ihr Leben verschönern wollten und keine anderen Ziele hatten oder haben. Aber um seinem Ziel näher zu kommen, hatte er keine andere Wahl, als Devas gut zuzureden und ihn davon zu überzeugen, dass es eine gute Idee für ihn sein würde, zu heiraten und dass er sein Glück dabei nicht verlieren würde. Seines Sieges war Siamun sich sicher, denn er hatte es bisher immer geschafft seinen Bruder zu überzeugen und er würde es auch diesmal nicht scheitern. Gerade diesmal nicht. Es hing zu viel davon ab.

 

Lange sahen diese eisblauen Augen des Jüngeren in die seinen. Heute würde er nicht einfach ja sagen, doch er sagte auch nicht nein. Schweigen, das war alles, was Siamun brauchte, um ihn überreden zu können. Hier war es zu heiß, zumindest seiner Meinung nach. Devas hatte die Vorhänge und die Fenster offen. Trotz der späten Stunde und der Tatsache, dass die Sonne bereits weg war, strömte warme Luft herein.

„Ich kenne dich und ich bin gut darin dein Verhalten zu interpretieren, aber wie darf ich dieses Schweigen auffassen?“ Nebenbei öffnete er zwei der oberen Knöpfe seines Hemdes und entblößte damit ein Stück einer durch Muskeln perfekt geformten, blassen Brust.

„Es bedeutet, dass ich über deine Worte und meine Argumente nachdenke. Hier geht es nicht um ein einfaches Ja oder Nein, sondern um eine mein Leben beeinflussende Entscheidung.“
„Wie lange hast du vor, darüber nachzudenken?“ Von der Ungeduld, die in ihm war, ließ er sich nichts anmerken, weder in den Worten, noch in der Haltung oder in der Bewegung, mit der er in gekonnten Griffen seine Ärmel hochkrempelte.

„Eine Weile.“
„Was hält dich davon ab, jetzt eine Entscheidung zu treffen? Sie ist nicht weniger oder mehr entscheidend, als die Frage es war, ob wir das Feuerreich angreifen sollten.“

„Du hast recht.“ Devas stieß einen tiefen Seufzer aus und blickte weiterhin in diese dunkelgrauen Augen, die einem Sturmhimmel so ähnelten, aber keine Emotionen Preis gaben. Er blickte in diese unergründliche Tiefe und dachte über die Worte nach. Siamun hielt seinem Blick stand, denn er wusste, sein Gegenüber würde nichts in seinen Augen lesen können, sie würden ihm nichts von den wahren Hintergründen dieses Gespräches verraten oder von seinen Vorhaben, die in der Zukunft noch vor ihm lagen. Doch diese Farbe passte so perfekt zu seinem Charakter, denn er war genauso wie ein Sturm es war, ohne Gefühle und unberechenbar.
„Heißt das, du wirst heiraten?“ Siamun ließ die Worte interessiert, aber nicht drängend klingen. Nun blickten sie sich wieder schweigend an. Sekunden wurden zu Minuten und er glaubte langsam daran, vom Jüngeren keine Antwort mehr erwarten zu können, als dieser wieder sprach.

„Bevor ich darüber urteile, möchte ich noch eine Frage klären.“ So hartnäckig war er bisher noch nie. Diese Erkenntnis ließ Ärger in Siamun aufsteigen, aber da war noch etwas anderes. Es gefiel ihm, zu wissen, dass sein Bruder sich nicht so einfach einwickeln lassen würde, denn umso größer war dann das Gefühl des Siegens und am Sieg war er nah dran. Sehr nah.

„Diese wäre?“

„Wie suche ich mir meine Frau aus? Ich kann wohl kaum durch das Reich spazieren und jedes Mädchen, dem ich über den Weg laufe, ansprechen.“
„Keine Sorge“, ein Lächeln zeigte sich auf den Lippen des Älteren, während seine Stimme beruhigend klang, „das sollte dein geringstes Problem sein. Mein Rat an dich wäre, eine junge Frau aus den Reihen der Bürger des Feuerreiches zu heiraten, um dem deine Verbundenheit mit ihm zu demonstrieren. Und du magst recht haben, durch das Reich zu gehen und jedes Mädchen anzusprechen, das du triffst, wäre ein Ding der Unmöglichkeit, daher fände ich eine bessere Idee, die Kandidatinnen nach ihrem Äußeren zu wählen. Kennen lernen kannst du sie ja später noch immer.“

 

Er konnte erkennen, wie sein Bruder über seine Vorschläge nachdachte. Lange und gründlich, doch er wusste, dass er ihn bereits um den Finger gewickelt und überzeugt hatte. Devas würde heiraten und er würde seine Frauen genauso aussuchen, wie Siamun es ihm geraten hatte. Während der Jüngere angestrengt nachdachte, ließ er seinen Blick durch den Raum wandern. Auch hier waren all die Möbel in diesen hässlichen Rottönen gehalten, das Holz war hier jedoch heller als im Salon oder seinem Zimmer. Tatsächlich erinnerte es ihn an Beige mit einem Stich Weiß. In seinem Kopf ersetzte er gerade das Rot, durch ein leuchtendes Königsblau, in welchem er sich die Möbel ausgezeichnet auch in seinem Zimmer vorstellen konnte, als Devas ihn aus seinen Gedanken holte.

 

„Das wäre durchaus eine Möglichkeit, doch woher weiß ich, dass mir der Charakter dieser Frauen genauso gefallen wird?“ In seiner Stimme schwang ein Hauch Besorgnis mit. Ihm war der Charakter so viel wichtiger als das Aussehen. Innerlich seufzte er tief und zum wiederholten Male beschimpfte er ihn in Gedanken mit einem abwertenden Narr.
„Das weißt du nicht, zumindest nicht mit Sicherheit, aber dich verpflichtet keiner, diese Frauen auch behalten zu müssen. Du kannst dich problemlos scheiden lassen und dir eine oder mehrere andere suchen, sollten sie deinen Anforderungen nicht entsprechen.“
„Okay.“

„Okay?“ Ungespielt gespannt sah er seinen Bruder an.
„Okay, ich werde heiraten, solange du mir bei der Auswahl behilflich sein wirst.“
Kurz ließ Siamun eine Pause entstehen, damit sein Gegenüber den Eindruck bekam, er würde darüber nachdenken müssen. Doch im Gegenteil, er hatte genau darauf hinaus gewollt.
„Geht in Ordnung.“

Ohne ein weiteres Wort stand Siamun auf, verabschiedete sich kurz und ging davon. Des Blickes auf seinem Rücken war er sich bewusst. Das Lächeln, welches genauso echt war wie das einer Schlange und auf seinen Lippen lag, konnte Devas nicht mehr erkennen. Erneut hatte er sein Ziel erreicht, ohne dass der König auch nur den leisesten Verdacht hegte. Es war eines von vielen Malen, aber gewiss noch lange nicht das Letzte.

Kapital 5

Atlanta

Obwohl nun schon mehrere Tage vergangen waren, gingen ihr die Bilder der Hinrichtung dennoch nicht aus dem Kopf. Der Prinz hatte sich wacker geschlagen, doch sie wusste, wann jemand Angst hatte. Und in seinen Augen hatte sie keine Angst mehr gesehen, nein, sie hatte Furcht gesehen. Furcht vor dem Bevorstehenden. Furcht, dass auch seine Eltern sterben würden. Furcht, was in dem Leben nach dem Tod kommen würde. All dies hatte sie jedoch nur erahnen können, wäre es ihr in diesem Moment vermutlich so ergangen.

Sie war damals zu Talon zurückgelaufen und hatte keinerlei Rücksicht auf ihre Füße genommen, welche es ihr durch Schmerzen jetzt heimzahlten. Heute musste sie wieder in der Mine arbeiten, immerhin wollte sie Talon nicht weiter auf die Nerven fallen und selbst wieder Geld für Essen verdienen.

Er hatte ihr die Füße einbandagiert, um zumindest die Blutungen zu stoppen, die durch den harten Steinboden verursacht worden waren und ihr große Schmerzen bereiteten.

Doch sie musste arbeiten und irgendwann auch wieder nach Hause, auch wenn diese Bezeichnung zu freundlich war, konnte man ihre alte Holzhütte kaum noch als bewohnbar ansehen.

Zusammen mit Talon machte sie sich von seinem Haus aus nun auf den Weg zu den Minen, welche etwas außerhalb der Stadt lagen. Die Berge, die sie beherbergten, waren riesig und erstreckten sich über mehrere Kilometer. Der Weg dorthin war mindestens genauso beschwerlich wie die Arbeit an sich. Die Sonne war gerade am Aufgehen und man konnte bereits vereinzelte Strahlen an der Spitze der Berge erahnen. Unter anderen Umständen würde sie stehen bleiben und sich das Naturspektakel eine Weile ansehen, doch so wollte sie einfach nur weitergehen und endlich ihr Ziel erreichen, um ihren Füßen die nötige Auszeit zu gönnen.

„Du solltest noch nicht arbeiten Atlanta“ Schon die ganze Zeit nervte er sie damit. Er würde ja für sie sorgen, sie solle sich ausruhen, arbeiten sei nichts für sie in diesem Zustand und so weiter. Sie wusste, dass er das für sie tun würde und sie war dankbar dafür, doch sie wollte wieder auf eigenen Füßen stehen. Auch wenn diese Floskel hier nicht besonders treffend war. Seine Bemühungen quittierte sie meist mit einem kurzen Nicken oder einem zustimmendem „Mhm“, doch sie kam nicht auf die Idee, kehrt zu machen und zurück zum Haus zu gehen. Vielleicht konnte sie ja aushandeln, dass sie heute ein Stunde früher gehen dürfe, auch wenn der Lohn dann noch geringer ausfallen würde als ohnehin schon. Aber für einen Tag und nur für Essen würde er reichen, schließlich war sie es gewohnt, nicht viel zu sich zu nehmen und doch zu überleben.

In der Mine angekommen suchte sie zuerst einmal den Vorsitzenden. Sie war nicht fest angestellt und musste so jeden Tag wieder fragen, ob Arbeit frei war und ob man sie nehmen würde. Inzwischen kannte man sie gut und sie musste meist nicht bangen, ob sie den Tag arbeiten dürfte oder nicht. Für gewöhnlich wurden Frauen in diesem Beruf gänzlich abgelehnt, waren sie doch zu schwach für solch harte Arbeit, doch bei ihr machte man eine Ausnahme. Sie war trotz ihrer zierlichen Gestalt stärker als manche Männer hier, doch vielleicht lag dies daran, dass einige auch deutlich jünger waren als sie und man sie nicht als Männer bezeichnen konnte. Höchstens als Jugendliche. Höchstens.

„Suchst du mich?“ Wüsste sie nicht, dass er sich dauernd von hinten anschleichen würde, hätte sie sich jetzt wirklich erschrocken Atlanta konnte sich jetzt schon ausmalen, wie er hinter ihr stehen würde. Die Hände in die Hüfte gestemmt, selbstbewusst – aber keineswegs arrogant – und mit den blonden, langen Haaren ins Gesicht hängend, da er sich weigerte, sie zusammen zu binden. Seine eisblauen Augen würde sie angeregt mustern und aufblitzen, da er sich stets freute, sie zu sehen. Klamotten würde er wie immer dreckige tragen, was sollte er auch mit vornehmen, schönen Gewändern in einer staubigen Mine?

„Ja.“ Sie drehte sich zu ihm um und blickte dem Mann in die Augen, auch wenn sie dazu den Kopf in den Nacken legen musste, war er doch gut 30 cm größer als sie. „Gibt es heute wieder Arbeit für mich?“

„Aber sicher, für dich doch immer Süße.“ Das ‚Süße‘ konnte er in fast keinem Satz auslassen. Dabei hätte er sie doch auch Kleine nennen können. Aber sie wagte es nicht, sich zu beschweren, war er immerhin so etwas wie ihr Arbeitgeber und ohne ihn wäre sie hier nie zu Arbeit gekommen. Und in der Stadt wollte sie schließlich auch keiner anstellen, ein junges, unerfahrenes, aber vor allem dreckiges Mädchen.

„Freut mich, kann ich gleich anfangen?“

„Sicher, aber bist du wirklich in der Verfassung zu arbeiten? Du trampelst herum wie ein Pinguin und verziehst dabei schmerzhaft dein Gesicht, du kannst mich jetzt anlügen und behaupten, du hättest nichts, aber glauben würde ich es dir ohnehin nicht, also raus mit der Wahrheit Süße.“

Natürlich hatte sie schon zum Lügen angesetzt, aber er hatte Recht. Man sah ihr die Schmerzen an und vermutlich niemand hätte ihr geglaubt, dass es ihr gut ginge, auch ohne ihre Füße zu sehen und zu wissen, was sie die letzten Tage erlebt hatten.

„Ich...es ist egal, was mit mir nicht stimmt, aber arbeiten kann ich. Allerdings wollte ich fragen, ob ich vielleicht eine Stunde früher gehen könnte, um mich nachher auszuruhen und die Arbeit morgen wieder besser zu schaffen.“

„Dagegen habe ich nichts, allerdings kann ich dir dann auch nicht den vollen Lohn auszahlen.“ Seine Stimme klang wie immer sehr freundlich und Atlanta wusste, dass er sie gern mochte, aber gegen Vorschriften konnte er dann doch nicht handeln. Dafür würde er nur Probleme bekommen und das wollte sie nicht verantworten, immerhin wäre sie dann daran Schuld gewesen.

„Das weiß ich schon, für Essen reicht es ja trotzdem. Also schon okay.“ Zustimmend setzte sie ein Lächeln auf, um ihn von ihren Worten zu überzeugen, was ihr auch zum größten Teil gelang.

„Dann nichts wie an die Arbeit Süße.“ Und mit diesen Worten war er auch wieder weg, so schnell wie er gekommen war. Auch wenn seine Arbeit deutlich leichter war als die ihre, so musste er doch den ganzen Tag in der Mine hin und her spazieren und alles kontrollieren. Weniger Kraftarbeit, mehr Denkarbeit. Wäre auch etwas für sie gewesen, doch eine Frau hätte man als Aufsichtsperson erst recht nicht geduldet.

Ihr blieb also auch heute nur die Minenarbeit, die sie trotz der Schmerzen mit Zufriedenheit erledigte. Zu Mittag dann, kurz vor ihrer Mittagspause, kam der Wärter erneut zu ihr, mit einem weniger guten Ausdruck im Gesicht.

„Was ist los? Hab ich was Falsches gemacht?“

„Nein, keineswegs...hoffe ich zumindest...“ Die letzten Worte wurden mehr verschluckt als gesprochen und Atlanta konnte sie nur mit Mühe verstehen.

„Jedenfalls, vor der Tür wartet eine Wache auf dich, du solltest besser gleich gehen, die werden ungeduldig, wenn man sie warten lässt“

„Was will die Wache von mir?“

„Ich denke nicht, dass sie direkt etwas von dir will, sie wollte eigentlich nur alle Frauen sehen, die hier arbeiten...“

„Und da bin ich die einzige, nicht wahr?“

„Stimmt genau.“

Seufzend ließ sie die Spitzhacke zu Boden gleiten und machte sich auf den Weg zum Eingang. Sie musste keine Angst haben, war sie sich immerhin bewusst, dass sie sich nichts zu Schulden hatte kommen lassen. Zudem wollte die Wache ja nicht nur sie sehen, es war bestimmt bloß Zufall.

Bei der Wache angekommen verbeugte sie sich lieber etwas, waren sie doch Stellvertreter des Königs und ihnen keinen Respekt gegenüber zu bringen konnte bereits zur Verurteilung führen.

„Name und Alter.“ Eine Vorstellung oder zumindest ein Hallo wäre zwar nett gewesen, doch scheinbar war er sich zu gut dafür. Und so sah er auch aus. Nicht nur, dass er eine ungemein selbstverliebte Haltung eingenommen hatte, nein, er zeigte auch voller Stolz seine wahrscheinlich frisch gereinigte Rüstung, die nur so glänzte vor Sauberkeit. Seine schwarzen Haare konnte man unter dem Helm nur schwer erkennen, doch sie waren vermutlich streng nach hinten gebunden.

„Ähm, Atlanta und 17.“

„Und dein Nachname?“ Sie wurde von Kopf bis Fuß gemustert wie eine Ware, die man entweder verkaufen oder wegwerfen wird. Er schlich um sie herum wie eine Bestie um ihre Beute und begutachtete dabei jeden Zentimeter ihres Körpers, was ihr einen kalten Schauer den Rücken runterlaufen ließ. Für ihn war sie bestimmt nur ein Stück Fleisch, ihre Gefühle waren ihm bestimmt herzlich egal. Auch ‚betasten‘ wollte er sie, doch sie wich vor ihm zurück, was er ausnahmsweise sogar zu akzeptieren schien.

„Ich habe keinen, glaube ich. Zumindest kann ich mich nicht mehr an ihn erinnern.“

„Ach tatsächlich?“ Er packte sie grob am Kragen und hob sie mit Leichtigkeit vom Boden ab. „Halte mich nicht zum Narren Weib, das könnte nämlich deine Freikarte für den Kerker bedeuten!“ Hatte sie es nicht gesagt? Schon allein das war ein Grund für eine Verhaftung.

„J-ja mein Herr, ich habe keine Eltern mehr und weiß wirklich nicht, wie mein zweiter Name lautet, bitte verzeihen sie mir...“, stammelte Atlanta, sie hatte Angst, dass er ihr nicht glauben würde. Und auch wenn sie stark war, im Gefängnis würde sie nicht lange überleben, Minenarbeit hin oder her.

„Ich werde dir jetzt netterweise glauben, doch sollte sich herausstellen, dass du mich angelogen hast, so werde ich kein Erbarmen mehr zeigen, das verspreche ich dir!“ Mit diesen Worten wurde sie wieder auf dem Boden abgesetzt und richtete sich provisorisch ihr Kleid.

„Komm mit.“ Er ging voran, doch sie hätte keine Chance gehabt, sich zu entscheiden, denn vorher schlang er seine Hand um ihren Arm und drückte so fest zu, dass sie ihr Gesicht verzog. Seine Tempo war für sie fast wie das eines galoppierenden Pferdes, von mitgehen konnte man nicht mehr reden. Mehr hinterher stolpern oder hinterher rasen.

„Wohin bringt ihr mich Herr?“ Sie war sich bewusst, keine Antwort zu bekommen, doch die Hoffnung stirbt bekanntlicherweise zuletzt.

„Das wirst du sehen, wenn wir ankommen, ungeduldiges Gör.“ Jetzt war ihr die Bezeichnung ‚Süße‘ doch um einiges lieber, klang es doch freundlicher und weniger als wäre sie ein dummes Kind. Atlanta stieß einen Seufzer aus, aber nur einen leisen, um ihn nicht noch mehr zu verärgern.

Sie nutzte die Gelegenheit und sah sich fleißig um, als sie dem Palast schon sehr nahe waren. Man konnte bereits den Palastgarten erkennen, welcher mit allerlei wunderschönen Blumen bepflanzt war. Rote Rosen, Lilien, schöne Kirschbäume die gerade in aller Blüte waren. Lediglich ein schmaler Pfad führte durch diesen Garten, doch es wirkte nichts zu dicht bewachsen oder ungepflegt. Vermutlich waren dafür auch täglich mehrere Gärtner am Werk. Die Bänke um einen Teich herum ließen vermuten, dass hier öfter Adelige saßen und sich über irgendwelche ‚wichtige‘ Dinge unterhielten, wie beispielsweise das Wetter. Als könnten sie daran etwas ändern.

Als sie nun fast vor dem Palast stand, schweifte ihr Blick zu eben diesem ab. Wie ein gigantischer Berg, der sehr majestätisch wirkte, machte er sich vor ihr breit. Die Mauern beherbergten einige Fenster, hinter denen sich vermutlich die verschiedensten Zimmer befanden. Manche Fenster waren deutlich größer als andere, Atlanta vermutete dahinter das Schlafgemach des Königs und vielleicht auch einen Speisesaal.

Der Palast war alles in allem extrem prunkvoll, aus all den hohen Türmen rangen wahrscheinlich einmal die Flaggen des Landes hervor , jetzt waren es neue andere, welche, die sie nicht kannte. Wachen mit angemessenen Rüstungen standen starr vor dem Eingang, um diesen zu bewachen. Man musste Glück haben – oder aber Adeliger sein – um diese Mauern überhaupt betreten zu dürfen. Soweit sie wusste, mussten sich Bauern vorher eine Genehmigung einholen, und so war es nicht selten, dass Wochen vergingen, bis sie schließlich zum König vorgelassen wurden. Bis dahin war es meist jedoch bereits zu spät für sie.

„Weniger starren, mehr gehen“, herrschte sie der Soldat an. Seine Mine verfinsterte sich, ebenso wie sich sein Griff um ihren Arm verfestigte. Atlanta wunderte sich, dass es nicht längst abgefallen war, so fest wie er es zusammendrückte. Er starrte sie durch zusammengekniffene Augen an und sie war sich sicher, dass Widerstand jetzt ihr Todesurteil gewesen wäre, also hielt sie lieber ihre Klappe und ging etwas schneller.

Das Innere des Palastes sah sie sich nur so nebenbei an, es war nicht genauso prunkvoll wie außen, nein, es war noch viel luxuriöser eingerichtet. An den Wänden hingen meterhohe Portraits von irgendwelchen Leuten, die sie nicht kannte, vergoldete Verzierungen liefen den Säulen entlang und verdeckten den kalten Marmor. Lange Teppiche stellten den Weg dar und es war sogar einmal angenehm, barfuß unterwegs zu sein. Man konnte keinerlei Schmutz oder Staub erkennen, wofür ziemlich sicher die vielen Diener verantwortlich waren, die an ihr vorbei hasteten als wäre der Tod höchstpersönlich hinter ihnen her. Doch wer weiß, vielleicht war er das ja sogar...

Atlanta bemühte sich, nicht noch weiter zu starren, weshalb sie sich kurzerhand dazu entschied, zu Boden zu sehen. Zwar war dieser keineswegs so interessant wie der Rest, doch so konnte der Soldat wenigstens nicht noch etwas an ihr auszusetzen haben.

Als dieser dann – nach gefühlten Stunden – endlich stehen blieb, führten ihre Füße fast einen Freudentanz auf – wenn sie nicht verletzt gewesen wären.

Grob wurde sie durch eine soeben geöffnete Tür geschubst und sie konnte hören, wie das Tor hinter ihr ins Schloss fiel. Sie hatte diese gemeinen Behandlungen wirklich satt, doch was hätte sie schon ausrichten können, was nicht mit ihrem Tod geendet hätte?

„Bitte ziehen sie ihre Klamotten aus.“ Atlanta erschrak etwas, da sie annahm, allein zu sein. Eine zierliche, kleine Frau trat aus einer Tür heraus und blickte sie an. Ihre blonden Haare waren unter einer Haube versteckt und nur einzelne Strähnen fanden den Weg in die Freiheit. So dünn wie sie war, hätte ein einziger Windstoß sie hinwegfegen können. In ihren grünlichen Augen konnte Atlanta Angst erkennen, aber vermutlich weniger Angst vor ihr, mehr Angst vor dem, was passieren würde, wenn sie sich weigern würde, ihre Klamotten auszuziehen.

Um der Dienerin willen tat sie es dann lieber doch, zumindest musste sie sich ja nicht vor einem fremden Mann ausziehen. Und ganz nackt wollte sie auch nicht vor ihr stehen, weshalb sie ihre Unterhose anließ.

Das Mädchen ging ein paar Schritte zurück und präsentierte eine bereits eingelaufene Badewanne. Langsam aber sicher stieg in Atlanta der Wille, wegzulaufen. Sie wusste nicht, was man von ihr erwartete, was diese Leute wollten, ob sie sie nicht gar umbringen wollten.

Man hatte sie wohl kaum hergeholt, dass sie sich ein Bad gönnen konnte und dann wieder gehen sollte. Das wäre zu schön, um wahr zu sein.

Bedacht langsam folgte sie dem Mädchen ins Badezimmer und tastete mit ihren Zehenspitzen, wie kalt oder warm das Wasser war. Und bei Gott, es war heiß! Noch nie in ihrem Leben hatte sie warm gebadet, geschweige denn heiß! Mit dem Legen in die Badewanne verschwanden ihre Sorgen für eine Weile, zumindest solange, bis das Bad vorbei war. Ihre Füße fingen entgegen ihrer Erwartungen nicht an zu brennen und sie fühlte sich unnormal geborgen. Sie hätte für immer so liegen bleiben können, doch plötzlich fing die Dienerin an, sie zu waschen. Es war ihr peinlich, von dieser berührt zu werden, wenn auch durch einen Schwamm.

„Kann ich das bitte selbst machen?“ Es war nicht geplant gewesen, doch in ihrer Stimme schwang etwas Verzweiflung mit, da ihr das Ganze sehr peinlich war.

Zu ihrem Glück nickte die Dienerin und gab ihr den Schwamm, damit sich Atlanta selbst den Dreck wegschrubben konnte. Doch schon bald kehrte Unbehagen zurück und sie fühlte sich nicht mehr so wohl, wie vor einigen Minuten noch.

Das Mädchen verschwand im Zimmer und Atlanta konnte nicht erkennen, was sie dort machte. Es hörte sich an, als würde sie Schubladen öffnen und wieder schließen, vermutlich nicht, ohne etwas herauszuholen. Oder einzuräumen.

Nach einer Weile stand Atlanta schließlich auf und bekam sogleich ein Handtuch gereicht. Ihr wurde das alles noch mehr suspekt, doch sie wollte sich nicht wehren, um der Dienerin Willen.

Nachdem sie sich, mit diesem unglaublich weichen Handtuch, abgetrocknet hatte, bot ihr das Mädchen Klamotten an, die auf ihren ausgebreiteten Händen lagen.

Dankbar nahm Atlanta die Klamotten an und streifte sie sich über, auch eine neue Unterhose und einen Büstenhalter bekam sie. Diese weiße Unterwäsche gefiel ihr weniger, sie war aus Spitze und sah ihrer Meinung nach zu sexy aus, für gewöhnlich hätte sie so etwas nie getragen. Das strahlend weiße Kleid schmiegte sich perfekt um ihren Körper und ließ Atlanta wirklich schön aussehen.

Auf den Wunsch der Dienerin hin, sollte sie sich setzen und bekam daraufhin die Haare gerichtet. Sie wurden ihr hochgesteckt, nur zwei Strähnen hingen herab und umrahmten perfekt ihr Gesicht. Das Mädchen sagte noch etwas von Schminke, doch dafür sei Atlanta zu hübsch, weshalb sie sich das ersparen konnte.

Mit allem fertig, betrachtete sie sich selbst im Spiegel. Ihr gefiel, was sie da sah, sie konnte sich nicht erinnern, je so hübsch ausgesehen zu haben.

Doch wozu war das alles gut?

 

Kapitel 6

 

Devas

Wie in den letzten Tagen oft, stand er auch heute wieder auf dem Balkon. Von hier oben konnte er problemlos das rege Treiben unter ihm beobachten. Es gefiel ihm nicht, aber er hatte erkennen müssen, dass die Leute ihr Leben lebten, als wäre nie etwas gewesen. Des Öfteren hatte er sich bereits gefragt, wie die Leute teilweise so kaltherzig sein konnten, doch er wusste, dass es immer so gewesen war und auch in Zukunft so bleiben würde. Die Welt drehte sich weiter, egal was passierte und die Lebenden akzeptierten es, während sie versuchten mit dem Schmerz zu leben und die Erinnerungen und Gedanken an die Toten nicht zu vergessen.

 

Er stand nach vorne gebeugt da und stütze sich mit den Unterarmen am Geländer vor ihm ab. Am Himmel waren Wolken aufgezogen und ein leichter Windhauch fuhr durch seine kurzen, weißen Haare und brachte seine Frisur durcheinander, indem er ein paar Strähnen in sein Gesicht blies. Mit den Gedanken bei den Geschehnissen von vor ein paar Tagen, ließ er sich davon nicht stören. Er konnte das alles einfach nicht vergessen, egal wie sehr er es auch versuchte, die Bilder der Hinrichtung wollten nicht verschwinden, sie schlichen sich immer wieder zurück in seinen Kopf. Dennoch bereute er seine Entscheidung nicht, denn sie hatte sein müssen. Es war richtig gewesen das zu tun, damit das Volk ihn als König akzeptierte. Damit das Volk eine Zukunft hatte.

 

Kurz schüttelte er seinen Kopf, um diese Erinnerungen los zu werden und sorgte dadurch ungewollt dafür, dass die Strähnen nicht länger in sein Gesicht hingen. Anstatt nun die Aussicht genießen zu können und an nichts zu denken, drehten seine Gedanken sich nun darum, dass er sich heute noch für seine Ehefrauen entscheiden musste und diese Vorstellung ließ in seinem Magen ein unbehagliches Gefühl entstehen. Er erlaubte sich noch zwei Minuten die Menschen zu beobachten und die warme Luft zu genießen, genauso wie den Duft nach aufkommendem Regen, ehe er sich seufzend umdrehte und in sein Zimmer zurück ging.

 

Jetzt war die Zeit gekommen, sich die Frauen, die hergebracht wurden, anzusehen und sich für drei zu entscheiden. Dabei lagen seine Sorgen jedoch weniger darin, ob sie alle hübsch sein würden, sondern mehr darin, ob er mit einer von ihnen vielleicht wider Erwartens glücklich sein könnte, denn für ersteres würde Siamun mit Sicherheit gesorgt haben. Ein wenig kraftlos ließ er sich auf die weiche Polsterung der Couch fallen.

 

Sein Gesicht drehte sich fast automatisch in Richtung der Tür, als diese aufschwang und Siamun mit einem einfachen „Hallo Bruder“ eintrat. Das hieß dann wohl, dass die Auswahl offiziell beginnen würde. Er begrüßte ihn seinerseits und schenkte ihm ein leichtes Lächeln, bevor er sich dem Diener, der im Zimmer umherschwirrte und ununterbrochen an etwas arbeitete, zuwandte und ihm sagte, dass er nun eine Frau nach der anderen herein bringen solle.

 

Durch die offene Balkontüre kamen in kurzen Abständen abwechselnd warme und kalte Windstöße. Die Luft roch nach wie vor nach Regen, was Devas weniger gefiel, denn er genoss das warme Wetter viel mehr als das kalte. Jedoch wusste er, dass sein Bruder sehnsüchtig auf den Regen und die damit verbundene Kälte warten würde. Ein leichtes Klopfen an der Tür ließ seine Aufmerksamkeit wieder ins Zimmer zurückkehren und seine Augen Richtung Tür wenden.
„Herein.“

 

Das Mädchen, welches eintrat, hätte er nicht auf mehr als 20 geschätzt und ihre Haltung strahlte Selbstbewusstsein und Stärke aus. Seine Lippen umspielte noch immer ein leichtes Lächeln und die junge Frau vor ihm lächelte offen zurück. Er ließ seine Augen über sie wandern. Ein Windhauch streichelte ein paar der schwarzen Strähnen, die sich aus dem Zopf gelöst hatten und ließ sie ihr ins Gesicht fallen. Das dunkelblaue Kleid schmiegte sich an ihren zierlichen, dünnen Körper und passte ausgezeichnet zu ihren tiefblauen Augen, die ihn frech musterten. Devas konnte nicht umhin, dieses Mädchen schön zu finden, auch wenn er das Gefühl hatte, dass sie noch Ärger bedeuten könnte, denn sie schien niemand zu sein, der sich alles gefallen lassen würde, aber gerade das machte sie auch faszinierend.

 

Kurz huschte sein Blick zu Siamun, der unmerklich nickte. Diese Geste war eindeutig gewesen. An die Frau gewandt sagte er: „Stell dich links neben mir ein Stück entfernt hin.“
Statt sich sofort zu fügen, erwiderte sie seinen Blick.
„Wozu ist das alles hier gut?“
„Das wirst du noch früh genug erfahren.“ Am Rande nahm er wahr, dass der groß gewachsene Mann neben ihm der jungen Frau einen abfälligen Blick zuwarf und nicht weit davon entfernt war, etwas zu sagen.
„Aha.“ Sie schien mit der Antwort nicht annähernd zufrieden zu sein, aber sie fügte sich und machte, wie ihr geheißen. Anscheinend hatte sie die düstere Mine von Siamun auch gesehen und richtig gedeutet. Naja, so schwer war das wohl auch nicht, denn dieser Ausdruck war unmissverständlich. Während Siamuns Gesicht sich langsam wieder aufhellte, lächelte Devas nur amüsiert und wandte sich wieder der Tür zu.

 

Er betrachtete die Tür und dann die nächste Frau, die eintrat. Eine nach der anderen musterte er ausführlich und entschied sich dann, ob sie gehen oder bleiben sollte. Als draußen der Himmel von dunklen Wolken verhangen war und es langsam zu schütten begann, standen sieben junge Frauen zu seiner Linken. Immer noch waren welche, die darauf warteten eintreten zu dürfen, doch Devas war das Aussuchen langsam leid.

 

Mit einem kleinen Wink deutete er der Frau vor ihm, dass sie gehen solle. Sobald sie draußen war, bat er das nächste Mädchen herein. Eine kleine, zierliche Gestalt trat ein und blieb schüchtern an der Tür stehen. Zwei Strähnen der hochgesteckten, feuerroten Haarpracht umrahmten ihr Gesicht perfekt. Ihre grünen Augen sahen sich leicht nervös im Raum um, blieben ein wenig länger an Siamun hängen und sahen letztendlich ihn an. Er setzte kurz ein Lächeln auf, bevor er mit dem Betrachten von ihr fort fuhr. Sie trug ein weißes, langes Kleid, welches ihr ausgezeichnet zu Gesicht stand. Kurz holte er sich eine Bestätigung seines Bruders, ehe er ihr deutete, sich zu den anderen zu stellen.

 

Seine Haut überzog eine Gänsehaut, als es durch die noch immer offene Balkontür kalt herein kam. Ein kurzer Blick verbunden mit einem Wink, ließ einen Diener schnell dafür sorgen, dass die Tür geschlossen wurde. Dann ging die Auswahl weiter. Sobald er zwei weitere Frauen gefunden hatte, die er zu den bereits vorhandenen gestellt hatte, wandte er sich den zehn Frauen zu seiner Linken zu. Es waren alle möglichen Frauentypen dabei und eine war hübscher als die andere. Nun würde er sich für drei dieser zehn entscheiden müssen. Er erkundete sich nach den Namen und ließ dann seinen Blick langsam von einer zur nächsten wandern.

 

„Entscheid dich doch bitte endlich für zwei, es ist schon spät.“ Überrascht sah Devas zu seinem Bruder. Er schien langsam die Geduld zu verlieren, das war nicht gut, aber musste er das so eindeutig zeigen? Doch viel wichtiger. Er sollte sich nur zwei aussuchen? Hatte er nicht gemeint, dass er drei aussuchen solle? Das konnte noch interessant werden, denn was bitte hatte Siamun genau vor?
„Jaja. Ich habe Zeit Siamun, also bitte hetz mich nicht, wenn es dir zu lange dauert, kannst du ja auch gehen.“
Die Antwort seines Bruders war ein genervtes Seufzen, das er von ihm nur zu gut kannte und ein nicht zu deutender Blick. Er sollte sich wohl doch besser beeilen, sonst würde sein Bruder die Auswahl noch für ihn treffen und das wollte Devas keineswegs.

 

Schnell ließ er den Blick über die zehn Frauen wandern.
„Meine erste Wahl fällt auf Niljana."
Eine recht große Brünette trat hervor. Auf ihrem Gesicht lag ein unsicherer Ausdruck, der irgendetwas zwischen überrascht, unsicher und erfreut war. Devas gefielen ihre dunklen, braunen Augen, die beinahe schwarz erschienen, genauso wie ihre hellen braunen Haare und die leicht gebräunte Haut. Im Augenwinkel erkannte er, wie ein paar der anderen Frauen ein wenig erleichtert aufatmeten, doch ihre Haltung zeugte immer noch davon, dass sie angespannt waren und darauf warteten, dass er seine zweite Wahl traf und sie nicht diejenige sein würden. Andere sahen währenddessen so aus, als würden sie nur darauf warten, dass ihr Name fallen würde.

 

„Die zweite von euch, die ich zur Frau nehmen werde, ist Belania.“
Es trat die Schwarzhaarige mit den ausdrucksstarken blauen Augen hervor und ihre Haltung war noch immer genauso selbstbewusst wie zuvor. In ihrem Gesicht waren keine Emotionen zu erkennen, außer der Überraschung über die Tatsache, dass er sie heiraten wollte, die er bei den anderen Frauen auch erkennen konnte. Siamun gefiel seine Auswahl wohl nicht ganz, denn er verzog ganz leicht das Gesicht.

 

Entspannt lehnte sich der König zurück. Endlich war es vorbei. Es war ein langer Tag gewesen und der Druck, sich Frauen für die Zukunft auszusuchen, hatte auf seinen Schultern gelastet, doch jetzt war er von ihm abgefallen. Auf den Gesichtern mancher Frauen konnte er eindeutig Erleichterung erkennen und auf manchen pure Enttäuschung. Wieder andere zeigten keine eindeutige Reaktion.

 

„Gut, der Rest von euch kann-“
„Atlanta“, dass er seinem Bruder ins Wort gefallen war, schien Siamun nicht weiter zu stören, auch wenn dieser ihm jetzt einen vernichtenden Blick zukommen ließ, denn er sprach einfach weiter, „du wirst die dritte Frau sein, die die Ehre hat, meinen Bruder zu heiraten. Jetzt kann der Rest gehen.“ Das „Jetzt“ betonte er etwas. Devas wurde mit jeder Sekunde etwas wütender. Langsam erlaubte er sich wirklich zu viel.

 

Er sah zu Atlanta, deren Gesicht eindeutig zeigte, dass sie nicht eine von denen sein wollte, die ihn heiraten müssen, aber es war typisch Siamun, zuerst Hoffnung zu machen und sie dann eiskalt zu zerstören. Er wagte sogar zu wetten, dass sein Bruder dieses Mädchen nur deshalb genommen hatte, weil es besonders erleichtert war, als die beiden Frauen bekannt waren, die bleiben müssten. Manchmal würde er seinem Bruder echt gerne eine verpassen und im Moment war dieser Drang ziemlich stark, doch er wollte keine Prügelei mit ihm anfangen und er war auch nicht wirklich der gewaltsame Typ, weshalb er sich wie jedes Mal beherrschte und es unterließ. Doch mitten im Satz unterbrochen zu werden und das auch noch vor anderen, würde er sich bestimmt nicht gefallen lassen. Sich darüber zu beschweren, würde wohl noch warten müssen, denn Siamun fing schon wieder an zu reden.

 

„Wichtige Information zur Hochzeit, wie beispielsweise wann sie stattfindet und wie genau alles ablaufen wird, werdet ihr von einem Diener erklärt gesagt bekommen. Vorerst gilt jedoch zu sagen, dass ihr euch nicht zu viel darauf einbilden solltet, jetzt „Königin“ zu sein, denn das ist nichts weiter als ein Titel, der jedoch keineswegs bedeutet, dass ihr ab jetzt mitbestimmen dürft oder mehr Rechte habt. Eure Aufgaben werden darin bestehen, den König möglichst glücklich zu machen, ihm nicht im Weg zu stehen und ihn auf gewissen Feierlichkeiten und Anlässe zu begleiten, wobei dort eure Aufgabe darin besteht, gut auszusehen und den König gut dastehen zu lassen.“ Er beobachtete seinen Bruder dabei, wie er während seines Monologs einer nach der anderen mit einem warnenden und eindringlichen Blick in die Augen sah. Seine Stimme war distanziert und absolut bestimmend, wie immer. Keine der Frauen würde es wagen, dem Prinzen zu widersprechen, dieser Tatsache war er sich sicher.

 

„Da wir gerade dabei sind, darüber zu sprechen, den König gut dastehen zu lassen, möchte ich noch anmerken, dass ihr alle ersetzbar seid, was wiederum bedeutet, dass, solltet ihr euren Ehemann blamieren oder euch anderweitig nicht entsprechend verhalten, er sich eurer entledigen wird. Ob das dann bedeutet, eingesperrt zu werden, nach Hause gehen zu dürfen oder sonst etwas, werde ich entscheiden. Gut, das war alles. Ihr könnt gehen, eine Dienerin wird euch in eure Gemächer bringen.“ Devas machte gute Miene zu bösem Spiel indem er lächelte, denn er wollte nicht zeigen, dass das nicht so geplant war. Einfach gefallen würde er es sich aber auch nicht lassen.

 

Hastig machten sich die drei auf, das Zimmer zu verlassen. Als die Tür hinter ihnen wieder ins Schloss gefallen war, sah er zu seinem älteren Bruder auf.
„Musste das sein?“ Noch schaffte er es gut, seine Wut unter Kontrolle zu halten, so fiel es ihm leicht, lediglich leicht anklagend zu klingen.
„Ja.“ Nur ein eiskaltes, einfaches Ja? War das sein Ernst?
„Das war nicht die Antwort, die ich erwartet hatte“, seine eisblauen Augen führten ein stummes Duell mit den dunkelgrauen seines Gegenübers und in seiner Stimme war nun doch Ärger zu hören. Zu seiner Überraschung blieb Siamun still, aber nach den zu einem Strich zusammengepressten Lippen zu urteilen, gefiel es ihm nicht, dass sein kleiner Bruder sich beschwerte und ihn kritisierte.

„Du kannst dir nicht einfach alles erlauben, immerhin soll ich als Autorität herüber kommen, wie sieht es denn bitte aus, wenn der Prinz die Entscheidungen des Königs trifft?“

„Devas, bitte reg dich nicht darüber auf. Ich treffe keine Entscheidungen für dich, du hattest lediglich gesagt, dass ich dir helfen solle und das habe ich getan, auch wenn ich zugeben muss, dass es möglicherweise etwas zu viel des Guten war.“ Seine Stimme klang besänftigend und ein wenig reumütig und Devas konnte nicht anders, als ihm zu verzeihen. Die Wut war auf einmal wie verpufft. Er hatte da wohl etwas falsch aufgefasst.

 

„Wahrscheinlich wäre es das Beste, wenn wir beide schlafen gehen würden.“
„Ja.“
„Gute Nacht“, waren die letzten beiden Worte, die er sagte, ehe er sich umdrehte und ging. Devas sah ihm nach bis er zur Tür hinaus war. Noch immer fand er den Gedanken befremdlich, indirekt ab jetzt mit drei Frauen verheiratet zu sein, doch schon bald wäre das eine Tatsache, die seinen Alltag beeinflussen würde. Wann war sein Leben nur so kompliziert geworden?

Kapitel 7

 

Atlanta

Die Flure des Palastes erschienen ihr in diesem Abteil noch glamouröser, aber auch entsprechend länger. Gefühlte Stunden war sie nun schon unterwegs, die Wache vor ihr schenkte ihr keinen Blick und daher auch keine Ablenkung, die sie dringend nötig gehabt hätte. Sie wusste noch immer nicht, was auf sie zukam und am liebsten wäre sie weggelaufen. Doch an jeder noch so kleinen Ecke stand mindestens ein Soldat, der sie locker hätte einfangen können.

Endlich blieb er stehen und beinahe wäre sie gegen ihn gelaufen, so sehr hatte sie die Wände betrachtet und in Gedanken davon geschwärmt. Einige Frauen standen in einer etwas unordentlichen Reihe vor einer riesigen Tür. Zumindest für Atlanta war sie riesig. Eine goldene Verzierung umschlang den Türknauf wie ein Drache seine Beute. Das Material sah sehr edel aus, vermutlich war es ein sehr teures Holz von einem Baum, der nicht überall wuchs.

Nachdem sie diesen Eingang ausgiebig gemustert hatte, schweifte ihr Blick zu den anderen ab, die einerseits ungeduldig, andererseits nervös im Flur herumblickten. An ihrer Haltung konnte man erkennen, dass einige sich auf das Folgende freuten, andere hingegen kamen Atlanta sehr schüchtern vor, sie hätten sich am liebsten irgendwo versteckt. Und ihr ging es nicht anders.

Aber jetzt war es zu spät. Fliehen war eine dumme Idee, genau wie jemanden um Hilfe bitten. Wer würde IHR schon helfen? Und brauchte sie überhaupt Hilfe? Vielleicht war die ganze Aufregung umsonst. Denn würde man einem kleinen Mädchen wie ihr wirklich etwas antun? Diese Vermutung lag nicht besonders nahe, also versuchte sie, sich zu beruhigen. Sie atmete einmal tief ein und wieder aus. Die Luft in diesem Palast war jedoch leider sehr stickig, alle vorhandenen Fenster waren geschlossen, weshalb der gewollte Effekt nicht eintraf.

Mit der Zahl der Frauen, die hinter der Tür verschwanden, stieg auch Atlantas Verzweiflung. Nur wenige standen noch da, als sie schließlich in das Zimmer geholt wurde. Beim Vorbeigehen sah sie den glücklichen Ausdruck einer Frau, von der der König scheinbar doch nichts wollte. Nur zu gerne hätte sie in deren Haut gesteckt, aber vielleicht erwartete einem kein gutes Schicksal, wenn man fortgeschickt wurde.

Nervös wanderte sie mit ihrem Blick herum, von den Mädchen, die in einer Reihe vor der Wand standen angefangen, bis hin zu Siamun, der ihr sehr bekannt vorkam. War das nicht der Mann vom Balkon? Während der Hinrichtung? Ohne weiter auf ihn zu achten, sah sie zu einem etwas jünger aussehenden Mann, der auf einer äußerst bequem wirkenden Couch (zumindest für sie sah sie so aus, hatte sie doch noch nie Luxus gehabt) Platz genommen hatte. Er musterte sie genau, was Atlanta mehr als nur unangenehm war. Sie stand da wie eine leblose Ware, die von einem Käufer begutachtet und schließlich gekauft oder eben nicht gekauft wurde.

Nach kurzer Zeit schon, zu ihrem Entsetzenmurmelte er kurz etwas in Richtung des Stehenden, woraufhin dieser kaum merklich nickte. Mit einer deutlichen Handbewegung gestikulierte er Atlanta, dass sie sich zu den anderen stellen sollte. Einerseits war sie froh darüber, nun endlich nicht mehr der Mittelpunkt seiner Blicke zu seiner, aber andererseits war es noch nicht vorbei. Ihr Mut sank noch weiter, bis sie sich schließlich am liebsten im Boden vergraben hätte. So gut sie konnte – und das konnte sie normalerweise gut – verbarg sie dies jedoch und hob leicht die Nase, um etwas arroganter, aber vorwiegend selbstbewusster zu wirken. Nicht etwa, um den Typen zu begeistern oder nicht, sondern, um sich selbst besser zu fühlen.

Durchaus neugierig hörte Atlanta einem Gespräch der beiden zu. Der ihrer Meinung nach Ältere der beiden schien langsam die Geduld zu verlieren und ihrer Meinung nach sollte man den Typen lieber nicht verärgern.

„Entscheid dich doch bitte endlich für zwei, es ist schon spät.“ Sein etwas genervter Unterton fiel Atlanta sofort auf, aber was noch schlimmer war, waren die Worte, die er soeben gesagt hatte. Zwei aussuchen? Wofür? Was würden sie tun müssen? War Atlanta womöglich eine von ihnen?

„Jaja. Ich habe Zeit Siamun, also bitte hetz mich nicht, wenn es dir zu lange dauert, kannst du ja auch gehen.“

Siamun. Das war also sein Name. Aber wer hatte hier nun wirklich das sagen? Sie hoffte inständig, dass der Jüngere hier der Boss war, er schien netter zu sein.

„Meine erste Wahl fällt auf Nilanja“. Atlanta sah zu einer ziemlich großen Brünetten, die einen Schritt nach vorne machte. Sie schien sich nicht entscheiden zu können, ob sie erfreut oder doch unsicher sein sollte, was man an ihrem Ausdruck deutlich erkennen konnte. Atlanta atmete etwas erleichtert auf, hielt aber sofort inne, da man sie sicher gehört hatte und dies ein schlechtes Licht auf sie warf. Kurz warf sie einen Blick zu den übrigen Frauen, welche über die Entscheidung mit gemischten Gefühlen reagierten. Einige atmeten, gleich wie sie, erleichtert auf, andere wiederum schienen enttäuscht zu sein, was Atlanta nicht verstehen konnte.

„Die zweite von euch, die ich zur Frau nehmen werde, ist Belania.“ Jetzt war es endgültig um Atlantas Hoffnung geschehen. Dieser scheinbar vollkommen Verrückte wollte diese Mädchen heiraten! Die Schwarzhaarige, die er Belania genannt hat, schien zwar überrascht, legte ihre selbstbewusste Haltung aber keineswegs ab, was dem Sitzenden zu gefallen schien. Der Ältere schien mit der Entscheidung nicht ganz einverstanden zu sein, was man am leichten Verziehen seines Gesichtes erkennen konnte.

Atlanta aber kümmerte sich nun nicht mehr um die anderen, sie war einfach nur froh und fühlte sich gleich um 5 Kilo leichter, waren ihr doch alle Lasten und Sorgen von den Schulterm genommen worden. Am liebsten hätte sie einen Freudentanz aufgeführt, aber sie wollte weder als verrückt noch als kindisch dastehen. Zudem war sie zu schüchtern, um vor anderen zu tanzen, egal zu welchem Anlass. Doch kümmerte sich einer darum? Natürlich nicht, jemand wie sie war natürlich nie zu Bällen oder anderen Tanzfesten eingeladen, was sie aber nicht weiter störte.

Gut, der Rest von euch kann-“
„Atlanta“, Atlanta dachte, ihr Herz würde stehen bleiben. Hatte der gerade wirklich ihren Namen gesagt? Der hatte doch nichts zu sagen! „Du wirst die dritte Frau sein, die die Ehre hat, meinen Bruder zu heiraten. Jetzt kann der Rest gehen.“ Nein...

Atlanta wollte nicht wahrhaben, was eben geschehen war. Sie hatte sich schon dermaßen in Sicherheit gewogen, dass dieser Schlag sie noch mehr traf als wenn man sie gleich ausgewählt hätte. Sie fühlte sich, als würde eine Welt zusammenbrechen. Niemals hatte sie sich vorgestellt, jemanden zu heiraten, den sie nicht liebte. Und erst recht nicht jemanden, den sie gar nicht kannte!

Die weiteren Worte des Stehenden nahm sie nur mehr wie durch einen Nebel wahr, sie schienen so weit entfernt, dass sie sie einfach nicht mehr hören konnte.

Impressum

Texte: Kasumi & Estra
Tag der Veröffentlichung: 19.02.2016

Alle Rechte vorbehalten

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