Alex griff in den Mülleimer und suchte nach etwas essbarem. Er kümmerte sich nicht darum, wie es schmeckte oder was es war; Er wollte nur etwas, um das leere Pochen in seinem Magen zu beruhigen. Sein gesamter Körper war von Schmerzen geplagt und er wollte mindestens einen Teil seines Körpers nicht verletzen. Er stand unter einer mit Graffiti beschmierten überdachten Brücke, während der Regen draußen trommelte. Kein lächeln war zu sehen, als er erleichtert, ein halb gegessenen Würstchen fand. Er ging nach draußen und setzte sich auf eine Bank um das halb gegessene Würstchen zu verspeisen. Danach lehnte er sich zurück und ließ den Regen die dunklen Blutflecken aus seinen Kleidern wegwaschen.
Alex war neunundzwanzig, hatte mittellange verfilzte Haare und den Schatten eines drei Tage Bartes im Gesicht. Er hatte einen kränklichen Teint und eingesunkene blutunterlaufene Augen. Sein Körper bestand trotz seiner Lebensweise aus mehr Muskeln als Fett. Er war ein Mann zwischen Leben und Tod, mit einem Körper, der sich nach dem Tod sehnte, und einer Seele so hohl, als wäre sie nie da gewesen. Sein Geist war noch weniger gesund als sein Körper, und sein Handeln in der Vergangenheit hatte bewiesen, dass er krank war, schizophren wäre die Diagnose gewesen.
Sein Leben war bis heute eine Tragödie gewesen, die durch Krankheit und Tod gekennzeichnet war. Über seine Persönlichkeit gab es nur wenig zu sagen, weil es nicht viel zu beschreiben geben würde, ausser dem Wahnsinn der ihn antrieb. Seine Gefühle waren verschwunden, er hatte keinen Sinn für Musik oder Kunst, und wenn man in seiner Erinnerung geforscht, wären nicht gerade glückliche Geschichten zu Tage gekommen. Die Person, die früher als Alex Graf bekannt war, war weg, seine Identität war weg, Schmerz und Wahnsinn hatten alles weggeschwemmt. Schmerz und Qual erfüllten ihn, und den traurigen Rest von dem, was von seinem Leben übrig blieb. Bald würden mehr Menschen seinen Schmerz fühlen.
Elisa saß in ihrem Zimmer, dass sie sich mit einem anderen Mädchen teilte, in der Uni und beobachtete die Nachrichten im Fernsehen. Ihre Augen waren voller Angst und ihre Hände lagen über ihrem Mund. Die Nachricht des Abends war ein brutaler: erneut hatte ein unbekannter auf einer Party auf dem Uni Gelände mehrere Menschen angegriffen und getötet oder schwer verletzt. Die Geschichte war die gleiche wie in allen anderen Fällen: ein Fremder betritt eine dieser Party´s die oft im Sommer statt fanden, zieht irgendeine Art von großem, beidseitig geschliffenem Messer, und beginnt wahllos auf die Menschen einzustechen. Bereits acht Menschen waren gestorben, vierzehn zum Teil schwer verletzt und der Mörder war immer noch auf der Flucht.
Elisa war neunzehn und eine ausgesprochene Schönheit. Sie hatte blasse Haut, die wie Marmor aussah, leuchtend blaue Augen, die zu glühen schienen, und lange glatte Haare, die dunkler waren als Granit. Sie war mit der Figur einer Ballerina gesegnet, aber mit einer volleren Brust. Ihre körperliche Schönheit versteckte sie unter langweiliger oder dunkler Kleidung in mehreren Schichten, wann immer es möglich war. Sie war schon immer ein schüchternes, einsames Mädchen gewesen, wollte aber eigentlich auch lieber allein sein. Vom Leben mit ihren Eltern enttäuscht und gedemütigt, war sie mit Alkohol und physischen sowie psychischen Missbrauch aufgewachsen. Der einzige Grund, warum sie zur Uni ging war, weil sie es geschafft, ein Stipendium zu bekommen.
Sie hatte sehr wenige Freunde und noch weniger enge Freunde. Sie hatte ihre Schulzeit vor der Uni damit verbracht, sich einigen Cliquen anzuschließen, war aber nie glücklich gewesen, wenn sie es versuchte oder sogar in einer war. Sie hatte sich nie verliebt, niemals einen Ort gefunden, an dem sie fühlte, dass sie dort hingehörte, war nie in etwas verwickelt und niemals glücklich.
Die Tür öffnete sich plötzlich und ihre Mitbewohnerin Anna trat ein. Die blonde Schönheit hatte zwar ein Herz aus Gold, nutze ihr gutes Aussehen aber auch gnadenlos aus.
„Was machst du? Es ist Partyzeit und wir sind eingeladen!“, sagte sie voller Aufregung und schaute ihr Haar zum zehnten Mal im Spiegel an.
„Ich gehe nicht.“
„Siehst du dir wieder die Horrorgeschichten im Fernsehen an? Komm schon, es gibt keine Chance, dass dieser Verrückte uns über den Weg läuft. Überall ist Polizei unterwegs, also hör auf mit den Ausreden.“
„Hör zu, ich will einfach nicht gehen, okay? Der Mörder da draußen sollte Grund genug sein.“
„Und was willst du dann tun? Hier allein in der Dunkelheit sitzen und dich schlecht fühlen vor Angst? Du sagst doch immer, dass du dir jemand zum reden wünschst. Wie willst du jemanden finden, wenn du immer alleine bist?“
Elisa schwieg.
„Hör zu, komm dieses Mal noch mit, versuch mit Leuten zu sprechen, und wenn du nach zehn Minuten niemand gefunden hast, gehen wir zusammen zurück, einverstanden?“
„Okay.“
„Na dann komm. Du brauchst wirklich etwas zu trinken.“, sagte Anna mit einem Lächeln, als sie Elisa hinaus in den Flur zog. Als Elisa ihr zum Treppenhaus folgte, zog sie an ihren Ärmeln, um sicherzustellen, dass die Narben auf ihren Handgelenken bedeckt waren.
Laute Musik prallte von den Wänden des Hauses in dem die Party statt fand zurück, und wurde schnell durch die Gespräche der schon meist angetrunkenen Studenten verzerrt. Elisa stand neben der Treppe, verzweifelt, weil sie niemand zum Reden hatte, aber auch zu schüchtern und nervös, um tatsächlich jemandem selbst anzusprechen. Durch den Raum flog Anna mit einem muskelbepacktem Studenten im Schlepptau und zwinkerte ihr zu. Gequält verzog Elisa ihren Mund zu einem lächeln, aber Anna war schon weg.
Alex stand auf der anderen Straßenseite vom Haus, fast unsichtbar hinter einem kleinen Baum versteckt.
„Töte sie alle“, zischte eine Stimme.
„Schlachte sie ab“, befahl eine andere Stimme.
„Ich weiß“, murmelte Alex.
„Lass sie bezahlen“, sagte eine dritte Stimme.
„Halt die Klappe, halt einfach den Mund!“, flüsterte Alex, der versuchte seine Stimme ruhig zu halten.
„Alle verdienen es zu sterben!“ brüllte die erste Stimme. Instinktiv bedeckte er seine Ohren um das Brüllen in seinem Kopf nicht mehr zu hören.
„Ich werde ihr Leben beenden. Ich werde sie für alles bezahlen lassen...nur sei endlich still und bleib mir aus dem Weg.“ flüsterte Alex der Stimme in seinem Kopf zu.
Sein Ton war so kalt und hart, dass sein Atem fast zu sehen war in dieser Sommer Nacht. Als die Stimmen in seinem Kopf nicht antworteten, atmete er tief ein, trat vor und machte sich auf den Weg zum Haus.
Heftiges klopfen erklang von der Haustür, was aber kaum zu hören war über den Lärm der Party. Eine angetrunkene Studentin die das Klopfen gehört hatte wankte zur Tür und riß sie auf. Einige Stellen ihrer Bluse waren mit Bier getränkt, die meisten davon aus dem Plastikbecher, den sie herumschwang.
„Hey, komm rein! Bier ist in der Küche.“ sagte sie lachend.
Die an der Tür stehende Gestalt hob langsam den Kopf und starrte sie mit eingesunkenen, blutunterlaufenen Augen an. „Du bist schuldig.“
Schnell wie der Blitz griff er in seinen Mantel, und zog ein fast fünfzig Zentimeter langes, beidseitig geschliffenes Messer hervor. Das Messer sah schon fast wie ein kleines Schwert aus, und einige Zacken waren an der Klinge zu erkennen, die von seinen Versuchen stammten das Messer noch schärfer zu machen. Bevor die Studentin merkte, was er hielt, stach er ihr in den Bauch oberhalb des Nabels, durchbohrte sie, so das die Klinge aus ihrem Rücken herausbrach. Blut tropfte von der Spitze der Klinge, während die junge Frau ihn ungläubig ansah ohne einen Laut von sich zu geben. Sekundenlang hielt er die Studentin so, starrte ihr in die Augen die langsam glasig wurden bis auch der letzte Funke Leben in ihnen erloschen war. Als er die Klinge mit einer schnellen Bewegung herauszog sah eine andere Frau die tote Studentin auf die Knie fallen und schrie.
„Ihr seid alle schuldig!“, knurrte Alex, als sich alle in seiner Nähe zu ihm umdrehten.
Elisa starrte Alex an und ließ einen zittrigen Atemzug hören. Selbst aus dieser Entfernung konnte Elisa seine Augen sehen, und den Haß in ihnen. Nie zuvor, so dachte sie, hatte sie so viel Haß und gleichzeitig Schmerz in jemand gesehen. Sie fühlte sich überwältigt von der Intensität dieser Augen, und er erschien ihr fast nicht menschlich zu sein. Sie duckte sich schnell auf den Boden, in der Hoffnung, er würde sie nicht bemerken.
Alex hatte mittlerweile die Tür hinter sich verrieglt, während er sein Messer wie wild schwang und auf die Leute einschlug, die der Tür am nächsten waren. Mit jedem Schlag fuhr die Klinge durch Fleisch und hinterließ nichts als Schmerz und Leid. Sein nächstes Opfer war eine andere junge Frau, er stach ihr das große Messer von oben, quer durch die Brust. Dann drehte er sich um und schlug einem Mann, der gekommen war, um zu helfen. Alex zog das Messer quer über den Körper des Mannes, von der Schulter bis zur Hüfte, und durchtrennte dabei fast jede Arterie und Ader in dessen Brust, so das der Mann in weniger als einer Minute verbluten würde.
Bis jetzt war es auf der Party so eng gewesen, dass niemand weglaufen konnte, aber das würde nicht lange dauern. Die Leute schoben sich gegenseitig und drängelten sich an die Seite um zu entkommen. Elisa war eine von ihnen und versuchte wegzukommen, aber alle verzweifelten Versuche herauszukommen wurden durch die Masse der Patygäste die fliehen wollten im Keim erstickt. Sie war gezwungen, sich unter einem Tisch zu verstecken und zu warten, bis die Menge sich auflöste.
Inzwischen war Alex völlig blutig. Der Schmerz, der seinen Körper zerriß, hatte sich nicht verringert, aber jetzt wurde er von einer Empfindung der Erfüllung abgelöst. Die Stimmen, die seinen Geist verfolgten, konnten ihn nicht aufhalten, seine Krankheit konnte ihn nicht aufhalten, und bis seine Mission vollständig war, würde er niemals seinen Weg der Zerstörung beenden. Mit diesem Messer in seiner Hand hatte er seine physische Gestalt verlassen und ließ nur den Schmerz und die Rache in seinem Herzen zurück, um Tod und Verderben über diejenigen zu bringen die er für schuldig hielt. Genau dies war sein Zweck.
Als er sich in der Menge bewegte, hackte und schlug er, erstarrte kurz, und schlug dann wieder wie wild um sich. Blut spritzte mit jeder Schlag, tränkte die Wände, Boden und Alex Kleidung. Körper fielen wie Dominosteine, als er sich seinen Weg durch die Partygäste bahnte. Niemand konnte ihm weh tun oder ihn aufhalten, weil sie fast alle zu betrunken waren, um richtig zu kämpfen, und die anderen hatten einfach nur Todesangst. Er trat auf eine Couch zu, wo ein Paar angefangen hatte sich auszuziehen. Trotz der Schreie, waren sie sich nicht bewusst, was los war.
„Oh Scheiße!“, schrie der Junge, als er über die Schulter seiner Freundin schaute und das blutige Messer in Alex Hand entdeckte.
Mit einem heftigen Schlag enthauptete Alex das Mädchen und schickte einen Schwall aus Blut auf den Jungen, und wo zuvor das Mädchen mit gespreizten Beinen auf ihm gesessen hatte färbte sich alles rot. Der Junge hatte keine Möglichkeit mehr zu reagieren bevor Alex ihm das Messer in die Kehle rammte. Während er langsam zur Seite auf seine Jacke kippte, lief ein anderer Student auf Alex zu, er hatte eine abgebrochene Bierflasche in der Hand. Alex drehte sich langsam um, machte sich aber nicht die Mühe, den Angreifer zu stoppen. Die Wunde die die Bierflasche hinterließ blutete und tränkte sein blutiges Hemd noch mehr. Noch immer reagierte Alex nicht.
„Glaubst du wirklich, dass du mir mehr Schmerzen zufügen kannst als ich jetzt ertrage?“, sagte er kalt, bevor er dem Angreifer in den Bauch stach.
Inzwischen war das Haus fast leer, da die Studenten aus der Hintertür und den Fenstern geflüchtet waren, aber einige Leute schienen noch im ersten Stock zu sein. Alex ging langsam die Treppe hinauf und entdeckte eine Gruppe von drei Studenten an einem Fenster, die verzweifelt versuchten, es zu öffnen. Einer von ihnen ballte die Faust und zerschlug das Glas des Fensters, wobei er sich seine Hand zerschnitt. Dann versuchte er heraus zu klettern, blieb aber auf den verbleibenden Scherben hängen und zerschnitt nun auch noch seinen Oberkörper und seine Beine. Die anderen versuchten schnell, ihn durchzuschieben, damit sie entkommen konnten, machten damit aber nur alles nur noch schlimmer.
„Ihr könnt euren Sünden nicht entkommen!“, brüllte Alex in seiner blutbetrunkenen Betäubung, bevor er auf sie zukam.
Die Studenten schrien und baten um Gnade, aber Alex zögerte nicht, sie alle zu töten. Unter ihrem Tisch hatte Elisa ihre Hände über den Mund gelegt und versuchte, ihr ängstliches Schluchzen zu unterdrücken. Voller Angst und unfähig sich zu bewegen verharrte Elisa unter dem Tisch. Erst als Alex die Treppe herunterkam und Richtung Haustür ging, erwachte sie aus ihrer Starre, verließ ihr. Versteck unter dem Tisch und rannte zur Hintertür. Blitzartig drehte Alex sich um und lief hinter ihr her. Das schwere Stampfen von Alex Füßen in ihren Ohren ließ Elisa´s Angst noch weiter nach oben schnellen, und die Entfernung vom Tisch zur Hintertür fühlte sich wie ein Kilometer an...mit dem Serienmörder hinter ihr, der einem Rudel tollwütiger Wölfe ähnelte und an ihren Fersen klebte.
Er erreichte sie, bevor sie die Hintertür erreichte und packte sie am Handgelenk. Blitzschnell wirbelte er sie herum, warf sie zu Boden und hob das Messer über seinen Kopf. Voller Verzweiflung hob Elisa den Kopf und sah ihren Mörder mit Tränen gefüllten Augen an, „Bitte.“ war das einige Wort das sie herausbrachte. Abrupt hielt Alex in seiner Bewegung inne und starrte sie ungläubig an, und in einem einzigen Augenblick schien er wie zu einer Statue erstarrt, mit dem Messer über seinem Kopf. Elisa war im selben Zustand, unfähig sich zu bewegen. Sie war fixiert auf sein Gesicht und seine Augen, die sich völlig verändert hatten. Vorher zeigten sie nur Hass und Schmerz; Der unaufhaltsame Wunsch zu töten, Elend und Leid zu verbreiten, als ob das Töten der einzige Weg war seinen Schmerz zu lindern.
Plötzlich verloren sich Hass und Schmerz, und es sah so aus, als würden Tränen aus seinen blutunterlaufenen Augen fallen. Sein Gesicht zeigte nun eine andere Art von Schmerz, und es erschien Elisa als betrachte sie jemanden, der alles, was er liebte, verloren hatte. Seine Augen verstärkten ihren Glauben fast, weil sie von unendlich tiefer Trauer erfüllt waren, gerade so als ob er auf der Beerdigung von jemand war, den er liebte.
Alex konnte seinen Augen nicht glauben, es war unmöglich, dass dies was er gerade sah real sein konnte. Er analysierte jedes einzelne Detail ihres Gesichts, von dem Teint ihres tropfenförmigen Gesichts, bis zu ihren strahlend blauen Augen und ihrem obsidianfarbenem Haar. Jeder einzelne Zentimeter ihres schönen Gesichts schickte eine Welle des giftigen Schmerzes durch sein eisiges Herz. `Warum? Warum muss ich mich dem stellen? Nach allen Schwierigkeiten, mit denen ich konfrontiert war, warum muss ich noch weiter verfolgt und gepeinigt werden?´ dachte er.
Alex und Elisa waren so still, als wäre die Zeit gefroren, und beide starrten einander an, ohne zu blinzeln. Plötzlich bedeckte Alex seinen Mund mit einer Hand, um einen blutigen Husten zu ersticken. Elisa keuchte, als ein paar Tropfen seines Blutes ihr Gesicht trafen, das fast schwarz gegen ihre blasse Haut wirkte. Er taumelte zurück, hustete unkontrolliert mit Blut zwischen den Fingern. Wieder hatte sich sein Gesichtsausdruck verändert. Jetzt schien er voller Angst, als hätte er mehr Angst vor Elisa als Elisa von ihm. Sie wollte verzweifelt etwas sagen, aber sie fühlte sich, als könne sie nicht einmal atmen. Alex stolperte zur Tür, riß sie auf und lief in die kalte Nacht hinaus während er immer noch hustete. Elisa blieb liegen, nicht sicher, was sie tun oder sagen sollte.
Schließlich kamen die leisesten Worte, die sie je gesprochen hatte über ihre Lippen: „Verlass mich nicht.“
So...Das soll ein kleiner Anhaltspunkt sein...Ich hoffe es hat euch bis jetzt gefallen. Für Anregungen, Kritik oder was auch immer bin ich dankbar.
Texte: Jörg Pinkenburg
Tag der Veröffentlichung: 09.01.2017
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