Cover

Trügerische Freiheit

Langsam wird die Welt klein. Der Ballon steigt. Durch die Dunkelheit der Wolken fahre ich empor, empor in die Freiheit. Ein Schwarm Vögel umkreist den Ballonkorb.

Ich fahre über meinen Hof hinweg, falsch, meinen früheren Hof, mir ist noch nie aufgefallen wie schön er ist. Der neue Hofherr arbeitet. Ich spüre Wasser meine Wangen herabrinnen. Tränen? Anscheinend. Ich versuche meine Gedanken zu ordnen... warum weine ich? Vor Freude? Oder vor Trauer?

Ich sehe die Kinder vom Nachbarhof, der neue Hofbesitzer spricht mit ihnen. Sie lachen mit ihm. Ich rücke meinen Zylinder zurecht. Die nervenden Bälger! Bei mir waren sie nie so fröhlich und freundlich.

Da hinten steht meine Ehefrau. Mit ihren Kindern und ihrem neuen Mann, ein armer Schlucker. Hart am Arbeiten, um zu überleben. Wieso sie mich für diesen Kerl verlassen hat? Mich und unser Leben in Reichtum. Sah sie schon immer so bezaubernd aus?

Die Vögel bleiben zurück, weiter können sie mir nicht folgen. Ab hier muss ich alleine weiter. Ich winke, verabschiede mein Leben. Hier oben gibt es nur die Freiheit. Mein Zylinder fällt. Ich kann ihn nicht festhalten. Aber wozu sollte ich ihn hier auch brauchen?

Ich weine immer noch. Zweifel steigen in mir hoch. Unter den Wolken liegt mein Leben – unerreichbar. War alles richtig?

Plötzlich weiß ich was ich fühle: Bedauern. Nun sehe ich wie trügerisch diese Freiheit ist. Ich habe alles verloren. Ich schließe die Augen. Nochmal würde ich sie nicht öffnen.

„Wir verlieren ihn!“, die Worte der Krankenschwester sind das letzte was ich höre.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.05.2015

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /