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Der ganz normale Wahnsinn

Feeline zuckte zusammen und spürte Schmerz und Trauer. Sie saß im Bus und gerade hatte sich der Junge neben sie gesetzt, für den sie schon seit langem heimlich schwärmte. Wie immer wenn sie im Bus waren ignorierte er sie – er saß auch nur neben ihr, weil kein anderer Platz frei war. Sie wollte nicht in Tränen ausbrechen also zog sie ihr Handy aus der Tasche und vermied so traurige Gedanken. Sie steckte Kopfhörer in ihre Ohren und schaltete Musik ein. Dann steckte sie das Handy in ihre Hosentasche und lehnte sich ans Fenster. Ihr brennender Blick ruhte eine Weile auf dem gutaussehenden Jungen, dann schloss sie die Augen und schluckte den Kummer herunter. Sie atmete ein und zählte die Sekunden. Nach einer halben Minute öffnete sie die Augen und hatte ihre Gefühle unter Kontrolle. Sie sollte sich ja auch eher freuen, anstatt in negativen Gefühlen unterzugehen, schließlich hatte sie bald Geburtstag und zwar in zwei Tagen! Während sie so im Bus saß und auf den leeren Sitz vor ihr starrte verging die Zeit. Nach einer Dreiviertelstunde war der Bus an der Endstation angekommen. Feeline und Erik stiegen aus, ihr Herz hüpfte vor Freude fast aus ihrer Brust. Sie liebte den kurzen Weg von der Haltestelle am Spielplatz vorbei, sie führten ein wenig Small Talk, wie meistens auf diesem Teil der Strecke und Fee sog jedes Wort gierig in sich auf.

 

Dann war sie allein, denn Erik musste hier abbiegen. Sie hatte jetzt noch gute 15 Minuten Fußweg vor sich – davon nicht wenig bergauf. Fee ging weiter den Berg hoch am Spielplatz vorbei und bog links ab, an der nächsten Biegung dann rechts und danach 10 Minuten lang geradeaus, vorbei am zerfallenen Schwimmbad, der Jugendherberge und dem Bauernhof. Dann ging die ungefähr 1,80m große Blondine in den Wald. Ja genau, Fee wohnte im Wald. Sie wohnte mit ihren Eltern und ihren zwei Brüdern in einem relativ großen Haus und genoss die Stille, die ihr die Natur bot. Eine leichte Brise zog auf und die dunkelblonden, leicht gelockten Haare wehten im Wind. Es war Mitte Juli und daher brachte der leichte Wind eine angenehme Kühle mit sich. Jetzt ging es wieder bergauf, aber nur für kurze Zeit, dann ging es wieder herunter und Fee bog auf den Hof ein. Sie schloss die Tür auf und lief schnell in ihr Zimmer.

 

Fees Zimmer war nicht typisch für ein Mädchen ihres Alters. In einer Ecke stand ihr Bett, daneben ein Kasten aus einer Turnhalle, auf dem es sich ihre Katze Viettley bequem gemacht hatte. Gegenüber von ihrem Bett stand ein großes Bücherregal und daneben war ein Schreibtisch, der eher weniger als solcher genutzt wurde, als der Sportkasten. Gegenüber der Tür war eine Ecke zum Chillen, ein türkisfarbener Sitzsack, ein Sessel mit dem man Musik hören konnte und ein provisorischer Tisch aus einem umgedrehten Kübel mit einem Korb darauf füllten die Ecke unter dem Fenster. An der Wand dort standen ihr Schrank und eine Kommode, außerdem war neben dem Sitzsack eine Lampe in der Wand, da sie dort oft las. Auf dem Sitzsack lag momentan ihre Gitarre und ein Ordner mit Liedern – teils bekannte, teils unbekannte und teils sogar selbstgeschriebene.

Fee schleuderte ihre Schultasche in eine Ecke und nahm Viettley auf ihren Schoß und kraulte sie eine Weile hinter den Ohren. Dann stand sie auf, griff sich die Gitarre und den Ordner, und ging hinunter in die Küche. Da ihre Familie noch nicht da war machte sie sich schnell ein Brot und aß.

 

Fee blickte herunter auf ihre hellbraune Kätzin und zog eine Augenbraue hoch, als sie fragte: „Na, Viettley, gehen wir raus?“ Die Kätzin schnurrte wie zur Antwort und Fee grinste. Sie nahm einen Zettel und einen Stift von der Fensterbank und kritzelte schnell etwas auf das Papier. Dann legte sie den Zettel auf den Tisch und blickte noch einmal darauf.

 

Ich bin im Wald, könnte länger dauern, bin aber spätestens zum Abendessen wieder da!

Fee

 

Ja das sollte genügen. Sie nahm die Gitarre. Fee ging durch die Haustür und schloss diese, als Viettley ebenfalls draußen war. Fee ging einfach umher, doch wie immer landete sie nach einiger Zeit auf dem Felsen, von dem man bis ins Tal gucken konnte. Hier schlug sie den Ordner auf und schmetterte „Someone like you“ auf der Gitarre. Sie war immer noch mitgerissen von den Gefühlen von eben. Sie hatte das häufig, dass sie Gefühle nicht loswurde. Das Lied war zu ende und Fee schloss die Augen. Sie versuchte sich von allem zu lösen und das gelang ihr sogar relativ gut. Das Singen hatte wie immer gut getan. Ihr Handy vibrierte und sie nahm es aus der Hosentasche. Sie hatte eine Nachricht von Kim, einer ihrer fünf besten Freunde. Kim, Laura und Liz gingen in ihre Stufe. Henry war Fees Nachbar, er war eine Stufe unter ihr und erst seit Mai 15, aber obwohl er jünger war hing er oft bei Fee und ihrern Freundinnen herum.Tatsächlich blieben Fee und ihre Freunde meist für sich, da die Leute aus ihrer Stufe alle hinter der „coolen“ Mädchenclique herliefen – und deren Anführerin hatte aus irgendeinem Grund etwas gegen sie. Schnell öffnete Fee die Nachricht und las.

 

Hey Fee,

morgen ist die School's out Party, Laura hat Bändchen für uns und Liz gekriegt, kannst du? Sie hat auch ne Karte für Henry besorgt, du wolltest doch fragen ob er auch kommen will :D

 

Fee las die Nachricht mehrmals durch, eigentlich war die Party komplett ausverkauft, dass sie doch Eintrittsbändchen hatten war genial (vor allem da sie erst am Tag nach der Party 16 wurde). Sie seufzte, Liz und Kim waren bereits lange 16 und Laura erst seit kurzem, aber trotzdem wäre sie auch davor auf die Party gekommen, denn sie hatte einen gefälschten Ausweis, auf dem sie schon 18 war. Fee tippte eine schnelle Antwort, dann öffnete sie den Chat mit Henry und schrieb ihm eine kurze Nachricht.

 

Hi Henry, ich hab Bändchen für die Party morgen, darfst du jetzt mit oder nicht? :D

 

Schnell drückte sie auf senden und hoffte sehr, dass Henry mitkommen konnte. Sie selbst hatte noch nicht gefragt, sie hatte beschlossen, dass spontan am Besten ist und außerdem dachte sie, dass sie ab 24:00 Uhr sowieso auf die Part dürfte, da würden ihre Eltern es ihr bestimmt nicht verbieten. Fee sah auf die Uhr, es war fünf, ihre Eltern und Brüder mussten inzwischen zuhause sein, aber sie hatte noch jede Menge Zeit. Also packte Fee die Gitarre und spielte ein fröhliches Lied nach dem anderen, bis Viettley sich auf ihre Noten legte. Ein klares Zeichen, dass die Kätzin keine Musik mehr hören wollte. „Ach komm schon, sonst hörst du doch auch gerne Musik!“, sagte Fee, doch die Kätzin ließ nicht locker. „Na gut.“, seufzte die 15-Jährige und legte die Gitarre auf Seite. Nun sprang die Kätzin von den Liedern und Fee schlug den Ordner zu. Sie verfluchte sich dafür, dass sie keine Gitarrentasche mitgenommen hatte und schulterte das Instrument. Viettley lief am Rand des Felsens herunter und Fee folgte ihr. Sie genoss die warmen Sonnenstrahlen, die durch die Blätter hindurch schienen und die leisen Geräusche des Waldes. Nach einer Weile blieb Viettley stehen und Feeline sah sich um, sie waren an einer anderen Stelle, die Fee ebenfalls häufig aufsuchte. Hier hatte sie sich früher mal mit Henry ein Lager unter einem Felsvorsprung errichtet.

Nun ging sie in dieses Lager und sah überrascht, dass Henry auf einem Stein saß. Sie räusperte sich und Henry drehte sich erschrocken um. „Was machst du denn hier?“, fragte der Dunkelblonde erstaunt. Fee antwortete: „Na dasselbe wie immer, ich war im Wald – abschalten“ Sie grinste und fügte hinzu: „Aber was machst du hier?“ „Wollte nochmal hier hin... Keine Ahnung warum.“ Aber Fee spürte seine Wut wie ihre eigene. „Lüg nicht, du bist wütend“, antwortete sie und drückte tröstend seine Hand. Sie merkte wie seine Wut verebbte. „Ist schon wieder ok, war nur wütend auf meine Eltern, ich darf nicht zur Party, du hast morgen bestimmt voll Spaß und ich vergammel in meinem Zimmer!“, murmelte er. „Ach komm, das ist halb so schlimm, wird bestimmt eh ne Katastrophe.“ „Ja, aber es geht ums Prinzip!“ „Das ist wirklich nicht schlimm, zur nächsten Party darfst du bestimmt!“, tröstete Fee, obwohl sie selbst etwas wütend auf Henrys Eltern war. Henry nickte noch leicht zweifelnd. Sie saßen eine Weile da und plauderten über dies und das, dann sah Fee auf die Uhr. „Oh shit! Es ist schon fast sieben, ich muss in 10 Minuten zuhause sein!“,rief sie, „sorry Henry, bis morgen in der Schule!“ Sie nahm die Gitarre in die Hand, klemme den Ordner unter den Arm und rannte den Hügel hoch auf direktem Weg nach Hause.

 

Außer Atem stand sie vor der Tür und drückte auf die Klingel, sie war den Rest gesprintet – mit Erfolg, sie war nur fünf Minuten zu spät. Ihr Bruder Philipp öffnete die Tür und sie begrüßte ihn hastig, ehe sie, gefolgt von ihrer Katze, an ihren Eltern vorbei nach oben lief. In ihrem Zimmer lehnte sie die Gitarre an die Wand und warf den Ordner auf den Sitzsack. Dann ging sie auch schon wieder nach unten und setzte sich zu ihrer Familie an den Tisch. Philipp und Daniel waren ihre älteren Brüder, Philipp war 17, Daniel 19 Jahre alt. Eigentlich studierte Daniel schon, aber er hatte Semesterferien und war daher Zuhause, Philipp würde dieses Jahr Abi machen. Meine Eltern sahen mich streng an und ehe sie was sagen konnten meinte ich: „Ich weiß, nächstes Mal komme ich früher.“ Zufrieden nickte ihre Mutter und das Essen begann, Daniel erzählte eine lustige Geschichte von der letzten Party und Philipp gab eine Geschichte aus dem Unterricht zum Besten, in einer kurzen Pause sah ich zu meinen Eltern und sagte: „Also Laura hat Bändchen für School's out, für Liz, Kim und mich. Darf ich hin? Bitte!“ Ihre Eltern blickten sich kurz an und nickten dann beide. „Danke, danke, danke!“, rief Fee und strahlte. „Aber keinen Blödsinn!“, ermahnte ihr Vater sie und Fee nickte glücklich. Ihre Mutter fügte hinzu: „Und es ist eine Ausnahme, weil du in der Nacht 16 wirst.“

 

Nach dem Essen guckten sie gemeinsam „Fernsehen. Um neun Uhr, verabschiedete sie sich und ging nach oben. Viettley lag wieder auf dem Kasten und Fee nahm sie runter. Die hellbraune Kätzin miaute vorwurfsvoll. Sie musste Hausaufgaben machen – nicht zu fassen, dass ihre Lehrer am vorletzten Tag vor den Ferien noch Hausaufgaben aufgaben! Sie nahm das Lateinbuch heraus und lege es auf den Sportkasten. Sie übersetzen Gedichte – ätzend! Sie übersetze – wenn man das so nennen konnte – und war froh, als sie das Heft zuschlagen konnte und es in die braune Fransentasche gleiten ließ. Aber es warten noch Französisch und Chemie, wenn sie könnte würde sie Chemie, dieses schreckliche Fach, sofort abwählen. Hätte sie letztes Jahr gewusst, wie ätzend es werden würde hätte sie definitiv Physik statt Chemie gewählt. Schnell kritzelte sie die Reaktionsgleichungen in ihren Block und schob ihn aufseite, um Französisch zu machen. Sie holte die Französischmappe heraus, sie musste einen Dialog verfassen, das war gar nicht so schlimm. Nachdem sie den letzten Punkt gesetzt hatte überflog sie den Text noch einmal, berichtigte einige Fehler und schob die Mappe ebenfalls zurück in ihre Tasche. In Deutsch hatten sie nichts aus. Dann packte sie ihre Sportsachen, sie hatte morgen eine Doppelstunde, und als sie fertig war ließ sie sich auf ihren Sitzsack sinken. Ihr Blick glitt durch das Zimmer, sie musste unbedingt aufräumen.... es sah schrecklich aus.

 

Fee seufzte und nahm ihren Laptop heraus. Er war gerade hochgefahren, da öffnete ihr Vater die Tür. Er blickte durch das Zimmer. „Eigentlich wollte ich dir sagen, dass wir gerade mit Henrys Eltern geredet haben und er mit zur Party darf, wenn du auf ihn aufpasst. Aber wenn dein Zimmer bis morgen nicht aufgeräumt hast, gehst du nicht zu dieser Party!“, erklärte er und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer. Fee seufzte und schaltete den Laptop aus. Sie machte sich daran, das Chaos zu beseitigen.

Spät am Abend war Fee endlich fertig und schmiss sich aufs Bett. Sie schrieb Henry kurz, dass er mitdurfte und legte sich dann ins Bett.

 

Am nächsten Morgen, einem Freitag und dem letzten Schultag, klingelte Fees Wecker wie üblich um sechs Uhr. Sie schaltete ihn aus und verkroch sich noch einmal unter der Bettdecke. Fünf Minuten später kroch sie unter ihrer Decke hervor und sammelte ihre Sachen zusammen. Unter der Dusche blieb sie einige Minuten länger als nötig, sodass sie sich anschließend umso mehr beeilen musste.

Etwas zu spät setzte sie sich an den Frühstückstisch und schlang ihre Cornflakes herunter. Dann sprang sie auf, verabschiedete sich von ihrer Mutter und schnappte sich Jacke und Schultasche.

Im Auto hatte Fee eine gute halbe Stunde Zeit – Zeit zum Schlafen. Sie verfluchte den Moment in dem sie ankam, doch sie zwang sich auszusteigen. In der ersten Stunde hatte sie Latein, das bedeutete, dass sie in den zweiten Stock musste. Die Gänge waren bereits leer, alle Schüler waren in den Klassenzimmern. Fee fluchte leise mit einem Blick auf die Uhr und hechtete die Treppe hoch. Sie sprintete den Flur entlang und stoppte vor dem Klassenraum. Kurz machte sie eine Pause und atmete durch, bevor sie die Hand hob und klopfte. Als von innen ein „Herein“ ertönte öffnete sie die Tür. Ihre Lehrerin guckte sie nicht gerade freundlich an. „Sieben Minuten zu spät Feeline, was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?“, giftete sie. Kurz überlegte Feeline zu lügen, beschloss dann aber doch die Wahrheit zu sagen. „Entschuldigung, ich habe verschlafen.“ „Das gibt dann wohl einen Klassenbucheintrag!“ Feeline holte Luft, um zu protestieren, doch dann bemerkte sie einen warnenden Blick von Liz, scheinbar hatte ihre Lehrerin nicht gerade die beste Laune – okay, genau genommen hatte sie das nie...

Ohne ein weiteres Wort setzte sich Fee auf ihren Platz und schwieg für den Rest der Stunde. Glücklicherweise hackte die Lateinlehrerin mehr auf Nico herum, sodass sie nicht weiter auffiel. Nico war ein guter Freund von Erik, aber in der Schule nicht sonderlich gut. Als es klingelte und alle bereits aufsprangen fauchte die Lehrerin, dass sie den letzten Satz zu Ende besprechen, sonst würde sie über die Ferien Hausaufgaben aufgeben. Also setzen sich die Schüler für drei weitere qualvolle Minuten auf ihre Plätze. Als sie dann endlich fertig waren stürmten die Schüler aus dem Raum.

 

Als nächstes hatten sie Deutsch, die Stunde ging relativ schnell vorbei und als es klingelte nahmen die Schüler ihre Taschen und machten sich auf den Weg zur Sporthalle. Sie verschwanden in die Umkleide und zogen sich um. Fee war bereits fertig und wartete auf Kim. Als auch die fertig war liefen die beiden gemeinsam nach oben. In der Halle herrschte das typische Chaos, die Schüler machten irgendwelchen Scheiß, während sie auf die anderen warteten. Als alle in der Halle waren wurden Teams gewählt und sie spielten Völkerball. Fee wurde relativ früh gewählt, da sie recht sportlich war. Die restliche Stunde bewarfen sich die Schüler mit Softbällen und am Ende stand der Sieger fest. Fees Mannschaft hatte gewonnen. Die Schüler kehrten in die Umkleiden zurück und zogen sich um, dann liefen sie hinaus in die Pause.

 

Laura, Liz, Kim und Fee gingen auf den Hof und setzten sich auf eine kleine Mauer. Laura kramte in ihrer Tasche. „So, hier sind die Bändchen! Fee? Braucht Henry jetzt auch eins?“, die Blondine holte Bändchen aus ihrer Tasche und gab jedem eins, ein weiteres gab sie Fee, als diese nickte. „Danke.“, sagte Feeline und kramte das Geld aus ihrer Tasche. Sie gab es Laura. „Die Party ist um neun, oder?“ „Ja, es wird bestimmt ziemlich cool.“, meinte Kim und grinste. Fee nickte zustimmend. Sie saßen noch eine Weile herum, bevor sie zu Französisch gingen. Die Stunde war in Ordnung, sie kontrollierten die Hausaufgaben und probten anschließend eine kleine Szene auf Französisch. Am Ende führten die einzelnen Gruppen vor und schon war die Stunde vorbei. Feeline und ihre Freundinnen stöhnten als es klingelte, denn das Klingeln bedeutete den Beginn der nächsten und letzten Stunde. An und für sich wäre das gut gewesen, aber sie hatten Chemie und das war wahrscheinlich das schlimmste Fach – und vor allem die schlimmste Lehrerin, die Fee aus irgendeinem Grund nicht abhaben konnte.

 

Miss White – so hieß die Chemielehrerin – eröffnete den Unterricht mit der Abfrage eines Schülers. Glücklicherweise wurde nicht Fee gefragt, sondern Erik – was Fee durchaus recht war. Erik bekam eine 3– , was für Miss' White Verhältnisse relativ gut war. Dann wollte die Lehrerin die Hausaufgaben besprechen. Fee kramte in ihrer Tasche, um ihren Block herauszuholen. Doch in ihrer Tasche war der Block nicht. Vor Fees innerem Auge blitzte ein Bild auf. Sie schob den Block aus dem Weg und machte dann Französisch, die Mappe steckte sie zurück in die Tasche, aber der Block blieb auf dem Kasten liegen.

„Feeline, ließ bitte die erste Reaktionsgleichung vor.“ Unheilvoll hallte die Stimme ihrer Lehrerin in Feelines Kopf wieder. Sie schüttelte bedauernd den Kopf, sagte aber nichts. Laura bemerkte ihr Problem und schob unauffällig die Aufgabe herüber. Feeline las die Aufgabe vor, aber scheinbar hatte Miss White Lauras Rettungsversuch bemerkt. „Vielen Dank, Laura.“, sagte sie mit eisiger Stimme und trat nun vor Feelines Tisch. „Wo sind deine Hausaufgaben?“ „Ich habe sie gemacht, ich habe nur vergessen sie in meine Tasche zu stecken!“ Fee versuchte sich zu verteidigen. „Ach das ist ja mal was ganz neues, bist du sicher, dass nicht der Hund sie gefressen hat?“ Die Lehrerin notierte sich etwas in ihrem kleinen roten Notenbuch und stapfte zurück vor die Tafel. Sie fuhr mit dem Unterricht fort und ignorierte erfolgreich jede Meldung von Feeline.

 

 

Nach der Stunde seufzte die Blondine erleichtert. Heute war wirklich nicht ihr Tag gewesen. Gemeinsam mit ihren Freunden ging Feeline in die Aula, wo die gesamte Stufe versammelt war. Da der letzte Schultag war würden sie nun ihre Zeugnisse bekommen. Fee kannte die meisten Noten bereits und war daher relativ entspannt. Als sie aufgerufen wurde ging sie nach vorne und nahm ihr Zeugnis entgegen. Feeline hatte eigentlich in fast jedem Fach 1 oder 2, nur in Latein hatte sie eine 3, weil das Fach ihr einfach nicht lag und in Chemie hatte sie sogar eine 5, weil die Lehrerin sie hasste. Nichts desto trotz hatte sie wie bisher immer einen Einserschnitt, worauf sie durchaus stolz war.

Andererseits würde sie einen Einserschnitt auch brauchen, wenn sie wirklich Psychologie studieren wollte. Feeline war in der 10. Klasse und hatte damit noch zwei Jahre vor sich.

School's Out

Kapitel 2 – School's Out

 

Fee packte ihre Sachen zurück in ihre Tasche und verabschiedete sich von ihren Freunden, sie ging zur Bushaltestelle und stellte enttäuscht fest, dass Erik heute scheinbar nicht mit dem Bus fuhr. Die Fahrt ging ziemlich schnell vorbei und Feeline beeilte sich auf dem Weg nach Hause. Schließlich schloss sie die Haustür auf und trat ein. Sie blickte auf die Uhr. Es war kurz nach zwei. Um pünktlich zur School's Out zu kommen müsste sie um halb neun losfahren, aber sie hatte mit Henry per WhatsApp geklärt, dass sie sich bereits um sieben treffen wollten. Bis dahin müsste Feeline noch essen und sich fertig machen. Sie brachte ihre Tasche in ihr Zimmer, ihre Eltern waren noch arbeiten. Fee ging wieder herunter und machte sich Nudeln, anschließend räumte sie die Küche auf und blickte noch einmal auf die Uhr. Es war nun viertel vor drei. Fee stellte sich einen Alarm auf halb fünf, dann ging sie hinaus in den Wald, dieses Mal ohne Gitarre.

 

Feeline streifte durch den Wald und die Zeit verging wie im Flug, es kam ihr vor, als wären erst fünf Minuten vergangen, da klingelte der Alarm. Sie holte ihr Handy aus der Hosentasche und stellte den nervigen Ton ab. Feeline saß gerade auf einer Astgabel eines alten knorrigen Baumes, also kletterte sie schnell hinab und machte sich auf den Rückweg zum Haus.

Gerade als sie die Tür öffnete, kam Viettley um die Ecke und schob sich zwischen Fees Beinen hindurch in das Haus. Feeline lächelte und folgte ihrer Kätzin in ihr Zimmer.

Fee warf sich auf ihr Bett und verharrte einige Augenblicke. Anschließend stand sie wieder auf und kramte ihre Sachen heraus. Dann ging sie unter die Dusche.

 

Feeline stand vor dem Spiegel und föhnte sich, dabei summte sie vor sich hin. Sie trocknete eine letzte Strähne und verließ das Badezimmer, um zu ihrem Schrank zu gehen. Dort blieb sie stehen und durchwühlte den Schrank. Schließlich zog sie mehrere Sachen heraus, ein schwarzes Kleid, einen kurzen Rock mit einer Bluse und HotPants mit einem schwarzen Spitzentop. Sie nahm die Sachen und ging zurück ins Bad. Hier legte sie die Sachen ab und versuchte sich zu entscheiden, nach einiger Zeit entschied sich die Blondine für den Rock mit Bluse. Sie zog die Sachen an und ordnete den Rest zurück in ihren Schrank. Dann holte sie flache, schwarze Schuhe, die sie ebenfalls anzog.

 

Fee trug gerade Mascara auf, als es klingelte. Mit einem Blick auf die Uhr stellte Fee fest, dass es bereits fünf nach sieben war. Sie legte die Schminke zurück und ließ Henry rein. Sie drückte ihm allerdings nur das Bändchen in die Hand und schminkte sich fertig. Erst danach ging sie herunter. „Du siehst gut aus.“ „Danke, du auch“ Henry sah wirklich nicht schlecht aus, er hatte eine Jeans und ein kariertes Hemd, das locker hing, an. Darunter zeigten sich Umrisse seiner trainierten Brust. Seine wuscheligen Haare waren leicht zerzaust, aber das sah sogar noch besser aus. Fee und Henry vertrieben sich die Zeit bis es bereits Zeit war zu fahren. Fees Eltern brachten die beiden zur Party.

 

„Danke Dad!“ „Kein Problem Spatz, pass auf dich auf und sag Bescheid wenn ich eich abholen soll.“ „Musst du nicht, wir gehen nach der Party zu Liz, hab ich doch gesagt!“ „Ist ja gut Fee.“, ihr Vater ließ nicht locker, „Wenn sich was ändert weißt du ja Bescheid. Viel Spaß!“ Dann fuhr er endlich und Henry und Fee gingen zu Liz, Laura und Kim, die bereits ungeduldig warteten. Sie begrüßten sich und stellten sich gemeinsam in die Schlange. In der Menschenmenge sah Fee einige vertraute Gesichter. Niklas, der große Typ aus der Stufe über ihr, der so gut Gitarre spielte, stand wenige Leute vor ihnen. Gemeinsam mit Ben und Christoph. Plötzlich drehte Niklas den Kopf und musterte sie einen Moment, er grinste frech. Fee wurde rot, sie wurde nicht oft von Jungs angelächelt – vor allem nicht von so beliebten wie Niklas. Ganz vorne in der Reihe sah sie Erik. Er lachte gerade über etwas, dass Niko und Liam – sein anderer bester Freund – gerade gesagt hatten. Fee zupfte an ihrem Outfit herum und wurde nervös. Und das obwohl Erik sie nicht einmal bemerkt hatte.

Plötzlich hörten sie eine Stimme hinter sich. „Na sieh mal einer an – wenn das nicht die Losergang ist... Ach und da ist ja sogar Feeline.“, Ein Mädchen stand hinter ihnen, sie war in ein kurzes Kleid gequetscht, dass ihren Arsch gerade so bedeckte. „Das du dich überhaupt in die Nähe einer Party traust, Psycho! Du verdirbst noch allen die Laune.“ Michelle und ihre zickigen Freundinnen Lisa und Grace waren aufgetaucht. Das hatte gerade noch gefehlt, Feeline spürte die Abschätzigkeit und den Hass der drei. Liz wollte gerade etwas sagen, aber Laura stieß sie in die Seite. „Ignorieren!“, zischte sie. Es dauerte noch eine gefühlte Ewigkeit, aber dann waren sie am Eingang und die miesen Kommentare von hinten gingen schließlich in der Musik unter.

 

Innerhalb der Disco war es ein wenig stickig. Fee und ihre Freunde sahen noch einige Leute von ihrer Schule, schlossen sich aber niemandem an. Stattdessen drängten sie sich irgendwo in die Menge und feierten.

Kim legte gerade einen sehr seltsamen Tanz auf, woraufhin die anderen – einschließlich Fee – in ihren Bewegungen innehielten und sie ansahen. Als Kim das bemerkte wurde sie rot und tanzte etwas bescheidener weiter. Als dann laut „Atemlos“ von Helene Fischer aus den Lautsprechern dröhnte stöhnte Fee auf. „Wer kommt mit was trinken?“, fragte sie. Dann drängte sie sich gemeinsam mit Liz aus der Menge, während die anderen auf der Tanzfläche blieben.

 

An der Theke bestellte Fee sich eine Cola, auf Alkohol hatte sie keine Lust. Auch Liz bestellte lediglich eine Cola. Sie standen herum und Fee beobachtete Leute. Sie hatte leichte Kopfschmerzen, wie häufig in größeren Menschenmengen, die sie der Luft und der Lautstärke zuschrieb. Es war aber auch wirklich stickig hier, also beschlossen Liz und Fee herauszugehen. Auf dem Weg nach draußen sah sie einen großen, dunkelhaarigen Mann, der an der Wand lehnte und den Raum im Blick behielt. Seine Augen begegneten ihren und sein Blick hielt sie einen Moment auf der Stelle fest. Seine Augen waren tief dunkelbraun – ja fast schwarz. Er musterte sie und sein Blick wirkte einschüchternd. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Scheinbar fand der Mann sie auch seltsam, denn er runzelte die Stirn und sein Mund wurde schmal. Der Moment kam ihr ewig vor, aber dann wandte er den Blick schließlich ab und ließ ihn wieder durch den Raum schweifen.

 

Schließlich zog Liz an ihrem Arm.„Kommst du Fee? Oder schläfst du im Stehen ein?“, sie zog Fee mit nach draußen. An der frischen Luft ging es der Blondine gleich etwas besser.

Sie tranken aus und stellten die Gläser auf einen Stehtisch der draußen aufgebaut war. Erst jetzt fiel Fee auf, dass sie gar nicht alleine draußen waren, ein großer braunhaariger Typ und eine kleine Schwarzhaarige standen dort. Naja sie taten mehr als herumstehen, es sah nämlich eher aus, als würden sie sich gegenseitig aufessen. „James...“, flüsterte die Schwazhaarige mit rauer Stimme. Zu mehr kam sie nicht, denn dieser James zog sie in Richtung der Toiletten davon.

Fee verzog den Mund, sie wollte gar nicht wissen, was da auf dem Klo jetzt passierte. Stattdessen gingen Liz und sie wieder herein zu den anderen.

 

Etwas später standen auf einmal Leute ihrer Schule neben ihnen. Sie ignorierten sie zwar, aber ab und zu kam doch ein verächtlicher Blick. Unter anderem waren auch Michelle und ihre Freunde da. Und Erik. Fee war nervös, was, wenn eine der Tussis etwas gemeines über sie sagte?

Es war nun kurz vor Mitternacht und damit auch kurz vor Fees 16. Geburtstag. Sie waren inzwischen alle verschwitzt und hatten eine Menge Spaß. 1 Minute noch. Fee blickte eine Weile zu Erik herüber. Ob er ihr gratulieren würde? Fee starrte ihn verträumt an. Dann drang eine Stimme an ihr Ohr. Henry stimmte einen Countdown an und ihre Freundinnen stimmten ein. „Zehn... Neun... Acht...“ Fee blickte noch einmal zu Erik. „Sieben... Sechs... Fünf... Vier... Drei...“ Sie riss den Blick von ihm los, er hatte es nicht mal bemerkt. „Zwei... Eins...“ Fee strahlte ihre Freunde an. „NULL!“ Laura stimmte eine Runde „Happy Birthday“ an und die anderen stimmten ein. Am Ende des Liedes johlten und klatschten sie und auch einige Fremde in ihrer Umgebung applaudierten.

Ihre Freunde und auch Wildfremde gratulierten ihr freudig. Selbst Niklas, Ben und Christoph, die in der Nähe standen, beglückwünschten sie. Feeline fühlte sich gut. Zumindest für einen kurzen Moment.

 

„Warum freuen die sich eigentlich alle so? Sie ist eine Plage für die Welt.“, Michelle stand hinter Fee und sprach mit jemandem. Sie spürte Wut und wirbelte herum. „Ich weiß auch nicht, sie ist echt ätzend, und sie guckt mich immer so seltsam an. Da krieg ich nen Brechreiz!“ Michelle stand da, eng umschlungen mit Erik. Im nächsten Moment lagen seine Lippen auch schon auf ihren und er schloss die Augen. Michelle funkelte sie noch gehässig an, ehe auch sie die Augen schloss.

Fee fühlte sich taub. Nicht fähig irgendetwas zu unternehmen. Dieser Zustand dauerte genau eine Sekunde. Dann traf sie die Erkenntnis und es war ihr, als würde ein Schlag sie treffen und sie müsse zusammenbrechen. Aber sie brach nicht zusammen. Stattdessen durchfuhr sie eine Welle und ihr wurde heiß. Und einen Augenblick später lagen alle in ihrem näheren Umkreis auf dem Boden. Auch sie fiel um. Erschöpft. Ausgesaugt. So kraftlos, dass sie den Aufprall gar nicht mehr spürte. Und auch die Tränen, die ihre Wangen herabliefen spürte sie nicht mehr. Denn dann wurde alles schwarz.

 

„Ich glaube sie regt sich.“ „Ja, sie wird wach.“ Feeline fühlte sich schwer. Sie lag auf etwas hartem. Langsam kam Gefühl in ihren Körper. Es war Holz. Eine Bank? „Geht mal alle aus dem Weg!“ Diese Stimme war Fee unbekannt. Ein Knurren schwang in ihr mit, wenn auch kaum hörbar. Es war eine Männerstimme. Tief und in einem Ton der keinen Widerspruch zuließ. Die Blondine hörte Schritte, wahrscheinlich gehorchten ihre Freunde dem Fremden.

Feeline öffnete angestrengt die Augen. Ihr Kopf pochte. Alles war verschwommen. Sie blinzelte ein paar Mal. Irgendjemand war über sie gebeugt. Sie versuchte sich aufzurichten. „Immer langsam.“, sagte der Fremde. Dann half er ihr sich aufzusetzen.

Feelines Blick wurde klarer. Zuerst sah sie ihre Freunde, die um sie herum versammelt waren. „Was ist los?“, fragte Feeline. Sie fühlte sich schwach. Ihre Freunde sahen sie an. Sie spürte ihr Mitleid. Als nächstes sah sie dunkle Augen. Es dauerte eine Weile, bis sie ihn erkannte. Der Fremde war der Mann, der sie angesehen hatte als Liz und sie nach draußen gegangen waren. Er war es, der ihr antwortete. „Ungefähr 20 Leute sind zusammengebrochen, aber nach drei Minuten waren alle wieder auf den Beinen – mit Ausnahme von dir.“ Kim nahm ihre Hand und drückte sie tröstend. „Es sind alle wieder fit und niemand wurde verletzt. Du warst fast zwei Stunden bewusstlos.“ Fees Kopf pochte immer noch, aber eine grobe Erinnerung kehrte zurück. Trauer durchzuckte sie, aber es war Kim, die in Tränen ausbrach. Wir guckten sie verwirrt an, aber es dauerte, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Sie war ebenso verwirrt wie der Rest von uns. Der einzige, der nicht verwirrt zu sein schien, war der Fremde.

„Wer sind Sie?“, fragte Fee entgeistert. Das ganze war ihr unheimlich. „Ich bin Gadreel Reeves.“,sagte er. Fee war unzufrieden. Ein Name sagte ihr jetzt auch nicht viel.

 

Mister Reeves winkte ein Mädchen mit roten Haaren heran. Sie war ungefähr so alt wie Fee, vielleicht ein wenig älter. Mister Reeves sah sie an. „Sag den anderen Bescheid, dass sie zum Treffpunkt gehen sollen. Ich komme später nach. Das war's für heute Abend.“ Die Rothaarige zog einen Schmollmund, verschwand aber wortlos in Richtung der Party. Fee runzelte die Stirn. Das ganze war doch sehr unheimlich. Zu unheimlich für ihren Geschmack.

 

„Lasst eure Freundin und mich mal bitte allein.“, sagte Mister Reeves, doch Fees Freunde dachten gar nicht daran. „Wir lassen sie doch nicht in dem Zustand bei einem Wildfremden!“, meinte Henry, doch Reeves ließ nicht locker. „Ihr könnt ja in Sichtweite bleiben, aber ich muss mit ihr reden, unter vier Augen.“ Er wandte sich zu Fee. „Schick sie weg, es ist zu deinem eigenen besten.“ Fee blickte verunsichert zwischen Reeves und ihren Freunden hin und her. Sie standen dort und dachten nicht daran sie allein zu lassen. „Es gibt nichts, was sie nicht wissen dürfen, egal was sie zu sagen haben, ich würde es ihnen sowieso erzählen.“ „Es wäre wirklich besser, wenn sie gehen!“ Seine Stimme klang genervt. Aber das beeindruckte Fee nicht sonderlich. Sie schwieg und Reeves seufzte übertrieben. „Wirf mir nicht vor ich hätte dich nicht gewarnt!“, knurrte er, wobei seine Augen aufblitzten.

 

„Das menschliche Gehirn ist nur zu Bruchteilen genutzt, das hast du doch bestimmt schon einmal gehört, mh?“, fragte er. Als Fee merkte, dass er auf eine Antwort wartete nickte sie schnell. „Nun, es gibt aber auch Menschen, die einen größeren Teil ihres Hirns nutzen. Wir nennen uns die Begabten. Jeder der Begabten hat eine Fähigkeit, das kann alles sein. Ich könnte dir nun biologisch das Ganze erklären, aber wir bleiben beim Groben. Überall auf der Welt gibt es Internate. Schulen für Leute wie uns.“ Er machte eine Pause, Feeline starrte ihn an. „Hören Sie, ich bin nicht an irgendwelchen Storys für Fantasy-Bücher interessiert!“, meinte sie und bemühte sich ihre Stimme ruhig zu halten.

„Es ist nicht nur eine Geschichte, du bist auch eine Begabte. Ist dir noch nie aufgefallen, dass du irgendwie anders bist als andere? Dass du etwas kannst, das andere nicht können?“, fragte er herausfordernd. Feeline dachte nach, anders als andere war sie irgendwie schon, aber nicht in dem Sinne. Bestimmt schüttelte sie den Kopf. „Gut, wenn du es nicht weißt sage ich es dir: Du bist ein Begabte.“ „Hören sie schon auf mit ihren Märchen!“ Er knurrte missbilligend. „Ich weiß, es ist nicht einfach. Du wirst deine Freunde und deine Familie verlassen und das Internat besuchen müssen. Es ist eine Stunde mit dem Auto von hier im Wald. Du wirst sehen, dass es dort besser für dich ist. Deine Fähigkeit entwickelt sich weiter und du musst lernen sie unter Kontrolle zu halten. Ich werde dafür sorgen, dass deine Eltern zustimmen, glaub mir es ist das Beste für dich. Und jetzt geh am besten nach Hause!“ Der Mann drehte sich um und stapfte davon.

Fee und ihre Freunde schwiegen. Schließlich meinte Liz: „Die Party ist eh scheiße, lasst uns zu mir fahren.“ Und genau das taten sie auch. Schweigend. Es war seltsam gewesen, jeder wusste, dass die anderen genau das dachten. Die anderen behandelten Fee wie ein rohes Ei.

 

Bei Liz sahen sie nur noch etwas fern. Aber davon bekam Fee kaum etwas mit. Sie grübelte darüber nach, was der Mann gesagt hatte.

Schließlich legten sie sich hin und während die anderen schliefen lag Fee noch wach. Sie ging zumindest davon aus, dass die anderen schliefen, doch plötzlich drehte Henry sich zu ihr um. Er sah sie an. „Weißt du Feeline, ich glaube dieser Typ sagt die Wahrheit. Es klingt absurd, aber ich glaube er hat Recht, du bist anders. Das würde so vieles erklären. Das was da heute passiert ist war nicht normal. Ich kann es mir nicht erklären, aber er konnte es erklären...“

Feeline presste die Lippen aufeinander. Das war nicht das, was sie hatte hören wollen. Sie drehte sich um und fiel nach einer Weile doch noch in einen unruhigen Schlaf. Eine einzelne Träne rollte über ihre Wange und tropfte in das Kissen.

Mr. Reeves

Es war noch dunkel als Feeline aufwachte, aber sie stand trotzdem auf und verließ den Raum in dem ihre Freunde lagen, immer noch schlafend. Feeline schlich herunter. Sie nahm ihre Schuhe und öffnete leise die Haustür. Die Sonne ging langsam auf und tauchte die Umgebung in ein rotes Licht.

Liz wohnte an einem Feld, ein Wald wäre Fee natürlich lieber gewesen, aber das Feld war auch in Ordnung. Sie lief den Feldweg entlang in Richtung eines kleinen Baches. Als sie am Bach ankam, setzte sie sich ans Ufer und starrte auf das Wasser.

Alles was dieser Kerl – Mister Reeves – gesagt hatte schwirrte ihr durch den Kopf. Wie kam er nur auf diese absurde Idee. Sie war doch nicht die einzige die ohnmächtig geworden ist, warum sollte sie dafür verantwortlich gewesen sein?! Er musste sich geirrt haben, sah ja auch etwas seltsam aus.

Fee holte ihr Handy raus und suchte in den Kontakten nach Anne. Anne war ihre beste Freundin, sie war zwar auf einer anderen Schule, aber sie kannten sich sogar noch länger als sie Henry kannte – und selbst den kannte sie ja bereits seit sie denken kann.

Sie klickte auf das Hörersymbol und lauschte dem Klingeln. Aber es ging niemand dran. Fee steckte das Handy zurück in die Tasche. Natürlich konnte sie Anne nicht erreichen – die hatte heute ein Basketballspiel. Ein extrem wichtiges sogar, denn sonst wäre sie mit zur Party gegangen.

Fee seufzte, dann würde sie halt später bei Anne vorbeischauen. Es war inzwischen eh Zeit zurückzugehen, damit die anderen nicht bemerkten, dass sie weg gewesen war.

Fee machte sich auf den Rückweg. Sie schlich auf leisen Sohlen ins Haus und betätigte im Badezimmer die Spülung. Falls die anderen schon wach waren würden sie denken, dass Fee nur auf Toilette war.

Fee ging zu ihren Freunden, die wirklich schon wach waren und zusammen tuschelnd in der Ecke saßen. Als Fee rein kam verstummten sie augenblicklich.

„Ist das euer Ernst? Auffälliger könnt ihr es auch wirklich nicht machen!“, meint Fee genervt. Ihre Freunde tauschten schuldbewusste Blicke aus. Fee rollte die Augen. „Worüber sprecht ihr?“, verlangte sie zu wissen, „über diesen Kerl? Der hat sie nicht mehr alle! Ihr kauft dem seine blöde Geschichte doch nicht etwa ab, oder?“ „Naja.... er wirkte schon sehr überzeugend, weißt du?“, meinte Kim. „Und du warst wirklich die einzige die so lange bewusstlos war...“, fügte Liz hinzu. Fee blickte zu Henry, der wich ihrem Blick aus. „Du weißt immer mehr als die anderen... wenn du irgendeine Fähigkeit hast würde das einiges erklären...“, murmelte er. Aber Laura schüttelte heftig den Kopf. „Ihr habt sie doch nicht mehr alle! Fee hat ne gute Menschenkenntnis und war gestern übermüdet und mitgenommen! Es gibt sowas wie Fähigkeiten nicht! Und mal ganz ehrlich, wie soll sowas denn bitte geheim bleiben?“ Laura lacht auf, aber ihr Lachen wirkt nicht echt.

Fee blickt zu Boden und endlich merken ihre Freunde, dass sie sich daneben benehmen. Liz beschließt, dass sie alle zusammen frühstücken gehen sollten und bekommt schnell Zustimmung.

Einige Minuten später sitzen sie auch schon alle zusammen am Tisch und essen Cornflakes.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.05.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Die Idee für das Buch habe ich aus verschiedenen Foren. Daher widme ich das Buch vor allem den Mitgliedern dieser Foren: http://cat-warrior-rpg.forumieren.com http://blessing-or-curse.forumieren.com

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