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Endlich wieder in Sligo

Die Fahrt beginnt an dem Busbahnhof in Dublin, an dem die 1916 / 2016 Feierlichkeitsfahnen über dem Eingang hängen. Die Zweierreihen des Überlandbusses sind eng und die Vierersitze mit dem kleinen Tischchen in der Mitte sind reserviert. Eine Gruppe junger Männer in ausgelassener Stimmung nehmen diese Sitze ein. Einer von ihnen platziert einen blauen Plastikbottich auf den Tisch. Als der Bus Richtung Sligo die Haltebucht verlässt, reisst einer der Jungs zwei Plastiktüten mit Eiswürfeln auf und lässt diese in den Bottich fallen. Danach folgen Bierdosen und eine Whiskeyflasche. Die Jungs fluten sich fröhlich und ausgelassen, noch bevor wir die Innenstadt hinter uns gelassen haben. Eine ältere Frau beginnt mit ihnen zu flirten, sie bieten ihr etwas zu trinken an, aber sie lehnt ab.

Die nächsten drei Stationen, die der Bus anfährt, befinden sich noch in der Peripherie Dublins, in den gleichförmigen Stadtrandsiedlungen. Danach wird die Landschaft ländlich, aber der Verkehr nicht weniger. Schnelleren Autos macht der Bus Platz, indem er nach links zieht und sie an sich vorbeifahren lässt. Die Jungs knacken die nächste Runde Bierdosen, flachsen miteinander und grölen über ihre eigenen Witze.

Am nächsten Halt steigt eine kleine Gruppe üppig geschminkter Frauen ein, sie bleiben im vorderen Teil des Busses, quetschen sich und ihre Mitbringsel in die Sitzreihen. Bereits nach wenigen Minuten haben sie eine Sektflasche ploppend geöffnet und Plastikbecher gefüllt. Grellbunte Luftballons mit Helium gefüllt schweben unter der Decke des Busses. Zwei Damen knoten einen Banner mit  „Happy Birthday“ rechts und links an die Gepäckablagefächer über den Sitzreihen. Die Frau, die offensichtlich auf dem Weg zu ihrer Geburtstagsparty ist, steigt am nächsten Halt zu und wird von ihren Freundinnen johlend begrüßt. Der ganze Bus stimmt spontan ein „Happy Birthday to you“ an, bis zu der Stelle, an der der Name eingefügt wird „Dear …“ und ihre Freundinnen ergänzen „Rosalee“, und alle Reisenden beenden den Toast mit „Happy Birthday to you!“

Während der Fahrt verbringen die anderen Passagiere die Zeit mit Zeitunglesen, Jung und Alt nutzt das freie WLAN im Bus, um im Internet zu surfen und Nachrichten zu schreiben. Das Ertönen der Klingeltöne und das Pling von Whatsapp sind allgegenwärtig. Es sind viele alte Leute am Bord, die entweder wirklich in den nächsten Ort wollen, oder sich nur die Zeit vertreiben. Irische Rentner können den Nahverkehr kostenlos nutzen und viele fahren einfach nur so durch die Gegend.

Der Bus brummt über den Motorway, der Busfahrer singt halblaut zu den Songs aus dem Radio, sagt die nächste Haltestelle an. „Longford, zehn Minuten Pause!“

Wenn er zu spät dran ist, verkürzt er diese Pinkelpause schon mal auf fünf Minuten.

Nach Longford ändert sich die Landschaft, aber die weiten Moorflächen, in denen Torf gestochen wird, werden schnell wieder von grünen Weiden abgelöst.

Die Damen der Geburtstagsparty steigern sich immer mehr in hysterische Lachanfälle, und die Jungs auf dem Weg ins Wochenende trinken fröhlich weiter. Jemand hat Äpfel zu den Bierdosen geworfen. Einer albert mit einer Banane herum. In Carrick-on-Shannon, das von dem Sturm Frank im November halb überflutet worden war, steigt die Geburtstagsparty dann aus, wird mit einem letzten „Happy Birthday“ verabschiedet.

Es beginnt zu regnen, das Land wird grau, aber die Regenwolken verziehen sich schnell und werden wieder von einer strahlenden Sonne abgelöst.

Ein junger Mann, der sich eine Affenmaske aus Plastik über den Kopf gezogen hat, schiebt sich durch den engen Gang, um an der nächsten Haltestelle den Bus zu verlassen.

„Hey, Mate! Have a Banana!“

Er dreht sich herum, sieht zu den feiernden Jungs hinüber und fängt die Banane, die ihm über die Sitzreihen hinweg entgegengeworfen wird, mit einer Hand auf. Als er auf der Straße am kleinen Hafen von Carrick-on-Shannon steht, steckt er sich die Banane in den Hosenbund wie ein Gangster seine Waffe in einem Krimi.

Es wird etwas ruhiger im Bus, die letzten Bierdosen sind geleert, die Whiskeyflasche liegt in der Kofferablage. In Boyle steigen die Jungs aus, lassen ihren Müll zurück, wandern mit ihren Rucksäcken und dem blauen Bottich die Straße hinunter. Der Bus überquert die schmale Steinbrücke, macht sich weiter auf den Weg nach Sligo.

Der Tafelberg Benbulben, der die gesamte Region dominiert, taucht langsam auf der rechten Seite auf, Sligo kommt immer näher. Ein alter Mann, der in Colooney eingestiegen war, erhebt sich mühsam von seinem Sitz und der Fahrer hält an einem einsam gelegenen Haus den Bus an. Dort gibt es keine Haltestelle. Ohne weitere Worte nimmt er den Einkaufwagen des alten Mannes, zieht ihn durch den Gang aus dem Bus hinaus und bis vor die Haustür. Der alte Mann folgt ihm, sie wechseln ein paar Worte und dann fährt der Bus weiter, die letzten Kilometer zur Busstation in Sligo, direkt unterhalb der Zugstation. Dort riecht die Luft nach dem nahen Meer und nach dem würzigen Rauch der Hauskamine, die mit dem irischen Torf befeuert werden.

Ich bin am Busbahnhof, entdecke, dass mein Stadtbus nach Rosses Point bereits abfahrbereit dasteht und werde von Busfahrer Frank begrüßt. Er bedient diese Strecke seit Jahren und er fährt immer winkend an mir vorbei, wenn ich in Rosses Point mit dem Rad unterwegs bin. Ich steige ein, kaufe mein Ticket und setze mich. Da bin ich wieder.

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Tag der Veröffentlichung: 16.07.2016

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