Cover


Sorley O’Cearnaigh kam nach Bunowen, das versengte Haar unter einer Wollmütze verborgen. Er war die ganze Nacht durchgefahren. Und er war total übermüdet, als er die Frau im morgendlichen Licht und irischen Landregen fast über den Haufen fuhr. Es wäre doch besser gewesen, in Galway eine Zwischenstation einzulegen und sich eine Nacht auszuschlafen.
Er stieg aus dem alten Rover, um sich zu entschuldigen, stand mit seinen Schuhen im überfluteten Straßenrand und fluchte innerlich. Die Frau in der dicken Sweatshirtjacke mit dem „Dublin University“ Aufdruck starrte ihn an und legte den Kopf schief. Sie erkannten sich zeitgleich und zuckten zusammen.
„Oife“, sagte Sorley. Trotz des Regens sah sie fabelhaft aus. Ihr rötlich-braunes lockiges Haar fiel bis auf ihre Schultern, sie war bis auf eine Spur Lippenstift ungeschminkt und ihre Augen unglaublich grün. In diese Augen hatte er sich damals verliebt.
„Was machst du denn hier?“, erwiderte sie.
Not amused

, dachte Sorley.
„Durchreisen“, sagte er, „bist du auf dem Weg nach Hause? Steig ein, ich fahr dich.“
Sie stieg ein, warf ihre Tasche auf den Rücksitz und angelte eine Tüte Cashewkerne aus ihrer Jackentasche. Als Sorley den Motor wieder anwarf und losfuhr, ohne sich anzuschnallen, knabberte sie bereits ihre Kerne und sagte: „Zum Keogh Gemäuer.“
Sorley hatte vermutet, dass sie dort lebte und den Weg dorthin kannte er im Schlaf. Während der Fahrt über die Landstraße, die an den vereinzelten Höfen und Häusern von Bunowen vorbei führte, sagte Oife keinen Ton und Sorley war zu müde, um sich zu erklären.
Als sie an der Hofeinfahrt standen, steckte sie sich den letzten Cashewkern in den Mund, musterte Sorley abschätzend und meinte: „Komm vorbei, wenn du dich ausgeschlafen hast. Du siehst zum Kotzen aus, Sorley.“

Er fuhr zu seinem alten Haus am anderen Ende der Straße. Es war sehr gut möglich, dass das einstöckige winzige Haus in sich zusammenfiel, sobald er die Haustür aufsperrte, oder dass ihm ein Schwall Regenwasser knietief entgegenkam, weil das Dach undicht war; aber er hatte Glück. Als er aufschloss und das Haus betrat, roch es muffig, aber es war trocken, und er wanderte zufrieden einmal durch die Räume. Er hatte es nicht so klein in Erinnerung gehabt.
In Küche und Bad lief das Wasser rostig braun, und weil der Strom abgestellt war, musste er sich auf Kerzenlicht und kaltes Duschen beschränken.
In seinem Schlafzimmer, in dem nur noch das Metallbettgestell an der Wand stand, rollte er die Isomatte und seinen Schlafsack auf dem Fußboden aus, schluckte seine Schmerzpillen und schlief sofort ein.
Willkommen daheim

, dachte er.

Nach einem späten Frühstück mit Kaffee und Zigaretten machte Sorley sich auf den Weg und besuchte Oife. Sie hatte den Hof ihres Vaters übernommen und offensichtlich viel Geld hineingesteckt. Die Gebäude waren instand gesetzt und an der Scheune waren Pferdeboxen angebaut worden. Als er vor Jahren verschwunden war, hatte das alles noch anders ausgesehen.
Oife kam aus einer der Boxen, entdeckte ihn, wie er durch das Fenster ins Wohnhaus linste und rief: „Hey!“
Sorley drehte sich um, grinste vorsichtig und kam näher.
„Was hast du hier aufgezogen?“, fragte er, „lässt sich davon leben?“
„Ich vermiete die Boxen“, sagte Oife, „und ich verleihe auch ein paar der Ponys an Touristen, die sich im Sommer hier her verirren. Bringt ein wenig Geld in die Haushaltskasse. Außerdem fahre ich noch Taxi. Hast du deinen Dad schon besucht?“
Frag mich das nicht

, dachte Sorley, belassen wir es dabei, dass ich einfach wieder hier bin. Für eine Weile.


„Das habe ich noch vor mir“, sagte er, hätte sich noch weiter in schwachen Ausreden geübt, wäre in dem Moment nicht der Kopf eines fleckigen Schimmels über der Halbtür einer der Boxen aufgetaucht. Er hatte das gesprenkelte Maul voll Heu, hörte einen Moment auf zu kauen und starrte zu ihm hinüber. Dann bollerte er mit dem Fuß gegen die Tür.
„Ach du Scheiße“, sagte Sorley, „ist das der Dicke? Der lebt noch?“
An der Box hing ein Stallschild und es bestätigte, dass es der alte Dicke war. Sein Name war „Big Dipper“, und sein Geburtsdatum unter dem Namen bewies, dass er über zwanzig Jahre alt war.
Dipper sah Sorley entgegen und brummelte leise eine Begrüßung, spuckte dabei die Reste des Heus aus. Der Anblick des alten Schimmels mit den dunklen Punkten und Flecken katapultierte Sorley direkt in die Vergangenheit zurück. Es war, als wäre er niemals weg gewesen.
Sein Pferd Dipper. Sein Dad hatte ihn von einem Händler als perfektes Jagdpferd gekauft, aber für einen Hunter oder Irish Draught war Dipper zu faul und stur – er arbeitete niemals freiwillig mit und rannte schon mal im Schweinsgalopp quer über Felder, wenn ihm etwas nicht passte. Im Springen war er absolut talentfrei. Und obwohl er bereits kastriert gewesen war, als Sorley ihn bekommen hatte, stellten sie schnell fest, dass er noch immer meinte, er sei Hengst. Sie konnten ihn nicht mit Stuten zusammenstellen, weil er dann unkontrollierbar wurde.
Der dicke Dipper war einfach ein Pferd mit Charakter, der es liebte, die Wassereimer umzuschmeißen, der gleichzeitig verfressen und wählerisch war, der furchtbar streitlustig werden konnte, aber in kritischen Situationen immer der Erste war, der die Flucht ergriff, der gerne langsam durch das Gelände schlenderte und jede Aufforderung, sich schneller zu bewegen, ignorierte. Sorley erinnerte sich daran, dass man im Gelände niemals absteigen durfte, weil er einen dann nicht mehr auf seinen Rücken ließ.
Den Namen Big Dipper hatte er vom Händler bekommen, denn auf seiner rechten Hüfte prangten Punkte, deren Anordnung wie das Sternbild des großen Wagens aussah, und obwohl er in den Jahren fast komplett weiß geworden war, waren diese Punkte noch immer da.
Sorley ging in seiner Box und sie begutachteten sich gegenseitig. Der Dicke schnupperte an seiner Jacke, untersuchte seine Hände und seine Hosenbeine; ließ es sich gefallen, dass Sorley um ihn herumging, die Hände über sein Fell gleiten ließ, die Beine mit den dicken Gelenken betrachtete. Seine Hufe waren breit ausgetreten und flach wie Tellerminen, seine Mähne und sein Schweif kaum vorhanden, weil er sich offensichtlich sehr gerne schubberte.
„Er hält sich tapfer“, sagte Oife von der Boxentür her, wo sie stehen geblieben war, „er hat Arthrose und Spat, seine Gelenke sind hinüber, aber mit seinen Medikamenten kommt er noch gut über die Runden.“
„Ich hätte nicht gedacht, dass er noch da ist.“
„Was hätten wir denn mit ihm machen sollen, nachdem du abgehauen bist, Sorley?“ Oife klang anklagend und er wagte nicht, sie anzusehen.
„Ich weiß“, sagte er. Er ging nach vorn, tätschelte den Hals des Pferdes und der senkte den Kopf und steckte sich die Nase zwischen die Vorderbeine, begann mit dem linken Vorderbein zu scharren. Er wusste, wer Sorley war. Er hatte ihm vor langer Zeit viele dieser Tricks beigebracht.
„Alter Clown“, sagte Sorley, schnippte mit den Fingern und deutete zur rückwärtigen Tür. Big Dipper musterte ihn mit einem skeptischen Blick, dann gehorchte er und wanderte mit steifen Bewegungen nach draußen auf das Paddock. Dort drehte er sich herum und steckte den Kopf zurück durch die Tür, als wartete er darauf, wieder hineingebeten zu werden.
„Darf ich dich heute Abend zum Essen einladen, love?“, fragte Sorley.
Oife knotete sich das wirre Haar im Nacken zusammen und erwiderte: „Meinst du mich oder den Dicken?“

Sorley kaufte Wein, Fleisch und frisches Gemüse, war dankbar, dass in dem kleinen Supermarkt neben der Tankstelle eine Frau an der Kasse saß, die er nicht kannte und er unbemerkt von den anderen Einwohnern von Bunowen wieder in seinen Rover steigen und nach Hause fahren konnte.
Da seine Küche nicht funktionstüchtig war, überließ Oife ihm die Küche in ihrem Haus und sie saß bei ihm auf der Arbeitsfläche am Fenster, trank ein Glas Rotwein und sah in dem sonnengelben Pullover, der schwarzen Hose und dem locker hochgesteckten Haar umwerfend aus.
Sorley sorgte für das Abendessen, sie sorgte für den Nachtisch, und obwohl Sorley sich vorgenommen hatte, keine der unbequemen Fragen zu beantworten, kam er um eine bestimmte Frage nicht herum.
Einmal im Haus, musste er sich nicht nur die Wachsjacke ausziehen, sondern auch die Wollmütze abnehmen und er sah, dass Oife gar nicht erst versuchte, ihr Entsetzen zu überspielen. Sie griff nach seinen Schultern und hielt ihn fest, drehte ihn wie eine Gelenkpuppe erst nach rechts, dann nach links und zog die Luft ein.
„Tut das nicht weh?“, fragte sie, „das sieht ja entsetzlich aus.“
Während seines letzten Einsatzes hatte er sich den Großteil seines Haares und leider auch Teile der Kopfhaut abgesengt. Das war das, was Oife von ihm sehen konnte. Er verriet ihr nicht, dass seine rechte Schulter noch ein wenig schlimmer aussah.
„Halb so wild“, erwiderte er, „ich merk das schon gar nicht mehr.“
Während des Essens erzählte Oife, was sich im Ort alles geändert und was sich nicht geändert hatte und wollte schließlich wissen, ob Sorley seinen Vater über den Besuch informiert hatte.
„Noch nicht“, sagte er.
Vor Jahren war Sorley aus Bunowen abgehauen, nicht im Streit, aber ohne seinen Vater über seine Pläne zu informieren. Er hatte einfach seine Tasche gepackt und war verschwunden. Und er hatte nicht nur seinen Vater sitzen gelassen.
„Jetzt wäre es an der Zeit, mal damit rauszurücken, was du getrieben hast“, sagte Oife. Sie waren mit dem restlichen Rotwein nach draußen und in Big Dippers Box gegangen, hatten sich dort in das Stroh gesetzt und angestoßen. Der Dicke hatte sich zu ihnen gesellt, knabberte jetzt am Stroh herum.
„Ich war hier und da“, sagte Sorley, „es ist einfacher, Arbeit zu finden, wenn man flexibel bleibt.“
„Dein Dad hat die Farm aufgegeben und hat mich gefragt, ob ich mich um Dipper kümmern könnte. Wir haben fest damit gerechnet, dass du nach einem halben Jahr zurückkommst. Oder zumindest mal anrufst und sagst, wo du steckst.“
„Ich vermute, ich hatte zu viel zu tun“, sagte Sorley.
Der Dicke spuckte die Reste des Heus aus, es fiel Sorley in einer weichen durchgekauten Rolle vor die Füße, und er schien wieder einzuschlafen. Im Halbdunkeln des Stalls beobachteten sie grinsend, wie seine Augen langsam zufielen und seine Unterlippe immer mehr herunterhing. Als sein Kopf langsam immer weiter heruntersackte, dass er fast Sorleys Knie berührte, löste sich ein dicker Spuckefaden von seiner Unterlippe und wenn Sorley die Knie nicht schnell angezogen hätte, hätte er den dicken Blubber abbekommen.
„Iiiiiiih“, machte Sorley, und erreichte damit genau das, was er haben wollte. Oife hatte es schon immer gehasst, wenn er sich komisch benahm und sie reagierte noch immer, wie sie damals reagiert hatte. Mit der einen Hand packte sie seinen Arm und mit der anderen schlug sie zu. Nicht mit der flachen Hand wie ein Mädchen; mit der geballten Faust, und es tat weh.
„Seine Zähne sind nicht mehr die Besten“, sagte Oife, „er hat sie sich runtergewetzt, ich glaube, deshalb sabbert er auch so, wenn er einschläft.“
Sie sahen sich grinsend an, und weil Oife noch immer seinen Arm festhielt, legte er seine Hand auf ihre und drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
„Wir sollten uns scheiden lassen“, sagte sie.
Sorley hatte geahnt, dass sie es erwähnen könnte, aber er hatte nicht vermutet, dass sie sofort damit rausrücken würde.
„Dass wir so schnell geheiratet haben, war ein Fehler“, sagte er, „und erst recht, dass ich abgehauen bin. Eine schnelle unkomplizierte Scheidung könnte uns beide wieder auf null runterschalten und wir könnten …“
„Sorley, um Himmels willen. Ich will nicht, dass wir uns endlich scheiden lassen, damit wir von vorn anfangen können, sondern damit wir endlich unsere eigenen Wege gehen. Ohne ständig daran zu denken, dass da noch was ist, was einen festhält.“

Nachdem es im Stall zu ungemütlich wurde und Dipper eindeutig seine Ruhe haben wollte, zogen sie sich ins Haus zurück, wuschen gemeinsam das Geschirr ab und Sorley sagte, er würde nach Hause gehen, weil es schon viel zu spät sei.
„Du kannst gerne hier schlafen“, sagte Oife, „das Gästebett steht immer bereit.“
Der Wein war ihm nicht wirklich zu Kopf gestiegen, und er hatte höchstens zwei Gläser gehabt, aber wenn Oife ihn im Haus halten wollte, würde er sich nicht dagegen wehren. Das besagte Gästebett stand im zweiten Schlafzimmer, das er von der Lage als ihr altes Mädchenzimmer erkannte.
Ich halte sie fest

, dachte Sorley, als er sich unter die Decken wühlte und versuchte, sich nicht auf die wunden Stellen zu legen, und sie hat keine Ahnung, dass sie mich die letzten Jahre auch festgehalten hat. Aber nur im Guten, nur im Guten

.

Während der Nacht hatte Sorley sich aus den Decken gedreht und schlief noch tief, als Oife am Morgen hereingeschlichen kam, um ihn zu fragen, ob er noch immer seine alte Frühstücksvariante bevorzugte. Aber sie erstarrte beim Anblick seiner nackten Haut und zog sich wieder zurück.
Was immer er getan hatte – er sah aus wie ein Feuerwehrmann, der nackt zur Arbeit gegangen war.

„So ein Frühstück hatte ich schon sehr lange nicht mehr“, sagte Sorley, und fügte mit einem Grinsen hinzu: „Klar, ich hatte ja auch die Köchin schon lange nicht mehr.“
Das Wetter spielte mit, und weil Sorley sich die Umgebung ansehen wollte, schlug Oife einen Ausritt vor.
„Wer mit dem Putzen und Satteln zuerst fertig ist, darf das bessere Pferd reiten“, sagte sie.
Weil Sorley unbedingt den Dicken nehmen wollte, der aber schon seit langer Zeit nicht mehr reitbar war, entschieden sie sich dazu, dass Oife einen der Tinker ritt und Sorley mit dem alten Big Dipper nebenherlief. In der Box zog er ihm ein Halfter über und wollte sich einen der herumliegenden Stricke nehmen, aber Oife warf ihm eine Hengstkette entgegen. Er fing sie auf, ohne sich die Kettenglieder ins Gesicht zu schlagen und schnallte sie an das Halfter, dass die Kette über dem Halfter auf dem Nasenrücken lag. Wenn er nicht daran zog, würde Big Dipper den Unterschied zwischen einem Strick und der Hengstkette nicht merken.
„Er geht noch immer sehr gerne seine eigenen Wege“, sagte Oife, „und damit hast du wenigstens eine kleine Chance, ihn aufzuhalten.“
Dipper genoss den Ausflug sichtlich. Am Anfang trottete er einfach dem Kollegen hinterher, dann entdeckte er, dass er beim Entlangschlendern nach Grashalmen langen konnte und Sorley hinderte ihn nicht daran.
„Es ist Zeit, dass du mir erklärst, weshalb du wieder hier bist. Und erzähl mir nicht, du hast Sehnsucht nach uns bekomme“, sagte Oife.
Sorley ließ sich von Big Dipper halb in die Wiese ziehen, zog ihn zurück und begann sehr zögerlich und umständlich zu erzählen, wo es ihn hinverschlagen, mit welchen Jobs er sich über Wasser gehalten hatte, aber weil der alte Keogh kein dummes Mädchen großgezogen hatte, warf Oife ihm nur einen schrägen Blick zu und sagte: „Du hast ständig davon gesprochen, in den Norden zu gehen, Sorley. Und genau das hast du doch getan, oder?“
Er wollte ihr nicht einmal annähernd die Wahrheit sagen, aber er tat es trotzdem, weil er sich plötzlich an das letzte Gespräch mit seinem Commander erinnerte. Der hatte ihm wegen des verpatzten Einsatzes in die Mangel genommen.
„Ich bin hier, weil ich ein paar Verstecke im Moor angelegt habe“, sagte er, „ich war oft in der Gegend, aber ich habe mich nicht blicken lassen. Morgen übergebe ich eine Ladung und ich weiß noch nicht, was ich danach tun werde. Beim letzten Einsatz ist einiges schief gelaufen und ich kann noch nicht zurück.“
Oife hatte den Tinker angehalten. Sie starrte Sorley ungläubig an und er machte eine übellaunige Geste in ihre Richtung.
„Hätte ich dich doch besser anlügen sollen?“
„Hättest du besser“, sagte sie, drehte den Tinker und boxte ihm die Absätze in die Seiten. Er trabte schaukelnd Richtung Stall zurück und Sorley konnte zusehen, wie er mit Big Dipper schnell hinterher kam.

Oife weigerte sich, mit ihm zu sprechen, sie versorgte die beiden Pferde, verschwand im Haus und schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Sorley rief durch den Türspalt, dass seine Tasche noch bei ihr im Haus sei, woraufhin das Fenster geöffnet wurde und die Tasche herausflog. Er wühlte nach seinen Autoschlüsseln, setzte sich in den Rover und fuhr nach Hause.
Ich hab kein schlechtes Gewissen

, dachte er, ich hätte es nur anders rüberbringen müssen.



Den restlichen Tag verbrachte er weit außerhalb von Bunowen im Moor, in der Gegend, in der seit Jahrzehnten kein Torf mehr abgebaut wurde, hob zwei der Verstecke aus und schleppte die Kisten zum abgestellten Rover. Er war bis zu den Knien und Ellenbogen mit Schlamm überzogen, hungrig und erschöpft, als er am späten Abend damit fertig war.
Deshalb fuhr er ein wenig zu schnell Richtung Bunowen und wurde nach einigen Kilometern von einem Wagen der Garda überholt und ausgebremst.
Sorley schlug auf das Lenkrad, bremste und schaltete den Motor aus. Die Kisten auf der Rückbank waren mit einer schwarzen Plastikplane abgedeckt, aber sie waren so deutlich Kisten auf einer Rückbank, dass jeder Garda sich sofort fragen würde, was da wohl drin sein könnte.
Der Garda nahm seine Dienstmütze ab, betrachtete den Rover und inspizierte das Nummernschild, das er mit einer Taschenlampe ableuchtete. Als er sich zum Fenster herunterbeugte und eine kleine Geste machte, dass Sorley das Seitenfenster herunterkurbeln sollte, gehorchte Sorley und seufzte. Er blinzelte nach oben, ganz konzentriert darauf, ein freundliches Gesicht zu machen.
„Hallo, Sorley“, sagte der Garda, „ich habe schon gehört, dass du wieder hier bist.“
„Hallo, Dad“, sagte Sorley.

Sorley saß bei seinem Vater im Polizeiwagen, sie teilten sich eine Tasse Tee, den er immer in einer Thermoskanne dabei hatte und sie saßen zusammen, als wäre Sorley nur nach einem verlängerten Wochenende wieder nach Hause gekommen. Sein Dad war alt und grau geworden, aber er war noch immer ein großer und kräftiger Kerl, mit dem man sich nicht anlegen sollte. So, wie Sorley ihn in Erinnerung gehabt hatte. Noch etwas, was sich nicht geändert hatte.
„Ich werde nicht nachsehen, was du da in dem Wagen geladen hast“, sagte O’Cearnaigh, „ich will es gar nicht wissen. Es sei denn, du möchtest davon erzählen?“
Sorley schüttelte stumm den Kopf.
„Ich kann es mir fast denken. Schließ diese Geschichte ab und dann entscheide dich, was du willst. Du kannst hier bleiben oder zurück in den Norden gehen. Du bist alt genug.“
Sorley versuchte sich vorzustellen, wie er das alte Haus wieder herrichtete, sich irgendeinen Job in der Gegend suchte, wobei er noch keine Idee hatte, wie er sich über Wasser halten sollte. Die Chance, wieder mit seinem alten Leben in Verbindung zu treten war zum Greifen nahe. Es war das, was er sich erhofft hatte mit seiner Rückkehr.
„Ich werde wohl hierbleiben“, sagte Sorley, „zumindest für eine Weile. Ich muss das mit Oife wieder ins Lot bringen und ich sollte mich ein wenig um Big Dipper kümmern.“
Sein Dad hob die Plastiktasse Tee und sie stießen an.
„Sohn, ich kann nicht sagen, wer von uns Dreien dich mehr vermisst hat. Vermutlich der alte Gaul.“
Prima

, dachte Sorley, Dad ist Dipper sehr ähnlich geworden. Der hat auch immer erst freundlich geglotzt und dann nachgetreten. Willkommen zu Hause, Sorley

.

Impressum

Bildmaterialien: eigenes Foto, Humpty Dumpty, 2008
Tag der Veröffentlichung: 11.04.2012

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meinen "Dicken"

Nächste Seite
Seite 1 /