Das Salz der Erde
Um fünf klingelt der Wecker.
Um kurz vor sechs schaffe ich es endlich aufzustehen.
Eine drei viertel Stunde für ein schnelles Frühstück, duschen, föhnen, anziehen, Handy suchen, zur Bahn hetzen.
Eine Stunde in der Bahn, direkt nach der ersten Haltestelle lehne ich den Kopf gegen die Scheibe und schließe die Augen. Träume weg. Höre undeutlich die ewig gleichen Gespräche der anderen Fahrgäste.
Kollegen, die sich schon vor dem Beginn der Arbeit miteinander über ihre Arbeit ärgern.
MP3 Player mit nicht-Musik, die voll aufgedreht sind.
Klingelnde Handys und jugendliche Berufsschüler, die sich nervig laut unterhalten.
Ab und zu öffne ich die Augen, kontrolliere, ob ich nicht wieder zu weit gefahren bin.
Steige an meiner Haltestelle aus, laufe den kurzen Weg zum Büro.
Wenn ich Glück habe, treffe ich keinen Kollegen, mit dem ich mich unterhalten muss.
Wieder einmal ignoriert der elektronische Türöffner meine Karte – muss noch mal durchziehen. Scheiß Ding.
Einstempeln.
Ärgere mich wieder über die rauchenden Kollegen, die nie ausstempeln, schon am frühen Morgen.
Murmel ein „Morgen“ zur Empfangsdame. Neben ihr gluckert die Pumpe von unserem Aquarium. Sie füttert immer viel zu viel. Algen im Becken.
Gehe in mein Büro, schalte den Drucker und meinen PC ein. Öffne das Fenster, weil noch immer der Teppich ausdünstet und das Zimmer nach Plastik stinken lässt.
Es dauert mal wieder ewig, bis der PC hochfährt.
Mache mir jetzt schon Gedanken darüber, was ich mittags essen soll.
Auf meinem Schreibtisch steht Kenny McCormick und starrt mich durch seine orange-farbene Kapuze an. Unser Motivationspegel ist heute wieder gleich geschaltet.
Outlook öffnen. Dreißig neue E-Mails seit gestern. Die Hälfte davon sind Erinnerungen aus der Chef-Etage. Weder nett geschrieben noch nett gemeint. Ich versehe sie mit einem „to do“ Häkchen und schiebe sie in die Ablage.
Kollegin aus der Ukraine hat Winterbilder geschickt. Meine Fresse, das ist Winter.
Hole mir den ersten Kaffee, schlurfe an meinen Schreibtisch zurück.
Inzwischen ist mein Kollege gegenüber eingetrudelt. Wir sind in der glücklichen Situation, uns ein zweier Büro teilen zu dürfen, die meisten hocken in den neuen Großraumbüros. In kleinen abgeteilten Würfeln. Die nur so lange privat sind, solange man nicht redet oder den Kopf hebt.
Jan sagt sehr munter „juten Tach!“ und ich grinse. Der Tag ist gerettet.
Tag der Veröffentlichung: 08.02.2012
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