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Es war einmal ...
ein Mädchen namens Rina. Es lebte bei einer Fischerfamilie in einem kleinen Haus am Meer. Sie lebten vom Fischfang, sie fingen die Fische aus dem Meer und aus dem nahen Fluss.
In diesem Fluss hatte einst der Fischer das kleine Baby gefunden und mit nach Hause gebracht. Das kleine Mädchen war in Seide und Leinen gekleidet gewesen und unter der Kleidung hatte die Fischersfrau ein goldenes Amulett mit dem Namen „Rina“ auf der Rückseite gefunden. Auf der Vorderseite war ein seltsames Symbol abgebildet, was sich niemand von ihnen hatte erklären können.
Weil niemand kam und nach einem verlorenen Baby fragte, behielten sie das kleine Mädchen und nannten es Rina, denn das war sein Name.
Rina wurde wie die anderen Töchter behandelt, und sie wurde ein glückliches kleines Mädchen, obwohl sie so arm waren, dass sie manchmal hungrig zu Bett gehen mussten.

Rina half im Haushalt und beim Fischen, so gut sie konnte, und sie machte sich keine Gedanken darüber, dass sie eines Tages jemanden finden würde, der sie heiraten würde. So jemanden würde es nie geben, denn sie war anders als die Leute, die am Meer lebten. Die waren dunkelhaarig und braun gebrannt, die Mädchen waren groß und kräftig, ebenso wie die Jungs.
Rina war blond und so blass, dass jeder dachte, sie sei krank, aber sie war gesund wie ein Fisch im Wasser. Egal, wie lange sie in der Sonne war, niemals nahm ihre Haut Farbe an. Und sie konnte so lange unter Wasser bleiben beim Tauchen, dass es allen unheimlich war.
Nur ihr Ziehvater, der sie sehr liebte und sich immer Sorgen um sie machte, wusste, was es mit ihr auf sich hatte. Sie musste aus einer der fremden Gegenden kommen, durch die der Fluss lief, bevor er hier im Meer endete. Als Baby musste sie in den Strom gefallen sein, vielleicht war sie in einem Sturm über Bord eines Schiffes gegangen, und nur ihre geheimnisvolle Gabe hatte sie davor bewahrt, zu ertrinken.

Die Jahre gingen ins Land, und im Herbst fuhr der alte Fischer mit seinem Boot hinaus und kehrte nicht zurück. Von dem Boot wurden Tage später durch einen Sturm nur einzelne Planken an den Strand gespült und Rina weinte sehr über den Verlust. Ihre Ziehmutter sagte, sie würde zu einer ihrer älteren Töchter ins Dorf ziehen und das Haus aufgeben. Rina ging mit ihr, aber die Familie, in die ihre Schwester geheiratet hatte, mochte sie nicht und sie machten ihr das Leben schwer.
Sie war noch viel zu jung, um verheiratet zu werden und man überlegte, sie als Dienstmädchen auf eine der fernen Höfe oder in die Stadt zu schicken. Aber bevor das geschehen konnte, kamen die fahrenden Leute in die Gegend.
Sie hatten bunt bemalte Holzwagen, die von gescheckten Pferden gezogen wurden und sie verkauften seltsame und magische Dinge und konnten die Zukunft aus der Handfläche lesen.
Rina verbrachte den ganzen Tag in ihrem Lager, konnte nicht genug bekommen von den Geschichten, die sie erzählten, und wäre so gerne mit ihnen gezogen. Sie waren überall fremd, aber sie hatten sich wie eine große glückliche Familie, egal, wo sie waren. Niemand fragte, wo sie herkamen oder hinwollten.
Sie fragte den Mann mit dem langen schwarzen Haar, der ihr Anführer war, ob sie mitkommen könne und er sah sie erstaunt an.
„Normalerweise sind es die jungen Männer, die mit uns kommen wollen“, sagte er, „aber nicht die kleinen Mädchen.“
„Ich bin kein kleines Mädchen“, sagte Rina energisch, „ich arbeite, seit ich fünf Jahre alt bin. Ich kann fischen und den Haushalt führen und ich gehöre hier nicht hin.“
Und weil sie so energisch auftrat, wurde sie eingeladen, am Lagerfeuer im Kreis der Älteren ihre Geschichte zu erzählen. Sie begann mit dem Baby, das am Ufer gefunden worden war und endete mit dem Umzug in das Haus der Familie, die sie nicht leiden konnte.
„Zeig mir das Amulett, Mädchen“, sagte der Anführer und streckte die Hand aus.
Rina nahm die Kette ab und ließ das Amulett in seine große Handfläche fallen. Im Schein des flackernden Feuers betrachteten sie es und sagten eine lange Zeit nichts. Dann begann ein anderer Mann zu erzählen, dass sie vor vielen Jahren durch ein seltsames Königreich gezogen waren, in dem das ganze Jahr Winter herrschte. Dort gab es keinen Frühling, keinen Herbst und keinen Sommer, nur eisigen Winter und ewigen Schnee.
„Man erzählt sich, dass im Herzen dieses Reiches ein Schloss aus Eis steht, in dem ein einsamer König lebt. Und dass das Wappen seines Hauses aus zwei in sich verschlungene Tiere bestand. Ich denke, das Wappen könnte so ausgesehen haben, wie das Symbol auf deinem Amulett.“
Rina nahm ihr Amulett zurück und betrachtete es, als habe sie es noch nie gesehen. Sie hatte immer geglaubt, es seien Hunde oder Katzen in diesen verschlungenen Symbolen, aber sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass es sich dabei um das Wappen eines Königs handeln könne.
„Was hat das zu bedeuten?“, fragte sie.
„Alles und nichts“, sagte der Mann, „es kann sein, dass du aus diesem Königreich stammst. Aber es kann auch bedeuten, dass dein Amulett nur ein kleines Andenken ist, das irgendwie in deinen Besitz gelangt ist und nichts mit dir zu tun hat. Willst du es herausfinden?“
Rina überlegte lange. Sie wollte nicht in dieses schreckliche Haus zurück, aber sie wusste auch, dass die fahrenden Leute sie nicht mitnehmen würden.
„Ich bin nicht tapfer oder mutig“, sagte sie, „aber ich will wissen, wo ich herkomme. Ich werde das Land suchen, ich werde das Königreich und den König finden und es herausfinden.“
Die Frauen schenkten ihr ein paar Kleider und Lebensmittel, sprachen Magie über sie, um sie auf ihrem Weg zu beschützen und am frühen Morgen, noch bevor die Sonne aufgegangen war, machte Rina sich auf den Weg.

Sie verbrachte viel Zeit auf dem Fluss, auf Dampfern und Transportschiffen, wo sie schwer arbeitete, um mitgenommen zu werden, dann wieder nahm sie die Straßen und ging zu Fuß oder fuhr auf Pferdefuhrwerken mit. Niemals verlor sie die Hoffnung, dass sie finden würde, wonach sie suchte. Und irgendwann, als es ihr vorkam, als sei sie schon ihr ganzes Leben unterwegs und auf der Suche, wurde es Winter.
Aber es war kein normaler Winter. An dem ersten Bauernhaus, an dem sie vorbeikam und nach Milch und Brot fragte, erfuhr sie, dass der Winter schon seit vielen Jahren über diesem Land lag.
„Es ist ein Fluch“, sagte der Bauer, „du solltest nicht tiefer in das Land gehen, Kind.“
„Ist es ein Königreich?“, fragte Rina und bekam zur Antwort: „Es war einst ein Königreich. Es waren glückliche Zeiten unter dem König, als seine Frau noch lebte und bevor seine kleine Tochter verschwand.“
Rina fragte nicht weiter. Ihr Herz klopfte und sie fühlte sich so nahe an der Wahrheit und konnte doch mit niemandem darüber sprechen. Niemand würde ihr glauben. Sie behielt ihr Geheimnis für sich und marschierte weiter.
Irgendwann machten ihr die Kälte und der Schnee nichts mehr aus. Während des Tages lief sie weiter in das Winterland, nachts suchte sie sich eine alte Scheune oder eine windgeschützte Stelle zwischen den Bäumen oder Büschen, wo sie sich zusammenrollte und schlief. Sie aß sehr wenig, aber irgendwann hatte sie auch keinen Hunger mehr. Die Menschen in diesem Königreich waren arm, aber freundlich und sie bekam immer etwas zu essen, wenn sie dafür arbeitete und niemals wurde sie davongejagt. Erst nach einer Weile fiel ihr auf, dass die Menschen ihr sehr ähnlich sahen; sie hatten alle helles Haar und helle Haut.

Aber je näher sie dem geheimnisvollen Schloss kam, umso seltener wurden die Bauernhäuser und kleine Dörfer. Es schien, als gäbe es in dieser einsamen Gegend nichts mehr als weite Schneefelder, kleine Wälder und ab und zu wilde Tiere, die sie wachsam beobachteten. Und es überraschte sie nicht, dass einige dieser Tiere sprechen konnten.
Ein Dachs, der ihr auf einem kleinen Hügel entgegenkam, stoppte und sie anstarrte, blaffte sie an: „Was willst du hier??“
Und als Rina höflich erwiderte, sie wolle zum Schloss des Königs, drehte er sich um und rannte lachend davon.
Das nächste Tier, was Rina traf, war ein Schneefuchs.

Als das Mädchen auf den Schneefuchs traf, erstarren sie beide und fühlen, dass etwas Sonderbares an dem anderen war. Der Schneefuchs hatte am Rand eines Weges im Schnee gegraben, als sie sich begegnet waren.
Beide erstarrten, sahen sich ein wenig ängstlich an, und weil Rina nicht wusste, ob der Schneefuchs ebenfalls ein sprechendes Tier war, räusperte sie sich und sagte: „Guten Tag.“
Der Schneefuchs schüttelte sich, die Schneeflocken wirbelten aus seinem seidigen weißen Fell und er sah Rina mit seinen dunklen Augen an.
„Hallo“, sagte er.
„Vielleicht kannst du mir helfen, Fuchs, ich bin auf der Suche nach dem Schloss des Königs.“
„Du hast Glück, dass ich weiß, wo das Schloss ist“, sagte er Fuchs.
Rina streckte ihre Hände aus und der Fuchs schnupperte an ihnen, dann drehte er sich herum und trabte durch den Schnee und Rina folgte ihm.
Er schien ein freundlicher Fuchs zu sein, aber trotzdem verriet Rina ihm nicht, weshalb sie zum König wollte. Und der Fuchs dachte, dass sie ein nettes kleines Mädchen war, aber er sagte ihr nicht, woher er den Weg kannte.
„Ich bin Foj“, sagte der Fuchs.
„Ich bin Rina“, sagte das Mädchen.

Auf ihrem Weg mussten sie durch einen düsteren Wald.
„Müssen wir den Wald durchqueren?“
„Ja“, sagte der Fuchs.
Rina war beim Anblick des großen dunklen Waldes stehen geblieben. Er machte ihr angst.
„Gibt es keinen Weg drum herum?“
„Es ist ein Zauberwald“, sagte der Fuchs, „er breitet sich aus, wenn du versuchst, an ihm vorbeizulaufen. Aber keine Sorge, wenn wir auf dem Weg bleiben, sind wir sicher.“
Das Problem war, dass sie vor lauter Schnee nicht sehen konnten, wo der Weg entlang führte und die Bäume spielten ihnen einen Streich und ließen sie vom Weg abkommen. Statt durch den Wald hindurchzulaufen, kamen sie auf eine Lichtung, auf der ein kleines schwarzes Haus stand.
Foj der Schneefuchs sagte: „Sie darf dich nicht sehen.“
Rina flüsterte: „Wer darf mich nicht sehen?“
„Die Frau, die in dem Haus lebt.“
Und mit einem Flüstern und einem Wispern verwandelte Foj die kleine Rina in einen weißen Schneefuchs. Sie fühlte sich sehr wohl in ihrem Pelz, denn endlich war ihr nicht mehr kalt und sie konnte alles viel besser riechen, hören und sehen.
Sie war so neugierig auf die Frau, die in dem schwarzen Haus lebte, dass sie einfach losrannte und nicht auf Fojs Warnung hörte.
Als sie am Haus ankam und vorsichtig durch das kleine Fenster schaute, sah sie im Inneren eine Frau, die in ihrem Schaukelstuhl vor dem brennenden Kamin saß und strickte. Ein rotes Wollknäuel lag zu ihren Füßen.
Rina hatte plötzlich eine solche Sehnsucht nach ihrer Ziehmutter, die sie verlassen hatte, ohne Abschied zu nehmen und ohne zu sagen, wo sie hingehen würde, denn diese Frau sah durch das Fenster genau so aus wie sie. Sie lief zur Tür und wollte sie öffnen, aber sie war ja ein Schneefuchs und hatte keine Hände, um an den Türknauf zu greifen. Deshalb stellte sie sich auf die Hinterpfoten und kratzte an der Tür. Die Tür sprang auf.
Die Frau saß noch immer in ihrem Schaukelstuhl, bewegte sich leicht vor und zurück, die Bodendielen knarrten dabei leise. Sie sah Rina mit großen Augen an, legte das Strickzeug in ihren Schoß.
„Was willst du, Fuchs?“, fragte sie.
Hinter Rina schlug die Tür ins Schloss und sie erschrak darüber.
„Ich bin vom Weg abgekommen“, sagte Rina mutig, „ich wollte durch den Wald, aber ich wusste nicht, dass er verzaubert ist. Verzeihen sie mir, bitte.“
„Aus welcher Gegend kommst du, dass du nicht weißt, dass mein Wald verzaubert ist?“
„Aus einem kleinen Dorf am Meer.“
„Und wo willst du hin, kleiner Fuchs?“
„Ich will ins Schloss.“
Die Frau erhob sich, legte ihr Strickzeug beiseite, das aussah wie ein kleiner roter Pullover, der sich aber in dem Schaukelstuhl wie eine Katze zusammenrollte und sich das rote Wollknäuel näher heranzog.
„In dem Schloss gibt es nur Eis und Schnee“, sagte die Frau, „weshalb bleibst du nicht hier bei mir?“
„Ich muss meinem Weg folgen“, sagte Rina, „aber auf dem Rückweg komme ich sehr gerne wieder vorbei und leiste ihnen Gesellschaft.“
„Versprichst du es mir?“
Rina war ein Mädchen mit einem reinen und ehrlichen Herzen. Sie sah die Frau an, die plötzlich nicht mehr wie ihre Mutter aussah, die aber ebenso traurig wirkte, und sie sagte: „Ja, ich verspreche es.“
Bei diesen Worten erbebte das kleine schwarze Haus, der rote Pullover drückte sich noch mehr in die Polsterung des Schaukelstuhls und zitterte.
Das Gesicht der Frau hatte sich gewandelt, sie war wunderschön und schrecklich anzusehen.
„Es gab einmal einen jungen Mann, der sein Versprechen nicht gehalten hat“, rief sie, „und er bereut es seitdem jeden Tag, dass er mich hintergangen hat. Wer sein Versprechen nicht hält, wird ewig dafür büßen.“
Rina stellte sich auf die Hinterpfoten und sagte so energisch, wie sie nur konnte: „Ich halte mein Versprechen. Erlauben sie mir, den Weg durch den Wald wiederzufinden?“
Die Frau machte eine Geste mit dem kleinen Finger und die Tür sprang auf.
„Lauf, kleiner Fuchs“, sagte sie, „du wirst deinen Weg finden.“
Rina rannte hinaus, folgte dem schmalen Weg, der sich schwarz wie Kohle durch die weiße Landschaft zog. Die Bäume hatten sich zurückgezogen, und erst, als sie den Rand der weißen Felder durch die Baumstämme erkennen konnte, erinnerte sie sich an Foj und drehte sich herum. Er war ihr gefolgt, jagte ihr nach und hechelte, als sie endlich stehen blieb: „Was hast du da drin gemacht? Niemand geht zu der alten Hexe hinein.“
„Sie ist nur eine traurige alte Frau“, sagte Rina, „sie ist so fürchterlich allein, dass sie ihre Wolle zum Leben erweckt, um Gesellschaft zu haben.“
Weil Rina es als Fuchs gefiel, verwandelte Foj sie nicht zurück und so rannten sie gemeinsam über die tief verschneiten Felder, sprangen über alte Holzzäune und über Weiden, auf denen kein Vieh mehr graste. Als sie einen kleinen Hügel erklommen, tat sich vor ihnen ein weites Tal auf, in dessen Mitte ein Schloss aus Eis stand.
„Es stand einst auf einem großen Hügel“, sagte Foj, „aber das ist sehr lange her. Es war alles grün und saftig, die Sonne schien warm und die Wiesen waren von kleinen Bächen durchzogen. Aber dann geschah es, dass sich alles drehte. Das Schloss wurde zu Eis, der Hügel wurde zu einem Tal, der Sommer wurde zu einem ewigen Winter.“
Sie kamen bis vor das Schloss und kletterten über die zusammengebrochene Mauer, die einst hoch und unüberwindbar das Schloss umgeben hatte. Auch sie hatte sich in Eis verwandelt und war irgendwann zusammengebrochen. Es war niemand da, der die beiden Schneefüchse aufgehalten hätte.
„Geh du allein zum König“, sagte Foj, „ich möchte ihm nicht unter die Augen treten.“
„Aber warum nicht? Kennt er dich denn?“
„Er mag keine Füchse“, sagte Foj. Er konnte seiner neuen Freundin nicht die Wahrheit sagen. Sie bettelte, er solle sie nicht allein lassen, denn sie kam sich klein und ängstlich vor in diesem Eispalast und so tat er ihr den Gefallen und betrat gemeinsam mit Rina die große Halle, an deren Ende ein riesiger Thron stand. Dort oben saß ein alter Mann, eingehüllt in weißen Pelzen und schien zu schlafen.
Als er die beiden Füchse entdeckte, dröhnte seine laute Stimme durch die Halle, dass sich aus den Wänden und aus der Decke Eiskristalle lösten und glitzernd herunterrieselten.
„Was willst du, Foj?“, rief der König, „und wen hast du da mitgebracht?“
Rina starrte diesen großen Mann an, trat ganz langsam näher und hatte vergessen, dass sie noch immer ein Schneefuchs war. Wie konnte sie diesem Mann erklären, dass sie glaubte, seine Tochter zu sein, wenn sie noch ein Fuchs war? Er würde ihr nicht glauben und sie davonjagen oder noch schlimmer – seine Wut an Foj auslassen, der ihr nur geholfen hatte.
„Herr König“, sagte Rina, „ich bin …“
In derselben Sekunde, als seien ihre Gedanken in diesem Moment eins gewesen, verwandelte Foj sich und das fremde Mädchen aus dem kleinen Dorf am Meer zurück in ihre menschliche Gestalten.
Die Kinder sahen sich erstaunt an, denn sie glichen einander wie ein Ei dem anderen, ebenso, wie sie sich als Schneefüchse ähnlich gesehen hatten.
Und der König erhob sich nach ewigen Zeiten, die er in Trauer und Zorn auf seinem Thron verbracht hatte, trat die Stufen herunter und sah von Rina zu Foj und von Foj zu Rina.
„Wen hast du hergebracht, Foj?“, fragte er leise und mit Tränen in den Augen.
„Ich bin Rina“, sagte Rina, „und das hier habe ich in den Sachen gefunden, die ich als Baby bei mir trug, als man mich an dem Ufer des Flusses fand, der ins Meer fließt.“
Sie zeigte das kleine goldene Amulett, das sie um ihren Hals trug.
Der König lachte so laut, dass sein Schloss zu knacken und zu krachen begann, nahm seine Kinder in die Arme und trug sie, Rina rechts und Foj links, in seiner Armbeuge und brachte sie in das große Zimmer, in dem sie einst mit ihren Kindermädchen und Köchinnen gelebt hatten. Sie waren allein, denn alle Bediensteten waren von der Königin fortgeschickt worden, bevor sie das Schloss in Eis verwandelt hatte.
Ein großes Bildnis von ihr hing an der Wand und Rina spürte in ihrem Herzen, dass sie eine sehr liebevolle Mutter gewesen sein musste.
„Ich habe eure Mutter sehr geliebt“, sagte der König, „aber wir haben für unsere Liebe einen hohen Preis bezahlt. Denn ich hatte mein Versprechen einer anderen Frau gegeben, bevor ich eure Mutter traf. Ich war noch so jung und dumm und wusste nicht, was ich tat, als ich dieser Frau sagte, ich könne sie nicht zur Frau nehmen. Ich ließ sie verzweifelt und traurig zurück und dachte nicht mehr an sie. Ich hörte nur ab und zu nach unserer Hochzeit, dass sie in einem Wald lebte, weit vor unserem Schloss und dass sie niemanden zu sich ließ.
Als ihr geboren wurdet, drei Jahre, nachdem wir geheiratet hatten, gehörte das zu unseren glücklichsten Momenten. Ihr seid Zwillinge, Rina und Foj, das ist sehr selten, und ihr ward die gesündesten und schönsten Babys, die man sich nur vorstellen konnte. Die Untertanen strömten herbei, um euch anzusehen und kleine Geschenke zu bringen. Und dann geschah das Schreckliche. In einer kalten und stürmischen Nacht brach jemand in euer Schlafzimmer ein und verschleppte euch. Ihr ward nur wenige Monate alt, und als die Amme euer Verschwinden bemerkte, schickte ich alle Männer aus, um euch zu suchen. Erst im Morgengrauen fanden wir Foj weit draußen auf einem Feld, er hatte sich gegen die Kälte in einen kleinen Schneefuchs verwandelt. Du, Rina, bliebst verschwunden, obwohl wir noch Wochen und Monate nach dir suchten. Wir wussten nicht, ob du auch die Gabe deiner Mutter geerbt hattest, deshalb verbot ich das Jagen der wilden Tiere. Irgendwann gaben wir die Hoffnung auf. Eure Mutter wurde sehr traurig, sie verzog sich in ihr Gemach und wollte niemanden mehr sehen, auch mich oder Foj nicht. Sie verbot allen, den Namen Rina auch nur zu erwähnen. Sie machte mir Vorwürfe. Denn ich wusste es auch, wer euch gestohlen hatte, um Rache an mir zu nehmen.“
„Weil du das Versprechen gebrochen hattest“, sagte Rina.
„Ja“, sagte der König, „und wenn ich könnte, würde ich es rückgängig machen.“
„Aber dann gäbe es uns nicht“, sagte Foj, „du hättest diese andere Frau geheiratet, die Frau, die jetzt allein in dem verzauberten Wald lebt.“
„Das war nicht der erste Fehler, den ich gemacht hatte“, sagte der König, „mein erster und größter Fehler war, einer Frau das Wort zu versprechen, die ich nicht von Herzen liebte.“

Er setzte die Kinder vor sich auf das große Bett aus Eis, sah zum Portrait seiner toten Frau hinauf und erzählte: „Sie hat alles in Eis verwandelt in ihrer Verzweiflung, dann ist sie gestorben. Mich hat sie zurückgelassen, und Foj, der seit dem als Schneefuchs durch die Gegend zog und vergaß, dass er eine Schwester gehabt hatte.“
„Ich spüre sie noch immer in diesen Mauern“, sagte Foj, „es ist so traurig, sie zu spüren, und nicht berühren zu können. Deshalb bin ich lieber als Fuchs dort draußen.“
„Aber das alles hat nun ein Ende“, rief der König, „wir sind wieder zusammen! Meine Tochter Rina hat nach Hause gefunden und wird bei uns bleiben. Wir können ein neues Schloss bauen und ein neues Leben beginnen.“
Rina berührte das kleine Amulett an ihrem Hals, senkte den Kopf und sagte: „Entschuldige, Vater, aber ich kann nicht bleiben.“
Sie musste ihr Versprechen einlösen. Dass sie wirklich die Tochter des Königs war, änderte nichts an ihrem Versprechen, was sie gegeben hatte. Und selbst, wenn es diese Frau gewesen war, die sie einst aus ihrem Bettchen gestohlen und in den Fluss geworfen hatte, musste sie es tun. Es war ihr Wort, was sie gegeben hatte.
Der König weinte, aber er versuchte nicht, seine Tochter aufzuhalten.
„Foj, Bruder, bitte verwandle mich zurück in den Schneefuchs“, sagte Rina, „ich kann so schneller durch den Schnee laufen und finde den Weg einfacher in den Wald zurück.“
Er wollte sie begleiten, aber sie sagte, sie wolle allein gehen.

Rina machte sich auf den Weg, ihr kleines Herz war schwer und sie hatte große Angst, was mit ihr in dem Haus geschehen würde. Würde sie zu einem Haustier mit weichem Pelz werden? Würde sie neben der alten Frau im Schaukelstuhl liegen, und sie dabei beobachten, wie sie den roten Pullover weiterstrickte? Welche seltsamen Geschöpfe mochten sich noch in dem schwarzen Haus verbergen?
Der Weg in den Wald erschien Rina sehr lang und sie war müde, als sie die ersten Bäume erreichte und den Weg wiederfand.
„Bitte lasst mich das Haus finden“, rief sie, und kaum, dass sie es ausgesprochen hatte, teilten sich die Bäume und gaben den Blick auf die Lichtung und das Haus frei. Mit leichten schnellen Schritten ihrer Pfoten lief Rina zur Tür und kratzte an dem Türpfosten. Wieder öffnete sich die Tür wie von Geisterhand und sie betrat den Raum.
Die alte Frau saß in ihrem Schaukelstuhl, hatte ihr rotes Strickzeug auf dem Schoß und der Pullover war sehr groß geworden, die langen Ärmel hingen fast bis auf den Boden herunter.
„Hier bin ich“, sagte Rina, „ich bin im Schloss gewesen und habe mit dem König gesprochen. Ich habe ihm gesagt, dass ich nicht bleiben kann, weil ich ihnen das Versprechen gegeben habe.“
„Verwandle dich“, rief die alte Frau, „zeig mir deine wahre Gestalt!“
Obwohl Rina nicht wusste, wie sie es anstellen sollte, denn sie hatte sich noch nie in ihrem Leben verwandelt, schloss sie die Augen und konzentrierte sich. Sie versuchte, sich an das Gefühl zu klammern, mit dem sie sich durch Fojs Hilfe von einem Fuchs in ein Mädchen verwandelt hatte, und vielleicht war es der verzauberte Wald oder die Erinnerung an ihre Mutter, die ihr halfen. Ihre Gestalt flickerte und flackerte und sie stand als kleines schlankes Mädchen in einem weißen Kleid vor der alten Frau.
„Ich bin Rina“, sagte sie, „ich bin die Tochter des Königs.“
Die alte Frau rührte sich nicht, aber der Pullover, der fast fertig gestrickt war, dem nur noch ein paar Reihen am Halsausschnitt fehlten, sprang mit hoch erhobenen Ärmeln von ihrem Schoß und rannte an Rina vorbei durch den Raum, zog das Wollknäuel hinter sich her. Er hüpfte herum wie ein Kaninchen und es schien, als sei er vor Freude aus dem Häuschen.
„Du hast den Fluch von deiner Familie genommen“, sagte die alte Frau, deren Gesicht sanft und liebevoll zu Rina heruntersah, „ich kann deine Mutter, meine liebe kleine Schwester, nicht mehr zurückholen, aber ich kann ihren Fluch der Verzweiflung von euch nehmen. Es wird all meine Kraft kosten und ich werde danach in die Elemente des Waldes zurückkehren, den ich so lange für meinen Schutz benutzt habe. Ich werde glücklich gehen. Und vielleicht gibt es eine Zeit, in der ich zurückkehren kann. Ich danke dir, Rina, Tochter des Königs, kehre zurück zu deinem Vater und deinem Bruder. Der Wald wird dich nicht aufhalten. Der Winter ist vorüber.“

Impressum

Bildmaterialien: mit freundlicher Genehmigung des Fotographen www.morguefile.com Janylee
Tag der Veröffentlichung: 04.02.2012

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