Non-Stop
Kieran fuhr Moira und Darren zum Belfast International Airport. Auf dem ganzen Weg dorthin zappelte Darren auf dem Rücksitz herum, war eingekeilt zwischen Koffern und prall gefüllten Taschen. Moira hatte ihm zwei Pullover und eine dicke Jacke aufgezwungen, weil sie die nicht mehr in die Koffer bekommen hatte. Den Sicherheitscheck auf der Straße zum Flughafen fand Darren sehr aufregend, sprang aus dem Datsun und blieb eng bei Kieran, als die bewaffneten Polizisten die Koffer durchsuchten und die Taschen durchwühlten. Er war neugierig, streckte immer wieder die Nase vor, aber wenn ihm einer der bewaffneten Soldaten zu nahe kam oder ihn freundlich ansprach, machte er einen Schritt zurück und schien losbrüllen zu wollen.
Sie stellten Kieran eine Menge Fragen, die er ganz gelassen beantworten konnte. Er dachte bei solchen Gelegenheiten immer daran, wie seltsam es war, als die britischen Soldaten in Belfast ihre Stahlhelme gegen Stoffkappen eingetauscht hatten, eines der deutlichen Zeichen der Entspannung. Vielleicht demontierten sie auch bald die Wachtürme an der Grenze, zogen die Armeehubschrauber ab. Nach Omagh hatte sich die Situation erst verschärft und sich wieder entspannt. Die Real
hatte die volle Verantwortung dafür übernommen und befand sich nun auf dem Abstellgleis. Schon bald würden Informationen an die Öffentlichkeit kommen, dass einige große Pannen innerhalb der RUC
den verheerenden Ausgang des Anschlags erst möglich gemacht hatten.
„Ich fliege nicht mit“, erklärte Kieran, „ich erledige noch ein paar Dinge und komme dann nach. Das ist unser erster Urlaub.“
Moira lächelte und stopfte die Klamotten in den Koffer zurück, ein Wunder, dass sie alles wieder unter bekam. Endlich durften sie weiterfahren.
„Die waren sehr freundlich“, flüsterte Moira zu Kieran gewandt, „aber ich hab jedes Mal ein schlechtes Gefühl bei solchen Kontrollen. Als würden sie etwas finden, obwohl wir nichts versteckt haben.“
Im Flughafengebäude bepackten sie einen Gepäckwagen von unten bis oben, Darren rannte ständig außer Sichtweite, weil er sich hier und da etwas ansehen wollte. Als sie einen Platz vor dem Panoramafenster ergatterten, setzte er sich endlich ruhig hin und beobachtete die Flugzeuge auf dem Rollfeld. Kieran begleitete sie zum Gepäck aufgeben, wo sie plötzlich vor der Entscheidung standen, für das Übergepäck zu bezahlen oder zwei Koffer zu Hause zu lassen. Kieran bezahlte, als er Moiras feuchte Augen sah. Sie war auch ohne solche Schwierigkeiten mit den Nerven am Ende.
„Wir werden verloren gehen in New York“, stöhnte sie, „ich weiß gar nicht, wo ich hin muss, was ich tun muss, um das Gepäck zurück zu bekommen. Ich kann das alles nicht allein.“
Kieran nahm sie tröstend in den Arm, flüsterte ihr zu, dass sie es sich ganz einfach machen solle – während des Fluges könne sie sich an einen kräftigen jungen Mann halten, der behilflich sein könnte, auf dem Weg zur Gepäckrückgabe bräuchte sie nur den Massen zu folgen.
„Pass auf Darren auf“, sagte er, „alles andere ist unwichtig. Father Judge wird dich abholen und sich um alles kümmern. Denk dran, was wir besprochen haben, wenn dir jemand komische Fragen stellt.“
„Ich bin nervös, aber nicht kopflos“, erwiderte Moira.
Extra für die Reise hatte sie sich ein neues Kostüm gekauft, in dem sie sich nicht mehr wie ein Trampel fühlte, allerdings hatte sie keine passenden Schuhe dazu gefunden und ihr bestes Paar war klobig und eigentlich nur fürs Landleben zu gebrauchen. Die Sportschuhe, die sie an den Füßen hatte, sahen zu dem Kostüm seltsam aus, aber sie waren immerhin bequem.
Darren hatte eine kleine Tasche um den Hals hängen, in der auf einem Zettel alle Informationen standen, die wichtig waren, falls er verloren gehen sollte. Moira hatte ihm diese Tasche aufgezwungen, er selbst fand es erniedrigend und fühlte sich zum Baby degradiert. Er hatte überhaupt keine Angst davor verloren zu gehen oder sich zu verlaufen, er fühlte sich einfach alt genug, dass ihm so was nicht passieren würde.
Sie flogen Nonstop nach New York mit Virgin, die am günstigsten gewesen waren und Darren fragte, wie lange es dauern würde und ob die Piloten vorn im Flugzeug die ganze Zeit nicht auf Toilette gehen durften. Das stellte er sich schlimm vor, wo er selbst jede halbe Stunde pinkeln musste.
„Acht Stunden“, erklärte Kieran ihm, „das ist blitzschnell im Vergleich zu den Zeiten, als man nur mit dem Schiff nach Amerika kam. Die Leute waren wochenlang unterwegs auf See und ihnen war die ganze Zeit kotzübel.“ Das letzte Wort sprach er mit einem übertriebenen Würgen aus und Darren wiederholte kichernd: „Koootz.“
Beim Einchecken nahmen sie Abschied, wobei Darren die ganze Prozedur verkürzte, indem er hinter der Sperre einfach losrannte und sich nicht mehr zurückpfeifen ließ.
„Diese kleine Kröte“, rief Kieran, Moira hielt ihn ein letztes Mal fest umarmt, bis sich bereits die anderen Passagiere an ihnen vorbeidrängten. Es wurde Zeit.
„Versprich mir, dass du schnell nachkommst“, flüsterte Moira, „ich werde ohne dich nicht ruhig schlafen können.“
„Ich verspreche es“, sagte Kieran.
Er blieb neben dem Durchgang stehen, bis Moria aus seinem Blick verschwunden war, dann drehte er sich um und ging auf dem direkten Weg aus dem Terminal zu seinem Wagen. An dem Sicherheitscheck wurde er durchgewunken, er hob die Hand und fiel in grübelnde Gedanken, als er allein auf der Straße unterwegs war.
Erst vor dem Ryan’s wachte er wieder auf, fragte sich, wie viele Unfälle er gebaut hätte, wenn auf den Straßen mehr Verkehr geherrscht hätte. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, an den richtigen Stellen abgebogen zu sein, aber offensichtlich war er korrekt gefahren – er hatte den Weg im Schlaf nach Hause gefunden.
Im Ryan’s bestellte er sich bei Tim ein Guinness, setzte sich an die Theke. In seiner Jackentasche fand er eines der Kinkerlitzchen, die er aus McGintys Haus geklaut hatte, als es noch intakt gewesen war; ein kleines rotes Plastikkrokodil, das er gedankenverloren über die Theke wandern ließ.
„Was ist los mit dir?“, fragte Tim.
„Das könnte ich dich auch fragen.“
Tim hatte eine Reihe von dicken Kratzern am Kinn, die ihn offensichtlich daran gehindert hatten, sich zu rasieren. Um den Hals hatte er sich ein rot kariertes Tuch geschlungen, als habe er Halsweh, aber als Kieran eine Geste unter sein Kinn machte, grinste er breit und zog das Tuch ein Stück nach unten.
„Das ist der schönste Knutschfleck, den ich in den letzten Jahren gesehen habe“, sagte Kieran bewundernd und hob sein Glas.
„Meine Freundin ist ’ne Wucht“, sagte Tim, „aber ich hab gedacht, sie sei unter die Vampire gegangen. Meinem Dad hab ich die Flecken gar nicht erst gezeigt.“
„Und die Kratzer am Kinn?“
„Da bin ich auf dem Heimweg hingefallen. Aber was ist mit dir? Du machst ein Gesicht, dass die Milch sauer wird.“
„Gib mir noch ein Pint.“
Immerhin haben wir kirchlichen Beistand
, dachte er, was kann da noch schief gehen
.
Kieran rutschte auf dem Barhocker hin und her.
„Kommt sofort.“
Er bekam sein zweites Guinness vorgesetzt.
„Urlaub in Amerika, der reine Wahnsinn. Aber Dad hat irgendwas angedeutet, dass es kein normaler Urlaub ist. Ihr wollt doch nicht auswandern, oder?“
Kieran nahm einen tiefen Schluck aus dem zweiten Glas, warf einen Blick auf das Gemälde, auf dem McGinty mit nacktem Hintern abgebildet war. Den würde er sicher nicht vermissen.
„Wer hat denn da geplaudert?“, fragte er lauernd, „eigentlich sollte das nicht durchs ganze Dorf gehen.“
„Moira ist hier gewesen. Sie hat ihre Topfpflanzen abgegeben, weil Pol und Brendan das Gießen vergessen würden, sagte sie. Und bei der Gelegenheit hat sie Dad davon erzählt.“
Tim senkte die Stimme, obwohl außer ihnen niemand im Pub war. „Sonst weiß niemand davon.“
Kieran tastete in den Jackentaschen nach seinen Autoschlüsseln und sagte im gleichen Ton: „Das will ich aber auch schwer hoffen.“
Tim verdrehte die Augen, zog hastig am Halstuch und brachte es in die ursprüngliche Position zurück, als die Tür aufschwang und eine Meute durstiger Männer hereinkamen. Es war Kieran überhaupt nicht nach Gesellschaft zumute, deshalb verzog er sich in den Innenhof, wo er in die Sonne blinzelte und sein Guinness trank.
In der ersten Nacht allein im Bett konnte Kieran nicht schlafen und das lag nicht nur an den aufkommenden drückenden Kopfschmerzen, er drehte sich von einer Seite auf die andere, stand immer wieder auf und ging ans Fenster. Dort stand er so lange, bis ihm kalt wurde, wühlte sich ins Bett zurück und hoffte, endlich schlafen zu können. Als er das nächste Mal auf die Uhr sah, war es kurz nach vier und er hatte es nicht mal zu einem leichten Dösen gebracht. Er stand auf und zog sich an, holte Abe und Bee und machte einen Spaziergang. Die Felder waren diesig und feucht, als die Sonne aufging, der Himmel war grau wolkenverhangen und es war kühl, aber der Wind frischte auf und der blaue Himmel kam stückweise durch. Kieran folgte dem Feldweg bis zu Toms Weide, wo die Ponies in einer Gruppe eng beieinanderstanden, entdeckte ihn Tom, der hinter der Umzäunung auftauchte.
„Was führt dich her zu mir? Verdammt nasser Morgen. Komm mit rein, ich mach uns einen Tee.“
Er hatte einen Strick in der Hand, marschierte in die Ponygruppe und knuffte sich durch die feuchten Pferdeleiber, bis er Tadhg am Schopf zu fassen bekam, ihm den Strick um den Hals legte und hinter sich her zog.
„Ich hab Darren versprochen, dass Tadhg im Training bleibt“, murrte er und hustete, „Liam kommt heute vorbei und nimmt ihn sich vor.“
Tom führte das Pony durch das Tor und Kieran schloss es hinter ihm, folgte ihm auf den Hof. Vor dem Haus band er Abe und Bee an, wartete darauf, dass Tom au dem Stall kam, wo er Tadhg in seine Box gebracht hatte. Der alte Mann schlurfte und humpelte, hatte nur seine Hausschuhe angezogen für den Weg zur Weide, hinterließ im Haus nasse Fußspuren auf dem alten Parkett.
„Meine Hühneraugen bringen mich um“, sagte er, „ich bin heute nicht mal in meine Schuhe rein gekommen. Setz dich, Kieran.“
Er schüttelte den Kessel, horchte auf das Gluckern, wie viel Wasser drin war, setzte ihn auf und spülte die Teekanne einmal um.
„Hat der Händler seinen Sohn freiwillig gehen lassen?“, fragte Kieran, „oder habt ihr die Kinder getauscht?“
Tom schnaubte verächtlich. „Die beiden treffen sich, seit ich Tadhg an dich verkauft habe und Laoise tut so, als könnte sie es vor mir geheim halten. Glaubt, ihr alter Vater sei plötzlich taub und blind und blöd. Ich lass sie in dem Glauben. Liam erfüllt mir jede Bitte, um sich mit mir gut zu stellen und so kann ich meine Knochen schonen.“
„Liam ist ein netter Kerl“, erwiderte Kieran, „was Besseres konnte dir doch gar nicht passieren.“
Tom goss den Tee auf, suchte in dem Küchenschrank nach Shortbread, das allerdings verkrümelt war und aussah, als seien bereits die Mäuse dran gewesen.
„Naja“, murmelte er, „ich möchte mich nicht beschweren, aber ich denke einfach auch ans Geschäft. Ich kann die Ponys nicht mehr zu guten Preisen an den alten Baldrick verkaufen, wenn wir verwandt sind.“ Er stellte frische Milch und Brot auf den Tisch, setzte sich ächzend auf die Bank. „Bei euch gibt’s auch Neuigkeiten, hab ich gehört.“
„Ich musste Moira und Darren von hier wegschaffen, das ist alles. Ich hab ein paar Dinge erfahren, die mich nicht mehr ruhig schlafen lassen und ich weiß auch noch nicht, wie ich das alles schaffen soll. Ich kann es mir einfach nicht mehr leisten, dass meine Familie noch mal mit hineingezogen wird.“
„Darren hat sich sehr gefreut auf den Urlaub, das hat ihm sogar den Abschied von Tadhg einfacher gemacht. Er hat versprochen, mir ein Geschenk mitzubringen, wenn er zurückkommt.“
Kieran konnte nur ahnen, wie viele Stunden Darren hier in dieser Küche bei Tee und Shortbread zugebracht hatte, sich die wilden Lügengeschichten anhörte und davon träumte, ein Jockey zu werden. Der alte Tom hatte ihm geholfen, ohne es zu wissen, war ihm fast ein zweiter Vater gewesen und deshalb fiel es Kieran nicht leicht, ihm die Wahrheit zu sagen.
„Darüber wollte ich irgendwann mit dir sprechen“, sagte er, „warum nicht jetzt. Du kannst Tadhg an die Baldricks verkaufen, wenn sie noch Interesse haben. Darren bleibt in Boston. Er kommt nicht zurück.“
Tom O’Neill sah ihn entsetzt an und stellte gezwungen ruhig die Teetasse auf den Unterteller zurück. Durch sein Gesicht zogen sich neue Furchen und seine Stimme hatte sich in ein hohles Pfeifen verwandelt.
„Du hast es ihm nicht mal gesagt?“
„Er wäre nicht ins Flugzeug gestiegen, wenn er es gewusst hätte, deshalb haben wir ihm gesagt, es sei eine Urlaubsreise, bis die Schule wieder anfängt.“
„Deshalb musste er so weit weg, hmh?“ Tom putzte sich geräuschvoll die Nase, benutzte dazu das Küchenhaushaltspapier. „Damit er keine Chance hat, wieder auf eigene Faust loszuziehen.“
„Der Bruch ist einfach nötig“, sagte Kieran. Ihm selbst war diese Entscheidung am allerschwersten gefallen, aber das schien niemand wahrzunehmen. Niemand fragte, wie er sich dabei fühlte. Imme wieder dachte er an Darren, der hier so glücklich gewesen war und einen erstaunlich guten Start an der Schule hingelegt hatte – es war nicht fair, ihm das zu nehmen.
Tom goss Tee nach, dachte, dass er sich nicht daran gewöhnen könnte, dass Darren nicht zurückkommen würde.
„Hör zu“, sagte er schließlich, „ich verkaufe das Pony nicht, ich behalte ihn. Das macht es Darren einfacher, wenn er weiß, dass Tadhg nicht an Fremde geht. Und wenn er irgendwann auf einen Besuch zurückkommt, wartet er auf ihn. Wenn das in deinem Sinn ist.“
„Das ist in Ordnung“, sagte Kieran.
In den folgenden Tagen packte Kieran seine Sachen und zog aus dem Haus aus, obwohl die Zwillinge alles taten, um es zu verhindern. Sie inszenierten Unfälle und versuchten ihn zu überzeugen, dass sie allein überfordert wären, sich um alles zu kümmern. Sie machten ihm Vorwürfe, er würde sie ins Chaos treiben. Pol erwog sogar, dass sie sich gleichzeitig etwas brechen sollten, um ihn zurückzuhalten.
„Wie sollen wir das anstellen?“
„Wir springen gleichzeitig vom Dach.“
„Lieber schubse ich dich die Treppe runter.“
„Ich diskutiere nicht mit euch“, rief Kieran in das Zimmer, „es ist beschlossene Sache. Das Haus gehört euch, ihr könnt machen, was ihr wollt.“
„Das wollen wir doch gar nicht“, rief Pol aus der oberen Etage zurück, obwohl sie sich jahrelang nichts Schöneres hätten vorstellen können. Fast hätten die Zwillinge einen neuen Plan in die Wirklichkeit umgesetzt und eine üble Vergiftung vorgetäuscht, aber Kieran tauchte auf, bepackt mit Decken und Kissen und sah sie nur mit schief gelegtem Kopf an, wie sie vor den gesammelten Giftpilzen hockten. Sie aßen sie nicht, weil er sie vermutlich auf dem Klo allein zurückgelassen hätte.
Kieran ließ einen Teil seiner Klamotten zurück, ebenso wie Möbel und andere Dinge, die er nicht brauchte, zog ein paar Straßen weiter in ein winziges Ein-Raum-Häuschen, in dem er sich nur mit Mühe heimisch machen konnte. Es war ein uraltes winziges Bauernhaus, das abseits auf einem verwilderten Grundstück lag und bei dem man nicht einmal mehr wusste, wem es gehörte. In den letzten zehn Jahren hatte dort niemand mehr gelebt.
Kieran war noch voll damit beschäftigt, den Abfall und den Unrat aus dem Haus zu bringen, reparierte die Fenster und brachte ein neues Türschloss an. Der Kamin war noch in Ordnung, er konnte abends gut durchheizen und die Feuchtigkeit aus den Wänden treiben. Beim Eisenwarenhändler besorgte er sich einen alten Ofen mit zwei Herdplatten, in dem winzigen Bad reichte ihm die funktionierende Toilette und auf dem Hinterhof gab es eine Pumpe für den Brunnen. Es war eine sehr spartanische Lebensweise, die er sich ausgesucht hatte, aber alles war besser, als zu Hause in dem einsamen Bett schlafen zu müssen. Die Hunde hatte er zu Michael gebracht, nach langem Überlegen hatte er Trash zu sich gerufen und ihn wieder mitgenommen.
„Die anderen kommen auch ohne mich zurecht“, erklärte er, „und wenn du willst, kannst du Abe und Bee behalten und die anderen an jemanden loswerden, die Interesse haben.“
„Das ist undenkbar, Kieran. Ich kann doch deine Hunde nicht verkaufen. Und außerdem klingt das, als würdest du irgendwas Endgültiges vorhaben.“
Michael hatte mit Howard auf einem Glas zusammengesessen und sie hatten über Kieran gesprochen, was wohl in ihm vorging und was er als Nächstes vorhatte. Seit dem Überfall machte Howard eine Anstrengung nach der anderen, um Kieran zu helfen und zu unterstützen, oft sprachen sie darüber, dass Howard im Haus gewesen war in der Nacht und trotzdem nicht hatte helfen können.
Kieran klopfte sich auf die Brust und Trash sprang vor ihm hoch, legte die Vorderpfoten auf seine Brust und hechelte zufrieden, Kieran kraulte ihm den Hals und die Ohren.
„Ich hab nichts vor. Ich mache nur einen Neuanfang.“ Seine Stimme war ruhig und klang vernünftig, als habe er alles gut durchkalkuliert und eine sichere Planung gemacht.
„Einen Neuanfang in einer winzigen alten Bruchbude?“, fragte Michael. Bei diesen Vorzeichen konnte er an nichts Gutes denken, wie scheinbar zufrieden Kieran aussehen mochte.
„Es ist ein Neuanfang, egal, wie es aussieht.“
Michael dachte bei seinem Anblick, dass er vermutlich irgendetwas Dummes vorhatte und niemals zu Moira und Darren nach Boston gehen würde. Er fragte sich, ob es ratsam wäre, Malcolm zu kontaktieren, ob er etwas Genaues von Kierans Plänen wusste.
„Wenn du was brauchst“, sagte er, „komm zu mir. Ich fürchte, dass du in deiner feuchten Bude nicht mal ein Feuer ankriegst.“
„Das hab ich schon geschafft, aber ich komm gern vorbei. Danke.“
Er ließ Trash auf alle vier Pfoten herunter, machte die Leine an seinem Halsband fest und Michael begleitete sie zur Tür hinaus.
„Wo ist dein Wagen?“, fragte er, als er sah, dass Kieran zu Fuß gekommen war, um die Hunde abzugeben.
„An der Tankstelle“, antwortete Kieran, drehte sich um und hob die Hand, „ich hatte Ärger mit dem Motor.“
Das Haus war nicht mehr dasselbe, also beschlossen Pol und Brendan, wieder für eine Weile zu verschwinden und sich irgendwo Jobs zu suchen. Es gab keinen Grund, in dem Haus zu bleiben, wo sie nicht einmal mehr die Hunde zu versorgen hatten oder Grünpflanzen gießen mussten. Moiras Blumen- und Gemüsebeete würden verwildern, aber das war ihnen egal.
„Es bricht alles auseinander“, sagte Pol, als sie ihre Rucksäcke packten und besprachen, in welche Richtung sie losziehen wollten.
„Wir könnten die Bude anstecken und es würde niemanden kümmern.“
Zunächst kamen sie nur bis in Ryan’s, wo sie einen Schluck tranken und Tim fragten, ob er ihnen ein paar Sandwiches machen konnte.
Tim nickte, klemmte die Küchentür fest und rief: „Frag mich mal ab. Das markierte Kapitel.“
Brendan griff über die Theke, drehte das Buch herum und zog es zu sich heran.
„Okay“, rief er zurück, „erzähl mir was über die Geologie des Landes.“
„Kalkstein ist am meisten verbreiten. Besonders häufig anzutreffen in den Midlands, von der Ost- bis an die Westküste von Dublin nach Galway. Die Steinformationen entstanden in der Eiszeit, sind also Reste der Gletscher und fünfzehntausend Jahre alt. Die ältesten Formationen in Irland sind etwa zwei komma fünf Millionen Jahre alt und sind in Kilmore Quay, Co. Wexford zu finden.“
„Wozu brauchst du diesen Quatsch?“
Tim warf ihnen ordentlich in Zellophan verpackte Weißbrotsandwiches zu, wischte sich die Hände an der Hose ab, bevor er sich das Buch zurückholte.
„Diesen Quatsch brauch ich für die Schule.“
„Sind doch noch Ferien.“
„Da hab ich mehr Zeit fürs Lernen.“
„Du bist ein Tier, Tim.“
Er faltete das Buch in die Gegenrichtung, legte er vor sich zurecht, dass er beim Gläserpolieren immer wieder einen Blick hineinwerfen konnte.
„Wenn ich den Abschluss in der Tasche habe, meine Herren, geh ich damit nach Dublin und bekomme einen gut bezahlten Job. Und dann kann mir alles gestohlen bleiben, Guinnessfässer stemmen, besoffene Kunden, die ich nach Hause bringen muss, Kotze vom Klo wischen, das hat sich dann erledigt. Ich werde weiße Hemden tragen und schwarze Lederschuhe, die zum Anzug passen.“
Er grinste, als er in die Gesichter der Zwillinge sah. „Ihr glaubt das nicht“, sagte er, „aber wenn ihr euch in zehn Jahren noch immer mit Aushilfsjobs über Wasser haltet, werde ich ein oder zwei Etagen höher sitzen.“
„Solange du uns gutes Trinkgeld gibst, verzeihen wir dir alles“, sagte Brendan. Sie bezahlten die Drinks und die Sandwiches, verabschiedeten sich mit Handschlag. Tim sah ihnen nach, steckte die Nase wieder in das Buch.
Auf dem Weg zur Haltestelle sagte Pol plötzlich: „Wenn Moira anruft, erreicht sie niemanden. Sie wird ausflippen vor Sorge.“
„Kieran hat mit ihr gesprochen, nachdem sie gelandet sind. Sie weiß bescheid, dass sie bei Michael anrufen soll.“
Sie setzten sich an die Straße und warteten auf den Bus nach Galway.
„Es ist nicht in Ordnung, dass er Darren weggeschickt hat, ohne ihm die Wahrheit zu sagen“, sagte Pol irgendwann, während sie im Regen nass wurden. Brendan erwiderte seufzend: „Es ist so manches nicht Okay.“
Tag der Veröffentlichung: 27.08.2011
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