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Pol’s Reise


Nach der Messe nahm Pol seine Tasche und marschierte zur Bushaltestelle, wartete dort fast eine Stunde, bis Gerry endlich vorgefahren kam. Er wusste nicht, ob er zu früh oder der Bus zu spät dran war.
„Bring mich einfach schnell weg“, sagte Pol.
Eine Frau stieg aus, dann war Pol der einzige Fahrgast. Er setzte sich vorn zu Gerry und sie quatschten die ganze Strecke. Sie fuhren am Ufer des Lower Lough Erne endlang, nahmen die B82, die genau durch Killadeas führte. Dort standen zwei Weiber mit dicken Einkaufstüten und in Regenmänteln an der Tankstelle. Gerry hätte dort halten sollen, auch wenn es nicht nach Haltestelle aussah. Er pfiff fröhlich vor sich hin, drückte auf das Gaspedal und bretterte an den Frauen vorbei. Pol kicherte wie irre, rannte durch den ganzen Bus bis ans Heckfenster, um mit anzusehen, wie die beiden Frauen ihre Tüten fallen ließen und in ihren klobigen Schuhen und mit blitzenden Stützstrümpfen dem qualmenden Bus hinterher rannten. Eine zeitlang hatte Gerry das auch auf der Morgentour gemacht, wenn an einer bestimmten Haltestelle die jungen Mädchen in ihren Schuluniformen gestanden hatten. Er hatte es wirklich genossen, wie sie beinschwingend und tittenhüpfend auf die Straße gerannt waren. Einer seiner Vorgesetzten war dahinter gekommen (wohl ein Vater von einem der Mädchen) und er hatte ordentlich Ärger bekommen. Seitdem war er mit diesen Aktionen etwas vorsichtiger, aber er konnte es nicht ganz sein lassen.
„Und?“, schrie Gerry.
„Sie holen auf“, brüllte Pol zurück.
Vor der nächsten Biegung hielt Gerry den Bus an, ließ ihn im Schritttempo zurückrollen, weil er nirgends wenden konnte und sie sammelten die Frauen auf. Erst schimpften sie und drohten ihm Schläge an, aber als Pol ausstieg und die Einkäufe und Lebensmittel holte, lachten sie darüber, nannten Gerry einen unmöglichen Kerl. Vermutlich war das das Schlimmste, was sie je zu einem Mann gesagt hatten. Gerry hatte immer seinen Spaß. Erst im letzten Jahr hatte er eine Busladung belgischer Nonnen zur falschen Klosterruine gefahren und ihnen das Blaue vom Himmel herunter gelogen, während der Reiseleiter danebengesessen und sich vor Lachen nass gemacht hatte.
Sie erreichten Enniskillen, fuhren vorbei an der protestantischen Kathedrale, die glatt und grau die Gebäude überragte, rollten auf den Busbahnhof.
„Ich drück dir die Daumen für Schottland“, sagte Gerry, reichte Pol den Koffer an, „aber pass bloß auf dich auf. Ich weiß nicht, was man von einem Land halten soll, in dem die Kerle in Röcken herumlaufen und Bäume werfen.“
Enniskillen war nur die kurze Zwischenstation, er würde den nächsten Bus nach Belfast und dann die Fähre nach Stranraer nehmen, zumindest hatte er das vor. Er hatte jetzt schon keinen Spaß an der Sache.

Nach dem Gottesdienst, als Pol sich verabschiedet hatte, traf Kieran sich mit den Männern, sie hockten im Ryan’s bei einem Glas Bier zusammen, redeten über dies und das und hauptsächlich über Fußball und Politik. Einige der Männer aus Pettigoe hatten die guten Sonntagsjacken und Krawatten längst abgelegt, die Kragen gelockert und die Ärmel hochgekrempelt. Kieran hatte ein einziges gutes Jackett, das er zur Kirche trug und auch bei dem Gespräch mit Dr. Burren tragen würde, obwohl er darin aussah wie ein Farmer beim Pferderennen. Besser so, als dass man ihm den Provo bereits von Weitem ansah. An diesem Sonntag ließ er die anderen reden und diskutieren, verabschiedete sich früher als sonst, um noch einen langen Spaziergang mit den Hunden zu machen. Er nahm nur die Jagdhunde und Trash mit, ließ die anderen zu Hause und kam auch Darrens Bitte nicht nach, ihn mitzunehmen.
„Du bleibst hier, Darren“, sagte er, „ich mach ein paar Besuche.“
Es waren nicht die üblichen Nachbarschaftsbesuche, denn alle Nachbarn hockten noch im Ryan’s. Mit den Hunden an der Leine zog er über die Feldwege, ließ Trash dort frei laufen, weil er die Leine hasste, sie machten hier und da eine kleine Pause, kamen in die Nähe einiger Kasernen und Polizeistationen.
In Killeter, vor Castlederg, setzte er sich auf eine Parkbank und wartete. Er wusste, dass er beobachtet wurde. Nach vierzig Minuten erschein ein Zigarette rauchender Mann auf der anderen Straßenseite, starrte zu ihm hinüber und machte eine beiläufige kleine Geste, bevor er schnell wieder verschwand. Kieran nahm die Hunde und betrat den Pub an der Ecke. Die Hunde ließ er draußen sitzen. Er bestellte sich ein paar Sandwiches und ein Dosenbier.
Der Barkeeper reichte ihm die Sachen über die Theke und sagte mit einer schiefen Kopfbewegung: „Sie warten bereits.“
Er betrat den Raum, an dessen Tür „Privat“ stand, es war ein Raum ohne Fenster und das Licht war nicht eingeschaltet. Er drückte die Tür hinter sich ins Schloss. Ein winziges Licht wurde angeknipst, aber trotzdem konnte er sein Gegenüber nicht erkennen.
„Kieran“, flüsterte die Stimme aus dem Dunklen, „setz dich.“
Er folgte dem Lichtstrahl zu dem Stuhl und tat ihm den Gefallen.
„Franklyn hat mit dem Mann gesprochen und glaub mir, er war nicht begeistert. Was ist in dich gefahren, Junge?“
Kieran räusperte sich. „Das ist meine private Sache. Wenn wir über die Lieferungen sprechen müssen, ist das in Ordnung. Alles andere können wir vergessen.“
In der Dunkelheit saß noch jemand, aber Kieran konnte nur raten, wer aus dem Command es sein mochte. Er wusste, dass die Flüsterstimme von Malcolm war. Malcolm litt etwas mehr an Verfolgungswahn als alle anderen, hob nie die Stimme, um nicht erkannt zu werden. Kieran wusste ihn auf seiner Seite.
„Nichts, was du tust, ist wirklich deine Privatsache, Kieran. Ich kann dich sehr gut verstehen, es geht um deinen Jungen, aber wenn du ehrlich bist, hast du doch keine Sekunde daran geglaubt, dass wir dir das durchgehen lassen.“
Undeutlich hörten sie die Hunde bellen, die Kieran vor dem Pub angebunden hatte. Abe und Bee würden mit jedem Fremden mitgehen, der an der Leine zog, genau deshalb hatte er auch Trash mitgenommen. Den fasste niemand freiwillig an. Allein sein Anblick brachte die meisten Leute dazu, die Straßenseite zu wechseln.
„Wir kennen uns schon zu lange“, erwiderte Kieran, „und ihr wisst ganz genau, dass ich meine Meinung nicht ändern werde. Ich bringe meinen Sohn an diese Schule, mit den Konsequenzen kann ich leben.“
Der dünne Lichtstrahl huschte über sein Gesicht, blendete ihn einen kurzen Moment und verschwand. Er glaubte, die Sache sei damit erledigt und er würde das letzte Wort behalten in dieser Runde, aber Malcolms Stimme tauchte rechts neben ihm auf, dass er fast zurückgezuckt wäre.
„Kieran“, flüsterte er, obwohl er deutlich Unwillen bei dem unbekannten Dritten hervorrief, „ich werde versuchen, dich zu unterstützen. Aber im General Convention

ist man der Meinung, dass du verrückt geworden bist. Sie beraten darüber, dich loszuwerden.“
„Sie wissen, dass ich es nicht bin.“
Malcolm wisperte nur noch, brachte einen letzten Satz hervor, bevor er durch den wütenden Ruf des Beobachters endgültig unterbrochen wurde.
„Ich bin auf deiner Seite. Und ich weiß von einigen, die es auch sind.“
Malcolm hätte das nicht sagen dürfen, es entkräftete die Drohung, die sie ausgesprochen hatten, aber er war einer aus dem Army Council

, die nicht damit einverstanden waren, den Kampf mit allen Mitteln und um jeden Preis weiterzuführen.
Malcolm war ein Mann ohne Gnade, aber lieber heute als morgen wollte er mit den Aktionen aufhören, einen Kompromiss finden, um endlich Frieden zu finden. Für ihn stand außer Frage, dass ihre Aktionen nur zur Durchsetzung der politischen Ziele dienten und nicht als Selbstzweck zur Bereicherung einige Bosse.
Sie ließen Kieran in dem Raum allein. Als er in den Pub zurückkam, plauderte er noch mit dem Mädchen, das aus der Küche kam und ihn fragte, was er mit den Hunden vorhabe.
„Ich werde mit ihnen eine Bank überfallen“, sagte er verschwörerisch, „die beiden Gefleckten stehen Schmiere und den Schwarzen lasse ich über den Schalter springen.“

Der Weg zurück war lang und nass, es regnete ohne Pause und Kieran machte einige Umwege über abseits liegende Dörfer, kam an alten Farmhäusern vorbei, an Rinder- und Schafherden, an grasenden Pferden und kläffenden Hofhunden. Die Jagdhunde trotteten mit hängenden Köpfen neben ihm her, Trash lief ruhelos vor und zurück.
Es gab für Kieran einen guten Grund, zu diesem Treffen nicht mit dem Datsun gefahren zu sein, er brauchte Zeit zum Nachdenken, vorher und nachher, und außerdem war ein Auto leichter zu verfolgen und zu überwachen. Jetzt stand er auf einem Hügel und warf einen Blick in die Runde. Da war kein Wagen in der Nähe, nur ein Traktor fuhr über eine Weide und brachte einen Kanister Wasser für die Schafe. Auf dieser Strecke traf man nicht mal Touristen, die einen sonst hinter jeder Hecke ansprangen in Dun na nGall.


Moira würde ihm gehörig die Meinung sagen, dass er stundenlang durch den Regen lief und das nur, um die Hunde auszuführen.

Brendan und Lilian waren für ihr gemeinsames Essen bis nach Manorhamilton gefahren, hatten den Bus genommen und hofften, zurück per Anhalter mitgenommen zu werden.
Brendan hatte sein Geld zusammengekratzt und sie eingeladen, diesmal nicht in dem üblichen Fast-Food-Restaurant, sondern richtig mit Kellner, Bestecken und Tischdecken. Lilian erzählte von der Schule, von ihrer Freundin, die bald heiratete und dass sie den zukünftigen Ehemann für einen Knallkopf hielt. Sie schien nicht zu bemerken, dass Brendan unkonzentriert war und sich nicht wirklich dafür interessierte, was sie erzählte. Er bestellte sich nur einen Salat, sagte, er habe keinen Hunger und Lilian suchte sich dafür umso mehr aus, lächelte die Kellnerin an und sagte, dass sie die Karte noch für die Nachspeise bräuchte.
Bitte

, dachte Brendan, bitte komm nicht auf die Idee, von Verlobung und Hochzeit zu sprechen und dann mich dabei anzusehen.


Diese Bitte wurde erhört, denn Lilian begann damit, dass sie vorhabe, in den Ferien wegzufahren und sie plane so etwas Exotisches wie Spanien oder Portugal.
„Warst du schon mal raus aus Irland?“, fragte sie.
Brendan stocherte mit der Gabel in den Salatblättern herum, sah sich auf die Toilette verschwinden und dort durchs Fenster auf die Straße flüchten. Er mochte Lilian wirklich, aber im Moment konnte er nicht die Geduld und Aufmerksamkeit aufbringen, die er ihr schuldig gewesen wäre.
„In Spanien“, sagte er. Er legte die Gabel beiseite. Unter dem Salat hatte er etwas dunkles Matschiges entdeckt, was ihm endgültig den Appetit verdorben hatte. „Ich hab eine Saison lang auf Mallorca gearbeitet.“
Er hoffte, das Thema sei damit gegessen, aber Lilian sah ihn mit großen Augen an und wollte noch mehr wissen, anscheinend war sie der Vorstellung erlegen, er habe in einer teuren Clubanlage tolle Sachen gemacht.
Pol und er hatten über zwei Monate lang von öligem Fraß gelebt, teilweise am Strand geschlafen und sich bei dem Verkauf von T-Shirts und Plastiksonnenbrillen am Strand Verbrennungen dritten Grades eingehandelt. Richtig Kohle verdient hatten sie dabei nicht, weil die Touristenmädchen aus dem europäischen Umland viel zu vergnügungssüchtig und skrupellos gewesen waren. Wo man an warmen Abenden bei viel Alkohol und Partystimmung fast jedes Mädchen haben konnte, das einem schöne Augen machte – da hatten Pol und Brendan nicht Nein sagen können. Aber das konnte er Lilian nicht erzählen und so sagte er nur, er sei einer der üblichen Ferienjobs gewesen.
„Ich möchte nur einmal aus dem Scheißwetter und dem Dreck rauskommen“, sagte Lilian. Sie drehte Nudeln auf ihre Gabel und tunkte sie durch die Soße.
Brendan hatte das Bild vor Augen, wie sie zerlumpt und schmutzig auf einer Müllhalde nach etwas Essbarem suchte, sich dabei gegen streunende Hunde und Ratten wehren musste, aber das war natürlich Blödsinn. Lilian wuchs in einer sauberen unordentlichen Gegend auf und ihr Elternhaus war wahrscheinlich doppelt so groß wie das gesamte Grundstück der Finnigans. In ihrer kleinen Welt war alles geregelt und in Ordnung, weit genug von den Krawallen in Belfast, Portadown und Derry entfernt.
Wieder dachte Brendan sehnsüchtig an die Flucht durchs Klofenster, aber vermutlich gab es an der Toilette keine Fenster.
„Du magst deinen Salat nicht mehr?“, sagte sie plötzlich und Brendan erwiderte: „Den haben sie wahrscheinlich aus dem Müll gepickt. Entschuldige mich.“
Er konnte nicht sagen, was mit ihm los war, aber als er vor dem Restaurant auf der Straße stand, in die Dämmerung starrte und die Blicke der Leute am Fenster in seinem Rücken spürte, ahnte er plötzlich, weshalb er einen inneren Flattermann hatte.
Bevor ihm das Mädchen noch davonrannte und man ihn beschuldigte, die Zeche prellen zu wollen, ging er wieder rein und setzte sich zurück an den Tisch. Die Kellnerin hatte seinen Teller abgeräumt und Lilian lächelte, obwohl sie aussah, als wolle sie weinen.
„Was ist los mit dir, Brendan?“
„Lass uns bitte gehen“, sagte er. Er winkte die Kellnerin zurück und bezahlte.
„Ich muss zu Hause anrufen, ob Pol sich gemeldet hat.“
Es war windig und wurde dunkel, Lilian fror in ihrer dünnen Jacke, sie marschierte neben Brendan her, hielt die Arme verschränkt.
„Ich kann’s nicht erklären“, sagte Brendan, als sie auf dem Weg zur nächsten Telefonzelle waren, „aber ich hab das Gefühl, mit Pol ist irgendwas passiert. Vielleicht ist es auch nur, weil er allein losgezogen ist.“
Lilian blieb stehen, hielt seinen Arm, und als er sich zu ihr herumdrehte, fiel das weiche Abendlicht auf ihr Gesicht. Ihre Haut schimmerte wie Porzellan.
„Du hast ihn allein losziehen lassen, weil du nicht von hier weg wolltest? Wegen mir?“
Er versuchte es zu entkräften, indem er sagte, er habe keine Probleme damit, in Pettigoe und Umgebung Arbeit zu finden, aber dann gab er zu, dass er wegen ihr nicht nach Schottland gewollt hatte.
Lilian schien gerührt, aber vielleicht war es auch nur das wundervolle Licht auf ihrem Gesicht. Er wusste nichts mehr zu sagen, und um das Ganze nicht peinlich werden zu lassen, beugte er sich zu ihr herunter und drückte ihr einen vorsichtigen Kuss auf die Lippen. Sonst stellte sie sich in der Öffentlichkeit immer etwas an, aber diesmal hängte sie ihre Arme um seinen Nacken und ließ ihn nicht mehr los.
Es dauerte länger als gedacht, bis sie eine Telefonzelle fanden und Brendan zu Hause anrufen konnte, wo Moira ihm aber nur sagte, dass sie von Pol nichts gehört habe.
„Weshalb rufst du an?“, fragte sie, „ist irgendetwas passiert?“
„Nee“, rief Brendan, während Lilian noch immer an seinem Hals hing, „ist schon gut, Moira. Ich bin etwas später zu Hause, wir haben den Bus verpasst.“
Bevor Moira fragen konnte, ob Kieran ihn abholen solle, hängte er schnell ein, landete mit Lilian noch in einem winzigen Pub, wo sie ihm in der Ecke sitzend zuflüsterte, dass sie ganz dringend auf Toilette müsse. Sie traute sich aber nicht, weil alles so runtergekommen und dreckig aussah. Brendan trank ganz ungeführt und in Gedanken versunken sein stout und meinte, er sei nicht so empfindlich in der Beziehung. Lilian drehte sich schmollend von ihm weg und er stelle sich die Frage, wie er ihrer Meinung nach hätte reagieren sollen – sie aufs Klo begleiten und erst mal alles sauber machen? Sollte sie ich vor der Tür in ein Gebüsch hocken, wenn sie so dringend musste.
Sie tranken noch eine ganze Menge, nachdem Lilian wirklich draußen in die Büsche verschwunden war und sie machte ihm den Vorwurf, den ganzen Abend verdorben zu haben mit seiner komischen Laune. Er konnte ihr nicht widersprechen, wenn er es so deutlich auch nicht hatte hören wollen von ihr. Der Fernseher, der über der Theke des Pubs hing, hatte ein graues körniges Bild, das ständig durchlief und keinen Ton, aber Lilian sah immer wieder hinauf, als verfolge sie dort ihre Lieblingssendung.
Brendan schaffte es, rechtzeitig den Absprung zu schaffen, bevor er vollkommen versackte. Schließlich musste er noch dafür sorgen, dass Lilian sicher nach Hause kam. Es war etwas anderes, als wenn er mit seinem Bruder unterwegs war, diesmal konnte er es sich nicht erlauben, vollkommen besoffen über die Weiden zu laufen, oder auf der Landstraße fast überfahren zu werden. Er trug die Verantwortung für sie.
Vor dem Pub konnte er einen Wagen anhalten, der sie bis nach Ederny mitnahm. Alec der Fahrer war ein arbeitsloser Fliesenleger auf dem Weg nach Hause, der so alkoholisiert war, dass sie zu Fuß sicherer unterwegs gewesen wären. Lilian gab vor, davon nichts zu bemerken, schmollte noch immer und es blieb an Brendan hängen, die Stimmung freundlich zu halten, um nicht vor Erreichen des Ziels noch rausgesetzt zu werden. Der Fliesenleger fuhr Schlangenlinien, geriet auf Grünstreifen und erzählte dabei ohne Unterbrechung, dass seine Schwester eine halbe Million Pfund in der Lotterie gewonnen habe und sich jetzt weigerte, auch nur einen Cent abzugeben. Er lamentierte lautstark darüber, dass er ihr nicht klar machen könne, dass er ja nicht mal die Hälfte von dem Geld haben wollte, gerade mal so viel, um seine Schulden bezahlen zu können. Er nannte seine Schwester ein hartherziges Biest und in den nächsten zehn Minuten kam heraus, dass er nur Schulden gemacht hatte, weil er fest mit einer Finanzspritze gerechnet und das Geld zum Fenster rausgeworfen hatte. Die Schulden kamen von dem Großbildfernseher, der Videosammlung und dem neuen Kleinwagen, die er gekauft hatte. Dazu wagte Brendan sich nicht zu äußern, war heilfroh, als sie Ederny lebend erreichten. Alec winkte fröhlich, sauste in seinem unbezahlten Wagen davon.
„Soll ich dich noch vor die Haustür bringen?“
Lilian zog sich schwankend die Riemchen ihrer Schuhe zurecht, versuchte Haltung zu bewahren, ohne sich bei Brendan festhalten zu müssen.
„Das ist keine gute Idee“, sagte sie, „ich bin schon in Schwierigkeiten, wenn uns jemand zusammen sieht. Ich hab meinen Eltern erzählt, ich sei mit ein paar Freundinnen unterwegs.“
Sie sah plötzlich nicht mehr so aus, als habe sie einen öden nervigen Abend verbracht, sah sich in der Dunkelheit um, drückte Brendan einen schnellen Kuss auf die Wange und lief über die Straße zu ihrem Elternhaus hinüber. Weder die Straße noch die Häuser waren beleuchtet, irgendwo bellte ein Hund es roch nach gemähtem Gras. Brendan stand noch lange mitten auf der Straße, horchte in die Dunkelheit und nur, weil der Hund noch immer anschlug irgendwo, ging er zur Hauptstraße zurück, an der Laternen standen. Dort hielt er sich unter einem alten Baum im Schatten, wo er wusste, dass man ihn nicht sehen konnte. Die Scheinwerfer der Autos auf der Straße tasteten an ihm vorbei und er stand unbeweglich da und lauschte; in der Hoffnung, Lilian würde zurückkommen und dem Abend einen noch besseren Ausklang geben, aber anscheinend musste er sich damit begnügen, dass sie nicht im Streit auseinandergegangen waren.
Er hörte Stimmen und Schritte und wieder den Hund, aber diesmal sehr viel näher und er drückte sich tiefer in die Büsche und Zweige. Zwei Männer kamen an ihm vorbei geschlendert, eine hatte den Rottweiler an der Leine und sie quatschten miteinander, verstummten erst und blieben stehen, als der Hund grollte und bellte und auf Brendan zuzog.
Sie sagten nicht so einen Schwachsinn wie „Wer ist da?“ oder „Kommen sie raus“, der eine brachte den Hund zur Ruhe und sie schienen Brendan unverwandt anzustarren.
Er war in Schweiß gebadet, sein Herz raste und er war sich sicher, sein Atem wäre meilenweit zu hören. Er befand sich auf protestantischem Boden und die beiden Typen würden ihn kaum auf ein Bier einladen, wenn sie ihn entdeckten, und Brendan fragte sich, wie die in den Filmen darauf kamen, dass in dieser Situation immer eine Katze dem Helden zur Hilfe kam. Er wäre jetzt auch schon mit einem Dachs zufrieden oder mit einem Eichhörnchen, aber nichts dergleichen kam über den Weg gelaufen oder aus dem Baum gehüpft, um den Hund abzulenken.
Brendan sah durch die Blätter hindurch, wie der Mann nach dem Halsband des Hundes griff, um die Leine zu lösen.
Ich darf nicht weglaufen

, dachte Brendan, der Köter wird mich umbringen, wenn ich mich bewege.


Aber obwohl er das wusste, konnte er nicht sagen, ob er es wirklich schaffen würde. Sein Bauch sagte ihm, er solle die Beine in die Hand nehmen und er überlegte auch, einfach auf den Baum zu klettern, das konnte ihn vor dem Rottweiler retten, nicht aber vor dem Herrchen.
Lilian rettete ihn, ohne es zu ahnen, ihre Stimme kam oben von der Straße und Brendan hätte sich fast verraten vor Erleichterung.
„Al? Bist du da irgendwo?“
Der Hund zerrte an der Leine zum Haus zurück, blaffte wieder, aber diesmal in einer anderen Tonlage.
„Verdammt“, sagte Albert zu seinem Kollegen, „ich wünschte, sie hätten sie rechtzeitig ins Internat gesteckt.“
„Was ist wegen morgen?“
Die Antwort bekam Brendan nicht mehr mit. Sie entfernten sich von ihm und er nutzte sofort die Gelegenheit, aus der Gegend zu verschwinden.
Als er zu Hause ankam, war er wieder nüchtern und da Kieran offensichtlich schlaflos in der Küche hockte, hatte er Gelegenheit, ihm von seinem komischen Gefühl wegen Pol zu erzählen.
Er unterließ es, sein Verabredungsdebakel zu erwähnen. Kieran saß vor dem gefüllten Aschenbecher, hielt den Kopf in eine Hand gestützt und hörte sich schweigend Brendans Geschichte an.
„Pol wird schon auf sich aufpassen. Du bist nur beunruhigt, weil du nicht mit von der Partie bist.“
„Du machst dir keine Sorgen?“
„Nicht um Pol. Tu mir den Gefallen und lass mich hier noch ein paar Minuten allein sitzen.“
„Ist irgendwas passiert?“
Sie sahen sich an, jeder mit seinem Geheimnis, das er nicht preisgeben wollte und später irgendwann würden sie sich alle die Frage stellen, weshalb sie nie wirklich über die wichtigen Dinge gesprochen hatten.
„Du wirst die Augen offen halten, klar? Wenn dir irgendwas komisch vorkommt, sagst du mir bescheid. Es ist möglich, dass der Ärger wieder losgeht.“

Darren war nicht wirklich begeistert, als er hörte, dass sie nach Irvinestown fuhren, um sich eine Schule anzusehen, da konnte es ihn nur trösten, dass er mit seinem Dad unterwegs war und sich das Ganze nach einem Ausflug anhörte. Er fuhr furchtbar gern Auto, saß schon im Datsun, als Kieran noch nicht mal die Schuhe zugeschnürt hatte. Moira war nervös, packte ihnen viel zu viel zu essen ein, wollte von Kieran hörten, dass er sich sofort meldete, sobald sich etwas ergab.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte Kieran, „wird schon alle gut laufen.“
„Wenn sie ihn nehmen“, flüsterte Moira, „schicken wir ihn dann nicht in die Hölle? An dieser Schule wird er der Einzige sein.“
„Wir haben mehr als einmal die Prospekte studiert. Das Sprachzentrum ist gefördert, also dürfen sie niemanden abweisen und damit haben wir einen Fuß in der Tür, dass er auch die Schule besuchen kann. Willst du, dass er als Halbidiot aufwächst und nie eine Chance bekommt?“
„Ich will auch nur das Beste für ihn, was glaubst du eigentlich?“
Sie kämpfte mit den Tränen, wie den ganzen Morgen schon. Es tröstete sie auch nicht, dass Kieran sie in den Arm nahm, bevor er verschwand. Der Datsun knatterte von Hof, sie half Patrick beim Waschen und Anziehen und setzte ihn vor den Fernseher. Sei ging ihren üblichen Beschäftigungen nach, aber sie horchte den ganzen Vormittag auf das Telefon.

Die Empfangsdame machte einen verwirrten Eindruck, als habe sie noch nie einen kleinen Jungen gesehen.
„Wir haben einen Termin mit dem Schulleiter“, wiederholte Kieran. Er stand hinter Darren, hielt seine Hände auf dessen Schultern.
„Sie haben einen Termin“, bestätigte die Frau hinter dem Schreibtisch, „aber ohne den Jungen.“
„Dr. Burren soll ihn sich ansehen und ihm selber sagen, ob an dieser Schule Platz für ihn ist, oder nicht.“
Ihre Blicke sprachen Bände – so misstrauisch hatte ihn schon lange niemand mehr angeglotzt. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als Kieran und Darren in das Büro zu bitten, in dem der Schulleiter bereits wartete. Auch er war sichtlich überrascht, Darren zu sehen, aber er konnte besser damit umgehen. Er reichte Kieran die Hand, wandte sich sehr freundlich an Darren und sagte: „Hallo Darren. Wenn du möchtest, können wir nachher einen Rundgang durch die Schule machen, aber zuerst möchte ich mich mit deinem Dad unterhalten. Komm mit an den Tisch und da kannst du dir die Zeit vertreiben. Wir haben hier Buntstifte und Papier.“
Darren und Kieran hatten bereits die Schule einmal umrundet und sich den Schulhof angesehen. Da er nur die kleine Dorfschule gewöhnt war, fand er die große Anlage und die zusammenhängenden Bauten sehr interessant. Er nickte, setzte sich an den kleinen Konferenztisch, faltete die Hände auf dem Schoß und sah sich neugierig um.
Dr. Burren legte ihm die Utensilien zurecht und sagte: „Mal mir ein paar Blumen.“
Kieran und er nahmen am anderen Ende des Raumes an dem Schreibtisch Platz, saßen sich gegenüber. Dr. Burren lächelte vorsichtig. Er war ein kleiner runder Kerl mit Lockenkopf, nicht das übliche Feindbild, was man von den Protestanten hatte, aber Kieran brauchte sich nur Männer wie den Schulleiter bei den Paraden vorzustellen und schon war sein Weltbild wieder in Ordnung.
Sie unterhielten sich lange, ab und zu drehte Kieran sich auf dem Stuhl herum, beobachtete seinen Sohn, der am Tisch saß und konzentriert malte. Es schien, als würde er nichts von der angespannten Unterhaltung mitbekommen. Aber Darren war nicht dumm – er sah und hörte eine Menge, besonders, wenn es nicht für ihn bestimmt war.
Darren malte und hörte am Rande, dass es auf beunruhigende Weise um ihn ging und er doch nicht nach seiner Meinung gefragt wurde. An Kierans Stimme hörte er, dass er versuchte, freundlich zu sein, es aber nicht wirklich war.
Daid hatte zu Hause am Telefon häufig eine angespannte Stimme und nach so einem Gespräch pflegte er mit dem Datsun wegzufahren und erst spät heimzukommen. Darren war hellhörig und aufmerksam in den Nächten, und er wachte regelmäßig auf, wenn sein Daid nach Hause kam. Dann lag er mit geschlossenen Augen in seinem Bett, horchte und konnte lange nicht mehr einschlafen. Niemand bemerkte, dass er sich Gedanken darüber machte, wieso Kieran häufig mitten in der Nacht oder am frühen Morgen nach Hause kam. Er konnte sich nicht vorstellen, dass alle Väter so etwas taten.
Dr. Burren, von dem er glaubte, er sei der Besitzer der Schule, beendete das Gespräch mit Kieran, kam zu ihm an den Tisch und beugte sich über seine Schulter.
„Na, was hast du denn da gemalt?“ fragte er mit einer Stimme, als würde er mit einem Kleinkind reden. Darren nahm die Hände von dem Blatt Papier, suchte Augenkontakt zu Kieran, ob es in Ordnung sei, etwas zu sagen. Er sprach leise und langsam, als sei er nicht in der Lage, seine Stimme zu hören, obwohl jeder Arzt bei den Untersuchungen sagte, er habe ein Gehör wie eine Eule.
„Aquilega vulgaris“, sagte Darren.
Kieran senkte den Kopf, versuchte ein Grinsen zu verbergen, um Darren nicht zu verunsichern. Dr. Burren machte einen lächelnden ratlosen Eindruck.
„Er hat ihre Frage beantwortet“, sagte er, „hundsgemeine Akelei.“
Darren hatte es so detailgetreu aufgemalt wie es die dicken Buntstifte erlaubten und um es Dr. Burren noch einmal klar zu machen, tippte er mit dem Zeigefinger auf seine Zeichnung und wiederholte: „A-qui-le-ga vul-ga-ris.“
Kieran ließ dem Schulleiter noch etwas Zeit zum Grübeln, flüsterte Darren zu, er solle seinen Namen unter die Zeichnung setzen und machte eine Kopfbewegung, dass sie hier fertig seien und nach Hause fahren würden.
Im Vorzimmer überreichte er die Zeichnung einer Frau, die Schulbücher in dem Regal sortierte, sich lächelnd zu Darren umdrehte und die Zeichnung entgegennahm.
Sie zeigte einen begeisterten Gesichtsausdruck, als sie die Zeichnung bewunderte, erlaubte Darren, sich ein paar Süßigkeiten aus ihrem Glas im Ablageregal zu angeln. Von dem Vorzimmerdrachen erntete sie dafür nur einen missbilligenden Blick.
„Wir haben hier einen kleinen Botaniker“, sagte sie lächelnd.
Dr. Burren hatte es eilig, in sein Büro zu kommen, nachdem er plötzlich verstanden hatte, dass Darren Finnigan die lateinischen Namen von Gartenpflanzen kannte. Er sprach den Rundgang durch die Schule nicht mehr an. Kieran Finnigan war ein Mann, der eine Drohung aussprach und sie nett anhören lassen konnte und er würde diese Drohung auch wahr machen, dazu brauchte er ihn nur kurz anzusehen, um das zu erkennen.

Unterwegs stoppte Kieran an einem Laden und kaufte Darren ein großes Softeis. Er hatte nicht wirklich erwartet, dass es so gut laufen würde und er hatte die Hoffnung, dass die Widerstände, die er sonst noch erwarten konnte, sich ebenfalls ins Nichts auflösen würden.
„Du wirst diese Schule besuchen, Darren“, sagte er, „und es wird das Beste sein, was wir überhaupt für dich tun können. Zum neuen Schuljahr geht’s los für dich.“
Darren machte ein blubberndes Geräusch mit den Lippen. Nachdem er sein Eis verschlungen hatte, machte er Fingerspiele, beleckte sich die Handflächen und ließ sie die Fensterscheiben herunterquietschen. Er kurbelte das Fenster runter und streckte den Kopf nach draußen in den Fahrtwind. Kieran wollte wissen, ob er noch Hunger habe und er schüttelte den Kopf.
Er musste zu Tom und zu seinem Pony und dort bekam er auch immer etwas zu essen, bevor Tom ihn wieder nach Hause schickte. Sein Daid

erzählte sehr viel von dem, was ihn an der Schule und im Unterricht erwarten würde, er war so gut gelaunt wie selten.
Endlich hielt der Datsun auf dem Hof und Darren wollte raus springen und verschwinden, aber Kieran hielt ihn zurück.
„Hör mir einen Moment gut zu“, sagte er, „du musst die nächste Zeit drauf achten, ob dir etwas komisch vorkommt. Wenn du irgendjemanden siehst oder dir etwas auffällt, dann läufst du nicht nach Hause, hast du mich verstanden? Du läufst über die Felder zu Michael Doherty rüber und versteckst dich bei ihm. Bei Tom und den Ponys wird dir nichts passieren, aber man weiß nie, wer uns besuchen kommen könnte. Wenn hier irgendetwas passiert, will ich dich nicht im Haus haben.“
Darren nickte sehr ernst. Als sie Belfast verlassen hatten, war er vier oder fünf gewesen, aber er konnte sich noch gut an die Zeiten erinnern, die sein Vater als unruhig bezeichnete. Mehr als einmal waren die Kinder durch die Straßen gejagt worden. Darren konnte sich am deutlichsten an die bewaffneten Soldaten an den Straßenecken und in den Hauseingängen erinnern, die ihn immer dazu veranlasst hatten, einen Schritt schneller zu gehen. Er hatte noch immer ein Gespür für seltsame Situationen, er wusste genau, was sein Vater meinte. Das nahm er sehr ernst, aber es drängte ihn zu Tadhg, hatte nicht einmal Zeit, zu seiner Mutter ins Haus zu laufen.
Moira kam auf den Hof und sah ihn gerade noch über die Mauer verschwinden.
„Es ist alles gut gelaufen“, sagte Kieran, umarmte sie und schwenkte sie einmal um sich herum, „ich habe lange mit dem Schulleiter gesprochen und er wird anrufen, wenn er sich entschieden hat.“
„Du hast ihm doch nicht gedroht.“ Sie sah ihm halb schmollend und halb ängstlich entgegen.
„Nein, wir haben uns nur unterhalten.“
Moira begann, um ihn herumzutanzen, ließ sich von Kieran in die Küche ziehen, wo sie sich schwungvoll in den alten Sessel warf, der in der Ecke stand.
„Ich kann es nicht glauben“, murmelte sie.
Bevor sie noch zu weinen anfing, drehte Kieran das Radio an, suchte einen Sender mit flotter Musik und forderte sie zum Tanzen auf.
„Komm schon“, sagte er und sie ergriff seine ausgestreckte Hand. Sie tanzten, traten sich auf die Füße, schwankten kichernd umher und waren so ausgelassen und fröhlich wie schon seit Jahren nicht mehr. Das lief so lange, bis Patrick sie unterbrach. Er rief nach Kieran, der sich nur zögernd von Moira löste.
„Ich bin gleich wieder bei ihnen, meine Liebe“, sagte er und Moira kicherte.
Er verschwand ins Nebenzimmer und sie tanzte allein weiter durch die Küche. Brendan kam nach Hause, holte sich eine Wasserflasche und sah in den Kühlschrank auf der Suche nach etwas Essbarem. Ohne etwas zu sagen, zog sie ihn vom Kühlschank weg und sie legten gemeinsam ein paar komische Tanzschritte hin, Brendan noch immer mit der Wasserflasche in der Armbeuge.
„Machst du dir noch immer Sorgen um Pol?“
Brendan hatte den ganzen Tag im Pub herumgesessen, Darts gespielt und getrunken, sich mit den anderen herrenlosen Typen unterhalten und krampfhaft versucht, nicht an Lilian zu denken. Er hatte das Gefühl, eine kurze Beziehungspause einlegen zu müssen. An Pol hatte er dabei gar nicht mehr gedacht.
„Ich war betrunken gestern Abend.“
Er wirbelte Moira einmal um die eigene Achse, fing sie wieder ab und setzte hinzu: „Hier ist endlich mal wieder gute Stimmung im Haus. Oder ist das immer so, wenn einer von uns nicht da ist?“
In der Dielentür stehend sagte Kieran: “Wir lassen jedes Mal ’ne Party steigen, wenn ihr weg seid.“
Automatisch ließ Brendan Moira los, weil er dachte, Kieran könnte etwas gegen das alberne Herumtanzen haben.
„Kieran“, sagte Moira tadelnd, “bei dir weiß man nie, ob du es ernst meinst.“
Kieran setzte sich an den Küchentisch, schob den Stuhl zurück und zog sich die Schuhe aus, linste dabei nach oben und grinste.
„Was glaubst du wohl?“ Es sah so aus, als würden sie alle einen lustigen Abend miteinander verbringen.
Darren kam vollkommen verdreckt und mit Disteln im Haar nach Hause, er war einige Male von Tadhg gefallen, hatte sich aber nicht wehgetan und Tom hatte gemeint, er solle das Heckenspringen erst einmal bleiben lassen.
Für die nächste Woche hatte er die ersten Touristenbuchungen und bis dahin hatte er noch einiges zu erledigen und hoffte, ein paar Vorbuchungen einheimsen zu können. Seine Tochter Laoise hatte versprochen bei der Planung und Buchführung zu helfen, aber sie war nicht wirklich begeistert von der Idee. Schon die Züchterei hatte kaum genug zum Leben abgeworfen und mit Sicherheit konnte man die Ponys nicht mehr für gutes Geld verkaufen, wenn die Leute erfuhren, dass ein Sommer lang nur Touristen auf ihnen herumgehopst waren.
Moira stellte Darren in die Badewanne, kam zurück, als Kieran gerade die Flasche Poteen aufmachte und zwei kleine Gläser eingoss.
„Nur zwei?“, fragte sie, band sich das Haar zurück.
„Ich muss später noch mal weg“, erklärte er, “die Gläser sind für euch beide.“
Michael hatte ihm eine Nachricht zugesteckt, dass er ihn unbedingt sprechen wollte. Er traf sich mit ihm in einer verfallenen Ruine von Farmhaus auf seinem Land, hockten dort in der Dunkelheit bei Brennnesseln, Schafscheiße und Springkraut, wagten wegen des Lichts nicht mal eine Zigarette zu rauchen.
„Die Straßenrowdys haben wieder einen von unseren Jungs erwischt“, sagte Michael, „ich wollte dich hier eigentlich nur wegen den Vorbereitungen sprechen, aber das ist jetzt wichtiger. Sie haben ihn sich richtig vorgenommen, wollten ihm den Kopf rasieren und haben ihm dabei fast ein Ohr abgeschnitten. Jake hat gesagt, es waren vier Mann, sie haben ihn auf der B72 vom Moped gefahren und sind dann über ihn hergefallen.“
„Aus Belfast können wir im Moment keine Hilfe erwarten, aber ich werde mich darum kümmern.“
„Da gibt es noch was. Nach der Beschreibung, die Jake uns gegeben hat, könnte einer von ihnen jemand sein, den wir kennen.“ Michael sagte das sehr vorsichtig.
„Jemand aus Pettigoe?“
Owen könnte ich so einen Scheiß zutrauen, dachte Kieran.
„Der Typ, der wegen seiner Schwester im Pub war, mit der Brendan sich trifft.“
Kieran zog die Luft durch die Zähne ein. „Ich wage mir nicht vorzustellen, was passiert, wenn Brendan ihnen in die Hände fällt.“

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Tag der Veröffentlichung: 14.12.2010

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