Erwachen in der Hölle
Mitchel sah vorsichtig um die Ecke. Auch hier war alles zertrümmert. Unter einer Liege lag jemand, der die Augen weit aufgerissen hatte und seine Haut war ungesund blass. Anscheinend lag der Mann schon eine ganze Zeit lang da.
Aber wie lange?
Das wusste Mitchel nicht und auch nicht, was hier eigentlich passiert war.
Hier in einem ganz normalen Krankenhaus. Nach einem Unfall, hatte man ihn hier eingeliefert und in einem künstlichen Koma versetzt, von dem er gerade erst aufgewacht war.
Das Krankenhaus war verlassen. Die meisten Gänge waren zur Hälfte eingestürzt und überall lagen Leichen.
Mitchel lief weiter, kletterte über den Schutt und fand sich in der Empfangshalle wieder. Der Tresen war hinter der Glaswand, die schon einige kleine Risse und Blutspritzer abbekommen hatte. Mitchel schlich langsam zur Glastür, doch sie war abgeschlossen.
Was mache ich jetzt nur, dachte er und sah sich um. Neben den Aufzug, lag ein Mann mit einem weißen blutverschmierten Kittel. Er war anscheinend ein Arzt gewesen.
Der Junge durchsuchte ihn, in der Hoffnung einen Schlüssel zu finden. Fehlanzeige. Er dachte panisch nach, es würde doch keinen stören, wenn jetzt noch mehr kaputt ginge.
Also nahm er kurzerhand einen großen Stein und schmiss ihn gegen die Glastür, die sofort klirrend zersprang. Mitchel nahm sich einen Besen und zerteilte ihn, sodass er nur noch den Stiel hatte, womit er das Loch in der Tür vergrößerte.
Jetzt war es groß genug, sodass Mitchel hindurch schlüpfen konnte. Schnell ging er zum Telefon und nahm den Hörer ab. Die Leitung war tot.
“Was hattest du erwartet?”, murmelte Mitchel wütend zu sich selbst und legte das Telefon beiseite. Sein Blick fiel auf eine Digital Uhr.
16:27 15. Mai
“Das gibt’s doch nicht. Ich lag einen ganzen Monat lang im Koma.”
Ein mechanisches Geräusch ließ ihn zusammenzucken und er versteckte sich instinktiv unter dem Tresen.
Mit klopfendem Herzen lugte Mitchel vorsichtig aus seinem Versteck.
Siebens Geschichte
“Du brauchst eine gute Waffe und ich helfe dir dabei.”
Mudi zeigte auf die Waffen, die auf dem Tisch lagen.
“Ich kenne nicht alle von ihnen. Aber ich kann dir die nötigsten Infos geben.”
“Ganz ehrlich, ich kenne mich nicht mit sowas aus”, gestand Mitchel, während er die verschiedensten dieser tödlichen Instrumente betrachtete.
In den Spielen, die er immer gespielt hatte, sahen sie ganz anders aus. Er hätte nie erwartet, dass er sie jemals sehen oder gar benutzen würde.
“Wer tut das schon?”, fragte Brady, der plötzlich neben ihn stand, nahm sich eine Waffe und fing an damit rumzuspielen.
“Lass das!”, sagte Mudi gereizt. “Das könnte ins Auge gehen!”
Er versuchte es Brady wegzunehmen, doch der hielt es von sich ausgestreckt.
“Du bist dumm, Brady.”
“Wenigstens bin ich keine Heulsuse.”
“Ich bin keine Heulsuse, du unsensibler Idiot.”
“Okay, hör auf Wörter zu benutzen, die ich nicht verstehe.”
“Ach komm. Ich bin jünger als du und trotzdem habe ich ein besseres Vokabular.”
“Du bist auch ein Freak!”
“Nenn mich nicht Freak, du Freak.”
“Hört auf meinen Namen da mit reinzuziehen”, mischte sich Freak ein und nahm Brady die Waffe weg. Die zwei tauschten noch einen wütenden Blick, bevor sie anfingen sich zu ignorieren.
Freak legte die Waffe wieder auf dem Tisch, um den sich alle bereits versammelt hatten. Nur Sieben und Amy fehlten.
“Okay, du musst dich verteidigen können”, meinte Yin nun an Mitchel gewandt und gestikulierte zu den Waffen, um diesem zu zeigen, dass er sich eine Waffe aussuchen soll.
“Ich nehme das”, sagte Mitchel.
“Alter, das ist ein Baseballschläger”, meinte Yang.
“Besser als nichts. Außerdem kann ich mit diesen Teilen hier nichts anfangen. Beim Schläger ist es anders. Ich war nämlich in einem Baseballteam und ein Baseballschläger ist sehr effektiv.”
Die anderen sahen ihn an, als wäre er verrückt geworden. Anscheinend sind Waffen für sie eine Selbstverständlichkeit geworden, aber was will man damit, wenn man davon überhaupt keine Ahnung hat? Mitchel hatte jetzt keine Zeit, um es zu lernen. Mit jeder Minute, die er hier vergeudete, schwand die Chance seine Familie lebend wiederzusehen.
“Deine Schuld, wenn du abkratzt”, meinte Fly.
“Das macht bestimmt Spaß”, sagte Ariel überschwänglich und klopfte Mitchel auf die Schulter.
Die Tür zur Küche ging auf und Sieben kam, mit einem Rucksack und gefolgt von einer wütenden Amy, rein.
“… dass das purer Selbstmord ist!”, rief Amy gerade.
“Hör auf es zu wiederholen.” Sieben sagte es mit einer gelassenen Gleichgültig, doch beim genaueren Hinhören merkte man, dass es ihr langsam auf die Nerven ging.
“Nur wenn du hier bleibst. Du bringst uns alle in Gefahr, nur weil du andauernd jemanden retten willst.”
Sieben wirbelte herum und sah der Älteren direkt ins Gesicht.
“Es geht hier um Menschen. Colins Familie. Das ist hier das Wichtigste! Er hat noch eine Chance sie wiederzusehen und das lebend, kapier es!”
“Ach denkst du nicht, dass seine so genannte Familie ihn gesucht hätte, wäre sie noch am Leben?”
“JETZT hör mir mal zu! Dir ist es wohl egal, dass Colin gerade zuhört?! Sie denken wahrscheinlich, dass er tot ist, wegen dieser Lüge, die du auch noch verstärkt hast und jetzt will ich nichts mehr hören. Ich fahre mit ihm dahin!”
Amy sah sie hasserfüllt an.
“Na dann, viel Spaß beim Sterben.”
“Werde ich haben”, sagte Sieben und ging zum Tisch, während Amy sich wütend neben Yin und Yang hinstellte.
“Welche Waffe willst du?”, fragte Mudi.
“Hm… mal sehen. Rechnen wir mit überwiegend Zombies, ein paar Maschinen und vielleicht die ein oder andere Seele. Ich nehme die M249Saw.”
Die anderen sahen sie verwirrt an.
“Das ist die mit der offenen Verschlussstellung”, half Sieben nach, aber es herrschte immer noch Ratlosigkeit, “wo die Kugeln rausgucken und man oft hintereinander schießen kann.”
Jetzt schienen die anderen zu verstehen, nur Mitchel nicht. Sieben nahm sich die beschriebene Waffe.
“Guckt dir die Ausrüstung deines Begleiters an”, sagte Brady lächelnd. Er erwartete wohl, dass sie Mitchel zu Vernunft brachte und dieser war sich sicher, dass sie es schaffen würde.
“Baseballschläger”, sagte Sieben langsam, “sehr effektiv.”
Das hatte keiner erwartet und das Lächeln der anderen verschwand schlagartig, während Mitchel sie triumphierend ansah.
“Lass mich raten, du warst in einem Baseballteam”, stellte Freak fest, “Colin auch.”
“Jep. Baseball ist auch cool, nicht Colin?”
“Meine Meinung.”
“Ja, wenn man auf schmutzig machen steht”, mischte sich Amy halblaut ein und der Spott in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
“Wir sollten jetzt los. Denn wir müssen wieder da sein bevor es dunkel wird.” Sieben, die so tat, als ob sie nichts gehört hätte.
“Ich bin bereit”, sagte Mitchel.
“Moment. Hier.”
Sie schnappte sich eine Pistole und reichte sie ihm.
“Für alle Fälle.”
“Ich kann mit so etwas nicht umgehen.”
Sieben seufzte.
“Es ist leicht”, sagte sie, “Entsichern, zielen, schießen. EZS.”
“Tue nicht so, als ob es diese Bezeichnung wirklich gibt”, meinte Mitchel. “Ich verstehe nicht viel davon, doch ich weiß, dass du dir das gerade ausgedacht hast.”
“Mag sein, Besserwisser. Aber wenn ich mal sterbe, soll man sagen: Das war doch das Mädchen, das die Bezeichnung EZS erfunden hat.”
“Sieben”, murmelte Lilly nun und zog an der schwarzen Hose der Älteren, “werdet ihr wirklich sterben? Ich will nicht, dass ihr geht.”
Sie klang so, als wäre sie den Tränen nahe und hielt den Kopf gesenkt. Sieben kniete sich neben der Kleinen hin.
“Wir werden doch nicht sterben.”
Es ging nicht deutlicher. Man merkte sofort, dass sie nicht gut im aufmuntern war.
“Ihr sollt einfach nicht gehen. Ich mag euch am liebsten. Dich und Colin. Denn ihr seid nett zu mir”, weinte Lilly.
Mitchel sah sie überrascht an, obwohl er sie erst heute kennen gelernt hatte, mochte sie ihn jetzt schon, sodass er sich still fragte, wie sie wohl von den anderen behandelt wird.
Wie King und seine Gruppe Lilly behandelten konnte er sich nur zu gut vorstellen, doch was war mit den anderen?
Aber in einem Punkt war sich Mitchel sicher:
Dass sie Sieben mochte, war selbstverständlich.
Er hatte selbst erlebt, wie gut sich diese um die Jüngste kümmerte.
“Lil, du weißt doch, wie wichtig Familie ist”, sagte Sieben sanft, “Colin weiß nicht, was mit seiner passiert ist und auch nicht wie es ihr geht. Wir müssen sie retten. Verstehst du?”
Lilly nickte traurig.
“Solange wir weg sind, werden Mudi und Brady auf dich aufpassen. Mach ja kein Unsinn.”
Sie nickte wieder und Sieben drückte sie kurz.
“Also dann, lass uns gehen Colin.”
Er folgte ihr zur Treppe, doch da blieb sie plötzlich stehen und drehte sich wieder um.
“Sorry, aber das wollte ich schon immer mal sagen und jetzt bietet sich endlich die Gelegenheit dazu. Ich geh kurz sterben, soll ich jemanden was mitbringen.”
“Sieben”, jammerte Lilly. Damit waren die aufmunternden Worte zerstört.
“War ein Scherz!”
Wichtige Informationen
Sie sprang auf einen der Skorpione und als dieser mit seinem Stachel nach ihr schlug, sprang sie darauf und stieß sich ab. In der Luft richtete sie ihre Waffe nach unten und schoss, wobei sie die Hälfte der verbliebenen Zombies erledigte.
Mitchel sah ihr überrascht dabei zu. Ja, mit Sieben wollte er sich nicht anlegen, doch er bewunderte sie gleichzeitig. Trotz ihren Verlust kämpfte sie weiter oder war das vielleicht die Rache dafür?
“Hey! Hier bin ich ihr hässlichen Monster!”, schrie Sieben, als sie auf der anderen Seite der Menge stand. Die Angreifer wandten sich ihr zu und schienen Mitchel vollkommen zu vergessen.
“Beweg dich, Mitchel!”, rief sie, während sie wegrannte.
Schnell setzte er sich in Bewegung und lief Richtung Auto. Er machte sich Sorgen, denn es waren wirklich viele Gegner und auch wenn Sieben so tat, als wäre es nichts, er hatte ihre Angst bemerkt. Mitchel ging um das Fahrzeug herum, um auf die Fahrerseite zu gelangen, doch da wartete nur das nächste Unheil. Zwei der Zombies waren Sieben nicht gefolgt und hatten sich stattdessen versteckt, obwohl Mitchel bezweifelte, dass es Absicht war.
Es waren ein Mann und eine Frau, die schon ganz blutbefleckt waren, aber unbeschadet zu seinen schienen, weshalb es höchstwahrscheinlich das Blut von anderen war.
Mitchel wich zurück, als sie auf ihm zu liefen. Sie fixierten ihn mit leeren Gesichtsausdrücken. Er war sich sicher, dass diese Zombies schon mehrere Male getötet hatten und genau aus diesem Grund, blieb er stehen. Sie weiter frei herumlaufen zu lassen, wäre ein Fehler, denn sie könnten… nein sie würden weiter morden und auch wenn er bei dem Versuch sie zu erledigen starb, einen von ihnen würde er mit in den Tod nehmen.
Er hob seinen Baseballschläger.
Texte: Alle Rechte gehen an United PC und der Dead-World-Autorin.
Tag der Veröffentlichung: 05.10.2012
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