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Allein, ich war viel zu allein in der restlichen Nacht. An Schlaf war nun nicht mehr zu denken. Ich war so unglaublich glücklich und aufgeregt, obwohl ich eigentlich Angst haben müsste. Jetzt hatte ich schon den zweiten Fremden Mann innerhalb zweier Tage kennen gelernt und dummerweise schaltete sich mein Kopf immer bei ihnen aus. Wenn sie bei mir waren, konnte ich einfach nicht mehr richtig denken. Vielleicht waren sie ja Brüder? Aber was wollten sie dann von mir? Sie kamen mir vor wie meine ganz persönlichen Schutzengel. Tauchten genau auf, wenn ich sie brauchte. Doch was bezweckten sie damit?
Fast krampfhaft versuchte ich meine Gedanken auszulöschen und stattdessen an nichts mehr zu denken. Ich wollte schlafen, denn ich war so unglaublich erschöpft. Meine Kehle brannte beim schlucken, denn ich hatte schon ewig nichts mehr getrunken. Den Hunger steckte ich besser weg. Ich war gespannt darauf was der nächste Tag bringen würde und ob ich wirklich diesem Albtraum entfliehen konnte. Ich hoffte innig, dass der Fremde Mann recht behielt und ich aufwachen würde. Ich hatte es satt im Koma zu liegen und nichts machen zu können. Es war so erniedrigend und frustrierend. Der Erschöpfung erliegend schlief auch ich endlich ein.
Der nächste Morgen kam entgegen meiner Erwartung recht schnell und wurde damit eingeläutet, dass ich von einem erschrockenen Aufschrei und einem zu Boden fallenden Stuhl geweckt wurde. Überrascht riss ich die Augen auf und saß Kerzengerade im Bett. Empört sah ich den Arzt an, der gerade im Begriff war sich wieder etwas benommen aufzurappeln „Meine Güte, müssen sie mich so erschrecken?! Ich dachte schon ich kriege einen Herzinfakt!“ fluchte ich, woraufhin der Arzt erschrocken die Augen aufriss und zusammenzuckte. Erstaunt sah er mich an. Nur langsam dämmerte mir, dass hier etwas nicht stimmte. Das etwas mit mir nicht stimmte. Verwirrt sah ich auf meine Hände und musste feststellen, dass Verbände diese bedeckten. Es war also doch kein Traum gewesen. Ich wusste nicht ob ich lachen oder weinen sollte, oder einfach beides. Die Gefühle schlugen über mir zusammen wie eine Welle über das Meer. Ich war so unglaublich erleichtert und hatte dennoch Angst. Ich hatte so gehofft mich wieder an alles zu erinnern, wenn ich aufwache, doch in meinem Kopf herrschte immer noch diese völlige leere.
„Miss Black, geht es ihnen gut? Wie fühlen sie sich?“ fragte der Doc, der wohl schon den Schock überwunden hatte. Er stellte den Stuhl wieder auf und setzte sich.
„Also mir geht es recht gut so weit“ sagte ich, nachdem ich festgestellt hatte, das mir im Grund wirklich nichts fehlte. Na ja, bis auf meine Erinnerungen aber daran wollte ich Momentan nicht denken. Der Arzt schien zufrieden mit meiner Antwort und nickte nur stillschweigend. Er wirkte übermüdet und war etwas blass um die Nase. Trotzdem verhielt er sich professionell und versuchte mir die Lage zu erklären.
„Ich bin Will White, ihr behandelnder Arzt. Wahrscheinlich können sie sich jetzt an nichts mehr erinnern. Sie haben aufgrund eines Unfalls große Verletzungen am Kopf erlitten und ein paar Rippen gebrochen, außerdem haben sie viele Schnittwunden und kleinere Verletzungen.“ Er unterbrach sich. Still sah ich ihn an. Bislang hatte er mir nichts gesagt was ich schon gewusst hätte. „Sind sie sich sicher, dass es Ihnen gut geht? Ich meine die meisten Menschen würden jetzt nicht einfach so still sitzen bleiben, als wäre nichts passiert.“ Sagte er leise und Mitfühlend. Ja, da hatte er wohl recht. „Mir geht’s wirklich gut“ beteuerte ich, aber wirklich überzeugt sah er dennoch nicht aus.
„Okay, ich würde jetzt gerne eine Untersuchung….“ Klopfen an der Tür unterbrach ihn. „Ja?!“ sagte er diesmal etwas lauter. „Sie können reinkommen.“
Die Tür öffnete sich und Scott betrat den kleinen Raum. Verwirrt blickte er erst zu mir und dann zu dem Arzt. Seine Miene verdunkelte sich einen Moment, bevor sie wieder Normal wurde und er mich anlächelte. „Hallo, Amy. Schön das sie wieder aufgewacht sind!“ Sagte er, doch selbst in seinen Ohren musste es sich falsch anhören, denn er ballte die Fäuste und blickte Finster den Boden an. „Danke!“ sagte ich nur leise, während Scott sich wieder dem Arzt zuwandte und zu reden begann. „Will, wir haben da ein kleines Problem…“ Er schien zu zögern. Nach längerer Pause sagte der Arzt: „Scott, nun reden sie schon, wo liegt das Problem?“ Scott schien sich wieder zu sammeln. „Amber ist verschwunden! Ich hab auch schon bei ihr zu Hause angerufen, aber dort ist sie nicht!“ Scott schien diesmal ehrlich besorgt. Wahrscheinlich sogar noch besorgter, als er grad zur Schau gab. Selbst der Doc schien betroffen. Sein Blick wanderte zu mir, bevor sein Blick hart wurde und er sagte. „Amy, wir müssen eben etwas besprechen, es ist sehr wichtig! Wir lassen sie für ein paar Minuten allein. Legen sie sich wieder hin und tun sie nichts Unüberlegtes!“ Ich dachte nach. Was sollte ich denn seiner Meinung bitteschön machen?! Mich mit einem Kabel aufhängen oder durch das Fenster versuchen abzuhauen? Die beiden Männer standen auf und blickten sich stillschweigend an. Wie in einer Stillen Übereinkunft nickten sie. Dann wandten sich beide um und gingen zur Tür. Schon jetzt begannen sie angeregt zu diskutieren. Ich hörte wie Scott sich beschwerte und es war unübersehbar das er richtig sauer war. Was war nur geschehen? Ich sah, wie er mit dem Finger auf mich zeigte und etwas lauter sagte: „Sie allein ist Schuld! Wegen ihr wird wahrscheinlich noch dieser ganze dumme Pakt gebrochen!“ Der Arzt legte ihn Die Hand auf die Schulter um ihn zu beruhigen und sagte etwas leiser, so das ich es kaum verstehen konnte: „ Nicht hier, Scott! Ich weiß, dass wir sie los werden müssen, aber wenn ER will, dass wir sie am Leben lassen wird es schon das Richtige sein! Selbst wenn es entgegen allen seinen bisherigen Prinzipien geht!“ Scott sah finster drein. „Sie haben Recht, Will. Lassen wir das erstmal“ Dann verließ er den Raum und der Doc sagte mir noch: „In einer halben Stunde bin ich wieder da. Verlassen sie unter keinen Umständen dieses Zimmer! Sie würden mit großer Wahrscheinlichkeit sterben, wenn sie von den Geräten getrennt werden!“ Dann wandte auch er sich zur Tür und verließ sie. Als die Tür zu ging, war ich bereits wieder in tiefe Gedanken versunken. Ich hatte Angst, denn ich wusste, dass etwas schreckliches Passieren könnte, wenn ich länger hier blieb. Was meinte Scott nur damit? Und woran sollte ich Schuld sein? Immer diese ganzen Andeutungen, doch keiner sprach hier Klartext. Das erste Mal seit einiger Zeit wurde ich wieder richtig sauer. Dennoch war ich mir nicht sicher, ob ich vielleicht wirklich fliehen sollte. Ich wollte nicht sterben, doch offensichtlich hatte ich nur zwei Möglichkeiten. Ich konnte bleiben und hoffen, dass mir Niemand etwas antut, wie dieser Scott es eigentlich vorhatte oder ich floh und ging das Risiko ein ohne die Geräte zu sterben. Zumindest wenn der Doc nicht gelogen hatte. Vielleicht hatte er es auch einfach nur gesagt, damit ich hier blieb? Zumindest würden sich die meisten Leute von so was abschrecken lassen und so etwas Unüberlegtes und Gefährliches wie eine Flucht nicht einmal in Betracht ziehen. Ich jedoch war nicht so ein Mensch. Wenn ich schon die Möglichkeit hatte, etwas zu tun, und sei es nur durch Flucht, dann würde ich es auch tun! Die Möglichkeit hörte sich nicht gerade toll an, wie ich zugeben musste, doch vielleicht hatte ich auch nur eine andere Möglichkeit übersehen. Wenn ich doch nur wüsste, was Amber mit der ganzen Sache zu tun hatte. Nachdem sie mir die Spritze gegeben hatte und ich wieder wach war, war sie bereits wieder weg gewesen. Sollte ihr wirklich etwas zugestoßen sein? Und war ich dann daran schuld? Aber wenn, dann warum? Ich hatte doch nichts getan das sie hätte in Gefahr bringen können.
Ich hatte nur wenige Minuten Zeit, mir zu überlegen, was ich tun sollte. Ich sah mich in dem Zimmer um. Es war ziemlich klein und es gab nur einen Ausgang. Die Tür, doch ich wusste nicht was dahinter lag. Vielleicht sollte ich einfach mal nachgucken? Aber würden dann nicht auch die Kabel mit denen Ich an den Geräten angeschlossen war reißen und einen ziemlichen Lärm veranstalten? Probeweise bewegte ich meine Arme und verfolgte die Kabel, die daran angeschlossen waren zu den entsprechenden Geräten. Viel bewegen konnte ich mich nicht durch sie. Enttäuscht ließ ich wieder die Arme sinken. Ich wusste nicht mehr wie viel Zeit bereit vergangen war und begann so langsam aber sicher in Panik zu verfallen. Ich hörte wie ein Gerät anfing wieder schneller der piepen. Dieses Mistding, dachte ich. Scott und der Doc würden sicherlich wissen wollen, warum ich so nervös und aufgeregt bin. Ich zwang mich langsam und gleichmäßig zu Atmen. Von Draußen hörte ich Schritte die immer näher kamen und dabei unheimlich laut klangen. Sie machten mir Angst. War es wieder Jemand, der mich umbringen wollte, weil ich sie anscheinend ihren komischen Pakt brechen ließ? Erneut machte ich mir klar, das ich mich jetzt lieber auf das Atmen konzentrieren sollte und nicht auf Nebensächlichkeiten. Ich legte mich hin und versuchte erstmal an nichts zu denken. Doch das klappte nicht sonderlich gut. Ich war viel zu aufgeregt dafür. Stattdessen stellte ich mir die Türkisfarbenen Augen des Fremden Mannes vor. Sie waren einer der wenigen Dinge, die ich nicht vergessen hatte, oder nicht mehr vergessen konnte. Aber sie erfüllten ihren Zweck. Ich merkte selber wie ich ruhiger wurde und in seinen Augen versank. In den Augen meines wundervollen Retters. Die Schritte kamen näher und entfernten sich wieder. Erleichtert atmete ich auf. Ich hatte mich wohl doch nicht verraten oder sie waren einfach viel zu beschäftigt um so was zu bemerken. Ich hoffte es. Ich setzte mich wieder auf und schwang meine Beine aus dem Bett. Als sie den Boden berührten spürte ich etwas unter meinem linken Fuß. Es war ein Briefumschlag wie ich feststellte, nachdem ich ihn aufgehoben hatte. Und auf dem Umschlag stand mit schöner und schnörkeliger Schrift mein Name drauf. Ich war erstaunt. Hatte ich etwas nicht mitbekommen? Von wem war er? Ohne groß zu überlegen riss ich den Briefumschlag auf. Zum Vorschein kam ein kleines Blatt Papier. Es war weiß und mit schwarzer Tinte stand etwas darauf, was wohl in ziemlicher Eile geschrieben worden war. Ganz anders als mein Name auf dem Umschlag. Ich begann begierig das geschriebene zu lesen:
Meine Süße Amy,
wie du sicher schon bemerkt haben wirst, habe ich nicht gelogen. Du bist wieder aufgewacht. Es tut mir Leid, aber allein durch den Umstand, dass es mich gibt, werden dich jetzt ein paar Typen lieber Tot als lebendig sehen wollen.
Ich lachte kurz auf. Durch den Umstand das es ihn gab. Dabei wäre ich jetzt nicht einmal mehr am leben ohne ihn. Immerhin, wusste ich jetzt, dass die Typen mir wirklich an die Gurgel wollten. Schnell las ich weiter:
Ich rate dir, so schnell wie möglich zu fliehen. Es wäre beruhigend, wenn du in Sicherheit wärst. Ich würde dich sehr gerne beschützen, doch es geht nicht, was ich sehr bedauere. Ich hoffe ich sehe dich bald wieder, dann erklär ich dir vielleicht alles. Immerhin ist es dein gutes Recht.
In Liebe Luca
Wie gebannt starrte ich auf die Letzte Zeile. „In Liebe Luca“ flüsterte ich. Mein Herz machte einen Satz. Ich versuchte mir einzureden, dass das nichts bedeutete, doch mein Herz wollte nicht auf mich hören. Ich fasste einen unerschütterlichen Entschluss. Ich würde fliehen.
Ich stand auf und riss ein Kabel nach dem andren aus meiner Haut. Es tat höllisch weh, aber noch schlimmer war der gleichmäßige Piepton der zu einem Rauschen angestiegen war. Als hätte mein Herz aufgehört zu schlagen. Dieses Geräusch zerrte an meinen Nerven und ließ meine Ohren schmerzen. Aber es war mir fast Gänzlich egal. Ich schmiss die Decke von mir und sprang aus dem Bett. Ich wusste, dass jeden Moment Jemand reinkommen konnte, also musste ich mich beeilen. Durch mein schnelles Bewegen wurde mir Schwindelig und ich brauchte erstmal einige Sekunden bevor ich wieder klar sehen konnte. Ich stützte mich an der Wand ab und lief dann, nachdem sich nicht mehr alles drehte wie auf einem Kettenkarussell zum Fenster. Enttäuscht stöhnte ich auf. Hier konnte ich nicht raus. Ich befand mich etwa im 5. Stockwerk und würde, wenn ich springen würde unten als Matsch ankommen. Also keine Option. Blieb nur noch die Tür. Ich schnappte mir den Brief und musste feststellen, dass ich einen dieser grünen Kittel aus dem Krankenhaus trug. So würde mich jeder sofort erkennen. Ich musste mir unbedingt andere Klamotten besorgen, soviel stand fest. Ich ging zur Tür und lauschte angestrengt nach Schritten oder anderen Geräuschen. Als ich mir sicher war, das nichts zu hören war, öffnete ich die Tür einen Spalt breit und steckte meinen Kopf nach draußen. Zu sehen war ein leerer weißer Gang, wie er in Krankenhäusern üblich war. Allerdings befanden sich nur zwei andere Türen in dem Flur. Beide sahen total Identisch aus. Einen anderen Ausweg gab es nicht. Immer noch waren keine Schritte oder Stimmen zu hören. Auch liefen keine Menschen auf dem Flur herum. Mir war bewusst, dass ich jetzt trotzdem schnell handeln musste. Ich betrat den Flur und sah mich noch mal argwöhnisch um. Ich trug keine Schuhe und vermiet es somit auch zugleich sehr verräterische Geräusche zu machen. Doch auch nachdem ich die Tür zu meinem Krankenzimmer geschlossen hatte war noch immer das Monotone Geräusch zu hören, das einfach nicht verklingen wollte. Ich stopfte mir den Brief unter den Kittel und lief zu ersten Tür. Sie befand sich auf der Linken Seite neben meinem Zimmer. Dort legte ich mein Ohr an die Tür und wartete darauf Stimmen zu hören. Ich fand es zu Riskant sofort die Tür zu öffnen, weshalb ich zuallererst auch noch die andere Tür überprüfte. In einem Zimmer mussten sich sicherlich die beiden Ärzte Scott und Will aufhalten, und der Andere Raum oder Flur müsste dann der Ausgang sein. Warum mussten hier auch alle Zimmertüren gleich aussehen? Fluchte ich innerlich und ballte die Fäuste. Als ich mich gerade von der Tür abwenden wollte, wurde die Klinke runtergedrückt. Ich blieb wie erstarrt stehen. Was sollte ich jetzt nur machen?
Panisch sah ich mich um. Dann erblickte ich eine Pflanze die nur wenige Schritte weit entfernt stand. Vielleicht konnte ich mich hinter ihr verstecken? Ich sprang fast auf die Pflanze zu und hätte sie fast mitgerissen. Panisch und mit zittrigen Fingern schob ich mich hinter sie an der Wand entlang. Jetzt kam mir der grüne Kittel doch zugute. Allerdings klopfte mein Herz so laut und schnell, das ich mir fast sicher war, das es sogar das Piepen aus meinem Zimmer übertönte.
Die Tür wurde aufgerissen und mit Wutverzerrter Miene verließ der Doc das Zimmer. Ich drückte mich enger an die Wand und unterdrückte meinen Reflex laut auszuatmen. Scott folgte ihm auf dem Schritt. Auch er wirkte nicht gerade glücklich. Sein Handrücken blutete und sein Kopf war vor Wut oder Scham, je nach dem Rot angelaufen. Was mir Sorgen machte, war der Umstand, dass er sich so verflixt gründlich umschaute. Als wüsste er schon längst, das ich nicht mehr in meinem war und auch noch nicht raus aus dem Gebäude. Wieder einmal fragte ich mich, was sie ausgerechnet von mir wollten. Es konnte natürlich auch sein, das sie ganz normale Ärzte waren und einfach um meine Sicherheit besorgt waren, na ja, zumindest könnte das beim Doc so sein. Aber mein Gefühl sagte mir auch bei ihm etwas anderes. Er war nicht der für den er sich ausgab. Soviel stand fest. Aber wer war er dann?
Scotts Blick streifte die Pflanze, hinter der ich mich versteckt hielt. Ein böses und spöttisches Grinsen huschte über sein Gesicht. Ich wusste, er hatte mich gesehen. Ich hatte das Gefühl, mein Herz rutscht mir in die Hose. Als würde ich aus allen Wolken fallen. Der Ausdruck auf Scotts Gesicht machte mir Angst. Ich kam mir vor wie ein kleines Kind unter seinem Blick. „Doc, ich weiß wo sich die Kleine Göre versteckt hält!“ Der Doc blieb stehen. „Na bitte Scott, sie sind also auch zu etwas Fähig. Jetzt weiß ich auch wieder warum ich sie eingestellt habe und nicht diesen Besserwisser von Medizinstudent.“ Dabei grinste er Mörderisch. Seine Augen blitzten. Ich hatte das Gefühl kaum Luft zu bekommen. Zu ersticken. Tausend Gedanken rasten durch meinen Kopf. Dann stieß ich mit ganzer Kraft die Pflanze von mir weg, die mitten in Scott und den Doc fiel. Dann lief ich los. Hin zu der Anderen Tür. Hoffentlich zum Ausgang.
Ich hörte wie der Doc leise vor sich hin fluchte und Scott wütend aufschrie, doch ich wagte es nicht mich umzudrehen. Viel zu groß war die Angst davor gefangen zu werden. Ich wagte mir nicht vorzustellen was sie dann mit mir anstellen würden. Mein Herz raste und die wenigen Schritte zur Tür kamen mir endlos vor. Mittlerweile hatten die beiden sich schon wieder aufgerappelt. Meine Lungen brannten vor Anstrengung und ich hatte das Gefühl der Tür kaum näher zu kommen. Wie in einem schlechten Traum. Doch ich wusste dass es keiner war. Ich hörte wie einer der beiden immer näher kam und Scott vor Schmerz aufstöhnte. Ich guckte instinktiv nach hinten und sah wie Scott auf dem Boden saß und sich das Bein massierte. Ich hatte ihn also verletzt. Gut so. Innerlich grinste ich über meinen Sieg. Ein Feind weniger. Dann war ich an der Tür angelangt und dicht auf den Fersen folgte der Doc. Dadurch, dass ich nach hinten gesehen hatte war ich langsamer geworden und er war ein gutes Stück näher gekommen. Das hatte ich ja wieder einmal perfekt hingekommen, spottete ich. Ich riss die Tür mit einem erleichterten seufzen auf und knallte sie hinter mir zu. Na ja, zumindest versuchte ich es. Der Doc hatte seinen Fuß zwischen Tür und Rahmen gesteckt und blickte nun voller Schmerz auf seinen linken Fuß. Selber Schuld! Ich drückte mit aller Kraft gegen die Tür, doch der Doc schaffte es, diese immer weiter auf zu schieben. Er steckte eine Hand durch die Tür und versuchte mich wegzuschupsen. Ich machte einen Ausfallschritt nach hinten und ließ mit einer Hand die Tür los um ihn wie eine Furie zu Kratzen. Für irgendwas mussten meine langen Fingernägel schließlich da sein, dachte ich. Nach einigen weniger Wirkungsvollen Kratzern, die ihm kaum was anzuhaben schienen zog er seinen Arm wütend zurück. „Lassen sie dass Amy! Verhalten sie sich nicht wie eine Furie! Ich will Ihnen doch nur helfen…“ Ich glaubte ihm kein Wort und antwortete ihm nicht. Doch er schien wenigstens für den Moment genug abgelenkt, sodass ich ihn ungehindert treten konnte. Leider ohne Schuhe, doch der Effekt war fast der Selbe. Der Doc sprang auf und ab und rieb sich die getroffene Stelle. Ich, mittlerweile die Tränen in den Augen stehend knallte nun endgültig die Tür zu. Ich wusste selber nicht, warum ich gerade jetzt anfing zu weinen. Vielleicht aus Erleichterung. Oder ich realisierte erst jetzt so richtig was eben eigentlich geschehen war. Mein Herz raste immer noch wie verrückt und in meinem Kopf hämmerte es. Seufzend fasste ich mir an die Stirn und ließ meine Hand dann weiter zu meiner Brust wandern. Ich spürte wie mein Herz unter meiner Hand klopfte und atmete laut aus. Von draußen polterte es und dann hörte ich wie zwei Stimmen miteinander stritten. Ich versuchte ihnen gar nicht erst zu lauschen sondern fragte mich stattdessen, was ich hier eigentlich noch tat. Ich sollte schon längst die Flucht ergriffen haben aber typisch für mich stand ich einfach nur doof rum und starrte Löcher in die Luft. Energisch schüttelte ich meinen Kopf, wie um meine Dummheit abzuschütteln. Ich drehte mich um und sah zwei Menschen, die mich sprachlos anstarrten. Irgendwie war mir die Situation peinlich, als mir klar wurde wie das eben ausgesehen haben musste. Einer der beiden war ein älterer Mann. Er war über eine Frau gebeugt, die auf einem Bett fest gekettet war und einen etwas verrückten Eindruck machte. Sie war ziemlich klein und ihre roten langen Haare waren durcheinander und standen ihr vom Kopf ab. Sie trug den Selben Kittel wie ich und alle Patienten in Krankenhäusern. Nun begann sie hysterisch zu lachen und versuchte um sich zu schlagen. Erschrocken trat der Arzt einen Schritt zurück und wandte sich von mir ab. Ich war froh, nicht mehr von ihm angestarrt zu werden. Ich trat ebenfalls einen Schritt zurück. Hinter mir spürte ich die Tür und drückte mich ängstlich gegen sie. Die Frau war mir echt unheimlich. Die Frau riss und zerrte an ihren Fesseln, doch sie schienen glücklicherweise zu halten. Der alte Mann seufzte laut. Dann murmelte er mit starrem Blick ein paar böse Worte vor sich hin, die ich nicht recht verstand und bastelte anschließend an einem Apparat mit vielen, wohl nicht gerade unwichtigen Knöpfen und Hebeln herum. Mich schien er dabei nicht mehr zu beachten. Ich nutzte diese Chance und sah mich um. Mit jeder Sekunde Wuchs meine Angst und meine Bestürzung. Wo war ich hier nur schon wieder gelandet? Der Raum war ein einziges Gefängnis. Es gab weder ein Fenster noch eine weitere Tür.
Innerlich erlitt ich einen totalen Absturz. Ich wollte nur noch dass alles aufhörte. Ich war nie die große Kämpferin gewesen und das hatte sich auch wohl bis jetzt noch nicht geändert. Aber war es wirklich besser gewissendlich dem Tot ins Auge zu sehen? Sollte ich kampflos aufgeben, mit dem Gewissen es nicht einmal richtig versucht zu haben? Zweifel plagten mich. Fraßen mich innerlich auf. Ich sackte auf die Knie. Mir wurde alles zu viel. Ich wollte einfach nur schlafen. Ich war so müde. So unendlich müde…
[Fortsetzung folgt]
Tag der Veröffentlichung: 08.01.2010
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