Eine junge Frau ritt in Gedanken durch den Wald. Sie war die einzige aus dem Dorf, die sich traute, so weit in ihn vorzudringen. Ihr Name war Anita. Anita wohnte auf einer großen Landzunge mit Namen Taukenau. Sie besaß einen Namen, da sie nur alle 17 Tage vom Festland aus trockenen Fußes zu betreten war. Die sandige Verbindung bestand dann für zwei Tage. Ansonsten war sie vollkommen von Wasser umgeben. Die Insel war zwar groß, doch auf ihr befand sich nur ein Dorf. Dieses Dorf hatte ungefähr 65 Einwohner und die Anzahl derer, die sich hier niederließen, stieg nicht schnell. Auf der einen Seite gab es eine steile Klippe, wohingegen auf der entgegen gesetzter Seite ein Steg gebaut wurde, an dem auch größere Schiffe anlegen konnten. Das Dorf befand sich der Nähe des Stegs, aber dennoch weit genug entfernt, um nicht ständig vom Meer bedroht zu werden. Die Häuser standen in einem Halbkreis um den einzigen Brunnen, den es hier gab, mit der Öffnung Richtung Meer. Hinter den Häusern lagen die Felder für Getreide und Weiden für das wenige Vieh. Dann begann der Wald. Am Rand entlang, führte ein Weg, der bei der Stelle endete, von wo man zu Festland gelangen konnte. In den Wald selber, ging man selten hinein und wenn dann nur zu bekannten Gebieten. Doch Anita mochte ihn. Er war wild und unangetastet.
Heute war ein besonderer Tag für Anita, den es war ihr 16. Geburtstag. Nachdem sie am Morgen aufgestanden war, erwarteten sie ihre Eltern schon im Wohnraum ihres Hauses, den sie wollten ihr noch die Geschenke geben, bevor sie an die Arbeit gingen. Sie war gerade beim Auspacken, als es an der Tür klopfte. Ihre Mutter öffnete sie und im Eingang stand ein junger Mann mit Raben schwarzem Haar. Er war gut zwei Köpfe größer als ihr Mutter und seine dunkel grünen Augen glänzten. Lächelnd nickte er ihrem Vater zu und als er Anita erblickte, leuchteten seine Augen auf. „Hallo meine Süße, wie geht es dir?“ „Hallo Djego. Schön das du da bist.“ „Natürlich denkst du, dass ich diesen Tag vergessen würde?“ Anita strahlte ihn an. Langsam trat er auf sie zu. Immer wieder war sie überrascht, wie geschmeidig er sich für so einen großen und muskulösen Menschen bewegen konnte. „Ich hab dir auch was mitgebracht. Hier packe es aus.“ Djego reichte Anita ein in blauen Samt eingeschlagenes Bündel. „Oh, danke. Der Stoff ist ja schön.“ „Ja und es war nicht leicht ihn zu bekommen, das kannst du mir glauben. Es ist übrigens ein Umhang. Aber du musst noch dein Geschenk auspacken.“ Vorsichtig löste Anita die goldene Kordel, die das Paket zusammenhielt. Zum Vorschein kam eine schwarze mit silbernen Nieten verzierte Trense. „Djego, das kann ich nicht annehmen. Die ist viel zu wertvoll.“ „Für dich ist mir nichts zu teuer, das weißt du doch.“ Mit einem Grinsen beugte er sich über sie und gab ihr einen Kuss. Als er sich wieder aufrichtete, hatte Anita ihre Augen geschlossen und über ihre Wangen legte sich ein roter Hauch. Verlegen öffnete Anita wieder ihre Augen und blickte sich um. Ihre Eltern hatten sich etwas zurückgezogen und standen Arm in Arm am Kamin. Beide lächelten sie an, was sie nur noch mehr in Verlegenheit brachte. Um ihre Tochter aus dieser Situation zu helfen, löste sich ihre Mutter aus der Umarmung und ging zum Tisch. Dort hatte Anita das halb ausgepackte Geschenk ihrer Eltern abgelegt. „Komm Anita. Du musst noch unser Geschenk zu Ende auspacken.“ Ihr Vater ließ sich auf einen Stuhl nieder und als sich auch alle anderen um den Tisch versammelt hatten, öffnete Anita das Päckchen. Zum Vorschein kam eine silberne Kette mit einem Anhänger, der die Form eines Engels hatte. Der Engel hielt eine kleine dunkelblaue Kugel in den Händen. Staunend betrachtete Anita die Kette. „Diese Kette gehört doch dir Mutter. Ich kann sie nicht nehmen.“ „Oh doch, das kannst du. Diese Kette wird schon seit Generationen von der Mutter an die Tochter weitergegeben.“ Anita sah sie strahlend an. „Danke. Sie ist wundervoll.“ Gerade als sie sie anlegen wollte nahm Djego sie ihr aus der Hand. „Las mich das machen.“ Lächelnd sah sie ihn an. Vorsichtig streifte er ihre langen rot braunen Haare aus ihrem Nacken und legte ihr die Kette um. Leicht beugte er sich über sie und flüsterte ihr ins Ohr. „Einen Engel für einen Engel.“ Etwas lauter sagte er, als er sich wieder aufgerichtet hatte: „So, jetzt muss ich aber an die Arbeit.“ Nachdem Djego gegangen war, stand auch ihr Vater vom Stuhl auf und streckte sich. „So, dann will ich wohl auch mal an die Arbeit gehen.“ „Kann ich dir irgendwie helfen Dad?“ „Was redest du den da? Die heutige Arbeit schaffen deine Mutter und ich auch alleine. Nimm dir mal lieber Seewave und reite etwas aus. Es ist doch dein Geburtstag. Heute brauchst du uns nicht helfen. Hab lieber etwas Spaß.“ „Oh, danke Dad. Das werde ich machen.“ Schnell umarmte sie noch ihren Vater und ihre Mutter und schon rannte sie aus dem Haus um ihre Stute fertig zu machen. Der Stall stand hinter dem Haus und als Anita die Tür öffnete wurde sie auch schon mit einem Wiehern begrüßt. „Auch dir einen guten Morgen Seewave. Hast du gut geschlafen? Heute machen wir einen schönen langen Ausritt.“ Lange striegelte sie Seewave und nach einiger Zeit legte sie den Sattel auf. Als sie zu der neuen Trense griff und sich an den Morgen erinnerte, kribbelte es in ihrem Bauch. Gerade als sie aufsteigen wollte, trat ihr Mutter um die Hausecke. „Warte noch kurz, ich habe dir was zu essen eingepackt und hier ist auch noch ein Trinkschlauch mit Wasser. Möchtest du auch den Umhang von Djego mitnehmen?“ „Danke. Daran hätte ich jetzt nicht gedacht.“ Mit einer schnellen Bewegung befestigte sie die Satteltasche, die ihre Mutter ihr reichte hinter dem Sattel und den Schlauch am Sattelknauf. Dann nahm sie den Umhang und überlegte kurz, ob sie ihn hier lassen sollte, doch dann legte sie sich ihn um. Vor der Brust wurde er mit zwei silbernen Hacken geschlossen. Mit einem geschmeidigen Sprung saß Anita auf. Im Trab entfernte sie sich von ihrer Mutter. Kurz bevor sie um die Ecke ritt, winkte sie ihr noch schnell zu.
Das Arbeiten machte Djego Spaß. Seit er vor drei Jahren auf die Insel kam, hatte er sich sehr verändert. Nicht körperlich, denn auch schon vorher war er muskulös und groß, sondern sein Charakter und seine Gedanken. Früher war er ein Taugenichts. Früh hatte er seine Eltern verloren und hat sich nur durchs Leben geschnorrt. Mit seinen jungen Jahren war er schon damals in vielen Dörfern nicht mehr gern gesehen. Doch seit er das Glück hatte mit einem Schiff zu fahren und auf dieser Insel landete, veränderte sich sein Leben von Grund auf. Die Karte hatte er bei einem Kartenspiel gewonnen und war bis heute dem armen Kerl dankbar, der sie verloren hatte. Die ersten Momente auf der Insel wird er nie vergessen. Eigentlich wollte er mit dem Schiff zur nächsten größeren Stadt fahren. Doch als sie nach einem Sturm an dieser Insel anlegten um Wasser und Proviant aufzufüllen, sah Djego ein bezauberndes Mädchen durchs Dorf gehen. Vom ersten Moment an war er in ihrem Bann gefangen, genauso wie alle anderen Männer an Bord. Djego entschied damals kurzer Hand den Dorfältesten aufzusuchen und um die Erlaubnis zum Bleiben zu bitten. Der stimmte zu, aber unter der Bedingung seine Felder zu bestellen und schwere Arbeiten für ihn zu erledigen. Djego willigte ein und er durfte sogar im Haus des Ältesten wohnen, da dieser ein Zimmer frei hatte. Und so geschah es, das er beim alten Maurice und seiner Frau Bella bleiben durfte. Beide betrachteten Djego mittlerweile wie einen Sohn und ihn freute es, denn nun hatte auch er eine Familie, die sich um ihn sorgte. Die ersten Arbeitstage waren für ihn sehr anstrengend. Er war zwar stark, aber er hatte vorher noch nie auf dem Feld gearbeitet. Maurice musste ihm erst alles zeigen. Auch so war man, in der ersten Zeit, sehr skeptisch ihm gegenüber. Er verschwieg seine Vergangenheit nicht, denn er dachte sich, es ist besser ehrlich zu sein. Nach einigen Tagen merkten die Dorfbewohner allerdings, dass der charmante und gut aussehende junge Mann, hart arbeitete und alle Aufgaben mit größter Umsicht erledigte. Egal ob jemand Hilfe brauchte oder einfach nur reden wollte, Djego nahm sich, wenn er konnte, Zeit für jeden. Heute hatte er Maurice versprochen das Feld nahe am Wald umzugraben. Er hatte sich vorgenommen früh fertig zu werden, um für Anita heute Abend noch eine Feier vorzubereiten. Ihre Eltern und der Rest des Dorfes waren auch dabei. Mittlerweile klebte sein Hemd schon an seiner Haut. Um sich freier Bewegen zu können, zog er es aus und hing es über einen nahen Zaun. Djego sah sich um. Auch auf den anderen Feldern waren Leute aus dem Dorf dabei zu arbeiten. Gierig nahm er einen großen Schluck Wasser aus einem Trinkschlauch. Er sah hinauf in den Himmel. Keine Wolke stand dort und nur die unerbittliche Sonne brannte auf ihn nieder. Als sein Blick das Dorf streifte, verschlug es Djego die Sprache. Anita ritt gerade aus dem Schatten eines Hauses und als die Sonne sie berührte umgab sie ein goldenes Leuchten. Sie ritt auf ihrer schwarzen Stute, als ob sie mit ihr verschmolzen wäre. Der weich fließende Umhang, den er ihr heute Morgen geschenkt hatte, schwang im gleichmäßigen Rhythmus mit. Die Sonne schien sie förmlich zu liebkosen und durch das einfallende Licht strahlten ihre hüftlangen, offenen Haare wie Kupfer. Der Gesamteindruck war einfach phänomenal. Auch alle anderen, die sie bemerkten, hielten mit der Arbeit inne. Viele lächelten ihr zu, nur ein Augenpaar verriet das eine falsche Lächeln. Karinas Blick sprühte nur so vor Neid und als sie sah, wie Djego auf Anita reagierte, hätte sie am liebsten einen Dolch genommen und ihn in ihr Herz gerammt. Sie musste etwas unternehmen. Djego sollte ihr gehören.
Anita ritt auf dem Weg der zum Wald führte, als sie Djego bemerkte, der lässig am Zaun lehnte und auf sie wartete. „Hallo meine Süße, willst du etwas ausreiten?“ „Jep. Ma und Dad haben mir für heute frei gegeben.“ „Tja, ich denke mal, Maurice wird mir heute wohl nicht frei geben, sonst würde ich dich begleiten.“ „Ich weiß, aber du würdest dich sowieso nur langweilen.“ „Damit könntest du Recht haben.“ Beide fingen an zu lachen. Anita betrachtete ihn. Sein Lachen und seine Stimme waren sehr warm. Die sonnen gebräunte Haut stand ihm gut und durch die harte Arbeit war sein Körper eine wahre Pracht. Die Sonne ließ die Schweißperlen auf seinem Oberkörper glitzern. Sie bemerkte nicht wie Djego’s Grinsen breiter wurde. „Na gefällt dir was du siehst?“ Anita schrak aus ihren Gedanken und senkte schnell ihren Blick. Sie hoffte inständig das Djego ihre rote Gesichtsfarbe nicht erkennen konnte. „Entschuldigung“, nuschelte sie. Djego lachte laut auf. „Aber, aber. Du musst dich doch nicht Entschuldigen. Und außerdem sollte wohl eher ich mich Entschuldigen.“ Verwirrt blickte Anita auf. „Wieso das denn?“ „Also erstens habe ich dich vorhin angestarrt, als du aus dem Dorf gekommen bist. Ich dachte es wäre ein Engel auf die Erde gefallen. Und außerdem habe ich meinen Engel in Verlegenheit gebracht.“ Jetzt konnte Anita ihre Gesichtsfarbe nicht mehr verstecken, denn sie spürte die Hitze, die ihr sofort ins Gesicht schoss. Verdutzt starrte sie Djego an. Der wiederum lächelte, mit einem zärtlichen Schimmer in den Augen, zu ihr auf. Sie spürte nur noch Millionen Schmetterlinge im Bauch und konnte nicht anders, als ihn auch anzulächeln. „Ich hoffe du genießt deinen kleinen Ausflug und hoffentlich hast du heute Abend etwas Zeit für mich.“ Als Anita ihre Stimme wieder gefunden hatte, brachte sie nur ein Flüstern raus. „Ja gern, ich freue mich darauf.“ Und schon gab sie Seewave das Kommando zu galoppieren. Djego sah ihr nach. Sie sah einfach fantastisch aus. Wild und Frei. Ihre Haare flatterten im Wind und ihre Augen funkelten. Dieses Mädchen liebte er, das wusste er mit Sicherheit.
Als der Wald dichter wurde, verringerte sie das Tempo. Ihr Herz klopfte wie wild und ihr Atem ging stoß weise. Was war nur mit ihr los. Auch früher schon hatte Djego sie so angesehen. Doch seit kurzem verlor sie immer wieder die Fassung. Langsam ritt sie weiter. Sie war froh darüber, dass sie den Mantel doch mitgenommen hatte. Im Schatten der Bäume war es doch recht frisch. „Was hältst du davon, wenn wir zu unserem besonderen Platz reiten?“ Anita strich ihrer Stute über den Hals. Mit einem Lächeln erinnerte sie sich daran, wie sie Seewave bekam. Vor ein paar Jahren hatte ein sehr großes Schiff an dieser Insel halt gemacht. An Board waren mehrere Händler. Die meisten handelten mit Obst und Haushaltswahren. Doch diesmal waren auch zwei Viehhändler dabei. Sie verkauften einige Rinder und Scharfe. Als sie genug verdient hatten und das Schiff wieder ablegen wollte, gab es an Board ein großes Durcheinander. Natürlich war das auf der ruhigen Insel ein großes Spektakel und so sahen einige Inselbewohner neugierig zu. Plötzlich tauchte auf Deck ein schwarzes Pferd auf. Die Augen waren, auf Grund der Panik, weiß und mit einem großen Sprung setzte das Tier über die Reling. Mit Mühe und Not erreichte das verängstigte Tier das Ufer und quälte sich die steile Böschung hoch. Breitbeinig und den Kopf hängend blieb die Stute stehen. Jedes mal, wenn einer versuchte an sie ran zu kommen, gebar sie sich wie wild. Irgendwann hatte der Händler genug und holte ein Gewähr. „Hat einer Interesse an dem Vieh? Sonst knall ich es ab.“ Selbstbewusst wie Anita damals schon war, ging sie auf den Händler zu. „Was wollt Ihr den für die Stute haben?“ „Den Schlachtpreis. Mehr ist das Vieh nicht mehr wert.“ „Wie viel wäre das?“ „Du willst sie wirklich haben. Deine Eltern werden das bestimmt nicht gut finden, doch mir soll es egal sein. Gib mir 50 Ruben und sie gehört dir.“ Sofort begann Anita in ihrer Schürze zu kramen und brachte nach und nach die Geldstücke zum Vorschein. „Hier bitte sehr.“ Der Händler blickte verdutzt auf die Münzen in ihrer Hand, nahm sie grinsend entgegen und ging zurück zum Schiff. Bald darauf setzte das Schiff die Segel und lief aus. Als Ihre Eltern von ein paar Dorfbewohnern erzählt bekommen hatten, was passiert war, versuchten sie Anita die ganz Sache noch auszureden. Doch wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, blieb es dabei. Irgendwann gaben ihre Eltern auf und erlaubten ihr, unter der Bedingung, dass ihr die Stute nichts tat, sie zu behalten. Anita nickte nur kurz. Dann schritt sie langsam auf das junge Pferd zu und setzte sich in einiger Entfernung auf den Boden. Leise fing sie an zu summen. Die Dorfbewohner waren neugierig und beobachteten Mädchen und Pferd. Doch da nach einiger Zeit nichts passierte, gingen alle wieder ihrer Arbeit nach. Erst kurz nach Sonnenuntergang tat sich etwas. Zögernd kam die Stute näher und spielte neugierig mit den Ohren. Anita war während der Wartezeit eingeschlafen und auf die Seite gesunken. Als die Stute Anita erreicht hatte, schnupperte sie in ihrem langen weichen Haar. Noch sehr schlaftrunken öffnete Anita die Augen. „Na meine Süße hast du dich endlich getraut. Komm las uns heimgehen.“ Vorsichtig erhob sie sich. Während sie auf dem Boden saß, sind ihre Beine eingeschlafen. Sie streckte sich einmal und ging dann Richtung Elternhaus. Schritt für Schritt ging die Stute hinterher. Auch heute noch sprechen die Dorfbewohner manchmal von diesem Ereignis. Damals hatte Anita am nächsten Tag die junge Stute untersucht und festgestellt, dass sie häufig geschlagen wurde. Nach wochenlanger Pflege wagte es Anita sich auf die Stute zu setzen. Sie saß vorher noch nie auf einem Pferd und hoffte nur oben zu bleiben. Doch gegen alle Erwartungen blieb die Stute ruhig stehen. Anita ermunterte das Pferd ein paar Schritte zu gehen und nachdem sie merkte, das es ihr leicht viel im Sattel zu bleiben, wollte sie mehr. Sie lehnte sich leicht nach vorne und die Stute reagierte darauf mit einem wundervollen weichen Trab. Sie ritt einige Runden um das Haus. Ihre Eltern hatten sie bei ihrem Versuch beobachtet und waren nicht sehr überrascht darüber, dass sie im Sattel blieb. Sie konnte schon sehr früh laufen und auch andere Sachen, wie lesen, schreiben und Bogenschießen, lernte sie schnell. Alles was Anita anfing wurde gut. Alles? Nein nicht alles gelang ihr. Wenn sie versuchte zu kochen, war es manchmal sogar ungenießbar. Es wollte ihr einfach nicht gelingen. Lächelnd sahen ihre Eltern zu ihrer Tochter auf, als diese vor ihnen hielt. „Darf ich noch zum Strand reiten?“ „Ja geh nur, sei vorsichtig meine Süße.“ „Ja Ma. Bis später.“ Und dann lehnte sie sich vor und galoppierte Richtung Dorf. Erst langsam doch dann wurden sie immer schneller. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht und beim Durchqueren des Dorfes, sahen ihr einige Leute verwundert nach. Sie flogen am Wald vorbei Richtung Strand. Endlich am Meer angekommen, jagten die beiden durch das seichte Wasser. Am Ende des Strands blieben sie erschöpft stehen und Anita legte sich auf den Hals der Stute. „Weißt du was, meine Süße. Ich hab einen Namen für dich gefunden. Du bist stark, wunderschön und lässt dich von niemand mit Gewalt beherrschen. Ab heute nenne ich dich Seewave.“ Und wie zur Bestätigung wieherte die Stute laut.
Anita beugte sich vor und streichelte ihrer Freundin über den sanft gebogenen Hals. Seit damals sind gut 5 Jahre vergangen. Langsam ritt sie weiter. Als sie sich an den ersten Ritt erinnerte, stahl sich wieder ein verträumtes Lächeln auf ihr Gesicht. Sie ritt durch den dunkelsten Teil des Waldes. Hier hatte Anita immer das Gefühl beobachtet zu werden. Doch egal wie oft sie es versucht hatte, sie konnte nichts entdecken. Endlich waren sie beim verborgenen Eingang angekommen. Als sie Seewave aufs Plateau hinausführte, atmete sie erleichtert aus. Von hier hatte man eine sensationelle Aussicht. Die hohen Wellen brachen sich an den Klippen, in denen Vögel nisteten. Der ganze Vorsprung war überwuchert von saftigem Gras und am hinteren Ende gab es sogar eine kleine Quelle. Fast der ganze Vorsprung war mit Fels umgeben und es gab nur einen Zugang. Im laufe der Zeit haben sich ein paar Beerensträucher hier angepflanzt und ungefähr in der Mitte stand ein sehr alter und großer Baum. Da es zurzeit schon Frühling war, trug er schon ein dichtes Blätterdach. Schnell wurde Seewave ab gesattelt und sämtliche Sachen landeten unter dem Baum. Anita ging zum Rand des Vorsprungs und setzte sich. Ihre Beine ließ sie baumeln. Sie liebte diesen Ort. Diesen Platz fand sie damals, als sie mit Seewave die Insel erkundete. Es war reiner Zufall gewesen. Währen nicht plötzlich aus dem Gestrüpp zwei Rehe gesprungen und sie nicht so neugierig gewesen, hätte sie diesen Platz nie gefunden. Langsam wurde sie etwas hungrig. Wollen wir mal sehen, was Ma mir so alles eingepackt hat.“ Mit einer fließenden Bewegung stand sie auf und ging unter den Baum, wo sie ihre Sachen abgelegt hatte. Als sie die Satteltasche öffnete, kamen nach und nach ein paar Äpfel, ein Stück Käse und ein halbes Leib Brot zum Vorschein. „Schade kein Fleisch. Aber das können wir ja ändern.“ Sie nahm alle Sachen auf und ging Richtung Quelle. Direkt neben der Quelle wuchs ein großer Strauch, der im Sommer Nüsse trug. Mit etwas Mühe ging sie hinter ihn und verschwand in einer schmalen Öffnung in der Felswand. Die Höhle, die sie betrat, war gut 2 Schritte hoch und 5 Schritte lang. Von der Form her erinnert sie an einen Tropfen. Vorne war sie klein und wurde nach hinten größer. Am hinteren Ende, das so ca. 4 Schritte in der breit misst, hatte sie es sich bequem gemacht. In der linken Ecke hatte sie ein paar Felle und Decken ausgelegt. Auf der anderen Seite befanden sich ein kleiner Tisch und eine Feuerstelle, über der sich ein kleines Loch im Fels befand. Diese Höhle fand sie erst im letzten Jahr. Anita ging auf die Feuerstelle zu. Auf einem Vorsprung im Fels fand sie ihren Feuerstein, einen Becher und noch ihr zweites Essmesser. Dann besah sie sich ihren Holzvorrat. Holz und Zunder waren noch reichlich vorhanden. Anita ging zurück zum Eingang. Dort angekommen wandte sie sich der linken Seite zu, denn dort befand sich eine Nische. Daraus brachte sie einen Bogen, einen Beutel mit Sehnen und einen Köcher mit Pfeilen zum Vorschein. Als sie noch mal hineingriff, förderte sie noch einen wunderschönen geschwungenen Dolch ans Licht. „Den las ich besser hier.“ Und mit diesen Worten legte sie ihn zurück. Sie nahm den Bogen und die restlichen Sachen auf und verließ ihre Höhle. Unter dem großen Baum setzte sie sich in den Schatten und untersuchte den Bogen und die Pfeile auf Beschädigungen. Sie fand nur an einem Pfeil Spuren von einer Maus. Es hat ihr anscheinend nicht geschmeckt. Sie suchte sich eine Sehne aus dem Beutel und spannte ihren Bogen. Es war ein wundervoller Bogen. Sie bekam ihn von einem sehr alten Reisenden der vor 6 Jahren an der Insel haltmachte. Er hatte sie damals beim Training mit einem Jäger gesehen und war sehr beeindruckt von ihrem Talent. Doch er sah auch, dass sie mit einem Lehrmeister, der mehr Erfahrung hatte, besser und schneller lernen konnte. Damals nahm er seine Sachen und ging von Board. Er näherte sich den beiden und setzte in der Nähe nieder. Seinem geschulten Auge entging nichts. Irgendwann sahen die Beiden ihn und wurden neugierig. Besonders Anita ging offen auf den fremden Mann zu und setzte sich neben ihn. „Wer sind sie?“ „Mein Name ist Haestan Isgrimnur.“ „Was wollen sie hier Herr Isgrimnur.“ Diesmal war es der junge Jäger, der die Frage stellte. Ich habe euch beobachtet und ich finde, dass das Talent dieser jungen Dame einfach bemerkenswert ist.“ „Haben sie denn Ahnung vom Bogenschießen?“ „Ob ich Ahnung hab? Ich zeig euch was.“ Er stand auf und zog einen Reiterbogen aus seinen Sack. Schnell spannte er ihn und schoss sofort auf ihre provisorische Zielscheibe. Beim näher gehen sahen die Beiden, das der Pfeil auf dieser großen Entfernung trotzdem die Mitte getroffen hatte. Anita und der junge Jäger waren sehr beeindruckt. Am nächsten Tag begann Haestan damit, alle die es wollten, zu unterrichten. Doch sein besonderes Augenmerk viel auf Anita, die sich schnell mit ihm anfreundete. Sie lernte schnell und war auf dem Weg, besser zu werden als Haestan. Doch dann passierte etwas, mit dem keiner rechnete. Anita war wieder mal auf den Weg, um Haestan bei Ohm, bei dem er unter gekommen war, abzuholen. Seit ein paar Tagen fühlte er sich immer müde und sie machte sich Sorgen. Als sie das Haus vom alten Ohm betrat, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Ohm trat auf sie zu und nahm sie in den Arm. „Es tut mir Leid meine Kleine. Er ist letzte Nacht gestorben.“ Anita nickte nur und sie wollte gerade das Haus verlassen, als Ohm sie zurück hielt. „Warte Anita. Sieh, er war schon fast 70. Ich habe oft mit ihm gesprochen und er wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Aber er hat mir immer wieder gesagt, dass du seinen Bogen kriegen sollst.“ Mit diesen Worten gab er ihr den schwarzen wunderschön verzierten Reiterbogen. Sanft fuhr sie, genau wie damals, über das schwarze verzierte Holz. Mit einem Seufzen stand sie auf und streichelte ihrer Freundin über den Hals. Sie hängte sich den Köcher und den Bogen über die Schulter und verließ mit Seewave den Vorsprung. Kaum hatte sie den engen Durchgang durchquert, schwang sie sich auf ihren Rücken und verschwand im Wald.
Djego hatte hart geschuftet, aber er hatte es geschafft. Es war kurz nach Mittag und das komplette Feld war fertig. Seine Muskeln schmerzten, doch er ignorierte das. Schnell sammelte er alles, was er heute Morgen mit aufs Feld genommen hatte auf und marschierte zurück ins Dorf. Auf dem Weg durchs Dorf sah er Karina, die sich, wie immer, vor der Arbeit drückte. Sie sah ihn wieder mit diesem Blick an, den er nicht leiden konnte. Damals, als er entschied hier zu bleiben, schmiss sie sich sofort an seinen Hals. Sie war etwas älter als er, doch das war ja nicht schlimm. Auch ihr Aussehen war mehr als anziehend. Mit ihrem langen schwarzen Haar und ihrer blassen Haut sah sie einfach märchenhaft aus. Sie war sehr schlank, anders als Anita, die viel weiblichere Rundungen hatte. Wenn man in ihr Gesicht sah, konnte man kaum glauben, dass sie der Teufel in Person war. Ihre Gesichtszüge waren eher zart und ihr blutroter Mund war einfach verführerisch. Zwischen ihren langen Wimpern schimmerten einem ihre schwarzen eiskalten Augen entgegen. Damals hatte er schon nach wenigen Tagen gemerkt, was sie für eine falsche Schlange war. Sie ging nur nach dem Äußeren und wo sie nur konnte, versuchte sie Vorteile für sich raus zuschlagen. Dabei schreckte sie vor nichts zurück. Schnell ging er an ihr vorbei und nickte ihr nur zu. Am Haus angekommen packte er die Sachen weg und schnappte sich Seife und ein Handtuch. Als er gerade aus der Tür treten wollte, wäre er beinahe mit Bella zusammen gestoßen. Sie trug ein schweres Bündel Brennholz auf den Rücken, den er ihr sofort abnahm. „Das ist doch zu schwer für dich. Las mich das tragen.“ „Ah danke Djego. Wo willst du den hin?“ „Nur kurz zum See. Das Feld ist fertig und nun ist ein Bad nötig.“ „Na dann geh mal mein Junge.“ „Ok bis später.“ Und mit einem Lächeln im Gesicht verschwand er im Wald. Auf dem Weg zum kleinen See, kam Djego an einer Hütte vorbei. Eigentlich war es keine richtige Hütte, sondern eher ein Unterstand. Bevor er weiter ging, lugte er schnell hinein. Er hatte Glück, zu dieser Zeit, war anscheinend noch niemand am baden. Es hing keine der beiden unterschiedlichen Stoffstreifen an der Wand. Er öffnete die Holzkiste, nahm den blau eingefärbten Streifen hinaus und befestigte ihn an einem Hacken an der Wand. Würde der rote Streifen an der Wand hängen, hätte er wieder umdrehen müssen, denn der steht dafür, dass Frauen im See baden. Dann war es Männern verboten, weiter zu gehen. Kurz folgte er noch den Weg, dann trat er auf eine Lichtung. Jedes mal, wenn er wieder mal hier hinkam, verschlug es ihm die Sprache. Die Sonnenstrahlen spiegelten sich auf dem klaren Wasser und der Wasserfall schimmerte in allen Regenbogenfarben. Das Gras, was am Ufer wuchs war saftig und in den Bäumen sangen viele Vögel. Das kühle Nass, lud ihn förmlich ein, einfach hinein zu springen. Schnell entledigte er sich seiner Sachen und sah sie mit zusammen zusammengekniffenen Augen an. Sie hatten eine Wäsche genauso nötig, wie er selbst. Er ging zu einem Trog, der für so was bereitstand und füllte ihn mit Hilfe des daneben stehenden Eimers. Mit der mitgebrachten Seife, reinigte er seine Sachen und hing sie zum trocknen über einen nahen Ast. Danach sprang er direkt in das glitzernde Nass.
Als Djego das Dorf nach einiger Zeit wieder betrat, bot sich ihm ein schrecklicher Anblick. Sie wurden angegriffen und es lagen schon viele Dorfbewohner verletzt oder tot am Boden. Die restlichen Bewohner, fast alles nur Frauen, wurden Richtung Brunnen zusammengetrieben. Schnell bückte sich Djego, um den Toten vor seinen Füßen, die Axt aus der Hand zu nehmen. Es war eine große und schwere Axt, doch für ihn war sie federleicht. Beim Aufstehen streifte sein Blick das Gesicht des Mannes und für einen Moment, glaubte er, sein Herz würde stehen bleiben. Mit offenem Mund lag Anitas Vater vor ihm und blickte mit matten Augen in die Ferne. Ein schwarzer Pfeil steckte in seinem Herz. Im blieb keine Zeit ihn zu betrauern, denn die Krieger hatten ihn schon bemerkt und griffen an. Wie beim Holzhacken stellte er sich breitbeinig hin und beugte leicht die Knie. Als der erste Angreifer ihn erreichte, schwang er seine Axt und spaltete ihm den Schädel. Auch die nächsten zwei, rannten förmlich in den Tot. Doch die Folgenden waren schwerer um die Ecke zu bringen. Da die Sonne immer noch mit voller Stärke schien, lief nicht nur Djego der Schweiß am Körper hinunter. Gerade schlug er den 7 Krieger tot, als er einen stechenden Schmerz in der rechten Schulter spürte und kurz darauf auch im linken Bein. Mit Mühe konnte er sich gerade noch aufrecht halten, doch mit einem Sperr wurde ihm in die Kniekehlen geschlagen, so dass er zusammen sackte. Starke Hände zerrten ihn auf die Beine und schleiften ihn Richtung Brunnen, wo er achtlos wieder zu Boden geworfen wurde. Als er aufkam, brachen die Pfeile ab und er konnte ein qualvolles Stöhnen nicht Unterdrücken. Er hielt die Augen geschlossen und atmete schwer. Hinter sich konnte er das schluchzen und wimmern der Frauen hören. Auf der anderen Seite hörte er erregtes Murmeln und das nervöse Stampfen eines Pferdes. Er versank gerade in der angenehmen Ruhe der Bewusstlosigkeit, als über ihm ein Eimer mit eiskaltem Wasser geleert wurde und ihn zwei Männer wieder in die Höhe rissen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht öffnete er seine Augen. Vor ihm, saß einer der Krieger, im Sattel eines muskulösen Hengstes und betrachtete ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Ich hab mich wohl geirrt. Dieses Dorf war doch nicht so hilflos. Ihr habt einige meiner Männer getötet und das ist nicht leicht. Aber sie haben euch auch unterschätzt. Ihr seid wirklich sehr stark.“ Geschmeidig stieg er aus dem Sattel und trat vor Djego, der in mit zornigen Augen ansah. „Warum greift ihr unser Dorf an. Wir besitzen nicht viel, also was wollt ihr.“ Der Reiter vor im holte aus und schlug Djego mit voller Wucht ins Gesicht. Er schmeckte Blut in seinem Mund, welches er auch gleich dem Anführer entgegen spuckte. Die Krieger die ihn fest hielten, rissen ihn zurück und so verfehlte er ihn. Stöhnend sackte er in die Knie, wurde aber sofort wieder in die Höhe gerissen. Als er wieder aufblickte sah er in das hämisch grinsende Gesicht des Reiters. Dieser kam langsam auf ihn zu und griff nach dem Pfeil in seiner Schulter. „Sprecht nur wenn ihr gefragt werdet, verstanden?“ Und mit einem Ruck riss er Djego den Pfeil aus der Schulter. Laut schrie er auf und ihm wurde schwarz vor Augen. Kraftlos sackte er zusammen. Er spürte, wie das warme Blut seinen Rücken hinunter floss. Als er etwas den Blick hob sah er in das immer noch grinsende Gesicht des Anführers.
„So. Da wir das nun geklärt haben, hab ich noch einige Fragen. Ich suche eine kleine blaue Perle und die Familie die sie seit Jahrhunderten versteckt. Also, wer ist bereit, mir zu sagen wo ich sie finden kann. Ich weiß sie sind in diesem Dorf.“ Sein Blick schweifte umher und suchte die Gesichter der Gefangenen ab. Die Frauen klammerten sich aneinander und blickten ängstlich auf den Boden. Doch dann trafen seine Augen das Gesicht einer jungen Frau, die die ganze Zeit den Mann von vorhin anstarrte. Langsam ging er um die Gefangenen herum, die alle auf dem Boden kauerten. Als er bei der Frau ankam, bedeutete er einem seiner Männer, sie zu ihm zu bringen. Als die großen Hände sie packten, war sie etwas überrascht, doch werte sie sich nicht. Nicht ein Ton kam ihr über die wunderschönen blutroten Lippen. Als sie vor ihm stand, sah er erst wie schön sie war. Sie war schlank und hatte dennoch einen vollen wohlgeformten Busen, der leicht bebte. Ihre Haut war hell und es schien als würde sie in der Sonne leuchten. Ihre langen schwarzen, leicht gewellten Haare umrahmten ein engelsgleiches Gesicht, aus dem ihm zwei, von langen Wimpern umgebenen, dunkelbraunen, fast schwarze Augen entgegen funkelten. „Na, na. Wollt ihr mich mit eurem Blick töten. Euch hat nicht gefallen, was ich mit diesem Mann getan hab, oder?“ Ohne ein weiteres Wort, ging er zurück zu Djego, der immer noch von seinen Männern aufrecht gehalten wurde. Auf ein Nicken brachte der Krieger Karina näher heran. „So du wirst mir jetzt ein bissen was erzählen, meine Schöne.“ Giftig sah sie ihn an. „Wieso sollte ich das tun.“ Ihre Stimme war eisig und zitterte leicht. Ihm gefiel das. „Ganz einfach. Wenn du dich weigerst, wird er leiden.“ Und mit diesen Worten ließ er Djego auf den Boden werfen und sich eine mehrschwänzige Peitsche geben. Langsam ließ er sie durch seine Hand gleiten und spürte die kleinen messerscharfen Steine, die mit eingearbeitet wurden. Er holte aus und ließ sie auf den Rücken des Mannes nieder gehen. Man konnte hören, wie das Hemd und die Haut zerrissen wurden. Djego bäumte sich vor Schmerz auf und sein Schrei übertönte das Weinen der Frauen. Er wollte fort von dem Schmerz und versuchte davon zu kriechen. Doch weit kam er nicht, da zwei scharfe Sperrspitzen an seinem Hals, ihn aufhielten. Karina sah den Anführer erschrocken an. Dieser holte schon wieder aus und ein weiterer Schrei erklang. Sie fing an zu zittern, das sah er aus dem Augenwinkel. Als er das dritte mal ausholen wollte, vernahm er ein leises Flüstern. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er die Frau an. „Was habt ihr gesagt meine Schönheit.“ „Bitte hört auf.“ „Ah, wollt ihr jetzt doch mit mir reden.“ Langsam nickte sie. „Also weiß du wer die Perle im Moment hat und wo ich sie finde?“ „Ja.“ „Und weiter?“ „Die Perle ist in einer Kette eingearbeitet und die trägt gerade …“ „KARINA SAG ES NICHT!“ Djego versuchte sich aufzurichten und starte sie wütend an. „Ich versuche dir zu Helfen.“ „AUF DEINE HILFE VERZICHTE ICH. LAS SIE DA RAUS.“ Djego wurde mit einem Tritt zum schweigen gebracht. Auch eine andere Person war aufgesprungen und funkelte sie wütend an. „Wag es ja nicht. Du warst schon immer eifersüchtig auf sie. Lass sie in Frieden.“ „Bringt die Frau hier her.“ Dann drehte der Anführer sich wieder Karina zu. „Wer ist das.“ Karina sah mit ihren kalten Augen die Frau an. „Sie ist ihre Mutter.“ „Du falsche Schlange“ zischte Anitas Mutter. Traurig blickte sie auf Djego. „Ah wunderbar. Da haben wir ja schon den Menschen, der die Perle benutzen kann. Fesselt sie und bewacht sie gut.“ In dem Moment, riss Anitas Mutter sich los und bekam den Dolch ihres Bewachers in die Finger. Zitternd ging Anitas Mutter rückwärts und funkelte Karina an. „Ihr werdet meine Tochter niemals kriegen, sie ist viel zu schlau für euch und außer ihr, gibt es nur noch mich als weiblichen Nachfahren.“ Und mehr zu sich selbst, als zu jemand anderen, flüsterte sie noch: „Ich wünsche dir alles gut, meine starke Tochter. Mein Liebster ich komme zu dir.“ „Schnell haltet sie auf.“ Doch sie kamen zu spät, denn mit ihren letzten Worten rammte sie sich den Dolch ins Herz. Mit einem Lächeln im Gesicht, sank sie tot zu Boden. „NEIN!“ Der Anführer war außer sich vor Wut und schlug mit der Peitsche auf den Besitzer des Dolches ein. Erst als er sich nicht mehr rührte, wendete er sich wieder Karina zu. Als er vor ihr stehen blieb, wich sie etwas zurück. „So meine Schöne, wo waren wir stehen geblieben.“ Seine Stimme war nur ein flüstern, aber die Gefahr, die von ihm ausging, schwang in der Stimme mit. „Die Kette trägt Anita. Sie ist heute Morgen ausgeritten. Ich weiß allerdings nicht wo sie im Moment ist und wann sie wieder kommt.“ Der Reiter ging nah an ihr Gesicht ran. „Ist das alles oder verschweigt ihr mir was?“ „Nein, ich schwöre, dass ich alles gesagt habe, was ich weiß. Von mir aus kann dieses Weib verrotten.“ Karinas Augen funkelten böse. „Dein Blick gefällt mir.“ Der Blick, den er erwiderte, ließ einen Schauer über ihren Rücken jagen. Es war ihr aber nicht unangenehm. Ein zarter roter Hauch legte sich auf ihrem Gesicht und ließ sie zu Boden blicken. „Bindet die jungen Frauen zusammen, die nehmen wir mit. Die Alten und Verletzten sperrt in eine Hütte, die sind wertlos.“ Als der Soldat Karina zu den anderen Frauen bringen wollte, hielt ihn der Anführer zurück. „Sie nicht, sie bleibt bei mir!“ Mit einem Nicken ließ der Soldat sie los und half den Anderen die Frauen zusammen zubinden. „So meine Schöne. Ihr werdet mit mir reiten. Wenn ihr Probleme macht, landet ihr bei den anderen verstanden?“ Sie sah ihm in die Augen und nickte dann leicht. „Gut. Wollt ihr noch etwas mitnehmen. Vielleicht ein paar eurer Sachen?“ Wieder wollte sie nicken, doch dann sah sie ihm in die Augen und war verwirrt. „Warum seid ihr so nett zu mir?“ Er trat etwas näher zu ihr und hielt sie mit seinen grauen Augen gefangen. „Ihr gefallt mir.“ Wieder stieg ihr eine sanfte röte ins Gesicht. „Ich werde euch einen meiner Männer mitgeben, aber übertreibe es nicht mit dem Gepäck.“ Auf ein Rufen war sofort ein großer Krieger bei ihnen und begleitete sie zu ihrem Haus. Dort schnappte sie sich zwei Satteltaschen und stopfte sie mit Kleidung, Bürste, Seife und allen anderen Kram voll. Dann nahm sie ihr Reisekleid und wollte sich umziehen. „Verzeiht, kann ich mich umziehen?“ Der Krieger nickte nur und deutete hinter eine Stoffwand, hinter der sie auch gleich verschwand. Schnell zog sie das weinrote Kleid an. Es war aus sehr robustem Stoff genäht und so dick, das sie in der Nacht nicht frieren würde. Das Kleid hatte einen schwarzen Unterrock, den man vorne in einem Spalt des Oberkleides sehen konnte. Um die Hüften, band sie sich den passenden schwarzen Gürtel um. Dann trat sie wieder hinter der Wand hervor. „So ich glaub ich hab alles.“ Zu guter Letzt, schmiss sie sich den ebenfalls schwarzen Umhang um und trat wieder in den Wohnraum. Die beiden Satteltaschen lagen schon in der nähe der Tür. Der Soldat drängte etwas zur Eile und so griff sie schnell noch nach ihrem Hüftbeutel, wo sie noch Äpfel und Dörrfleisch hinein schmiss. Beim Hinausgehen schnappte sie sich noch den vollen Wasserschlauch an der Tür und schmiss ihn sich über die Schulter. Der Soldat trug währen dessen die Satteltaschen. Wieder beim Brunnen angekommen, band man die Taschen bei zwei Kriegern auf die Pferde. Langsam ging sie auf den Anführer zu, der sie von oben bis unten musterte. „Ihr seid eine wahre Augenweide. Da hat sich das Warten gelohnt.“ Als sie bei ihm angekommen war, hob er sie auf seinen Hengst und schwang sich hinter ihr in den Sattel. „Los Aufbruch. Goran du suchst mit deinen Männern den Wald nach diesem Weib ab. Finde sie und bring sie mir lebend.“ „Ja Herr.“ Und mit diesen Worten galoppierte, die Hälfte der Männer, in den Wald. Karina sah sich um. Überall im Dorf lagen Leichen und der Sand hatte, fast überall, eine rote Färbung. Einige Häuser waren niedergebrannt worden und rauchten noch. Als ihr Blick den Brunnen streifte, hielt sie die Luft an. Man hatte Djego mit den Händen an den Holzrahmen gebunden und ihm danach die Beine gebrochen. Seine Verletzungen sahen schlimm aus und sie glaubte, er würde das nicht Überleben. Sie wollte schon den Anführer bitten, ihn zu erlösen, doch da blickte Djego auf und sah sie hasserfüllt an. Sie spürte wie sein Blick ihr Herz durchbohrte und jede Empfindung für ihn verschwinden ließ. Sie wendete den Blick ab und sah zu Boden. Das Pferd setzte sich in Bewegung. Als sie den Wald erreichten, blickte sie sich noch mal um. Sie ritten vorne und wurden von beiden Seiten flankiert. Hinter ihnen waren zwei Reihen von je vier Reitern. Darauf folgten die Frauen aus dem Dorf, die von Kriegern umzingelt waren. Es waren immer noch viele Krieger, obwohl sie sich aufgeteilt hatten. Als eine der Frauen sie anblickte, schüttelte es sie. Kurz darauf, spürte sie den warmen Atem des Anführers an ihrem Hals. Dann erklang ein Flüstern was so sanft war, das es ihr wieder ein Schauer über ihren Rücken lief. „Diese Frauen werden uns nicht lange begleiten. Hier in der Nähe gibt es ein Dorf, wo wir sie loswerden könne. Wir werden es noch heute erreichen. Also seid unbesorgt meine Schönheit.“ Karina sah etwas auf und ihr Blick traf sich mit seinem. „Darf ich euch was fragen?“ Ihre Stimme war so leise, das er sie kaum hören konnte. „Fragt und ihr werdet sehen, ob ich antworte.“ Karina schluckte schwer. „Was geschieht jetzt mit mir?“ Nach kurzem zögern antwortete er ihr. „Ihr werdet mich zu meinem Reich begleiten und dort sehen wir weiter.“ „Darf ich vielleicht euren Namen erfahren.“ „Nur wenn ich auch den eueren erfahre.“ „Karina Morgana Terwinge“ „Ich bin Dainreth Kalaran, meine wunderschöne Karina.“ Karina wurde schnell müde. Das gleichmäßige sanfte schaukeln und der warme Körper hinter ihr, halfen auch nicht gerade dabei, wach zu bleiben. Nach zwei Stunden war sie eingeschlafen. Als sie zur Abenddämmerung das Dorf erreichten, schlief sie immer noch tief und fest. Sie bekam nicht mit, wie die Frauen von Sklavenhändlern entgegen genommen wurden und auf Gitterkäfige verteilt wurden. Einer der Krieger nahm 2 Beutel Gold entgegen und reichte es an den Anführer weiter. Dieser nickte nur, um Karina nicht aufzuwecken und kurz darauf ritten sie wieder weiter. Erst als sie einen guten Abstand zum Dorf hatten, wurde ein Lager aufgeschlagen. Vorsichtig wurde Karina vom Pferd gehoben und auf ein vorbereitetes Fell gelegt. Kurz wurde sie wach, aber sie murmelte nur etwas Unverständliches und als eine Decke über sie gelegt wurde schlief sie einfach weiter.
Anita hatte Glück gehabt bei ihrer Jagt. Vor ihr, über den Wiederriss von Seewave, lag ein großes Reh und hinter ihr hingen, je zu beiden Seiten zwei Hasen hinunter. Sie freute sich schon auf das Fest heute Abend. Djego hatte ihr schon vor Tagen was Besonderes versprochen. Als sie aus dem Wald ritt, blieb sie geschockt stehen. Was war mit ihrem Dorf passiert. Schnell ließ Anita Seewave an galoppieren und raste zum Dorfplatz. Was sie sah, ließ ihr die Tränen in die Augen schießen. Überall sah sie den Tod. Langsam ritt sie auf den Platz. Als ihr Blick den Brunnen streifte, stieß sie einen Schrei aus. Hastig sprang sie von Seewave und rannte zu der Person, die Dort hing. Zitternd blieb sie vor ihm stehen und nahm das blutige und geschwollene Gesicht zwischen ihre zarten Hände. Stöhnend öffnete Djego seine Augen. Anita erschrak, denn sie besaßen kaum noch Glanz. Sie waren schon ganz matt und man konnte sehen, wie das Leben aus ihnen wich. Djego versuchte etwas zu sagen, aber es war nur ein Flüstern. Anita drehte ihm ihr Ohr hin und jetzt verstand sie, was er sagte. „Oh mein Engel, mein letzter Wunsch wurde erfüllt. Einmal noch deine Wunderschöne Gestalt zu sehen.“ Ein Hustenanfall schüttelte ihn. „Mein Engel sie suchen dich und deine Kette. Ich weiß nicht warum, aber du bist in Gefahr.“ Als er schwieg dachte sie schon er wäre tot, doch dann stöhnte er noch einmal auf. „Anita, ein paar Dorfbewohner sind bei Mino eingesperrt. Hilf ihnen und flieh dann. Sie sind hier im Wald. Es sind sehr viele.“ Wieder hustete er und diesmal lief ihm Blut aus dem Mundwinkel. Anita liefen heiße Tränen der Verzweiflung die Wangen hinunter. Langsam zog sie das kleine Messer, was sie immer an ihrem Knöchel trug und schnitt seine Fesseln durch. Kraftlos sackte er zusammen und fiel in ihre Arme. Gemeinsam sackten sie zu Boden und Anita bettete seinen Kopf auf ihren Schoß. Djego atmete immer flacher und sein Stöhnen wurde immer leiser. Zärtlich strich sie ihm einige seiner Haare aus dem Gesicht und ihre Tränen vielen auf seine blutverschmierte Haut. Mühsam öffnete Djego noch einmal seine Augen. „Weine nicht mein Engel. Meine Liebe gehört für immer dir. Ich werde immer bei dir sein. Ich liebe dich.“ Anita musste schwer schlucken, doch dann beugte sie sich über in. Ihr Stimme war nur ein flüstern doch Djego verstand jedes einzelne Wort, weil er mit seinem Herz hörte. „Ich liebe dich auch.“ Ihre Kette leuchtete einmal stark auf und beide wurden von einem bläulichen Licht umgeben. Sie beugte sich zu ihm hinab und gab ihm ihren letzten gemeinsamen Kuss. Als sie sich wieder aufrichtete war Djego tot. Tränen liefen ungehindert ihr Gesicht hinab. Sie wollte nichts mehr sehen, denn sie wusste wenn sie sich umsehen würde, bricht ihr Herz noch mehr entzwei. Mühsam erhob sie sich und schwankte wie in Trance in die Richtung, die Djego ihr genannt hatte. Seewave schritt langsam neben ihr her. Endlich angekommen machte sie sich daran, die blockierte Tür frei zu räumen. Mit Seewave`s Hilfe gelang es ihr auch, die vor genagelten Bretter abzureißen. Als auch das letzte Brett ab war, öffnete sie langsam die Tür. Vor ihr standen drei ältere Männer, mit Messern in den Händen und bereit sich zu verteidigen. Anita schrie erschrocken auf und stolperte rückwärts. Als Ohm das Mädchen erkannte, rannte er zu ihr und nahm sie tröstend in den Arm. Diese wiederum krallte sich in seinem Hemd fest und schluchzte Herz zerreißend. Langsam kamen auch die Anderen aus der Hütte und versammelten sich um Ohm, der versuchte Anita wieder zu beruhigen. Jetzt erst bemerkte er, dass sie voller Blut war. Besorgt schob er sie etwas von sich und sah nach ob sie verletzt war. Da er keine Wunde fand, sah er Anita an. „Anita woher ist das ganze Blut.“ Jetzt schrie sie und schnell hielt er ihr den Mund zu. Erschrocken erwachte sie aus ihrer Hysterie und starrte ihn an. „Anita, sei still, sonst hören sie dich. Von wem ist das ganze Blut?“ Tränen sammelten sich in ihren Augen, doch sie nahm ihn nur bei der Hand und führte ihn Richtung Brunnen. Kurz bevor sie ihn erreichten, ließ sie Ohm los und ging zu einem Toten und legte dessen Kopf auf ihren Schoß. Als er Djego erkannte, hörte er hinter sich ein lautes stöhnen und Maurice trat an ihm vorbei. Leise wimmernd ging er zu Anita und kniete sich neben sie. Auch ihm liefen nun Tränen über das faltige Gesicht. „Djego, mein Sohn, was haben sie dir nur angetan.“ Sanft streichelte er über die Wunde am Handgelenk, wo sich das dünne Seil ins Fleisch gegraben hatte. Ohm wendete sich den Anderen zu und sprach leise mit ihnen. Kurz darauf gingen sie zu zweit herum und sammelten die Leichen ein und legten sie nebeneinander, beim kleinen Friedhof ab. Als nur noch Djego dorthin gebracht werden musste, trugen Ohm und Maurice ihn fort und Anita ging schweigend hinter her. Als sie beim Friedhof ankamen versammelten sich alle. Einige der Überlebenden hatten schon eine Große Grube ausgehoben, wo man einige Tote nebeneinander hinein gelegt hatte. Ohm trat vor die Versammelten und blickte in die traurigen Gesichter. „Ich habe jetzt nachgezählt. Von unserem Dorf sind noch 22 Menschen hier und am leben. 26 Frauen wurden verschleppt und die restlichen Seelen weilen nicht mehr unter uns. Ich denke wir sollten so schnell wie möglich von hier verschwinden. Wenn ihr Angehörige unter den Toten hab verabschiedet euch. Die Frauen bitte ich danach, alles nützlich zusammen zu packen und drei Planwagen vor zubereiten. Die Männer bitte ich die Toten zu beerdigen. Weiß einer ob sie noch was essbares hier gelassen haben?“ Eine Greisin trat vor. „Das Essen was wir für heute Abend gemacht haben, ist komplett weg. Die Tiere haben sie in den Wald getrieben. Es sind nur noch die 3 Kaltblüter von Janus in der Scheune dahinten. Die waren zu treu und ruhig zum weglaufen.“ Langsam trat Anita vor. „Ich habe noch ein Reh und Hasen mitgebracht. Die kann ich euch gerne geben.“ Ihre Stimme klang emotionslos und nüchtern. Ihre Augen waren vom weinen gerötet und noch immer zitterten ihre Hände. „Ja, danke Anita.“ Diese nickte nur und ging dann langsam die Reihen der Toten ab. Wie sie es geahnt hatte, fand sie ihre Eltern nebeneinander liegend. Ihrem Vater hatte man den Pfeil raus gezogen und die Augen geschlossen. Ihre Mutter schien sogar zu lächeln. Ihre beiden Hände waren zusammengelegt worden. Anita kniete sich neben sie und streichelte ihr über die Wange. Sie hatte schon vorhin um ihre Eltern geweint. Als Djego in ihren Armen starb, wusste sie, dass sie auch ihre Eltern nicht lebend wieder sehen würde. Beiden gab sie noch einen Kuss auf die Stirn und ging wieder zu Djego. Neben ihm kniete noch immer Maurice. Sie hatten Djego etwas abseits abgelegt, weil sie darum gebeten hatte. Sie ließ sich neben Maurice ins Gras sinken. „Maurice, kann ich dich um etwas bitten?“ Dieser blickte mit tränennassem Gesicht auf. Auch seine Frau Bella hatte den Überfall nicht überlebt. „Ich möchte Djego etwas waschen und frische Sachen anziehen. Dafür brauch ich deine Hilfe.“ Maurice sah sie verwundert an, dann nickte er jedoch und stand auf. „Na dann komm Anita, lass uns Wasser und seine Guten Sachen hohlen.“ Nach kurzer Zeit waren sie wieder bei Djego und zogen im die restlichen Sachen aus. Nur sein Lendenschurz blieb an. Darauf bestand Anita. Vorsichtig wuschen sie ihm das ganze Blut vom Körper und als Anita seinen Rücken sah schluchzte sie laut auf. Als das Blut zum größten Teil entfernt war, trugen sie ihn ein Stück weg und wuschen ihn noch einmal. Danach wurde er abgetrocknet und wieder angekleidet. Als man Djego neben Bella und Anitas Eltern ins Grab legte, nahmen sich Maurice und Anita in den Arm und trösteten sich gegenseitig. Anita saß mit den anderen Überlebenden, vor einem kleinen Lagerfeuer. Die Stimmung war gedrückt. Der alte Ohm hatte ihr gerade erzählt, was während des Überfalls passiert ist und weswegen sie hier waren. Anita saß stumm da und starte die Kette an, die sie vor das Feuer hielt. „All das Leid, nur wegen dieser blauen Perle. Wieso?“ Anita sah Ohm fragend an. „Ich weiß es nicht mein Kind. Wir werden auf jeden Fall morgen früh von hier verschwinden. Wenn du willst, kannst du uns ja begleiten.“ „Nein, das geht nicht. Sie sind hinter mir her. Ich werde noch heute Nacht aufbrechen. Ich hab einen Platz im Wald, wo ich mich verstecken und für eine Flucht ausrüsten kann. Ich werde euch alle vermissen, doch begleiten kann ich euch nicht.“ „Das habe ich geahnt mein Kind. Aber bitte sei vorsichtig, den davon abhalten kann ich dich nicht, oder?“ „Nein Ohm. Das ist der Weg, den ich gehen muss. Ich werde mich gleich auf den Weg machen. Meine restlichen Sachen hab ich zusammen gesucht und wenn ich mich beeile werde ich morgen auch noch über die Sandverbindung gehen können.“ Langsam stand Anita auf und umarmte noch mal alle Anwesenden. Besonders Maurice hielt sie lange im Arm. „Ich werde euch alle vermissen. Lebt wohl.“ Dann schwang sie sich auf den Rücken von Seewave und trabte in den Wald hinein. Der Wald war noch unheimlicher als sonst. Die Schritte der Stute wurden von dem Waldboden gedämpft und hin und wieder schrie eine Eule durch die Finsternis. Anita hatte schon eine Gänsehaut, doch sie erreichte ihr Plateau ohne Schwierigkeiten. Sie lud sämtliche Sachen von Seewaves Rücken und verschwand in ihrer Höhle. Endlich in der vertrauten Höhle, machte sie erst einmal ein Feuer und schüttelte ihre Felle und Decken aus. Nachdem sie sich nieder gelassen hatte, brach alles über sie hinein. Ihre Eltern und Djego waren tot. Sie hatte ihr zu Hause und ihre Freunde verloren, denn sie konnte nie mehr zurück. Was soll nur aus ihr werden? Wo soll sie hin? Langsam kamen ihr die Tränen und rannten unaufhaltsam an ihrem Gesicht herunter. Sie weinte lange und merkte nicht wie sie langsam in einen unruhigen Schlaf glitt. Am nächsten Tag wurde Anita von den Vögeln geweckt. Sie fühlte sich unendlich müde und hatte tierische Kopfschmerzen. Stöhnend stand sie auf und ging nach draußen, zu ihrer Quelle. Gierig nahm sie dort ein paar Schluck Wasser zu sich und tauchte ihr Gesicht in das kleine Auffangbecken. Die angenehme Kälte brachte ihre Lebensgeister zurück und schon machte sie sich daran, die Taschen für eine lange Reise zu packen. Die meisten Sachen landeten auf den Haufen Luxus. Viele ihrer Sachen ließ sie hier, doch wusste sie, dass sie nur das notwendigste mitnehmen sollte. Zu einem zweiten Kleid, kam noch zwei Stück Seife ihre Haarbürste, zwei kleine Säckchen mit Geld, einen Wetzstein mit ihrem Essmesser, Nähzeug, Sehnen für den Bogen, ein Bürste für Seewave, zwei Leib Brot, ein großes Stück Schinken, sowie ein Stück Käse und einige Äpfel. Zu diesen Sachen kamen noch ein Paar Wintersachen, da sie nicht wusste wie lang sie Unterwegs sein würde. Es war zwar Sommer, doch der Herbst würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Dann rollte sie noch zwei Decken und ein weiches Fell auf und band sie in ein wasserfestes Leder ein. Draußen hatte sie schon Seewave geputzt und gesattelt. Nach und nach machte sie alle Sachen auf ihr fest. Der Trinkschlauch wurde wieder an dem Sattelknauf festgemacht. Die Satteltaschen band sie hinter den Sattel und darauf machte sie die Rolle mit ihren Decken fest. Zusätzlich hing sie sich noch einen Beutel über die Schulter und legte den Umhang um. Kurz hielt sie inne, da sie tief durchatmen musste, um ihr Tränen zurück zu halten. Djego hatte ihr den Umhang geschenkt. Sie vermisste ihn so sehr. Doch schnell hatte sie sich wieder unter Kontrolle. Sie war vor der Sonne aufgestanden und langsam verstummten die Morgengesänge der Vögel. Sie musste bald los. In der Höhle sah sie sich noch mal um und nahm zu guter Letzt noch den Dolch aus der Spalte. Wieder draußen, legte sie hastig den Köcher an und hing sich den Bogen um. Den Dolch hing sie sich an den Gürtel. Noch ein letztes Mal, sah sie den Vögeln an der Klippe zu, bevor sie durch den dunklen Tunnel verschwand.
Als Karina erwachte, fand sie sich auf einer großen Lichtung wieder, auf der die Krieger das Lager aufgeschlagen hatten. Langsam richtete sie sich auf und sah verschlafen in die Runde. Außer ihr waren nur die beiden Krieger am Feuer wach. Sie mussten anscheinend Wache halten. Sie stand auf und wickelte sich fester in ihren Umhang. Darauf bedacht die schlafenden Krieger nicht zu wecken, ging sie leise auf das Feuer zu. Es war noch immer dunkel und sehr frisch. Als die Krieger sie ansahen, zögerte sie und blickte zitternd auf den Boden. Einer von ihnen stand auf und ging auf sie zu. Sie wartete darauf, dass sie zurück auf ihren Platz geschickt wird und wollte sich schon wieder umdrehen, als der Krieger sie mit einer freundlichen Stimme ansprach. „Wollt ihr euch zu uns gesellen? Die Nacht ist kalt und man sieht, dass ihr zittert. Kommt ruhig näher, wir beißen nicht.“ Als sie aufblickte, sah sie in das freundliche Gesicht eines älteren Kriegers, dem eine Narbe quer über die Wange und Nase lief. Kurz zuckte sie zusammen, lächelte dann aber und nickte. Sie folgte dem Krieger und ließ sich neben ihm auf den Baumstamm, der als Bank diente, nieder. Zitternd streckte sie die Hände nach dem Feuer aus und rieb sie aneinander. Der Wind riss etwas an ihren Haaren und blies sie immer wieder Richtung Feuer. Irgendwann hatte sie genug. Sie schnappte sich ihr Haar und begann es zu einem langen dicken Zopf zu flechten. Die Männer sahen ihr dabei neugierig zu. Als sie beim Ende angekommen war, viel ihr ein, das sie gar kein Band zur Verfügung hatte. Sie schnaufte einmal sauer und wollte schon an ihren Unterrock, als ihr der alte Krieger lächelnd ein Lederband reichte. Verblüfft sah sie ihn an. „Danke aber woher wusstet ihr…?“ „Ich habe 2 jüngere Schwestern, die hatten immer dasselbe Problem.“ Er zwinkerte ihr zu und sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Dankend nahm sie ihm das Band ab und wickelte es eng um das Ende ihres Zopfes. Als sie das Haar gebändigt hatte, wendete sie sich noch einmal dem Krieger zu. „Mein Name ist Karina. Darf ich auch den eurigen erfahren?“ Der Krieger lächelte ihr entgegen und nickte. „Ich bin Teodor und mein schweigsamer Freund hier heißt Farog.“ Dieser nickte ihr, bei der Erwähnung seines Namens, kurz zu. Zufrieden drehte sie sich wieder dem Feuer zu. Nach einiger Zeit knurrte ihr Magen laut und Farog und Teodor grinsten sie an. Karina sah auf den Boden und ihre Wangen färbten sich rot. „Hast wohl etwas Hunger. Warte ich hol dir was.“ „Nein ist nicht nötig Teodor. Ich hab selber noch etwas hier.“ Fragend zog er eine Braue hoch. Karina kramte in ihrem Hüftbeutel und brachte drei Dörrfleisch streifen und drei Äpfel zum Vorschein. Sie reichte Teodor und Farog je einen Apfel und ein Stück Fleisch, die sie dankend entgegen nahmen. Genüsslich biss sie in den Apfel und verschlang ihn dann regelrecht. Auch die beiden Männer genossen den saftigen süßen Apfel. Als von ihnen nichts mehr über war kauten die drei schweigend an den Fleischstreifen rum. Als auch dieser in ihrem Magen war ging es Karina schon deutlich besser. Seufzend ließ sie sich vom Baumstamm gleiten und kuschelte sich in ihren warmen Umhang. Kurz darauf war sie schon wieder weggedämmert. Teodor wollte sie schon hochheben und wieder auf ihr Lager bringen, als sie sich nuschelnd werte. „Nein lass mich bitte bei euch bleiben. Teodor las mich hier…“ Und schon war sie wieder eingeschlafen. Teodor sah Farog fragend an, doch dieser zuckte nur mit den Schultern und stand auf um Karina noch zwei Denken von ihrem Lage zu hohlen. Teodor sah auf die schlafende Karina runter. Sie hatte ihren Kopf an sein Bein gelehnt und atmete gleichmäßig. Sie erinnerte ihn an seine Schwestern. Stark und stolz, aber dennoch so verletzlich.
Langsam und darauf bedacht keinen Lärm zu machen, ritt Anita durch den Morgendlichen Wald. Hin und wieder hörte sie in der Ferne das Wiehern eines Pferdes oder die Stimmen von Männern. Sie hatte es fast geschafft. Zwischen den Bäumen konnte sie schon den sandigen Übergang sehen. Als sie zwischen den letzten Bäumen ins Freie ritt, sah sie tiefe Wagenspuren, also hatten die letzten Dorfbewohner die Insel schon verlassen. Sie wollte gerade ins seichte Wasser reiten, als sie hinter sich einen Hornstoß hörte. Schnell sah sie über ihre Schulter und erblickte mehrere galoppierende Reiter, die auf sie zukamen. Anita lehnte sich, so weit wie es ging, nach vorne und gab Seewave die Zügel frei. Ihre Stute flog förmlich und kurze Zeit später, waren sie im gegenüberliegenden Wald verschwunden.
Seit einigen Tagen war sie nun unterwegs. Ihre Verfolger waren hartnäckig und erlaubten ihr keine langen Pausen. Seit dem Überfall waren ungefähr 8 Tage vergangen und langsam ging Anita die Kraft aus. Sie schlief fast schon im Sattel ein und auch ihre Vorräte gingen zu neige, da sie keine Zeit zu jagen hatte. Ihre Verfolgen waren zum Glück etwas zurück gefallen, und so erlaubte sie sich am Abend abzusteigen und ein Lager aufzuschlagen. Die Sonne versank langsam und es kam nur noch wenig Licht zwischen den Blättern der Bäume hindurch. Sie nahm Seewave gerade den Sattel ab, als hinter ihr ein Ast knackte. Ein ungutes Gefühl ließ sie ihren Dolch ziehen. Seewave spielte unruhig mit ihren Ohren und schabte mit ihren Vorderhuf. Schnell stellte sie sich mit dem Rücken an die Seite ihrer Freundin und starrte in die aufkommende Dunkelheit. Gleichzeitig traten fünf bewaffnete Männer hinter den Bäumen hervor. Sie war umzingelt. Panisch sah sie sich nach einem Fluchtweg um. Was sollte sie nur tun. Seewave schnaubte laut. Ja, vielleicht konnte sie mit ihr etwas Verwirrung aufkommen lassen. Die Männer kamen immer näher. In Gedanken entschuldigte sie sich bei ihrer Stute und schlug ihr, so fest sie konnte, unter den Bauch. Seewave erschrak heftig, schlug nach hinten aus und galoppierte los. Durch die entstandene Lücke, rannte Anita zwischen den fluchenden Männern hindurch. So schnell sie konnte, jagte sie durch den Wald. Hin und wieder musste sie über umgestürzte Bäume springen, was ihr aber leicht viel. In ihrer Kindheit war sie oft so durch den Wald gerannt. Die Sonne war schon ganz verschwunden und man sah kaum noch die Hand vor Augen. Hinter sich hörte sie die Männer, die anscheinend weniger geschickt den Hindernissen auswichen. Leider wurden sie deswegen nicht langsamer. Immer wieder hatte sie das Gefühl von einer Hand gestreift zu werden. Das Unterholz wurde immer dichter und deswegen folgte sie einem Weg, der von Wild geschaffen wurde. Das Geäst zerriss ihr Kleid. An den Armen und im Gesicht hatten sie schon einige Kratzer. Das Adrenalin in ihrem Blut, hatte ihr noch mal Kraft gegeben, doch die Erschöpfung machte sich langsam in ihrem Körper breit. Sie atmete stoß weise. Jeder Atemzug war eine Qual und ihre Lungen brannten. Hinter sich hörte sie die Schritte ihrer Verfolger, die schnell aufholten. Wieder riss sie sich an einem Ast den Arm auf und ihr Kleid hing schon in Fetzen an ihrem Leib. Noch einmal fragte sie sich wie es dazu kommen konnte. Plötzlich stolperte sie in der Dunkelheit über eine Wurzel und schlug hart auf. Als sie versuchte wieder aufzustehen, zog ein gewaltiger Schmerz ihr Bein hoch und sie sackte wieder auf den Boden. Die Verfolger waren schon sehr nah. Der Mond schien durch die Baumkronen und ließ die Kette um den Hals von Anita bläulich aufleuchten. Dann standen sie auch schon vor ihr. Erschöpft hob sie ihren Dolch und hielt ihn drohend in die Richtung der Krieger. Diese waren weitaus weniger aus der Puste, mussten sich aber auch kurz sammeln. Einer der Männer ging mit gezogenem Schwert auf sie zu und schlug ihr, ohne wenn und aber, den Dolch aus der Hand. Als er sie am Arm packen und hoch zerren wollte, schlug sie wild um sich. Grob drehte er ihr die Arme auf den Rücken und band sie dort mit einer Sehne zusammen. Als sie sich weiter wehren wollte, schnitt ihr die Sehne in die Handgelenke und sie merkte wie Blut an ihren Händen runter lief. Erschöpft und müde lag sie nun auf den Boden und atmete schwer. Die Männer hatten sich ebenfalls auf den Boden gesetzt und tranken gierig aus ihren Wasserschläuchen. Anita war so erschöpft das ihre Augenlider langsam nieder sanken und sie ohnmächtig wurde.
Die fünf Männer verschnauften kurz, bis der erste, ein großer breitschultriger Mann aufstand und sich streckte. Er strich mit seiner Hand einige pechschwarze, schulterlange Strähnen aus seinem Gesicht, unter der eine breite Nabe zum Vorschein kam. Sie lief ihm über die gesamte linke Gesichtshälfte. „Was wollen wir jetzt machen? Wir haben sie endlich. Zurück zum Trupp oder auf der Lichtung von vorhin, ein Lager aufschlagen?“ Jetzt standen auch die restlichen Männer wieder auf und ein drahtiger junger Mann mit kurzem schwarzem Haar antwortete ihm. „Wir könnten auf der Lichtung lagern. Dieser Wald muss sowieso durchquert werden. Wann schließen der Haupttrupp auf?“ „Ich schätze sie brauchen wenigstens 5 Tage. Dieses Weib hat uns ganz schön gefordert.“ Der Mann mit braunem kurzem Haar und einem Bogen auf den Rücken, kniete sich neben die ohnmächtige Anita. „Ja, sie hat einiges drauf. Wir hätten die Kleine beinahe zweimal verloren. Sie hatte ganz schön viel Energie. Kaum einer ist uns so lange entkommen wie sie.“ „Last uns hier keine Reden schwingen, sondern den Lagerplatz suchen und uns ausruhen. Wir haben es uns verdient.“ Der Mann mit dem Bogen auf dem Rücken erhob sich wieder. „Ich werde sehen, ob ich uns noch was zu essen besorgen kann. Wir sehen uns beim Lager.“ Und schon verschwand er in die Dunkelheit. Der bärige Krieger grummelte laut. „Na dann wollen wir mal. Haldir, du und Jarber geht schon mal vor und sucht die Stelle wo der Sattel von dem Weib liegt. Macht schon mal Feuer.“ Die Beiden angesprochenen nickten und liefen locker in den Wald. Übrig geblieben waren nur noch der große Krieger mit der breiten Narbe und einer mit langem weißen Haar. „Und wir beide Fenlas, bringen das Weib zurück. Sie mal ob du sie wach bekommst.“ Fenlas ließ sich neben Anita in die Hocke sinken und versuchte sie wachzurütteln. „Ich glaube das wird nichts, die ist völlig weggetreten. Und wie ihr rechter Knöchel aussieht, wird sie auch nicht laufen können.“ „Na dann muss ich wohl ran.“ Der breitschultrige Krieger nahm die bewusstlose Anita hoch und packte sie sich grob über die Schulter. „Sie wiegt ja fast gar nichts. Also los!“ Und schon ging Dararth in die ungefähre Richtung aus der sie gekommen waren. Als der junge Krieger ihm folgen wollte, bemerkte er den Dolch der Frau und stockte als er ihn sah. Schnell, versteckte er ihn unter seinem Hemd bevor er Dararth folgte. Er hatte ein Ahnung das die junge Frau sehr wichtig war. Er musste ihr Helfen. Irgendwie. Nach einiger Zeit sahen sie das rote Flackern eines Feuers. Schon von weiten konnten sie Haldir und Jarber am Feuer stehen sehnen. Sie schienen unruhig und ihre Augen blickten suchend in die Dunkelheit. Als Fenlas aus dem Schatten trat, hoben sie kurz ihre Schwerter, ließen sie dann aber wieder sinken. „Was ist den mit euch beiden los?“ Dararth der hinter Fenlas stehen geblieben war, sah den beiden verwundert ins Gesicht. Haldir steckte sein Schwert wieder weg und setzte sich ans Feuer. „Irgendetwas schleicht schon die ganze Zeit um uns herum.“ Wieder Knackte es in der Dunkelheit. Dararth legte Anita grob auf eine Decke und zog sein Schwert. Stöhnend öffnete diese ihre Augen und blickte sich verwirrt um. Als sie den Krieger, der ihr auch den Dolch aus den Händen geschlagen hatte, mit einem Schwert neben sich sah, stieß sie einen kleinen heiseren Schrei aus. Fast im selben Moment preschte ein schwarzer Schatten zwischen den Bäumen hervor und durchquerte das ganze Lager, bis er hinter Anita zu stehen kam. Seewave stand schützend neben ihrer Freundin und legte drohend die Ohren an. Immer wieder tänzelte sie auf den Krieger zu und wich kurz darauf zurück. Dieser blickte verwundert zwischen der Stute und der am Boden liegenden Anita hin und her. Seewave schlug mit ihren Hufen sehr nahe an Anitas Kopf auf den Boden. Doch sie sah nur dankbar zu ihrer Freundin auf und mit sehr viel Mühe schaffte sie es, sich auf zu richten. Langsam hatte Dararth genug und schritt mit dem Schwert in der Hand auf die wilde Stute zu. Als Anita das sah, blieb ihr ein Schrei im Halse stecken. Ihr Hals war trocken und so bekam sie nur ein Flüstern raus. „Tut ihr nichts, sie will mich doch nur beschützen.“ Die Männer bildeten einen Kreis um Anita und Seewave. „Macht mich los, ich kann sie beruhigen. Bitte.“ Anita liefen die Tränen am Gesicht hinunter. „Bitte, sie ist das einzige was ich noch habe. Alle anderen sind doch tot.“ Verzweifelt schluchzte sie laut. Plötzlich merkte sie eine Klinge an ihren Händen und schon vielen ihre Fesseln zu Boden. „Fenlas, was machst du da, sie wird fliehen.“ Anita spürte dicht hinter sich jemanden stehen. Zwei Hände umpackten ihre Hüften und hoben sie hoch. „Das wird sie nicht, denn sonst wird ihre Freundin sterben.“ Die Worte waren nur leise, doch Anita zweifelte nicht an ihnen. Vorsichtig belastete sie ihren schmerzenden Fuß. Sie musste sich sehr zusammenreißen, um nicht los zu schreien. Der Krieger hinter ihr ging einige Schritt zurück. Schwankend stand Anita wie ein Häuflein Elend da und versuchte sich unter Kontrolle zu bringen. Als Seewave wieder auf den bärigen Krieger zugehen wollte, steckte sie zwei Finger in den Mund und lies einen schrillen Pfiff ertönen. Seewave blieb sofort wie angewachsen stehen und blickte sich mit spielenden Ohren um. Als sie Anita sah, ließ sie ein freudiges wiehern hören und trabte auf sie zu. Vorsichtig legte die Stute ihre weichen Nüstern in die ausgestreckten Hände von Anita und ließ ein zufriedenes Schnauben ertönen. Sanft streichelte sie Seewave zwischen den Augen. Nach kurzer Zeit fingen ihre Knie an zu zittern und so blickte sie hinter sich. In einiger Entfernung, sah sie einen jungen Krieger mit weißem Haar stehen. Langsam winkte sie ihn zu sich. Zuerst zögerte er, doch dann kam er näher. Als er neben ihr stand, wurde die Stute unruhig. Wie selbstverständlich nahm Anita einfach seine Hand und hielt sie an Seewaves Nüstern. Neugierig spielte diese daraufhin mit ihren Ohren. „Ich habe euch gerade Seewave vorgestellt. Sie wird es jetzt zulassen, dass ihr sie anfasst. Dennoch seit gewarnt. Niemand außer mir kann auf ihr reiten.“ Sie ließ seine Hand wieder los und fast gleichzeitig gaben ihre Knie nach. Bevor sie jedoch ohnmächtig auf den Boden aufkommen konnte, fing Fenlas sie auf. Verwirrt sah er in ihr blasses Gesicht, doch dann besann er sich wieder und legte sie auf ein Lager. Seewave hatte alles genau beobachtet und war etwas näher getreten. Als sich jedoch die anderen Männer bewegten, legte diese sofort wieder die Ohren an. „Fenlas währst du so nett und würdest dieses Vieh irgendwo anbinden. Dann können wir uns auch wieder bewegen.“ Fenlas erhob sich, nahm den Zügeln in die Hand und führte Seewave zu einem Baum in Anitas Nähe. Kaum war die Stute angebunden, begannen die restlichen Männer damit, endlich ihr Lager aufzuschlagen. Fenlas wollte gerade mit anfassen, als sich Dararth ihm in den Weg stellte. „Warum hast du ihre Fesseln gelöst?“ Es hörte sich fast wie ein knurren an, doch Fenlas blieb ganz ruhig. „Erstens brauch sie für den weiteren Weg ein Pferd, den ich vermute ihr Knöchel ist verstaucht. Zweites wisst ihr ganz genau, das ich euch nur helfe, weil ich keine andere Wahl habe. Und drittens haben wir ihr ganzes Dorf zerstört. Da ich noch ein Herz besitze, habe ich ihr gestattet, wenigstens ihr Pferd zu retten.“ Dararth ging knurrend noch einen Schritt weiter auf Fenlas zu. „Las solche Spielchen. Ich traue dir nicht. Machst du nur eine falsche Bewegung, ist dein Lebenskristall nur noch ein Haufen Scherben. Vergiss das nicht.“ Fenlas zuckte nur mit seinen Schultern. „Ich bin für dich viel zu wertvoll. Wegen so einer Lappalie wirst du mich nicht töten. Du hattest sowieso nur Glück mich schwer verletzt zu finden, sonst hättest du nie einen von uns in deine Gewalt bekommen.“ Lässig strich er sich das weiße Haar, das ihm bis auf den Rücken viel, hinter die Ohren. Die restlichen zwei Männer, die den Streit beobachtet hatten, sogen zischend die Luft ein. Haldir und Jarber wurden von Goran dem Jagdtrupp zugeteilt, wussten also nicht das Fenlas kein Mensch war. Fenlas Ohren liefen spitz zu und da seine Haare nicht mehr ins Gesicht fielen, sah man auch wie zart seine Gesichtszüge waren. Gorans Männern war sofort klar, was Fenlas war: Ein Elb. Dararth umpackte Fenlas Hals und drückte etwas zu. „Ich kann dich jeder Zeit zerquetschen wie einen Wurm. Vergiss nie wie die ersten Wochen nach deiner Genesung ausgesehen haben.“ Und wie er sich daran erinnerte. Elben sind von Natur aus sehr stolz und ordnen sich selten Anderen unter, ausgenommen sind die Mitglieder der Herrscherfamilie der Elben. Von Menschen ließen sie sich generell nichts sagen. In den ersten Wochen, nachdem er wieder aufstehen konnte, war er nicht dazu bereit, Dararths Befehlen zu folgen. Das hatte wiederum zur Folge, dass er ihn auf grausame Art quälte. Man sah immer noch die Narben auf seinem Rücken. Leider besaß er seinen Kristall, konnte ihn also jederzeit töten. Diese Kristalle entstanden nur selten und auch nur dann, wenn bestimmte Elben viel von ihrer magischen Kraft einsetzt. Nur ein paar einzelne Elben besaßen die Macht, mit den Elementen zu sprechen und diese dann zu leiten. Es war selten und doch gab es sie. Nur etwa alle 300 Jahre wurde ein Elb mit diesen Kräften geboren, und er war einer von ihnen. Damals wurden seine drei Begleiter und er von einer großen Gruppe von Alben angegriffen. Nach und nach starben seine Freunde und er wurde so schwer verletzt, dass sie ihn einfach zum Sterben liegen ließen. Dann fand ihn Dararth und der Albtraum begann. Dararth drückte noch fester zu, was Fenlas nach Luft schnappen ließ. Langsam verschwamm seine Sicht. Mit seinen Händen umpackte er Dararths Arme und versuchte den Griff zu lockern. Doch seitdem der Kristall erschienen ist, verfügt er nicht mehr über seine ganzen Fähigkeiten. Langsam aber sicher wurde ihm schwarz vor den Augen. Als Dararth merkte wie Fenlas Griff an Kraft verlor, schleuderte er ihn an den nächsten Baum, wo dieser benommen liegen blieb. „Ich denke, dass genügt erst mal. Aber glaub mir, Morgen bekommst du wegen deinem Ungehorsam und deiner Frechheit noch eine andere Strafe. Versorge das Weibsbild, sie soll noch leben, wenn wir sie abgeben.“ Mühsam erhob sich Fenlas und seine Augen funkelten Dararth wütend hinterher, als dieser sich wieder seinem Lager zuwendete. Anita hatte alles mitbekommen. Sie war wieder etwas zu sich gekommen, als der junge Krieger Seewave angebunden hatte. In ihrem Kopf drehte sich alles und ihr Knöchel pochte wie verrückt. Bei ihrem Sturz während der Flucht, hatte sie sich beide Hände aufgeschürft und die Kratzer an ihren Armen und im Gesicht juckten wie verrückt. Im Großen und Ganzem fühlte sie sich echt beschissen. Dennoch starrte sie den jungen Krieger die ganze Zeit an. Plötzlich drehte er sich um und sah in ihre Richtung. Erschrocken zuckte sie zusammen. Während der Krieger sich die Seite hielt, kam er, Gedanken verloren, auf sie zu. Neben ihr ließ er sich zu Boden sinken und verzog kurz sein Gesicht. Die ganze Zeit merkte er nicht, wie Anita ihn anstarrte. Als sie sich etwas aufsetzen wollte, stöhnte sie leise auf, den Ihr Knöchel brannte wie Feuer. Erschrocken drehte er ihr das Gesicht zu und beide saßen sie sich stumm gegenüber. Anita fing sich am schnellsten und brachte mit brüchiger Stimme ein Flüstern zu Stande. „Danke für vorhin. Tut es sehr weh?“ Fenlas sah sie verwirrt an. „Das fragt ihr mich? Ihr habt wohl deutlich mehr mit gemacht. Ihr müsst ziemliche Schmerzen haben.“ Anita grinste ihn schief an. „Stimmt und zusätzlich bin ich auch noch müde.“ Fenlas schmunzelte und sah ihr in Augen. „Bleibt bitte auf diesem Lager liegen. Mit Bararth ist nicht zu spaßen. Es ist ihm egal ob ihr eine Frau seid oder nicht. Ich bin gleich wieder da.“ Als Fenlas sich erhob, schmerzten seine Rippen wieder. Bei der ungewollten Bekanntmachung mit dem Baum, hatte er sich anscheinend die Rippen geprellt oder sogar angebrochen. Er ging zu dem Platz, wo er seine Sachen vor einiger Zeit abgelegt hatte, den anscheinend dachte niemand daran ihm zu helfen. Mit seinem Beutel und einer Decke bepackt, ging er zu Anita und breitet seine Sachen in ihrer Nähe aus. Auf dem Feuer brachte er Wasser zum kochen und vermischte es mit zwei verschiedenen Pulver. Langsam trat er wieder auf Anita zu. Diese war wieder auf das Lager gesungen und betrachtete ihn mit müden Augen. Als er sich neben sie hin kniete, wollte sie sich wieder aufrichten, doch Fenlas ließ das nicht zu. Sanft aber bestimmt, drückte er sie wieder in ihr Lager. „Bleibt liegen. Ich werde jetzt eure Verletzungen versorgen, danach wird es euch schon etwas besser gehen.“ Anita beobachtete ihn, wie er sanft eine gelbliche Paste auf ihren Knöchel auftrug und diesen dann stramm mit einem Stoffstreifen umwickelte. Sofort setzte die Kühlende Wirkung ein und ein Seufzen entfloh ihren Lippen. Erschöpft ließ sie ihren Kopf sinken und schloss ihre Augen. Ihre Worte waren nur hauchzart, doch Fenlas hörte jedes einzelne. „Euer Name ist Fenlas nicht war. Was passiert jetzt mit mir?“ Fenlas sah in ihr erschöpftes Gesicht. Ihre Augen waren geschlossen, doch noch schlief sie nicht. Er setzte sich neben sie und reinigte ihre Kratzer im Gesicht und an den Armen. Jeden einzelnen bestrich er mit etwas von der gelben Paste. Erst als er ihre Handgelenke verband, antwortete er. „Ich kann euch leider nicht sagen was mit euch geschieht. Doch ihr sollt lebend zurück gebracht werden, und das, um jeden Preis.“ Seine Stimme klang so traurig, dass sie jetzt doch ihre Augen öffnete und ihn ansah. „Habt ihr keine Möglichkeit diesen schrecklichen Mann zu entkommen?“ „Ihr habt es mit bekommen?“ „Ja. Könnt ihr nicht irgendwie den Kristall wieder bekommen?“ „Ich hab es in der Anfangszeit oft versucht, doch die Strafen wurden mit jeden Mal schlimmer und irgendwann gab ich mich geschlagen. Zum Glück werden wir deutlich älter als ihr, also bin ich hoffentlich irgendwann wieder frei. Doch das ist jetzt unwichtig. Ihr solltet schlafen und euch ausruhen.“ Mitfühlend sah sie ihn noch mal an, dann schloss sie ihre Augen und sank langsam ins Land der Träume. Fenlas sah auf die schlafende Anita herunter. Sie war für einen Menschen sehr merkwürdig. Dass sie überhaupt so lange durchgehalten hatte, zeigte wie stark sie war. Die Schmerzen, die sie wegen ihres Knöchels hatte, mussten groß sein, doch kaum ein Schmerzenslaut verließ ihre Lippen. Was hatte noch mal die Frau im Dorf gesagt? Ihr Name ist Anita und irgendetwas von Geburtstag. Sie hat an ihrem Geburtstag nicht nur ihre Familie verloren, sondern auch noch ihr zu Hause. Sie tat ihm leid. Noch einmal dachte er an den besonderen Dolch, den er vorsorglich zwischen seinen Sachen versteckt hatte. Woher diese Menschenfrau ihn wohl hatte? Vorsichtig zog er sein Hemd aus und ließ sich auf sein Lager nieder. Er war eine sehr schwüle Nacht. Traurig sah er in den Sternenhimmel. Der Mond stand hoch über ihm und sein bleiches Licht erhellte sanft das Lager. In der Zwischenzeit war auch Elion im Lager angekommen und es hingen zwei Hasen über dem Feuer. Langsam beruhigten sich seine Gedanken und seine Augen fielen zu. Er war noch nicht ganz am schlafen, als er eine Hand an seiner Schulter spürte und seine Augen zögernd öffnete. Ein besorgtes Gesicht blickte auf ihn nieder und vorsichtig setzte er sich auf. Elion saß neben ihm und reichte ihm etwas Fleisch. „Hier, du musst was essen. Ich hab schon von Haldir gehört, was geschehen ist. Du weißt was Morgen auf dich zukommt. Warum hast du das getan?“ „Ich konnte nicht anders.“ „Trotzdem war es dumm. Wie geht es dir jetzt? Hast du schmerzen?“ „Ich glaube meine Rippen sind geprellt, aber sonst geht es mir noch gut.“ Das noch betonte er stark und kaute auf dem Fleisch herum. Nachdenklich betrachtete Elion den jungen Elb. Schon lange hatte er nicht mehr gegen Dararth gehandelt. Er kannte ihn erst ein halbes Jahr, doch hatte er schnell Freundschaft mit Fenlas geschlossen. Damals traf er auf die Beiden und schloss sich ihnen an. Bevor er mit Dararth und Fenlas umher zog, war er immer allein gewesen, und hatte sein Geld als Söldner verdient. Als er erfuhr was Fenlas war und warum er ausgerechnet mit Dararth zog, war er erst überrascht, doch dachte er sich nichts weiter dabei. Erst als er sah wie Dararth Fenlas, wie er es nannte, bestrafte, tat ihm der Elb leid. Genau so fühlte er auch für das junge Ding, das in der Nähe lag. Bedrückt sah er wieder Fenlas an. „Was meist du, wird es morgen schlimm werden?“ Fenlas blickte ihn nicht an. „Ja, das wird es. Er hatte schon lange keinen richtigen Grund mehr, mich zu bestrafen, darum wird er es morgen richtig genießen.“ Mit einem schiefen Grinsen sah er jetzt doch auf. „Ich habe etwas mehr Salbe gemacht, als ich für das Mädchen brauchte. Das wird mir schon helfen.“ Elion sah den Funken Furcht in Fenlas Augen, sagte aber nichts dazu. Langsam erhob er sich wieder. „Schlaf lieber, du wirst die Kraft Morgen brauchen.“ Fenlas nickte und sank vorsichtig wieder auf sein Lager. Er hatte kaum seine Augen geschlossen, als er auch schon weg dämmerte.
Grob wurde Fenlas aus dem Schlaf gerissen, als ihn eine große Hand am Hals packte und ihn in die Luft hob. Als sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten, blickte er in das fiese Grinsen von Dararth. „Guten morgen Fenlas. Hast du gut geschlafen?“ Der Griff um Fenlas Hals wurde stärker und verzweifelt versuchte dieser Luft zu hohlen. Dararth drückte noch einmal fest zu, bevor er ihn, wie gestern auch, an einen Baum warf. Diesmal konnte Fenlas hören, wie eine oder mehrere Rippen brachen. Sein schmerzvoller Schrei ließ Anita aus ihrem Schlaf erwachen und sich erschrocken umsehen. Sie wollte sich schon erheben, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte und herumfuhr. Erschrocken blickte sie in ein Gesicht, mit Augen, die nur Traurigkeit und Leid wieder spiegelten. „Du kannst ihm nicht helfen, niemand kann das.“ „Wieso nicht? Er hat Schmerzen.“ „Ich weiß. Viele andere haben auch schon versucht ihm zu helfen, nur sind die jetzt tot. Auch ich hab es schon versucht, doch kam ich mit einem gebrochenen Arm und mehreren gebrochenen Rippen davon. Wir können nur warten und hoffen, dass es nicht zu schlimm wird. Er wird ihn nicht töten, denn er ist zu wertvoll.“ Betrübt sah er an ihr vorbei, wo gerade Dararth dabei war, Fenlas an den Baum zu binden. Die beiden Krieger von Goran wurden heute Morgen von Dararth vorsorglich zurück zum Trupp geschickt, um ihnen den erfolgreichen Fang zu melden. Sie bekamen also diese Bestrafung nicht mit. Fenlas war benommen vom Schmerz, doch bekam er alles mit. Dararth band ihm seine Hände zusammen und schmiss dann, das andere Seilende, über einen Ast. Noch einmal grinste er, bevor er mit einem fiesen Lachen an dem Seil zog und ihn somit in die Höhe riss. Wieder stöhnte Fenlas auf, denn seine Rippen schmerzten dadurch stark. Kurz bevor er den Boden ganz unter den Füßen verlor, band Dararth das Seil fest. Fenlas blickte etwas auf und zuckte kurz zusammen als das Gesicht von Dararth direkt vor ihm war. „Na wer wird denn gleich so schreckhaft sein. Wir haben doch noch nicht mal richtig angefangen. Langsam zog er seinen Dolch aus dem Gürtel und strich mit der scharfen Klinge über Fenlas Brust. Der Schnitt der entstand war nicht sehr tief, doch sofort lief Blut heraus. Noch einige male zog Dararth das Messer über den zitternden Körper, und mit jedem Mal wurde das Stöhnen von Fenlas lauter. Anita hatte krampfhaft ihre Hände geballt und stumme Tränen rannten ihre Wangen hinunter. Als Dararth genug von dem Messer hatte nahm er eine Peitsche vom Boden auf und schlug auf den zusammen gesackten Fenlas ein. Seine Schreie zerrissen Anita das Herz und jedes Mal zuckte sie stärker zusammen. Sie zitterte wie Espenlaub und als sie auch noch anfing laut zu schluchzen, drehte die Hand auf der Schulter sie um und Anita verbarg ihr Gesicht an der Brust des Mannes hinter ihr. Erinnerungen stiegen in ihr auf und schnürten ihr ihren Hals zusammen. Sie erinnerte sich an Djego, wie er blutüberströmt am Brunnen hing und dann auf ihrem Schoß starb. Dararth schlug weiter auf Fenlas ein und summte dabei ein fröhliches Lied, während die weinende Anita sich an Elion klammerte und vor sich hin murmelte. Keiner der Anwesenden bemerkte die Gestalten, die sich im Schatten der Bäume verstecken und alles genau beobachteten. Ihre Kleidung hob sich kaum merklich von dem Hintergrund ab und ihre Bewegungen verursachten keinen einzigen Laut. Hinter den Masken funkelten mehrere Augenpaare vor Zorn. Man machte sich bereit zum Angriff. Anitas Stimme wurde immer lauter und hysterischer. Immer wieder wiederholte sie, dass er aufhören soll. Dararth fing an zu lachen und schlug noch fester auf Fenlas ein, dessen Stöhnen nur noch ein Flüstern war. Anita riss sich los und wollte sich auf Dararth stürzen, doch Elion rannte hinterher und hielt sie zurück. Sie werte sich mit ihrer ganzen Kraft und ihre Stimme wurde immer lauter. Plötzlich leuchtete ihre Kette blau auf und ihre Stimme wandelte sich in ein Brüllen, das jeden durch Mark und Beine fuhr. Ihre Stimme hatte alles Menschliche verloren und erschrocken wich Elion von ihr zurück. Mit einem tiefen Grollen, das aus ihrer Körper kam, schritt sie auf Dararth zu und dieser wich mit vor Angst geweiteten Augen zurück. Anita sah ihn mit kalten Augen an. „Gib mir den Kristall!“ Ihre Stimme war dunkel und jedes ihrer Worte klang wie das Knurren eines gefährlichen Tieres. Dararth griff an seinen Gürtel und riss einen kleinen Beutel ab. Mit zitternder Hand hielt er ihn hoch und starrte sie an. „Du Bestie willst den Kristall. Hier hast du ihn.“ Und mit voller Wucht schleuderte er den Beutel in Richtung Bäume, während er in den Wald rannte. Keiner würde den Beutel rechtzeitig abfangen können. Fenlas war verloren. Ihr Schrei halte über die kleine Lichtung und ließ die Erde erzittern.
Die Gestalten im Wald machten sich bereit und verteilten sich etwas, doch plötzlich änderte sich die Aura des Menschenmädchens und ein gewaltiges Brüllen ließ selbst beim Anführer die Nackenhaare zu Berge stehen. Neugierig, aber auch etwas verwirrt, beobachtete er das Treiben auf der Lichtung. Als er sah, wie der riesige Mensch einen Lederbeutel Richtung Baum warf, griff er ein. Mit einem Satz sprang er aus dem Schatten und fing den Beutel gerade noch rechtzeitig ab. Langsam blickte er auf und zuckte unmerklich zusammen, als er der Augen des Mädchens gewahrt wurde. Sie hatten die Farbe vom Himmel zu blauen Stunde und ihre Pupillen waren längliche leicht diagonale Streifen, fast genauso, wie bei einem Reptil. Als sie näher kam, zog er seinen Dolch und war bereit sich zu verteidigen. Nach zwei wackeligen Schritten brach sie jedoch zusammen und schlug hart auf den Boden auf. Erleichtert atmete die maskierte Gestalt aus. Wäre es zu einem Kampf gekommen, hätte es bestimmt einige Schwierigkeiten gegeben. Aus dem Augenwinkel sah er, wie drei seiner Männer den letzten Menschen entwaffneten und er sich widerstandslos auf den Boden nieder ließ. Langsam schritt er auf das Menschenmädchen zu und ging neben ihr in die Hocke. Mit einer geschmeidigen Bewegung löste er seine Gesichtsmaske und zum Vorschein kamen zarte Gesichtszüge und spitze Ohren. „Herr, seid vorsichtig. Sie ist unberechenbar. Laut Gesetz müssen wir sie töten.“ „Nein, tut ihr nichts. Ich weiß es war gerade unheimlich. Auch ich bin erschrocken und überrascht. Aber sie ist nicht gefährlich, last sie leben…“ Der Mensch war aufgesprungen und werte sich mit all seiner Kraft, um das Mädchen zu schützen. Mit einem gekonnten Schlag in den Nacken sackte er jedoch wieder zu Boden und versuchte nicht das Bewusstsein zu verlieren. Der Anführer bedeutete vier seiner Leute das Mädchen zu bewachen, während die restlichen zwei sich um den verwundeten Fenlas kümmerten. Mit federnden Schritten ging er auf den Menschen zu und blieb vor ihm stehen. Nachdem Elion einige Male tief durchgeatmet hatte, setzte er sich wackelig wieder auf und stützte seinen Kopf auf seine Hände um die hellen Punkte vor seinen Augen wieder los zu werden. Langsam merkte er, das jemand vor ihm stand und blinzelnd versuchte er was zu erkennen. Als der Nebel sich von seinen Augen löste, erkannte er sofort, dass ein Elb wie Fenlas vor ihm stand. Wieder wollte er aufstehen, doch diesmal lag sofort ein Schwert an seinen Hals und hinderte ihn daran. Wütend sah er auf und sein Blick traf auf Augen, die so grün wie saftiges Gras waren. Als der Elb anfing zu sprechen war seine Stimme beherrscht, doch konnte man die unterdrückte Wut spüren. „Weshalb begleitet euch einer unserer Brüder und wird von euch gequält?“ „Er wurde nicht von uns gequält, sondern nur von Dararth. Wie geht es ihm?“ „Ihr habt ihm vorhin nicht geholfen, warum sollte es euch jetzt interessieren wie es ihm geht?“ Wütend stand Elion auf. Es war im egal, das ihn die Klingen schnitt. „Warum ich nicht geholfen habe? Weil ich nicht sterben wollte und wusste, das Dararth Fenlas nicht töten würde. Ich hab ihn immer verarztet, wenn wieder eine so genannte Strafe auf ihn zukam. Also erzählt mir nicht, es geht mich nichts an. Er ist mein Freund.“ Seine Augen funkelten wütend. „Wer ist das Mädchen?“ Verwirrt durch den plötzlichen Themenwechsel antwortete er nicht sofort. „Das ist eine lange Geschichte. Verflucht wo ist eigentlich Dararth?“ Suchend blickte Elion sich um. „Der ist, wie es bei euch Menschen üblich ist, geflohen.“ „Wenn ich den in die Reichweite meines Bogens kriege, kann der was erleben.“ Gerade wollte der Elb dem Menschen weitere Fragen stellen, doch hinter ihm bemerkte er, das das Mädchen sich zu rühren begann.
Anita hatte das Gefühl zu schweben und um sie herum war nur die erholsame Schwärze. Plötzlich wurde sie mit voller Wucht wieder zurück gerissen. Sie spürte jeden Knochen in ihrem geschundenen Körper und in ihrem Kopf herrschte das vollkommene Chaos. Sie lag auf dem Boden und einige Steine bohrten sich schmerzhaft in ihre Seite. Stöhnend versuchte sie sich zu bewegen, doch ihre Glieder gehorchten ihr nicht. Als sich ihre Gedanken etwas beruhigt hatten, kam ihre Erinnerung wieder. Was war mit ihr geschehen? Was war mit Fenlas Kristall passiert? Lebte er noch? Es war einfach alles zu viel. Mit letzter Kraft rollte sie sich zusammen und ließ ihrer Verzweiflung freien Lauf.
Die Elben und Elion beobachten, wie Anita stöhnend versuchte sich mit geschlossenen Augen zu bewegen. Dann lag sie plötzlich ganz still. Nur ganz schwach hebte und senkte sich ihr Brustkorb. Ganz unerwartet rollte sie sich zusammen und begann unkontrolliert zu zittern und zu schluchzen. Verwirrt blickten die vier Krieger um Anita zu ihrem Anführer. Sie hatten mit Allem gerechnet, doch das zitternde zusammengerollte Mädchen, brachte sie etwas aus der Fassung. Auch Elion und der Elb sahen auf Anita hinab. Elion wendete sich an den Elb und sprach ihn leise an. „Sie hat in den letzten Tagen eine Menge mitgemacht. Bitte last mich wenigsten sie versorgen. Ich werde auch keine Probleme machen. Danach könnt ihr mir jede Frage stellen die ihr wollt.“ Der Elb spürte, dass der Mensch die Wahrheit sagte und nickte. „Last eure Schwerter sinken meine Brüder.“ Sofort verschwand der kalte Stahl von Elion`s Hals. Dieser nickte noch einmal und ging dann langsam neben Anita in die Knie. Behutsam legte er seine Hand unter ihre Schulter und zog sie in seine Arme. Unverzüglich krallte sie sich an seinem Hemd fest und barg ihr Gesicht an seiner Brust. Seine Hand fuhr in Kreisen über ihren Rücken und mit leisen Worten versuchte er sie zu beruhigen. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie entkräftet in seinen Armen schlief und gleichmäßig atmete. Nach einer ganzen Weile ging ein Elb neben ihm in die Knie und betrachtete die schlafende Anita. Leise fing er an zu sprechen. „Mein Name ist Lamiras. Wir werden gleich aufbrechen. Dieser Ort ist nicht sicher. Ich werde kurz auf sie aufpassen, während ihr eure Sachen zusammenpackt. Die Sachen des Mädchens haben wir schon gefunden und dem Pferd geht es soweit auch gut. Leider lässt es keinen von uns näher ran um es zu satteln. Wem gehört das Tier?“ „Ihr. Wir müssen es nur losmachen, dann wird es uns folgen. Die Stute folgt ihr wie ein Hund.“ „Gut. Dann gib sie mir jetzt. Ich werde sie schon mal zu den Anderen bringen. Beeilt euch jedoch, denn es ist noch ein gutes Stück bis zum Versteck.“ Elion nickte und reichte ihm vorsichtig die schlafende Anita. Er brauchte zwei Anläufe um aufzustehen, denn seine Beine waren eingeschlafen. So schnell es ging suchte er sämtliche Sachen von Fenlas und sich zusammen. Als er endlich fertig war, hatte er zwei Taschen und drei Fellrollen zusammen gepackt. Zögerlich trat er wieder auf die Elbenkrieger zu. „Ich bin bereit.“ Zwei Krieger traten auf ihn zu und nahmen ihm sämtliche Sachen ab. Lamiras trat zu ihm und übergab die immer noch schlafende Anita. „Wenn sie euch zu schwer wird sagt mir Bescheid, dann trage ich sie noch einmal. Ich werde jetzt den Strick der Stute lösen gehen.“ Damit drehte er sich um und ging zwischen die Bäume. Nach wenigen Augenblicken trabte die schwarze Stute auf die Gruppe zu und blieb neben Elion stehen. Zärtlich stupste sie das Mädchen an, schnaubte jedoch laut, als diese nicht reagierte. „Sei nicht sauer auf deine Freundin. Sie ist nur sehr müde.“ Elion hatte sich der Stute zugewandt und diese spielte neugierig mit ihren Ohren. Bald darauf setzte sich die Gruppe in Bewegung und verschwand im dichten Wald.
Die Gruppe war schon einige Stunden unterwegs. Man hatte Elion und die Stute zwischen sich genommen und die Krieger blickten sich immer wieder wachsam um. Elion hatte schon längst die Orientierung verloren und ließ sich müde mit der Gruppe treiben. Hin und wieder stupste ihn die Stute an, als wolle sie fragen, wie es ihrer Freundin ging. Immer öfter nahm Lamiras Anita entgegen und trug sie über eine Lange Zeit. Am Morgen des nächsten Tages war Elion jedoch so erschöpft, das die Gruppe eine kurze Pause einlegte. Während der Pause trat der Anführer auf die zwei Elben zu, die Fenlas versorgten. „Wie geht es ihm?" Einer der Männer sah auf. „Seine Schulter und einige Rippen sind gebrochen und sein Rücken ist nur noch ein blutiges Stück Fleisch. Hätte dieser Mensch ihn noch länger geschlagen, hätte er es wahrscheinlich nicht überlebt. Seine Aura ist schwach und seine magischen Kräfte scheinen verschwunden zu sein." „Was meint ihr damit sie sind verschwunden?" „Das kann ich euch beantworten." Langsam drehte er sich Elion zu, der müde gegen einen Baum lehnte. „Dann sprecht." „Als Fenlas damals von Alben angegriffen wurde, überanstrengte er seine Kräfte und ein Kristall löste sich aus seinen Körper. Diesen Kristall habt ihr übrigens immer noch in eurem Besitz. Dararth fand ihn schwer verletzt und riss sich den Kristall unter den Nagel. Nachdem Fenlas wieder genesen war, musste er Dararth gehorchen, da dieser sonst den Kristall zerstörte und somit Fenlas tötete. Der Kristall beherbergt Fenlas Kraft und Magie." „Ihr sprecht von einer Legende." „Ich spreche die Wahrheit. Legt den Kristall auf seine Rücken. Äußere Verletzungen verschwinden bei der Berührung. Warum glaubt ihr, hat er keine größeren Naben. Dararth tat es jedes Mal wenn er ihn bestraft hatte. Nur innere Verletzungen wie Knochenbrüche heilen nicht." Zweifelnd blickte er zu dem Menschen und nahm den kleinen Lederbeutel, den er am Gürtel trug, und öffnete ihn vorsichtig. Als er hineinblickte verschlug es ihm die Sprache und seine Augen weiteten sich überrascht. Im Inneren befand sich ein Pfirsich großer Kristall, der in allen Regenbogenfarben schimmerte. Jetzt wo die Strahlen des Kristalls ihn erreichten spürte er eine magische Kraft. Die Geschichte des Menschen hörte sich auf einmal nicht mehr wie ein Märchen an. Wie ein rohes Ei nahm er den Kristall vorsichtig aus dem Beutel und ging neben Fenlas in die Knie. Die restlichen Krieger wichen etwas zurück und langsam strich er mit dem Kristall über Fenlas Rücken. Sofort begann sich die zerstörte Haut wieder zusammen zu ziehen und eine unverletzte mit Blut verschmierte Haut blieb zurück. „Unglaublich, alle Wunden sind verschwunden. Wenn wir unser Ziel erreicht haben habe ich einige Fragen an euch Mensch.“ Nach einer Stunde drängten die Elben wieder zum Aufbruch und schweigend folgte Elion ihnen wieder durch den immer dichter werdenden Wald. Das junge Mädchen in seinen Armen atmete gleichmäßig im Rhythmus seiner Schritte. Seit einigen Stunden liefen sie schon wieder durch den Wald und aufgrund des dichten Blätterdachs, konnte er nicht einmal grob schätzen wie spät es war. War es schon Nacht oder stand immer noch die Sonne am Himmel. Seine Kräfte ließen immer mehr nach und die meiste Zeit trug Lamiras Anita, doch blieb Elion immer in ihrer Nähe und betrachtet hin und wieder die schlafende Gestalt. Schon lange hatte er die Orientierung verloren und es war ihm mittlerweile auch egal geworden. Immer weiter sanken seine Augenlider hinab und bald lief er nur noch mechanisch hinter den vor ihm laufenden Elben hinterher. Irgendwann wurde er von einer Hand daran gehindert weiterzugehen und als er aufblickt stand er ungefähr fünf Schritte von einer senkrecht aufragenden Felswand entfernt. Sie schien aus dem Nichts gekommen zu sein. Fragend blickte er sich um und entdeckte zu seiner linken einen Elb der zwischen zwei größeren Sträuchern hervorkam. Mit federnden Schritten ging der Anführer ihrer Gruppe auf diesen zu und sprach leise mit ihm. Erschöpft ließ sich Elion einfach zu Boden sinken und schloss kurz seine Augen. Es war ihm egal, das ihn die Elben für schwach halten könnten. Schon lange fühlte er sich total erschöpft. Hätte man ihn gelassen, würde er hier vor Ort sein Lager aufschlagen und schlafen. Obwohl wofür braucht er ein Lager. Einfach nur schlafen. Er merkte kaum wie er nach hinten kippte. Als er jedoch mit seinen Kopf gegen einen nahen Baum krachte, war er sofort wieder hell wach. Fluchend setzte er sich auf und betastet vorsichtig seinen Hinterkopf. Das wird eine schöne Beule werden und die Kopfschmerzen, die er sowieso schon hatte wurden noch schlimmer. Erst als vor seinem Gesicht eine Hand auftauchte, blickte Elion müde auf. Vor ihm stand der Anführer der Gruppe, die ihn hier hin geführt hatte. Zögernd blickte er den leicht lächelnden Elben an, doch dann ließ er sich von ihm Aufhelfen. „Bald haben wir unser Ziel erreicht. Wir haben ganz vergessen, dass ihr Menschen keine so langen Märsche ohne längere Unterbrechungen unternehmt. Ihr hättet um eine Pause bitten können.“ Elion wollte gerade etwas sagen, als ein riesiges Gähnen aufstieg und ihn unterbrach. Seine Kieferknochen knackten und das Gähnen trieb ihm die Tränen in die Augen. Das Lächeln des Elb wurde eine Spur breiter. Nachdem Elion sich über das Gesicht gewischt hatte, sah er den Elb ernst an. „Sicher hätte ich was sagen können, doch wollte ich soviel Strecke wie irgend möglich zwischen uns und dieser verfluchten Lichtung bringen. Wer weiß wie lange es dauert bis der Haupttrupp dort ankommt. Auch wenn es anstrengend war, hat es sich gelohnt. Fenlas und Anita sind erst einmal aus der Reichweite von Dainreth Kalaran verschwunden. Ich hoffe einfach, das ihr mich an eurem Ziel etwas Ausruhen last.“ „Bald sollt ihr eure Ruhepause bekommen, doch habe ich auch viele Fragen und erwarte, dass ihr euer Versprechen halten werdet.“ „Ich halte immer was ich Verspreche, doch last mich erst etwas schlafen, dann sind meine Gedanken klarer.“ Zustimmend nickte der Elb. „Die Anderen sind mit Fenlas schon vorgegangen.“ Erst nach dieser Bemerkung fiel Elion auf, das außer dem Anführer nur noch Lamiras mit Anita und zwei weitere Elben bei ihm waren. Anitas treue Stute stand dicht bei ihnen und spielte neugierig mit den Ohren. Mit seinen müden Gedanken begriff Elion nicht, wo der Rest ihrer Gruppe ab geblieben war. „Wo sind denn alle hin?“ „Folgt mir einfach. Ich hoffe das Pferd geht auch hindurch.“ Und schon war der Anführer hinter dem großen Busch verschwunden. Als auch der Elb mit Anita samt Pferd verschwunden war, folgte er ihnen zögernd. Hinter dem Strauch verbarg sich ein dunkler und enger Tunnel. Mehr als einmal stieß er mit seiner Schulter gegen die Wände. Er wunderte sich, wie die Stute hier durch passen konnte. Vor sich vernahm er das Klappern der Hufe und das leise Gespräche der Elben. Am Ende des Tunnels angekommen betraten sie eine größere Höhle, in der sie von vier bewaffneten Elben erwartet wurden. Noch einmal wurde er nach Waffen durchsucht. Mittlerweile war er so müde, das er einfach nur noch seine Arme hängen ließ, während sie ihn abtasteten. Fast wäre er im stehen eingeschlafen und umgekippt, doch eine Hand an der Schulter hinderte in daran. Müde blinzelte Elion ein paarmal und sah die Hand auf seiner Schulter überrascht an. Dankbar nickte er dem Elb, neben ihm zu bevor er suchend umher blickte und den Anführer, der ihn beobachtete, an sah. „Wenn der Weg noch sehr weit ist, lasst mich einfach hier auf den Boden liegen. Weit schaffe ich es nicht mehr. Durch die Verfolgung und jetzt diesen Gewaltmarsch hab ich keine Kraft mehr übrig. Von mir aus fesselt mich und schmeißt mich in eine Ecke, Hauptsache ich kann endlich schlafen.“ „Wir haben unser Ziel schon fast erreicht. Loren stütze ihn ein wenig. Wir waren zwei Tage ununterbrochen unterwegs, also pass auf das er nicht stürzt.“ Der Elb, dessen Hand auf seiner Schulter ruhte, nickte zustimmend. An der einen Wand der Höhle wurde eine große Tür geöffnet, die den Blick in ein kleines Tal frei gab. Überall standen riesige Bäume und ein Fluss schlängelte sich durch das Tal. Doch Elion hatte keinen Blick für die Schönheit des Tals. Mit schleppenden Schritten folgte er den Elben. Immer wieder strauchelte er und wurde nur von der Hand an der Schulter daran gehindert, den Abhang an der einen Seite des Weges hinab zu stürzen. Sie waren fast unten, als ein Stein Elion ausrutschen lies und er zusammensackte. Nur die zwei starken Hände unter seinen Armen verhinderten, dass er den Rest des Weges hinab rollte.
Loren konnte gerade noch den strauchelnden Mann unter die Arme greifen, bevor der in sich zusammen sackte. Mit festem Griff packte er einen Arm und legte ihn sich um den Nacken, während er mit dem anderen Arm den erschöpften Mann um die Hüfte packte. Dieser blickte mit fast vollständig geschlossenen Augen zu ihm auf und murmelte etwas. Loren verstand kein Wort, doch konnte er sich denken was der Mann sagen wollte. Als er noch etwas fester zupackte, spürte er, dass die Muskeln vor Erschöpfung stark zitterten und nur mit Mühe hielt sich der Mann einigermaßen aufrecht. Am Ende des Weges warteten weitere Elben und begleiteten die Gruppe in den Wald hinein. Als man Elion in ein Haus brachte, waren seine Augen vollständig geschlossen und er wurde so wie er war auf ein Bett gelegt. Erst einen ganzen Tag später kam Elion wieder zu sich und blickte sich verwirrt um. In seinem Kopf herrschte das komplette Chaos und jeder Muskel in seinem Körper schmerzte auf eine bestialische Art. Mit einem Stöhnen griff er sich an den Kopf und setzte sich mühsam auf. Einige Male musste er blinzeln, bis sein Blick soweit klar wurde, dass er seine Umgebung in Augenschein nehmen konnte. Er lag auf einem weichen Bett in einem Raum, dessen weitere Möbel nur noch aus ein Stuhl und einem kleinen Tisch bestand. Durch die Fenster strahlte die Sonne herein und erhellte den kleinen Raum. Es raubte ihn eine Menge Kraft aufzustehen und erschöpft rieb er sich danach mit den Händen durchs Gesicht. Mit wenigen wackeligen Schritten ging er auf die einzige Tür zu und öffnete sie, was er jedoch sofort bereute. Kaum war die Tür offen wurde er von der Sonne so stark geblendet, das eine weitere Schmerzwelle durch seinen Kopf jagte. Stark wankend musste er sich erst einmal mit beiden Händen am Türrahmen festhalten um nicht umzufallen. Jetzt erst merkte er, dass anscheinend auch seine verletzte Schulter wieder Probleme machte. Diese Wunde hatte er Dararth zu verdanken, der ihn Bestrafen wollte. Aber jetzt brauchte er erst einmal einen klaren Kopf. Vor dem Haus standen zwei Krieger, die ihn misstrauisch beobachteten. Mit wackeligen Beinen ging er auf das Glitzern des nahen Flusses zu, doch bevor er sich hinkniete blickte er über seine Schulter und sah die beiden Krieger an. „Eine Frage. Ist dieser Fluss was besonderes, oder kann ihn jeder nach Belieben nutzen?“ Etwas überrascht blickten ihn die Elben an, ehe einer von ihnen antwortete. „Dieser Fluss ist wie viele andere auch. Sein Wasser ist kalt, da es von den Bergen kommt, doch kann jeder ihn nach Belieben nutzen.“ „Genau das wollte ich hören.“ Ohne noch länger zu warten entledigte er sich mühsam seines Hemds und seiner Schuhe, um sich kurz darauf in das kühle Nass gleiten zu lassen. Das Wasser war wirklich sehr kalt, doch genoss er die betäubende Wirkung. Sofort linderte die Kälte den Schmerz in seinen geschundenen Muskeln und mit Freude nahm er war, das auch seine Kopfschmerzen leicht nachließen. Mit einem leichten Lächeln legte er sich in den seichten Bereich des Ufers und schloss seine Augen.
Loren sah sofort, dass etwas nicht stimmte, als einer der Wachen auf ihn zu gelaufen kam. Mit einem Nicken grüßte er ihn und gleich darauf erfuhr er, dass es dem Menschen anscheinend nicht gut ging. Während sie nebeneinander zum Fluss liefen, erzählte die Wache von der schlimmen Wunde an der Schulter und Loren wunderte sich etwas, denn Gestern hatte er nichts dergleichen bemerkt. Am Fluss angekommen sah er mit Schrecken, was der Krieger meinte und konnte ein leichtes Erschauern nicht unterdrücken. Dem Menschen hatte man anscheinend einen Dolch durch die Schulter getrieben und ihn danach so heftig bewegt, dass die Wundränder erweitert wurden. Die Wunde schien schon etwas geheilt gewesen zu sein, doch nun schimmerte sie in den verschiedensten Farben. Der Mensch musste sofort zu den Heilern. Mit ein paar kurzen Worten schickte er die Wache direkt weiter zu den Heilern, um ihnen die Situation zu erklären.
Elion war wohl etwas eingeschlafen, denn als eine warme Hand ihn berührte, zuckte er erschrocken zusammen. Blinzeln öffnete er seine Augen und blickte in das Gesicht des Elb, der ihn auf den Weg hierhin gestützt hatte. Dieser betrachtete seine verwundete Schulter und blickte danach in sein Gesicht. „Ihr solltet jetzt lieber wieder aus dem Wasser kommen. Ihr seid schon ganz blau und eure Wunde sollte so schnell wie möglich versorgt werden.“ Elion war nicht so begeistert darüber das kühle Nass zu verlassen, doch ergriff er die ihm gereichte Hand und ließ sich aufhelfen. Bald nachdem er aufrecht stand, kamen die Schmerzen zurück und so wankte er mit zusammengebissenen Zähnen zum Ufer und ließ sich zu Boden sinken. Loren ließ sich ebenfalls nieder und betrachtete den Menschen von der Seite. Mit geschlossenen Augen blickte der in die Sonne und ließ sich von ihr wärmen. „Wie ist euer Name Mensch?“ Nach kurzen zögern blickte Elion den Elben an. „Elion McLaos. Und wie ist euer Name Elb?“ „Man gab mir den Namen Loren.“ „Ich danke euch für eure Hilfe auf dem Weg hierher Loren. Wisst ihr was jetzt mit mir passiert? Und wie geht es Fenlas und Anita?“ „Diese Fragen solltet ihr lieber dem Prinzen stellen, doch kann ich euch beruhigen. Fenlas schwebt nicht mehr in Lebensgefahr, doch genau wie das Mädchen, ist er noch nicht wieder zu sich gekommen. Man hat viele Fragen an euch.“ „Dann sollten wir uns auf den Weg machen.“ Mühsam erhob er sich und nahm seine Sachen auf. Nach zwei Schritten schwankte er jedoch so stark, dass er nur durch den Elbenkrieger vor ihm am stürzen gehindert wurde. Benommen schüttelte Elion seinen Kopf und versuchte sich wieder aufzurichten. Loren trat neben ihn und stützte ihn wie am Tag zuvor. „Als erstes bringen wir euch zu den Heilern. Eure Wunde ist tief und sehr stark entzündet. Von dort werde ich eine Nachricht an den Prinzen schicken.“ Ohne Gegenwehr ließ Elion sich fortbringen und nach einer kurzen Strecke am Fluss entlang, tauchte zwischen den Bäumen ein etwas größeres Gebäude auf. Mittlerweile konnte Elion sich ohne Lorens Hilfe nicht mehr auf den Beinen halten. Kaum traten die Beiden durch die Tür, als man Elion schon auf einen Tisch legte und seine Wunde untersuchte. Erschöpft schloss Elion seine Augen. Er zitterte heftig und doch war ihm unglaublich warm. Geschäftige Hände zogen ihm die restlichen nassen Sachen aus und trockneten ihn ab. Die Decke, die man über ihn ausbreitete, versuchte er jedoch mit all seiner verbliebenen Kraft wegzuschieben. Ihm war so heiß, doch es nutzte nichts. Starke Hände hielten seine zitternden Arme fest und die Decke wurde ihm wieder über gelegt. Wieder versuchte er sich zu wehren, doch durch seinen mittlerweile völlig benebelten Geist vernahm er eine Bekannte Stimme. „Hört auf euch zu wehren. Die Wunde hat euren Körper vergiftet. Wir wollen euch helfen.“ Immer noch versuchte er die störende Decke loszuwerden, während seine Temperatur weiter rasant anstieg. Er hörte wie jemand etwas sagte, doch konnte er nicht einmal mehr sagen ob es Elbisch oder seine Sprache war. Vorsichtig hob ihm jemand den Kopf an und hielt ihm einen Becher an den Mund. „Elion, ihr müsst dies hier trinken. Vertraut mir.“ Erst wollte er sich weigern, doch sein Hals war so trocken und er hatte unglaublichen Durst, also trank er den Becher gierig leer. Sofort spürte er wie sein Geist weg driftete und er seufzte erleichtert auf.
Loren trat mit den beiden Kriegern beiseite. Er hätte nicht gedacht, dass der Mensch in so schlechter Verfassung war. Die beiden Heilkundigen machten sehr ernste Gesichter. Nachdem Elion versorgt und in einen anderen Raum gebracht wurde, trat einer der Heiler auf ihn zu. „Ihr habt ihn gerade noch rechtzeitig gebracht. Die Wunde ist schon einige Tage alt und schon vorher ist sie schlecht verheilt gewesen. Durch die Anstrengung hat sie sich so stark entzündet, dass das Fleisch schon am faulen war. Ein paar Stunden später und man hätte ihm nicht mehr helfen können. Auch jetzt noch ist sein Zustand kritisch. Er muss ständig beobachtet werden.“ „Danke. Ich werde es dem Prinzen ausrichten. Wie steht es um Fenlas und dem Mädchen?“ „Fenlas erholt sich sehr langsam, doch was mit dem Mädchen ist können wir uns nicht erklären. Sie ist noch immer ohne Bewusstsein.“ Nach diesen Worten wendete sich der Heiler ab und verließ den Raum. Auch wenn er nicht glaubt das Elion Probleme machen würde, ließ er die beiden Wachen in dem Zimmer Stellung beziehen, während er so schnell wie möglich zu der Unterkunft des Prinzen eilte. Sobald er ankam wurde er auch schon vorgelassen. Mit einer eleganten Verbeugung trat er vor den Prinzen. „Sprich Loren. Wo ist der Mensch?“ „Verzeiht Prinz Aredhel. Ich fand den Menschen in einem schlechten Zustand vor. An seiner Schulter verbarg er eine schlimme Wunde, die sich so stark entzündet hatte, dass sein Leben in Gefahr ist. Ich brachte ihn gerade noch rechtzeitig zu den Heilern.“ „Eine Wunde an der Schulter?“ „Ja mein Prinz. Die Heiler sagen, das sie schon einige Tage alt sei und durch die Anstrengung entzündete sich die schlecht heilende Wunde. Der Mensch, sein Name ist Elion McLaos, hat hohes Fieber und wurde für die Behandlung betäubt.“ „Sagten die Heiler wann er wieder wach ist?“ „Nein mein Prinz. Sie sagten nur, dass es einige Zeit dauern würde.“ „Dann müssen wir halt auf unsere Antworten noch warte. Sorge dafür das er gut versorgt wird und benachrichtigt mich wenn er wieder zu sich kommt.“ „Sehr wohl.“ Mit einer weiteren Verbeugung verließ Loren den Prinzen und gesellte sich zu den beiden Wachen bei Elion.
Texte: DragoneyeOS
Tag der Veröffentlichung: 18.09.2011
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