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[2523.17] – 1 – Marc Havoc
„Havoc?“ Der knatternde Akzent von Chaila Ramirez sorgte bei mir immer noch für eine Gänsehaut. Besonders nachdem ich etwa drei Stunden außer dem eigenen Atem oder dem Piepsen des Bordcomputers rein gar nichts gehört hatte.
„Ich bin immer an eurer Seite. Was gibt‘s?“
„Modul 4 ist gerade ausgefallen. Könnten Sie mal nach dem Rechten sehen?“
Während sie fragte, wendete ich meine alte Valkyre und trieb langsam weiter. Das vordere Antriebsmodul der Geifernden Furie füllte fast mein gesamtes Sichtfeld aus. Irgendwo in der Mitte dieses sternförmigen Konstrukts saß Ramirez an irgendeiner Konsole. Der Dienst an Bord dieses Seelenverkäufers war bisher tödlich langweilig gewesen und das merkte man bei der gesamten Mannschaft.
„Eins mehr oder weniger, was macht das schon?“
„Mr. Havoc!“ protestierte sie. „Sie werden sich das sofort ansehen!“ Das klang schon besser. Ich gab Schub und bewegte mich entlang des Schiffes.
„Bin auf dem Weg. Was sagt Gestriggt?“
Eine neue Stimme mischte sich in den Kanal. „Kapitän Gestriggt wird Sie feuern, wenn Sie nicht augenblicklich Ihre Arbeit machen!“
Gestriggt betonte sein Kapitän, wirkte dabei aber eher lächerlich. Der Mann war mein Boss und ich war ohnehin schon auf dem Weg, von daher ließ mich das jetzt sehr kalt. Mein Weg führte mich an mehreren Frachtmodulen vorbei. Insgesamt bestand die Furie aus sieben großen Trägersystemen, die zwischen zwei Antriebseinheiten eingepfercht waren. Diese Trägersysteme trugen die Frachtmodule, die wahlweise aus Containern, Tanks oder Sperrgutklammern bestanden. Zwischen diesen Systemen befanden sich noch Überwachungsstationen. Eine dieser Stationen war ausgefallen.
Durch das Glas der Biokuppeln konnte man die verwilderten Gärten sehen. Seit der Katastrophe von 2509 waren alle großen Transporter mit diesen Anlagen ausgestattet. Die Furie stellte hier ihre eigenen Lebensmittel her, die aber kaum für die Besatzung ausreichten. Man hätte sich darum kümmern müssen. Die Biokuppeln bestanden jeweils aus drei miteinander verschmolzenen Halbkugeln. Dünne Träger hielten die gesamte Konstruktion zusammen. Das Glas war leicht milchig und von Mikrometeoriten und Staub zerkratzt. Durch die Scheiben konnte man die verwilderten Plantagen erkennen. Die Frachtbehälter auf meinem Weg waren in bemitleidenswertem Zustand. Überall waren Beschädigungen und Abnutzungserscheinungen zu sehen. Nur hin und wieder gab es brandneue Container oder Sperrgutklammern, die mit irgendwelchem technischen Kram gespickt waren.
Ich ließ mir auf dem Weg zum Modul eine ganze Menge Zeit. „Wollen Sie Ihrer Ablösung den Job überlassen oder geben Sie mal Gas?“
„Halten Sie das für sinnvoll, Cervantez in ein Cockpit zu setzen?“
„Er dürfte nunmehr langsam wieder nüchtern sein.“
„Jut, dann soll er sich auskotzen und meinen Platz übernehmen, wenn ich das hier erledigt habe.“
„Werde ich ihm ausrichten.“
Das tote Modul kam jetzt in Sicht. Auf meiner Seite sah alles noch normal aus, außer, dass die Energieversorgung zu spinnen schien. Das Licht flackerte und die Positionslichter waren aus. Auf der anderen Seite des Moduls konnte ich dann das Problem genauer erkennen.
Das Überwachungsmodul war ein grauer, achtarmiger, zwischen den Frachtcontainern eingepferchter, Stern von fast vierhundert Metern Durchmesser. Die Enden waren mit ovalen Überwachungsplattformen versehen worden. Im Inneren waren die Plattformen über Leitern mit dem Kern verbunden. Einer dieser Überwachungsarme fehlte. Direkt unter der Wurzel des Armes ragte das Heck eines Objektes hervor, das ich nicht näher identifizieren konnte. Der Antrieb glühte noch leicht. Trümmer schwebten langsam vom Rumpf fort. Sie würden bis zur nächsten Geschwindigkeitsänderung oder Kurskorrektur an unserer Seite bleiben.
„Brücke?“
„Havoc?“
„Ich habe das Problem gerade lokalisiert.“
„Freut mich zu hören. Können Sie es entfernen?“
„Ich fürchte ohne ein Trockendock wird das nichts.“
Das Nächste was ich hörte war unverständliches Gemurmel im Hintergrund. Dann hörte ich etwas, was wie eine auf eine glatte Fläche geklatschte Hand klang. Gestriggt mischte sich wieder in die Kommunikation ein: „Havoc?“
„Gestriggt?“
„Gut, ich habe eine Befürchtung. Können Sie etwas Genaueres sehen?“
Ich schaltete Scheinwerfer ein und bestrahlte damit den beschädigten Bereich.
„Ein Arm ist abgerissen, die Trümmer folgen uns. Ich nehme an, es hat die Energieversorgung mit erwischt. Ein Objekt sitzt in dem Krater.“
„Krater? Muss ich Ihnen alles aus der Nase ziehen?“
„Darf ich mal ausreden? Irgendwas ist hier eingeschlagen, hat den Arm abgerissen und einen tiefen Krater in das Modul geschlagen. Ich empfange nichts daraus, aber das kann auch an der Strahlung oder den Sensoren in dem Ding hier liegen.“
„Was für ein Objekt soll das sein? Versuchen Sie mal irgendwo fest zu machen und im Inneren nach dem Rechten zu sehen. Es waren zwanzig Mann in dem Modul.“
„Und?“
„Kommt nicht so gut, wenn wir sagen müssen, dass die letzten Neulinge mit dem Modul hopsgegangen sind.“
„Wer war denn an Bord?“
„Ach ich hab irgendwelche Handlanger eingestellt, nichts Wichtiges.“
„Wenn Sie das sagen. Es scheint eine Art Kapsel zu sein. Ich sehe etwas, das nach einem glühenden Antrieb aussieht. Nur um ihre Frage zu beantworten.“
Ich überlegte bereits, wo ich an dem Ding andocken konnte, während Gestriggt sich mit irgendwem auf der Brücke unterhielt.
„Haben Sie eine Waffe dabei?“
„Muss ich etwa Gnadenschüsse verteilen?“
„Nein, aber könnte sein, dass ...“ Gestriggt machte eine lange Pause.
„Dass?“
„Vergessen Sie es, nehmen Sie Ihre Waffe mit und seien Sie vorsichtig. Ich hoffe es gibt noch funktionsfähige Schleusen. Gestriggt Ende.“
„Bestätigt.“
Ich umrundete das beschädigte Modul etwa viermal, bis ich endlich eine noch nicht zugeschweißte Luftschleuse fand. Irgendwie gelang es mir, den Jäger in der Nähe fest zu machen. Aussteigen konnte ich ohne Probleme. Der Jäger hatte eh nie eine Atmosphäre besessen, außer vielleicht im Hangar irgendeiner Raumstation.
Beim Aussteigen nahm ich noch einen leichten Antigravgürtel mit, mit dem ich mich im Notfall in gewissem Rahmen auch am Schiff entlang bewegen konnte. Sicher ist sicher. Bis zur Luftschleuse gab es allerdings nicht die geringsten Probleme dank der Magneten in den Sohlen. Ein Haltegriff brach ab, als ich mit meinen Stiefeln darauf trat. Die Trümmer schwebten langsam davon und zogen kleine Meteoriten aus korrodiertem Metall hinter sich her. Ich beeilte mich, in das Modul zu kommen.
Die Luftschleuse war kreisrund und bot keine Orientierungshilfe. Im Modul selbst war die künstliche Schwerkraft ausgefallen. Wenigstens funktionierte die verdammte Elektronik noch. Nach dem Druckausgleich hämmerte auf der Deaktivierungstaste für meinen Helm herum. Der Helm störte und etwas andere Luft als meinen eigenen Mief zu riechen tat auch mal gut. Ich war jetzt bereits fast einen ganzen Tag in dem Raumanzug eingesperrt. Es war zwar das bequeme, militärische Modell, aber es war trotzdem unangenehm auf Dauer. Dieser quittierte meine Bemühungen mit der Warnung: Giftstoffe in der Luft. Deaktivierung verweigert. Wütend stapfte ich durch die geöffnete Luke.
Der Gang hinter der Luftschleuse war stockfinster. Ich konnte kaum die Hand vor Augen sehen und es herrschte außerdem absolute Stille. Ich drehte die Anzugs-Mikrofone auf und lauschte. Im ersten Moment hörte ich Nichts. Irgendwo knisterten offene Stromleitungen. Ein Ventilator säuselte, aber das typische Brummen in diesen Modulen fehlte.
Der Korridor führte einmal rund um die zentrale Narbe. Ich folgte dem Weg, bis ich dann doch etwas hörte. Stampfende, rumpelnde Schritte hallten mir entgegen. An der Korridorwand konnte ich Licht sehen. „He, da lebt noch einer!“ brüllte plötzlich jemand. Drei schnelle Schritte führten dann einen riesigen zivilen Raumanzug mitten in den Gang. Meine genetisch verbesserten Sinne verrieten mir, dass der Anzug nicht nur mit Lampen ausgestattet war. Ich deaktivierte die Magnetstiefel und sprang.
„He, bleib gefälligst stehen!“ brüllte der Anzug erneut. Gleichzeitig pfiffen die Bolzen eines Magnetkarabiners durch den Korridor. Hinter mir im Gang schlugen sie in etwas Weiches ein. Ich wollte nicht hinsehen, das Geräusch war gruselig. Mit einem weiteren Hechtsprung war ich aus dem Korridor verschwunden.
Der Raum, in dem ich herauskam, war ein größerer Lagerraum. Ein sehr großer und sehr leerer Lagerraum. Ein paar ungesicherte Kisten flogen durch die Gegend, wohl von dem Aufprall losgerissen. An einer Lampe, die noch in voller Leuchtkraft den Raum erhellte, positionierte ich mich und zog meine Pistole.
Die polternden Schritte des Anzugs näherten sich. Jeder Muskel in meinem Arm war angespannt. Nur mit Mühe konnte ich das Zittern meiner Hände unterdrücken. Es war jetzt zwei Jahre her, seitdem ich das letzte Mal mit dieser Waffe auf einen Menschen gezielt hatte. Es war bei der Verteidigungsschlacht um mein altes Schiff, die Bresslau.
Der Anzug schob sich durch die Tür. Ohne nachzudenken, übernahm die viele Jahre gepflegte Routine das Kommando und wie von selbst löste sich der Schuss aus meiner Waffe. Der Karabiner trieb haltlos weiter in das Lager hinein. Mein Gegner kippte leicht vor und zurück und verlor die Bodenhaftung. Schwerelos trieb die Leiche durch den Lagerraum. Ich brauchte nicht näher hinzusehen. Ich hatte dem Mann einen sauberen Kopfschuss verpasst. Aus dem Anzug tönte eine männliche Stimme: „Derri, melde Dich!“
Ich wartete.
„Derri? Mach keinen Scheiß! Komm sofort zu mir zurück!“
„Derri, wenn das ein Scherz ist, bring ich Dich um. Oder Du musst mir die nächsten zwei Monate jeden Tag einen Blasen!“
Ich verließ den Raum. Hinter mir hörte ich noch: „Derri! Ach verdammt, Derri, mach das nicht mit mir, ich kann doch nicht ohne dich!“
Eine weitere Stimme, ganz sicher weiblich, war noch zu hören: „Waldi! Hör gefälligst auf hier rum zu tunten ich muss gleich kotzen!“
Ich fragte mich ernsthaft, warum der Lautsprecher plötzlich an war. Ich sparte mir weitere Untersuchungen. Zwei oder mehr Gegner, damit sollte ich fertig werden, wenn sie mir nicht auf einmal begegnen. Ich bog um die nächste Ecke, aus der der Anzug ursprünglich gekommen war, und befand mich außer Hörweite.

Irgendjemand hatte die Energieversorgung wieder in Gang gebracht. Ich zuckte heftig zusammen, als plötzlich überall Lampen aufleuchteten. Es war zwar bei Weitem nicht genug, um von normaler Beleuchtung zu sprechen, aber sie reichten aus, um sich zu orientieren.
Ich war wohl die ganze Zeit an der Decke entlang spaziert, ohne es zu merken. Über mir war der Boden abgewetzt, dreckig und stumpf. Die Wände waren bis auf Hüfthöhe in keinem besseren Zustand. An den Ecken sah man noch teilweise die ursprüngliche, hellgrüne Farbe. Meine Stiefelabdrücke an der Decke zeigten, dass ich hier gerade der Lackierung an der Decke den Rest gab. Ich orientierte mich um und begab mich auf den Boden. Aus dem Augenwinkel sah ich an einem Fenster eine Bewegung. Hinter einer verglasten Tür stand ein junger, etwa zwanzig Jahre alter Mann. Er trug die graue Borduniform und schwarze Stiefel. Anhand der Spuren auf seinem Hemd konnte ich mir schon vorstellen, dass der Junge gerade seine erste Erfahrung mit der Schwerelosigkeit machte. Er war leichenblass und hämmerte an der Tür herum.
Er deutete mehrmals auf meine Pistole und auf das Glas. Ich schüttelte den Kopf. Mit der alten, militärischen Zeichensprache signalisierte ich: Luft giftig. Er verstand es nicht. Er holte aus dem Inneren des Raumes einen Stuhl mit schweren Metallteilen und warf ihn gegen das Glas. Es quittierte die unliebsame Behandlung mit einem leichten Sprung. Der Mann nahm den Stuhl in die Hände und versuchte es noch einmal. Ich versuchte, ihn davon abzuhalten. Ich gab wie wild Handzeichen, aber er reagierte nicht.
Beim dritten Versuch gelang es ihm. „Mann Sie Idiot, warum helfen Sie mir nicht?“
Ich schaltete den Außenlautsprecher ein. „Giftige Stoffe in der Luft!“
Er hustete bereits und spie blutigen Schleim aus. „Verdammt, warum sagen Sie das nicht ...“ er röchelte und hustete noch einmal. Seine Haut fing an, Blasen zu werfen. „Was für ein Scheißzeug!“
Ich durfte ihm in allen Einzelheiten beim Sterben zusehen. Der Unbekannte, ich konnte das Namensschild nicht lesen, versuchte dabei noch etwas loszuwerden: „Die sechs neuen waren das, die sind ...“
Er verkrampfte sich bei einem erneuten Hustenanfall und richtete sich ein letztes Mal auf. Blut zog lange Fäden aus seiner Nase. Er starb, ohne seinen Satz beenden zu können.
Ich würgte und kämpfte mit meinem eigenen Magen. Das war eine Nummer zu viel. Früher hatte ich schon viel schlimmere Todesarten gesehen, aber nach zwei Jahren Ruhe und einem halbwegs normalen Leben war das hier einfach abartig.
Hinter mir hörte ich Stimmen. Ich schob mich schnell in den Raum, aus dem der Mann versucht hatte, auszubrechen und verhielt mich still. Im Gang rumpelten Anzüge entlang.
„Boss?“
„Waldi?“
„Hier liegt noch einer.“
„Weg damit, ich kotz gleich.“
Jemand stieß die Leiche zurück in den Raum. Ich hielt den Atem an und beobachtete, wie der Tote durch den Raum trudelte und mit einem merkwürdigen Knacken an einer Wand abprallte. Es war einfach eklig. Das Blut des Mannes hatte auf meinem Anzug bereits Spuren hinterlassen.
„Greg und Anja?“
Die beiden angesprochenen bestätigten. „Geht Ihr in Richtung Frachtmodul Vier. Gina und ich übernehmen die Fünf. Waldi sieht sich mal unser Taxi an.“
„Funkkontakt?“ Die weibliche Stimme von vorhin war es wieder. „Frequenz DD454, Schlüssel ist meine Lieblingsstellung.“
Zwischen die Augen. Ich wusste nicht, woher in dem Moment der Gedanke kam.
„Kannst du die blöden Sprüche mal lassen?“ Das war die andere Frau in dem Trupp.
„Nö, ihr wisst, was ich meine.“
Ich kannte diesen Spruch, aber die Stimme konnte ich nicht einordnen. Vielleicht hatte ich den Mann aber auch zu lange nicht mehr gesehen. Jedenfalls kannte ich den Spruch. Der Empfang war ausgezeichnet.
„Havoc?“ Ich betete, dass nur ich Gestriggt hörte.
„Havoc! Melden Sie sich!“ Ich wagte immer noch nicht, zu antworten oder mich zu bewegen. Meine Kontrahenten schienen aber nichts bemerkt zu haben. Ich hörte sie über den Gang rumpeln.
„Verdammt noch mal Havoc! Was ist los?“
Leise flüsterte ich: „Sie hätten mich gerade beinahe umgebracht. Gott sei Dank hab ich Sie nur als Knopf im Ohr. Und die Deppen scheinen keine Hightech Ausrüstung zu haben.“
„Tut mir leid. Sie müssen zu Modul 4, Abschnitt NZZ5 um dort etwas abzuholen.“
„Das da wäre?“
„Ein kleiner Koffer.“
„Und dann?“
„Sehen Sie zu, dass Sie da raus kommen.“
„Sonst noch etwas?“
„Wenn Sie können, versuchen Sie mal herauszufinden, was hier vor sich geht. Ich kann mir zwar einiges denken, aber ich will Gewissheit haben.“
„Mal sehen, ob sich da was ergibt.“
Anscheinend war die Energieversorgung wieder zusammengebrochen. Das Licht schaltete schlagartig auf halbe Kraft. Ich sah aber trotzdem genug, um ohne eigene Lampen auskommen zu können.
Auf dem Weg zu Modul 4 musste ich durch die Mitte des Moduls. Unterwegs hörte ich ein leises, metallisches Klopfen. Auf der Funkfrequenz herrschte Stille. Ich stieß auf drei weitere tote Besatzungsmitglieder, die alle dieselben Symptome aufwiesen.
Am Einschlagspunkt erwartete mich ein Bild der Verwüstung. Eine Angriffskapsel hatte sich in das Modul gebohrt. Ich erkannte eine Angriffskapsel vom Typ Heiliges Manifest. Die Sturmtore waren verschlossen. An der Kapsel waren kleine Tanks befestigt gewesen, die ich mir genauer ansah.
Explosionsspuren von Sprengsätzen zeigten, dass die Behälter gewaltsam geöffnet worden waren. Von Waldi war keine Spur zu sehen. Keine fünf Minuten später begab ich mich auf den Weg in Richtung Modul Vier.
„Waldi?“
„Ja Boss?“
„Wo steckst Du?“
„Ich guck mich ein wenig um, Boss.“
„Was macht unser Taxi?“
„Sieht ok aus.“
„Wie haben die das Gas eigentlich so schnell hier rein bekommen?“
„Keine Ahnung, bin Kämpfer, kein ... ehm ... ich glaub Giftmischer war das Wort.“
„Ist die Kapsel in Ordnung?“
„Sie steckt schön in der Mitte von dem Ding hier.“
„Mal rein gesehen?“
„Nö.“
„Mann du Volltrottel, geh sofort zurück und sieh dir die verdammte Kapsel an.“
„Boss, ich gehe nicht ohne Derri!“
„Mir egal, aber jetzt überprüfe die verdammte Kapsel!“
„Na gut, aber dann suche ich Derri!“
Ich wäre beinahe in den Boss und eine der Frauen hinein gerannt. Sie standen plötzlich im Gang. Meine übertrainierten und hoch gezüchteten Reflexe halfen mir, so hoffte ich, unbemerkt von ihnen weg zu kommen.
„Da war einer, hinterher!“ Ich identifizierte die Stimme als die von Gina.
„Ich kleb an deinem Hintern!“
„Nee lass mal, bist nicht mein Typ.“
„Da! Links!“
Sie waren mir auf den Fersen. Ich stolperte direkt in einen Besprechungsraum. Mehrere Tote schwebten hier herum. Ohne nachzudenken, griff ich mir einen lose herumtreibenden Kittel und sah zu, dass ich weiter kam.
„Wau ist der schnell.“
„Der ist bestimmt ein Profi!“
„Wer sagt eigentlich, dass es ein Er ist?“
„Warum sollte es eine Sie sein?“
„Nur Kerle denken so.“
Unterwegs ließ ich den Kittel los, der weiter trieb und in einem dicken Schott verschwand. Mit einem alten Trick entzog ich mich aus dem Sichtbereich meiner Verfolger. Sie folgten dem herumflatternden Stofffetzen durch das Schott.
„Argh, der hat uns rein gelegt!“
Die Beiden hätten jetzt ziemlich effektiv das Zeitliche segnen können. Keine Ahnung, welcher Teufel mich da ritt, aber ich schoss den Beiden nicht in den Rücken, sondern hämmerte lautstark gegen den Schalter an der Tür.
„Was?“
Sie drehten sich um und ich winkte ihnen noch zu, als sich mehrere Lagen Panzerstahl zwischen uns schoben. Über der Tür las ich: „Überlebenszentrum Wächtermodul 4 ZB“ da sollten sie eigentlich auch bleiben können.
Meines Wissens hatten die Schutzräume keinen zweiten Ausgang. Mit meiner Waffe machte ich den Öffnungsschalter unbrauchbar. Durch eine Panzerglasscheibe konnte ich noch sehen, wie einer der Beiden auf dem Öffnungsmechanismus hämmerte, ohne dass sich irgendetwas tat.

Gut verpackt waren sie kein Problem mehr. Blieben noch drei.
„Leute, wir wurden gerade hereingelegt. Hier rennt einer in nem militärischen Raumanzug rum!“ Der Boss klang ziemlich sauer.
„Wo seid ihr?“
„In nem Überlebenszentrum. Jemand hat vergessen, die anderen Türen einzubauen.“
„Wir besorgen einen Schweißbrenner, wenn wir mit der Vier fertig sind.“
„Beeilt Euch, Gina sieht mich schon so komisch an!“
„Wir müssen erstmal diesen verdammten Zugang finden. Was macht ihr eigentlich da unten?“
„Fast alle Hauptwege sind von unserem verdammten Taxi unpassierbar gemacht worden. Wir haben uns verlaufen, als wir einen Weg drum herum gesucht haben.“
„Na dann ... Mal sehen ob wir euch finden. Sind fast an der Station.“
Ich schaltete die Magnetkerne ab und bewegte mich frei im Raum. Mit gezielten Sprüngen kam ich wesentlich effektiver vorwärts als stampfend auf dem Boden. Mir lief der Schweiß bereits nach kurzer Zeit in Bächen am Körper herunter. Beinahe hätte das zweite Team mich erwischt, ich konnte mich nur verdammt knapp außer Sichtweite ziehen.
„War da was?“ Das war wohl Anja.
„Hab nichts gesehen.“
„Bist du sicher?“
„Nein, aber ich glaube nicht, dass da was ist. Ich geh mal nachsehen, hol du das Päckchen, ist ja gleich dahinter.“
Ein Raumanzug stampfte von mir weg und war sehr schnell außer Hörweite. Gregg kam im selben Atemzug näher. Die Kammer, in die ich mich verkrümelt hatte, war klein und hatte nur den einen Ausgang. Ich presste mich an die Wand mit dem Durchgang und zog eine Leiche, die hier lag an die Wand. Der Anblick der Leute war noch immer gruselig.
Der Anzug betrat den Raum. Er sah wohl die Leiche und drehte sich sofort weg. Das war sein Fehler. Von hinten riss ich zuerst die Funkeinheit aus dem Anzug und kappte dann die Luftversorgung. Durch einen winzigen Riss im Anzug drang das Gas langsam ein. Er realisierte es erst, als es zu spät war. In seinem Anzug eingesperrt starb Gregor unter entsetzlichen Schmerzen.
„Greg? Hier ist nichts.“
Ich schob Gregs Leiche auf die Seite und folgte Anja.
„Gregor?“ Sie realisierte gerade, dass da etwas daneben gegangen war. „Verdammt! Waldi! Komm sofort zur Vier!“
Niemand antwortete.
„Waldi?“
Waldi antwortete auch nicht.
„Boss?“
„Keine Ahnung, wenn es nicht mehrere sind, dann muss Waldi noch da rumgammeln. Waldi, Bericht!“
Waldi antwortete weiterhin nicht.
„Waldi, keine krummen Touren, Anja braucht deine Hilfe und jetzt beweg deinen Arsch zu ihr!“
Was immer Waldi gerade machte, er reagierte nicht darauf. Vielleicht hatte er einen Unfall oder er hatte sein Funkgerät abgeschaltet.
„Hier ist nichts! Boss!“
„Such weiter, da muss etwas sein.“
Ich betrat das Frachtmodul 4 durch eine offene Schleuse. Mit der Waffe im Anschlag beobachtete ich Anja, wie sie die Frachtbehälter und Wände absuchte. Meine Pistole zeigte auf sie und verfolgte jede ihrer Bewegungen. Anja betätigte Tasten und ein Schmugglerversteck ging auf. Im selben Moment sah sie mich.
Sie wollte zuerst ihren Karabiner hoch reißen, besann sich allerdings eines Besseren. Sie ließ die Waffe los und legte die Hände hinter den Kopf. Zumindest versuchte sie es, in den zivilen Raumanzügen konnte man solche Bewegungen nicht durchführen. Sie ging ein paar Schritte rückwärts, während ich mich ihr näherte. Der Karabiner schwebte außerhalb ihrer Reichweite im Raum.
„Brücke?“
„Havoc?“
„Was suche ich hier eigentlich?“
„Ein graues Kästchen mit drei Schlössern. Die sind allerdings gesichert man benötigt einen Gen-Schlüssel dafür.“
„Ich glaube ich hab es.“
„Na wenigstens etwas. Gibt es etwas Neues von unseren Besuchern?“
„Eine steht hier gerade vor mir, zwei andere habe ich in eine Überlebenskapsel gesperrt. Zwei sind tot und einer ist verschwunden.“
„Seien Sie vorsichtig.“
„Ich hänge an meinem Leben. Was mach ich mit ihr hier?“
„Sperr sie in eine Rettungskapsel ein, die dürften eh nicht mehr funktionieren. Einfach den Öffnungsmechanismus innen zerstören.“
„Wird erledigt.“
Anja zuckte leicht zusammen und richtete ihren Blick auf einen Punkt hinter mir. Nur kurz, aber das genügte mir. Ich warf mich aus dem Korridor. Ein Bolzen aus einem Magnetkarabiner schoss durch den Gang und zerfetzte den Raumanzug an Anjas Oberschenkel. Sie riss einen Gurt ab und versuchte, die Stelle sofort zu versiegeln.
„Waldi, du Idiot!“
Sie fummelte hektisch an ihrem Bein herum. Unterdessen rappelte ich mich auf. Der nächste Schuss aus dem Karabiner zerfetzte einen Behälter für Briefe. Die eingelagerten Umschläge verteilten sich im Gang.
„Du hast Derri getötet, du Arschloch! Ich mach dich kalt!“ Brüllte er.
Ich bekam freies Schussfeld und schoss zweimal auf den Raumanzug. Beide Treffer wurden mit einem schrillen Kreischen beantwortet. Waldi schaltete auf Dauerfeuer und fing an, die Bolzen in den Korridor zu pumpen. Der dritte Schuss warf ihn aus dem Zugang. Er röchelte noch, aber anscheinend war er kampfunfähig. Anja hatte sich von mir entfernt und war jetzt in der Mitte des Moduls.
„Wo willst du denn hin?“ Ich benutzte dabei die Funkfrequenz des Trupps.
„Weg von dem Gas!“
Sie öffnete eine Luke und schlüpfte hindurch. Ein grässliches Gurgeln von Waldi bestätigte, dass das Gas bereits hier her vorgedrungen war. Ich sperrte Anja in eine Rettungskapsel und holte mir anschließend das Päckchen. Mit dem Giftgas im Korridor dürfte sie ohnehin nicht freiwillig wieder da herauskommen.
Waldi hatte ein Netz aus seinem Blut hinterlassen, das mir den Weg zurück ins Modul versperrte. Für mich war es höchste Zeit, einen neuen Raumanzug aufzutreiben, der hier würde niemals wieder sauber werden.
„He Fremder, wer bist du?“
„Tut das etwas zur Sache?“
„Deine Stimme kommt mir sehr bekannt vor.“
Da hatte der Mann recht. Wir kannten uns.
„Na komm, sag schon, wer bist du? Du hast mich sowieso ruiniert, es wäre schön, wenn ich wenigstens weiß, wer das getan hat.“
„Wen habe ich denn ruiniert?“
„Na, nicht so. Du zuerst!“
Derweil war ich bereits wieder auf dem Weg in die Zentrale. Ich meldete mich, bevor ich mit dem Boss weiter spielte, auf der Brücke.
„Brücke?“
„Havoc?“
„Der Dialog nervt langsam.“
„Berichten Sie!“
„Ich habe das Kästchen bei mir.“
„Gut ich ...“
Es ging ein Ruck durch das ganze Schiff. Ich wurde von den Beinen geholt. Meine Begegnung mit der nächsten Wand fiel sehr unsanft aus.
„Brücke was war das?“
„Wir haben gerade einen Stein mitgenommen, ich muss auf Neuralsteuerung gehen.“
„Wo sind wir?“
„Am Artefaktfeld.“
„Schon?“
„Ja. Bewegen Sie Ihren Hintern in den Weltraum. Wir orten ein fremdes Schiff, das sich nähert.“
Mit meiner alten Valkyre war ich für einen ernsthaften Kampf definitiv nicht ausgerüstet. Aber davon mal abgesehen war beeilen aber keine schlechte Idee.
„Tschuldigung, musste mich gerade mal bei Gestriggt melden.“
„Dass die Mannschaft bei dem Typen nicht meutert, wundert mich.“
„Das hat schon seine Gründe.“
„Gut, und wer bist du jetzt?“
„Mein Name ist Marc Havoc.“
„Nein!“
„Doch ist er, ganz sicher.“
„Lieutenant Marc Havoc von der Erd-Raumflotte?“
„Zuletzt war ich Major bei der Mars-Raumflotte.“
„Und das nach allem, was du denen angetan hast?“
„Verdanke ich Chekov.“
„Der lebt noch?“
„Ja. Und mit wem habe ich das Vergnügen?“
„Fleischer, J!“
„Nee ist klar.“ Ich fing an zu lachen. „Wo ist dein Bruder?“
„Keine Ahnung.“
„Wie war das mit unzertrennlich?“
„Erzähle ich dir ein anderes Mal.“
„Wie seid ihr an Bord gekommen?“
„Wir haben angeheuert.“
„Und was soll die Kapsel hier?“
„Unser Taxi.“
Ich öffnete die Landekapsel. Ein paar Vorratsbehälter mit Nahrung, ein paar Gasflaschen und ein Wasserkanister waren hier aufgebaut. Genug Nahrung, um ein paar Wochen zu überleben, denn diese Angriffskapseln hatten keinen sonderlich starken Antrieb. Die Gasflaschen irritierten mich. Normalerweise sollte die normale Luftaufbereitung reichen. An den Flaschenventilen fand ich kleine Sprengsätze.
„Ihr seid ganz gewaltig reingelegt worden.“
„Wie meinst du das?“
„In der Kapsel gib es verminte Gasflaschen. Den Rest könnt Ihr euch wohl denken.“
Auf dem Weg zu meinem Kampfjäger unterhielt ich mich noch etwas mit den Dreien. Mittlerweile hatte ich eher Mitleid mit ihnen. Erst die Drecksarbeit machen und als machen, und als Quittung dafür durften sie drauf gehen. Das Gas war allem Anschein nach nicht ihre Idee gewesen.
Erst als ich im Kampfjäger saß, merkte ich, dass ich absolut fertig war. Meine Sicht verschwamm, ich zitterte und war am ganzen Körper von kaltem Schweiß bedeckt.
„Brücke?“
„Wir sind da, Havoc.“ knatterte es in mein Ohr.
„Gestriggt fliegt?“
„Ja.“
Ich hoffte nur, dass nichts passierte. Bei Neuralsteuerung konnte ein Treffer am Schiff den Piloten grillen. Einfach so. Auf der Bresslau war genau das meinem Chefpiloten passiert in einer sehr gefährlichen Situation.
„Ich sitze in meinem Kampfjäger und werde mir erst einmal ein paar Minuten Ruhe gönnen, ich bin total fertig.“
„Sie haben zwei Stunden, wir werden Sie wecken.“
„Wir haben drei Gefangene. Ein Söldnertrupp, der gelinkt wurde.“
„Wie meinen Sie das?“
„Todeskommando, und zwar ein sehr Unfreiwilliges. Die sechs Söldner sollten das Kästchen von Gestriggt finden und in diese verdammte Kapsel schaffen. Dort hätten sie mit dem Giftgas, dass deren Auftraggeber hier eingesetzt haben, Bekanntschaft geschlossen.“
„Klingt übel. Was für ein Gas?“
„Ein Nervengas, das das Blut zum Kochen bringt.“
„Autsch.“
„Ich hau mich dann mal hin.“
„Machen Sie es so!“
Es dauerte nicht lange, bis ich tatsächlich einschlief. Ein unsanfter Ruck ging durch meinen Kampfjäger. Durch das Cockpit sah ich die Sterne vorbei trudeln. Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, dass sich mein Jäger von der Furie gelöst hatte.
Ich betätigte kurz die Steuerkontrollen, sodass sich meine Flugbahn stabilisierte. Mein Mutterschiff war einige Meter von mir entfernt. Ich sah die Stelle, wo ich meinen Jäger ursprünglich fest gemacht hatte. Zwei Raketen löschten diese in diesem Moment vollständig aus.


[2523.17] – 2 – Brigadier General Skiry Chekov
Völlig ungerührt sah ich zu, wie aus dem Modul die Luft entwich. Damit dürfte auch das Giftgas erst einmal kein Problem mehr darstellen. Mein Jäger trieb antriebslos von der Furie weg. Gestriggt hatte alle Waffen aktiviert und feuerte auf ein Objekt, das ich nicht sehen konnte.
„Havoc, lassen Sie die Finger von den Kontrollen, bleiben Sie totgestellt. Cervantez wurde direkt abgeschossen, als er startete. Er hat noch nicht einmal die Halteklammern lösen können. Die Jungs da draußen sind Profis.“
Mein Reflex war es, das zu bestätigen, im letzten Moment konnte ich mich aber noch zurückhalten. Ich schaltete alles, was ging, in den passiven Modus.
Die Flugbahn meines Jägers wurde nachhaltig verändert. Die Furie schob sich aus meinem Blickwinkel und mein Jäger rotierte um zwei Achsen. Ein großes Raumschiff, ich hielt es für einen alten Zerstörer, schob sich in meinen Blickwinkel. Das Energiefeld des Schiffes schob mich sanft vom Rumpf weg.
Weitere Treffer zerstörten eine Halteklammer mit vielen großen Bauelementen, eine Biokuppel zersplitterte und wie ein gieriges Monster fraß das All ihre Bewohner. Es gab mit einem Mal eine ganze Menge Trümmer, damit dürfte ich erst einmal aus dem Schneider sein.
Ein Butterfly Kampfjäger durchkreuzte mein Blickfeld. Dann noch einer. Meine Sicht verschob sich langsam wieder in Richtung Raumschiff. Aus den Hangarbuchten, die senkrecht zur Längsachse angelegt waren, sah ich weitere Jäger aufsteigen. Das Schiff hatte in der Mitte einen dicken Quader und mit etwas Abstand angebrachte Waffenplattformen, die ringförmig um das Schiff liefen.
„An die angreifenden Raumschiffe: Hier spricht General Skiry Chekov, Mars Raumflotte! Stellen Sie sofort Ihre Angriffe ein! Sie haben eine Chance sich zurückzuziehen, und zwar genau jetzt!“
Musste der Kerl ausgerechnet jetzt auftauchen? Und warum ausgerechnet er? Anders herum stiegen gerade meine Überlebenschancen. Ich hoffte inständig, dass er mich an der Stelle in Ruhe lies.
„Havoc?“ Es war wieder Ramirez.
Ich antwortete nicht.
„Ich habe hier die Militärfrequenz. Vielleicht hilft Ihnen das ein wenig.“
Der Geschmack von Blut breitete sich in meinem Mund aus. Chaila gab mir die Funkfrequenz durch.
„Hier Aristoteles Staffelführer! Begeben Sie sich in Formation! Wir greifen an.“
Fehler Nummer eins: komplizierter Staffelname. Mir krampfte sich etwas in der Magengegend zusammen.
„Aristoteles Vier und Fünf verfolgen Sie den Frachter. Sechs und Sieben greifen das Mutterschiff an. Der Rest folgt mir!“
Die Jäger konnte ich immer noch nicht sehen. Aber anhand der Meldungen war klar, dass es sich um zehn Jäger handeln musste.
Ein weißer Blitz durchflutete die Umgebung. Etwas Großes musste eingeschlagen sein. Nachdem das fremde Schiff, ich klassifizierte es mal als Zerstörer, in Sicht kam, sah ich, wie sich eine Waffenplattform in Bruchstücke auflöste.
Zu den Butterflys gesellten sich sieben Kampfjäger, die ich bis jetzt nur aus den Infobroschüren für Raumfahrer kannte. Nach vorne gebogene Flügel, X-Förmig angeordnet. Zylindrischer Rumpf, viele Raketenträger am unteren Flügelpaar. Es mussten die XHF-2522 Kampfjäger vom Mars sein. Der Codename war meines Wissens Wolfsklaue.
Die anrückenden Kampfjäger schossen zwei Butterflys ab. Die Verbliebenen teilten sich sofort auf. Vier oder fünf Jäger flogen weiter in Richtung Furie. Drei drehten in Richtung ihres Mutterschiffs ab und vier weitere sonderten sich von der Hauptrotte ab. „Neun und Zehn, verfolgen Sie die Banditen. Wir greifen an!“
Der nächste Fehler. Die vier einzelnen Butterflys konnten niemanden gefährlich werden. Die Hauptrotte war jetzt drei zu eins überlegen.
Ich trieb bereits so weit vom Kampfgeschehen entfernt durchs All, dass einen Überblick über die ganze Schlacht gewinnen konnte. Asteroiden, kaum auszumachen, kamen in Sicht. Die Furie versuchte sich hinter einem der Steine in Sicherheit zu bringen, um dem Zerstörer das Leben schwerer zu machen.
„Neun und Zehn, brechen Sie die Verfolgung ab und bleiben sie bei der Hauptrotte!“
„Wer spricht da?“
„Mein Name ist Marc Havoc, Geleitschutz der Geifernden Furie.“
„Woher haben Sie die Frequenz?“
„Von der Furie?“
„Halten Sie die Klappe! Ich habe hier das Kommando!“
Ein Fangstrahl stabilisierte meine Position und zog mich in die Nähe eines anderen Schiffes. Ich konnte leider nicht viel mehr erkennen als graue Panzerplatten. Mein Jäger kam direkt neben einer außen festgemachten Wolfsklaue zum Stehen. Ramirez knatterte: „Soll Ihnen sagen, Sie sollen umsteigen und dem Idioten das Fliegen beibringen. Grüße von General Chekov.“
Ohne darüber nachzudenken, betätigte ich den Öffnungsmechanismus meiner alten Mühle. Kurz danach später konnte ich bereits meine Hand nach dem kleinen Schmuckstück ausstrecken. Selbst durch den Raumanzug konnte ich spüren, dass er verdammt robust sein musste. Die Raketenaufhängungen waren voll bestückt. Ich sah zwei Schiffskiller am Rumpf hängen. Mithilfe einer Laufstange konnte ich mich zum Cockpit ziehen. Jemand öffnete die Kabine ohne mein Zutun. Es war eine Schande, mit meinem verdreckten, blutbefleckten Anzug in diesen nagelneuen Jäger springen zu müssen, aber ich hatte wohl keine andere Wahl. Über mir schloss sich die Kabine. „Havoc! Öffnen Sie ihren Helm!“ Kam es noch einmal von der Furie.
Die Luft in dem Jäger schmeckte neu. Leder, der typische Geruch neuer Schaltkreise, die unter Strom gesetzt wurden und der Gestank aus meinem eigenen Anzug bilden eine sehr interessante Mischung.
„Havoc? Chekov hier.“
„Wie geht es Ihnen, alter Mann?“
„Keine Zeit für Höflichkeiten. Ich schalte jetzt die Authentifizierung frei.“
Der Bordcomputer der Klaue meldete sich mit einer angenehmen aber immer noch erkennbar künstlichen Frauenstimme: „Nennen Sie mir Ihren Namen und Ihre Dienstnummer.“
„Marc Havoc, Dienstnummer 2343234-223-M-MC-2480.“
„Bitte warten.“
„Dienstkennung wurde 2521 deaktiviert. Steuerfreigabe verweigert.“
Kurz danach: „Erhalte Update. Nennen Sie mir Ihren Namen und Ihre Dienstnummer.“
„Marc Havoc, Dienstnummer 2343234-223-M-MC-2480.“
„Colonel Marc Havoc, Dienstnummer 2343234-223-M-MC-2480. Zugang gestattet.“
„Ok. Bin bereit.“
Über die allgemeine Frequenz ging dann die Informationen: „Aristoteles Elf wurde gerade freigeschaltet.“
„General?“
„Colonel?“
„Können wir kurzfristig die Kennungen ändern?“
„Was schlagen Sie vor?“
Während des Gesprächs fuhr ich die Systeme hoch und bewunderte das fast perfekte Cockpit des Jägers.
„Aristoteles Eins bis Fünf werden zu Alpha eins bis fünf und der Rest wird zu Beta eins bis fünf.“
„Abgelehnt, ich habe das Kommando über die Gruppe.“
„Aristoteles eins, das hier ist nicht der Punkt für Kompetenzstreitereien.“
„Abgelehnt und damit Ende.“
Auf dem taktischen Display erloschen die Marken für die Zwei und die Fünf. Es waren aber noch mehr als zwanzig Butterflys im All. Nachdem alle Systeme auf Grün standen, zündete ich die Nachbrenner und gab vollen Schub. Im Anflug programmierte ich die Hälfte meiner Raketen auf verschiedene Ziele. Die Neun und die Zehn vernichteten ihre Gegner und wendeten. Sie flogen quasi direkt in sechs angreifende Kampfjäger. Vier Butterflys wurden pulverisiert. Die Zehn ging tödlich getroffen in Flammen auf. Die Neun hatte etwas abbekommen, wehrte sich aber noch gegen die heranrückenden Maschinen.
Mit aktiven Nachbrennern schoss ich am Staffelführer vorbei und feuerte die gesamte Salve ab. Zwölf Raketen flogen auf unterschiedliche Ziele zu und jede Einzelne davon zerstörte einen Butterfly.
„Der hat gerade mehr Abschüsse gemacht als ich in meinem ganzen Leben!“
„Klappe drei! Konzentrieren Sie sich.“
Die Drei ging umgehend in Flammen auf, als eine Salve kinetischer Projektile in den Rumpf einschlug. Die Sechs und die Sieben schossen ihre Schiffskiller ab. Sie wurden zwar weit vor dem Schiff abgefangen, allerdings verbrannte die enorme Hitze einen Teil der Geschütze auf der mittleren Waffenplattform.
„Aristoteles Sechs: Päckchen abgegeben.“
„Aristoteles Sieben: Päckchen auch abgegeben. Kehren zurück zur Hauptrotte.“
„Negativ! Beschäftigen Sie das Mutterschiff!“
Mir platzte der Kragen. „Sechs und Sieben: Sofort mit mir formieren!“ Donnerte ich in mein Mikrofon.
„Führen Sie meine Anweisungen aus oder es wird Konsequenzen haben! Elf, Sie werden sofort unseren Jägern bei der Furie helfen!“
„Welchen Rang haben Sie?“
„Major ...“
„Ich bin Colonel. Und wenn Sie nicht langsam aufhören, so gefährlichen Unsinn zu brabbeln, muss ich Sie leider abschießen.“
„Das ist eine Drohung und ...“ Er beendete den Satz mit einem lauten Kreischen, als sein Kampfjäger von einer Rakete zerfetzt wurde.
Der Kampfjäger mit der Nummer Vier zerstörte die verbliebenen Butterflys in der Nähe der Furie. Ein herumschwirrendes Schrapnell traf das Cockpit und der Jäger flog einfach in einen nahen Asteroiden und zerschellte dort. Fünf Wolfsklauen waren übrig. Acht feindliche Jäger und der Zerstörer waren noch übrig.
„Hier Alpha, welche Welpen kommen an meine Seite?“
„Welpe eins bereit!“ Neben mir tauchte eine Klaue auf.
Zwei Butterflys wurden von einer Klaue zerfetzt, die sich dann an meiner anderen Flanke bereit machte.
„Welpe zwei bereit.“
Die beiden Jäger, die sich vom Zerstörer gelöst hatten, formierten sich ebenfalls mit uns.
„Welpe drei bereit!“
„Welpe vier bereit!“
„Ok Freunde, auf zum fröhlichen Beutereißen. Drei und vier geben Jagdschutz. Der Rest macht die Schiffskiller klar!“
Nacheinander trafen die Bestätigungen ein. Drei Butterflys sonderten sich ab und blieben einfach im All hängen. Wir ignorierten sie und flogen weiter in Richtung Träger.
„Gefräßiger Wolf an Staffel: Achten Sie auf Sperrfeuer, sind jetzt in Feuerreichweite!“
„Warum hat das so lange gedauert?“
„Können wir das später klären?“
„Sicher.“
In dem Moment feuerte die Gefräßiger Wolf mit ihrer Sekundärbewaffnung. Sie setzte keine Schiffskiller ein, sondern nur die Projektilkanonen. Der Zerstörer erwiderte den Beschuss, allerdings hatte die Gefräßiger Wolf die höhere Reichweite. Zwei gegnerische Kampfjäger gerieten ins Kreuzfeuer und wurden von den Salven zerfetzt. Die hintere Waffenplattform wurde nach und nach in Stücke geschossen.
„Staffel Achtung! Wir schicken zwei Sturmshuttles zum Feindschiff. Feuern Sie Ihre Schiffskiller auf das Heck und die verbliebene Waffenplattform ab!“
Auf dem Übersichtsdisplay sah ich, dass alle Schiffskiller nach und nach scharfgemacht wurden. Ich betätigte meine eigenen Kontrollen und programmierte die Waffenplattform.
„Alpha an Rotte: Feuer!“
Sechs Schiffskiller waren unterwegs. Die verbliebenen Butterflys ignorierten uns und nahmen die großen Torpedos aufs Korn. Wir konnten die letzten Jäger einfach so abschießen ohne viel Gegenwehr.
„Staffel: Landen Sie mit den Sturmshuttles im vorderen Hangar! Wir brauchen dort jeden Mann!“
„Bestätigt! Unsere Päckchen sind auf dem Weg.“
Alle sechs Torpedos fanden ihre Ziele. Die Waffenplattform und ein Teil des Hecks lösten sich in zwei expandierende Trümmerwolken aus. Die Gefräßiger Wolf schoss das Schiff sturmreif, während sich die Shuttles näherten.

Wir landeten kurz vor den Shuttles im Hangar. Sieben bewaffnete Personen griffen uns bereits an, bevor wir überhaupt die Cockpits geöffnet hatten. Einer meiner Kameraden drückte den Feuerknopf für die kinetischen Waffen seiner Klaue und ich konnte sehen, wie die Projektile die komplette Einheit zerfetzten. Die Leichen verteilten sich gleichmäßig über mehrere Quadratmeter Fläche.
Wir waren gerade aus den Kampfjägern heraus, als ein weiterer Trupp eintraf. Mit meiner Kombi-Pistole gab ich gezielte Schüsse auf die herannahenden Feinde ab. Meine Begleiter hatten bereits Sturmgewehre in der Hand und eröffneten ebenfalls das Feuer. Jeder Schuss traf und reihenweise gingen die Gegner zu Boden.
Wir suchten zwischen einigen Ersatzteilen und einem Butterfly Deckung, bis die Sturmshuttles eintrafen. Etwa einhundert Marines stürmten aus den Schleusen und sicherten in Windeseile das Deck. Ich scharrte die anderen Piloten um mich und gesellte mich zum Anführer der Truppe.
„Sergeant Fleischer zu ... Was hast du hier zu suchen?“ Er erkannte mich durch den verdreckten Helm, ich war erstaunt.
„Bastian?“
„Jap.“
„Dein Bruder sitzt auf der Furie fest.“
„Den knöpf ich mir auch noch vor, wir haben Arbeit!“
Bastian Fleischer war im Prinzip das Gehirn der beiden Brüder gewesen. Sein Bruder war dafür der bessere Kämpfer. Was an der Stelle allerdings relativ zu sehen war. Die Fleischer waren Kampfmaschinen, die kaum aufzuhalten waren.
„Zug Fünf sichert den Hangar. Zug Sechs versucht, den Reaktorkern zu sichern. Zug Vier sichert den anderen Hangar. Zug Drei begleitet Havoc, Sie übernehmen die Quartiere der Führungsmannschaft. Zug Zwei Reserve. Die Eins kommt mit mir!“
„Müssen wir die Luftikusse begleiten?“
Bastian drehte sich um und packte den Mann, der das gesagt hatte, am Kragen und hob ihn mit einer Hand hoch.
„Der Mann ist einer der besten Kämpfer, die ich jemals getroffen habe. Wenn Sie den Piloten hier nicht den Respekt zollen, den sie verdienen, beende ich Ihre Karriere sehr plötzlich! Ist das klar, Soldat?“
„Jawohl, Sir!“
„Na also, es geht doch.“ Der Mann strauchelte, als er vom Fleischer auf den Boden gedonnert wurde. Seine Methoden hatten sich nicht geändert.
Ich schlüpfte mit meinem Trupp, insgesamt vierzig Soldaten, durch einen Seitengang. Die Korridore waren hell erleuchtet und der Fußboden war von einem grauen, robusten Teppich bedeckt. An den Wänden waren Hinweisschilder angebracht, die uns ziemlich zielsicher den richtigen Weg zeigten.
Die Korridore selbst waren glatt, rechteckig und boten kaum Deckung. Einer meiner Soldaten wurde von einer Salve aus einem Sturmgewehr zerfetzt, als er unvorsichtig um die Ecke bog. Vier meine Leute eröffneten daraufhin das Feuer und gaben uns Deckung.
Ich fällte einen der Gegner mit einem einzelnen Schuss. Die restlichen Angreifer gingen kurz danach auch zu Boden. Wir rückten geschlossen weiter vor. Der Korridor endete vor einem Fahrstuhl. „Ihr vier, die Treppe. Sie Soldat?“ Ich deutete auf den Mann, der sich so lautstark über mich beschwert hatte. „Übernehmen mit fünf Mann die Nachhut.“
Der Rest verteilte sich auf die Gruppen und fünf Minuten später erreichten wir das Offiziersdeck. Wir stürmten gleichzeitig mit den Trupps aus den Fahrstühlen in den Bereich. Der Empfang war feurig. Drei meiner Soldaten gingen zu Boden, einer wurde leicht verletzt ein anderer verlor einen Arm, als seine Waffe explodierte. Seine Kameraden flickten ihn schnell notdürftig zusammen.
Mit meiner Kombipistole schaltete ich zwei weitere Feinde mittels Kopfschüssen aus. Ich beobachtete, wie das Blut an den Wänden herunterlief.
Fast die Hälfte der Verteidiger war tot, als sie sich zurückzogen. Einige andere waren verletzt und blieben einfach liegen. Wir entwaffneten sie schnell und banden ihnen die Hände zusammen. Dort wo es dringend war, wurde auch Erste Hilfe geleistet, aber so viele waren es hier nicht.
Wir trieben die Verteidiger zwanzig Meter durch den Korridor, bis sie sich erneut vor einer großen Kabinentür verschanzten. Ich hatte das Gefühl, dass dieser Raum wichtig war. „Los, da müssen wir rein!“ brüllte ich meinen Leuten zu.
Wie von selbst tötete ich einen weiteren Gegner. „Mann, ich hab zwar schon viel erlebt, aber jemand, der in so nem Kampf jeden Gegner mit nem Kopfschuss tötet, ist mir noch nie begegnet.“
Es war ein etwas älterer Soldat. Er gab eine Salve in die Reihen unserer Gegner ab und war wieder in Deckung. „Ist das eine Art Kampfprogramm?“
„Nein, ich bin Gajaner, reicht Ihnen das?“
„Aber auch für Gajaner ist es nicht gerade normal, nur Kopfschüsse zu verteilen!“
Ich gab noch einmal einen Schuss ab und tötete einen weiteren Feind. Er hatte recht.
„Macht wohl die Übung.“
„Übung als ziviler Jagdschutzpilot?“
„Übung als Rebell auf dem Mars.“
„Die Geschichte möchte ich mal hören.“
„Später vielleicht.“
Die Gegenwehr blieb aus. Vier Mann aus meinem Trupp gingen vor und sicherten. In dem Moment explodierten mehrere Granaten. Alle vier wurden verletzt. Die Schrapnelle zerfetzten einem Mann ein Bein und ein anderer hatte sich den Kampfhelm vom Kopf gerissen und hielt sich die Augen.
Vorsichtig näherten wir uns der Tür. Einer meiner Piloten machte sich sofort am elektronischen Schloss zu schaffen und öffnete die Tür. In der Kabine war es dunkel. Ich betrat zusammen mit sechs Soldaten das Quartier. Seide hing an den Wänden. Der Boden war mit einem weichen Belag überzogen und gab bei jedem Schritt nach. Gemälde, sie sahen teuer aus, hingen an den Wänden. Sitzrollen und kleine Beistelltische standen in dem Raum um eine kleine Bühne herum.
Wir durchsuchten den Bereich. Es war anscheinend die Kabine des Kommandanten. Im Schlafzimmer fanden wir einige Datenkristalle und einen Tresor. Zwei Soldaten fingen bereits an, ihn zu öffnen.
Im letzten Raum lag eine Frau in einem schlichten Overall. Sie hatte einen merkwürdigen Helm auf und war an Armen und Beinen festgebunden. Normalerweise hätten wir sie erst einmal liegen gelassen und später nach gesehen. Der in diesem Moment losbellende Alarm ließ mich alles vergessen. „Evakuierung eingeleitet. Selbstzerstörung in 25 Minuten!“
„Binden Sie sie los und mitnehmen, alle Mann zurück zu den Shuttles!“
Über Funk kam dieselbe Anweisung. „Hab aber eine nette Überraschung für den Admiral dabei, wir nehmen die Rettungsbarke auf der Brücke dafür. Alle Mann von Bord! Nehmt zur Not die Rettungskapseln!“
Auf dem Rückweg bekamen wir kaum Gegner zu Gesicht. Wir rannten so schnell wir konnten durch die Korridore. Die Sirenen und das rote Licht sorgten für eine eigenwillige Atmosphäre. Ich rechnete schon halb damit, in Asche verwandelt zu werden. Das hell erleuchtete Flugdeck war eine Erleichterung für alle. Wir verteilten uns sofort auf die einzelnen Schiffe. Jeder Pilot nahm direkt zwei Marines mit, die sich auf den beiden hinteren Sitzen der Wolfsklauen anschnallten. Wir verließen den Hangar gleichzeitig mit den Shuttles. Alles gab Vollschub, um so weit wie möglich weg vom Schiff zu kommen.
Hinter uns gab es eine Explosion. Sicher, man konnte sie nicht hören, aber die Wrackteile, die an meinem Jäger vorbei schossen, das Licht und die Anzeigen auf meinem Armaturenbrett sprachen Bände. Auf der taktischen Anzeige flackerte eine Wolfsklaue, wurde dann aber wieder stabil. Ich brauchte etwas, um zu realisieren, dass es mein Signal war.
„Welpe Vier hier, meine Maschine hat was abbekommen.“
„Landen Sie als Erstes.“
„Zu Befehl!“
Hinter mir würgte einer der Soldaten. Sein Kumpel klopfte ihm auf die Schulter. „Lass mal, sonst machen wir noch aus Geselligkeit mit!“
„Arschloch!“
Er fing sich aber wieder.
Meine Welpen landeten in absteigender Reihenfolge ihrer Nummerierung. Ich flog einmal um die Gefräßiger Wolf und sah mir das Schiff aus der Nähe an. Sechs riesige Strahlantriebe waren im Heck untergebracht. Es waren einige Waffenstationen mit Halteklammern ausgestattet. Insgesamt mussten fast zwanzig Wolfsklauen festgemacht sein. Dazwischen hingen noch die ausgefahrenen Geschütze der Fregatte, die bei den eingeschränkten Feuerbereichen fast nutzlos waren.
Am Bug fiel mir die fehlende Primärbewaffnung auf. Außerdem sah es so aus, als sei der Bug stark verstärkt worden, um auch frontale Zusammenstöße zu überstehen. Eine Sturmschleuse an der Spitze schien das zu bestätigen. Insgesamt ein dunkles, großes Raumschiff mit einer viel zu leichten Bewaffnung.
Der Hangar gefiel mir ganz und gar nicht. Auf der rechten Seite waren die Kampfjäger geparkt und links gab es einen etwas breiteren Streifen, der als Start- und Landefläche benutzt werden konnte. Ein Treffer von einer Rakete oder ein unachtsamer Pilot und der Hangar wurde zur Todesfalle.
Die Shuttles landeten oben in den entsprechenden Buchten. Kurz, nachdem ich aufgesetzt hatte, wurde mein Jäger schon auf eine Parkposition gezogen. Ich konnte noch nicht mal die Kanzel öffnen und aussteigen.
Nachdem mein Jäger geparkt war, öffnete ich endlich die Kanzel. Wir stiegen gemeinsam aus. Ein weiblicher Deckoffizier, ein junger Lieutenant kam angewackelt. „Nette Show da draußen, Havoc. Ich soll Ihnen die hier schon mal geben.“ Sie reichte mir einen Dienstausweis und zwei Abzeichen.
„Wieso?“
„Fragen Sie das besser den General.“
Auf dem Namensschild stand Caren Krieger. Sie musterte mich von unten nach oben. „Haben Sie den Anzug in nem Schlachthaus getragen?“
„Kein Schlachthaus, nur das Schiff meines Arbeitgebers.“
„Ex-Arbeitgeber. Das Ding ist nur noch ein Wrack.“
„War es vorher auch schon. Ich glaub nicht, dass ich so einfach aus meinem Fünf-Jahres-Vertrag raus komme.“
„Wollen Sie wetten?“
„Lieber nicht.“
Aus der Rettungsbarke stiegen gerade mehrere Soldaten aus. Sie hatten vier Männer in ihrer Mitte. Der Einzige, der mir hier wirklich auffiel, war ein großer Mann mit tierisch langen Haaren. Er wirkte auf die Entfernung bereits sehr hochnäsig. Die Piraten wurden von der Bordsicherheit in Gewahrsam genommen.
„Soll ich Sie zu Ihrem Quartier bringen?“
„Sie sind?“
„Manfred Hornfeld, Chefingenieur.“
„Sollten Sie nicht im Maschinenraum sein?“
„War gerade auf dem Weg zu einer Besprechung, als ich vorbei kam.“
Ich bemerkte Carens Stirnrunzeln und sagte erst mal nichts dazu.
„Ich folge Ihnen.“
Hornfeld führte mich quer durch das Schiff. Wir nutzten auf dem Weg mehrmals einen Lift, um auf eine andere Etage zu kommen. Als wir das dritte Mal im zentralen Korridor landeten, rammte ich ihn eine Faust in den Magen.
„Was gibt das, wenn es fertig ist?“
„Aua, Mann, wir sind doch fast da.“
„Wir sind jetzt drei Mal durch diesen verdammten Hauptkorridor gelaufen!“
Ich wollte nachsetzen, aber ein Sicherheitsmann kam um die Ecke. „Mr. Hornfeld, gibt es ein Problem?“
„Nein. Kein Problem.“
„Wo wollen Sie hin?“
Ich sagte: „Er wollte mich in mein Quartier führen. Colonel Marc Havoc ist mein Name.“
„Sekunde.“
Er tippte etwas auf einem Datentablett ein.
„Ihnen wurde gerade erst eins zugewiesen. Gästequartier in der Nähe der Brücke. Einfach dem Hauptkorridor in die Richtung folgen und dann noch mal fragen.“
„Danke. Bin auf dem Weg.“
Hornfeld war unterdessen verschwunden.

Nachdem ich endlich wusste, wo mein Quartier war, fand ich es auch relativ schnell. Mir wurde ein Gästequartier mit drei Räumen zugewiesen. Der Wohnraum hatte eine kleine Couchgarnitur, eine Einbauküche und ein paar weitere Schränke, teilweise mit Glasfront.
Jemand hatte die Griffe und Türen an den Schränken vergessen. Sie sahen aus als würden sie aus einem Guss bestehen. Ich berührte probehalber eine Vitrine mit den Fingern. Die Vorderfront einer Vitrine faltete sich augenblicklich zusammen und gab den Weg in das Innere frei. Nanotechnik in Aktion. Ich musste mich einen Meter vom Schrank entfernen, bis er sich selbstständig wieder schloss.
„Colonel Havoc, ich wurde beauftragt Ihnen mitzuteilen, dass Sie in sechzig Minuten bei General Chekov erwartet werden. Saubere Kleidung ist unterwegs.“
Die Stimme des Bordcomputers war sehr angenehm. Die Nasszelle war in einer leicht unangenehmen Farbgebung gehalten. Toilette, Dusche und ein großes Waschbecken waren vorhanden. Dazu kamen noch ein paar Vitrinenschränke, in denen ich Handtücher sehen konnte.
Ich zog mir den Raumanzug aus und nahm das Kästchen aus der Schienenbeintasche. Meine Instinkte trieben mich dazu, das Kästchen mit in den Waschraum zu nehmen.
Ein Blick in den Spiegel sagte mir, dass ich die Dusche bitter nötig hatte. Billige Rasierer und die Standardseife waren vorhanden, sodass ich mir den Dreitagebart aus dem Gesicht kratzen konnte.
Zwanzig Minuten später schlängelte sich mir ein großes Badelaken um die Hüfte. Makellose Zähne grinsten mich im Spiegel an. Die Dusche war seit langem wieder mal die angenehmste, an die ich mich erinnern konnte. Auf der Furie hieß waschen, Waschlappen mit Flüssigkeit durchnässen und abreiben. Man wurde davon zwar auch sauber, aber es war eher eine lästige Pflicht, nicht sonderlich angenehm.
Im Wohnraum lag eine Uniform auf dem Sofa. Meine Kombipistole lag noch dort, wo ich eigentlich den Raumanzug abgelegt hatte. Dieser lag auf der anderen Seite eines Sessels. Jemand hatte hier herumgeschnüffelt. Frisch eingekleidet holte ich mir noch das kleine Kästchen aus dem Bad und legte Holster samt Waffe an.
Auf dem Wohnzimmertisch lagen noch Rangabzeichen, Dienstausweis und eine Sicherheitsplakette. Mit geübten Handgriffen befestigte ich alles an meiner Uniform und hielt inne. Wollte ich das wirklich?
Mein Gesicht spiegelte sich in einer Vitrine mit jeder Menge Büchern. Der Mars war in sechsunddreißig Bänden beschrieben worden. Dazu gehörten noch ein paar alte, klassische Werke, die teilweise Hunderte von Jahren alt waren, aber immer noch in jeder gut sortierten Bibliothek zu finden waren. Mein Blick fiel jedoch auf zwei Titel, die ich mir dann auch aus der Vitrine holte. Ich hatte noch eine viertel Stunde, bis ich in Richtung General verschwinden musste.
„Einmal bei der Raumflotte, immer bei der Raumflotte!“
Der Untertitel des Offiziershandbuchs brachte mich zum Lachen. Ich schlug das zweite Buch auf und bekam zuerst eine Sprachauswahl auf den Seiten zu sehen. Mit einer Berührung auf dem Text verschwanden dann die einzelnen Sprachen und wurden durch eine Zeichnung des Schiffes ersetzt.
Über das Inhaltsverzeichnis fand ich zwei interessante Stellen. Einmal die technischen Daten der HFI-23 und das andere war ein interaktiver Deckplan. Das Handbuch für die schwere Fregatte Typ HFI-23 war bunt und ziemlich gut zu lesen, aber so viel Zeit hatte ich nicht. Der Deckplan prägte sich aufgrund seiner klaren Strukturen sofort ein, sodass ich wohl pünktlich zu meiner Verabredung finden würde.

„Ah, Sie sind früh dran, Havoc. Zehn Minuten später hätten es auch getan.“
„Der Bordcomputer sagte 15:00 Bordzeit und wir haben 14:57, warum sollte ich mir noch zehn Minuten Zeit lassen?“
Brigadier General Skiry Chekov warf mir einen vernichtenden Blick zu.
„Eigentlich hättest du dich etwas beeilen können. Hast du das Kästchen von der Furie dabei?“
Ich zeigte auf die Beule am Schienenbein meiner Uniform.
„Gut. Machen wir nachher. Da kommt der Rest.“
Gleichzeitig trafen Gregor Granai, Joshua Lopez, Amanda Myers und Trevor Moretti ein. Die vier Piloten, die das Debakel in der Raumschlacht vor wenigen Stunden überlebt hatten. Ich begrüßte jeden Einzelnen per Handschlag.
„Setzen Sie sich. Bitte erzählen Sie mir, was da draußen passiert ist.“
Ganz offen erzählte jeder Pilot seine Geschichte, wie er die Ereignisse in der Raumschlacht erlebte.
„Wer war eigentlich der Idiot, der das Kommando hatte?“ Die Frage brannte schon seit einer ganzen Weile auf dem Herzen.
„Lieutenant Colonel Jonathan Sullivan. Er war der ranghöchste Pilot an Bord.“
Aufgrund der finsteren Miene der anderen Piloten hielt ich es für besser, den Mund zu halten.
„Er war eigentlich ein ziemlich guter Pilot. Leider ein verdammt mieser Staffelführer.“ Chekov brachte das Ganze auf den Punkt.
„Mr. Granai und Mr. Lopez?“ Die beiden Angesprochenen nickten. „Sie werden hiermit fest auf diesem Schiff stationiert. Mr. Havoc wird Ihr Vorgesetzter.“ Sie nickten.
„Miss Myers und Mr. Moretti? Sie beide werden, sobald die Lupus Carnivore hier eintrifft den Geleitschutz übernehmen und in der Flotte die Piloten ausbilden. Leider werden wir wohl nicht so viele Klauen mit zur Flotte schaffen können, wie wir wollten. Ich werde Mr. Havoc nicht ohne Jäger hier lassen.“
Beide Soldaten bestätigten die Anweisung.
„Wie Sie schon erahnen können, Colonel Havoc wird voraussichtlich das Kommando über die Gefräßiger Wolf übernehmen. Offiziell werden wir das allerdings erst in ein paar Tagen machen. Halten Sie Stillschweigen.“
Die Besprechung dauerte bereits eine Stunde lang und so langsam wurde es langweilig.
„Bevor Sie hier noch einschlafen: Wegtreten. Mr. Havoc! Kommen Sie bitte mit in mein Büro.“
Meine Fliegerkollegen verließen den Konferenzraum. Ich folgte Chekov drei Türen weiter in ein großes geräumiges Büro. Ein großer Glasschreibtisch stand direkt neben der Eingangstür. Datentabletts lagen verteilt darauf herum. Einige der Hightech-Schränke waren hier ebenfalls zu finden. Chekov ging direkt in den hinteren Teil des Raumes, in dem eine Einbauküche stand.
„Kaffee?“
„Gerne.“
Er reichte mir eine Tasse und ich nahm auf einem der beiden Sofas Platz.
„Das Zeug ist genau so mies wie auf der Furie.“
„Billiges synthetisches Zeug.“
„Aber wenigstens halbwegs heiß.“
„Wenn du das sagst, ich brauch einen Adjutanten, der Bohnenkaffee kochen kann, aber das wird bis zur Flotte warten müssen.“
„Ich überlege im Moment, ob ich nicht besser aussteige.“
„Das werde ich verhindern. Du hast lediglich die Wahl, ob du als Colonel hier freiwillig das Kommando übernimmst oder ob ich dich als einfacher Pilot in die Flotte schleife.“
„Hä?“
„Du bist immer noch ein kampffähiger Pilot und wir brauchen solche Leute. Das Schlüsselwort nennt sich Reaktivierungsgesetz.“
„Bitte was?“
„Wirst eingezogen.“
„Na danke.“
„Dass du unsere neuen Spielsachen fliegen kannst, hab ich ja da draußen gesehen. Du hast alleine 60% der Abschüsse der ganzen Staffel gemacht.“
„Hättest du nicht jemand anderem die Staffel übergeben können?“
„Hätte ich gerne getan, aber leider war Sullivan der ranghöchste Pilot.“
„Das hat dich wohl ein paar Piloten gekostet.“
„Wahrscheinlich.“
„Warum lässt du mir eigentlich nicht die anderen beiden Piloten noch hier?“
„Ich hatte zehn ausgebildete Piloten, die die Ausbildung der Piloten in der Flotte übernehmen sollten. Jetzt habe ich nur noch zwei Ausbilder und zwei Idioten, und die darfst du behalten.“
„Idioten?“
„Granai und Lopez ruinieren sich mit ihrem gegenseitigen Wettstreit nach und nach ihre Karrieren, aber ich glaube, du hast für solche Leute in besseres Händchen.“
„Na danke.“
„Beschwere dich weiter, dann lasse ich dir keine Piloten übrig.“
„Was hast du sonst noch?“
„Im Moment nichts Wirksames, zumindest was dieses Schiff angeht. Hast du was für mich?“
Während ich das Kästchen aus meiner Tasche heraus fummelte, hantierte Chekov mit einem kleinen Gegenstand herum und warf ihn mir zu.
„Hier! Mach mal auf.“
Mit etwas Glück fing ich den Gegenstand auf. Es war ein Öffner für die Schlösser an dem Kästchen. Bei Berührung hörte ich ein leises Surren. Alle drei Schlösser mussten berührt werden. Ich klappte das Kästchen auf.
Mehrere Stränge aus einem gelblich schimmernden Material waren mehrfach ineinander verschlungen. In verschiedenen Farben bewegte sich alles. Es sah aus, als sei der Gegenstand irgendwie lebendig. Ein Schimmerknoten, ein Artefakt, welches wir auf dem Mars fanden. Ich klappte das Kästchen wieder zu und warf es in Chekovs Richtung.
„Bleib mir weg mit der Scheiße.“ Meine Stimme kam mir sehr dumpf und grollend vor, vielleicht etwas übertrieben.
Er fing das Kästchen geschickt auf und legte es auf den Schreibtisch. „Du hast das Teil die letzten zwei Jahre beschützt.“
„Bitte was?“
„Den verkappten Job hab ich dir besorgt. Gestriggt ist ein alter Freund von mir und er schuldete mir noch einen Gefallen.“
„Ah ja.“
„Daher konnte ich dich auch befördern.“
„Warum?“
„Weil ich einfach die Akten geändert habe und du undercover für mich gearbeitet hast.“
„Bitte was?“
„Beschwer dich doch nicht andauernd!“
„Hab ich eigentlich eine Wahl?“
„Nein, mit deiner Hintergrundgeschichte kannst du froh sein, wenn du nicht bei den Piraten anheuern darfst.“
„Na danke.“
„Du hast damals mit der Bresslau extrem gute Arbeit geleistet.“
„Ach ein Themenwechsel?“
„Eine Erklärung.“
„Mach weiter.“
„Nur aus diesem Grund kann ich dir überhaupt noch einmal eine Chance geben, hier auf die Füße zu kommen. Dass was du auf dem Mars mit meinen Leuten angestellt hast, wird dich noch bis zu deinem Ableben verfolgen.“
„Gleichfalls.“
„Nicht wirklich. Lydia würde dich auch gerne wiedersehen.“
„Das ist jetzt ein Themenwechsel? Ich dachte sie will mich umbringen, nachdem ich sie abblitzen ließ.“
„Genau dafür will sie dich ja auch sehen. Sie will dir die Eingeweide aus dem Körper reißen.“
„Und der Rest der Familie?“
„Miriam ist mir irgendwelcher Forschung beschäftigt und fliegt gerade von einer Minenkolonie zur nächsten. Maria hat sich auf mein Flagschiff versetzen lassen und will mein CAG werden.“
„Das Zeug dazu hat sie.“
„Ja. Leider hat mich Lydia gelinkt. Sie ist jetzt auch auf meinem neuen Schiff.“
„Neues Schiff?“
„Die Polarwolf.“
Ich musste lachen. „Hast jetzt deinen Wolfstick ausleben können?“
„So in etwa. Ich hab als Dankeschön für die Ablehnung meiner Beförderung eine große Operation bekommen mit einem ziemlich unverschämten Budget.“
„Und dafür brauchst du mich?“
„Ich brauch jemanden, der die Drecksarbeit macht und den ich durch das verdammte Sonnensystem hetzen kann und der trotzdem gute Arbeit macht.“
„Warum ich?“
„Weil du gerade arbeitslos geworden bist. Die Furie ist kaum noch zu retten.“
„So schlimm?“
Mein Kaffee war bereits kalt. Ich holte mir einen Neuen, während Chekov fortfuhr. „Die Furie ist nur noch ein Wrack. Ein Kontrollmodul ist erledigt und die Frachtmodule haben alle gut was abbekommen. Gestriggt will einen Job in der Flotte haben.“
„Bekommt er ihn?“
„Ja. Allerdings müssen wir uns noch etwas für die restliche Besatzung einfallen lassen.“
„Chaila Ramirez könnte eine gute Adjutantin abgeben.“
„Ich mag es nicht, wenn ich bei einem einfachen Hallo eine Gänsehaut bekomme.“
„Man gewöhnt sich dran.“
„Vergiss es einfach. Wir werden uns darum kümmern, dass die Leute vernünftig unterkommen.“
„Recht hast du. Wie geht’s eigentlich deiner Frau?“
„Gut, denke ich. Weihnachten lasse ich sie zur Flotte kommen. Keine Ahnung, ob wir uns vorher noch sehen.“
„Wie habt Ihr es so lange geschafft verheiratet zu bleiben?“
„Es funktioniert einfach.“
„Wie lange? Sechzig Jahre? Fünfundsechzig?“
„Siebzig.“
„Du hast die hundert schon durch, oder?“
„Letztes Jahr, ich hatte gehofft, du schickst mir eine Karte.“
„Auf der Furie?“
„Ok, du hast recht. Ich glaub, du solltest dich auch vor Miriam in acht nehmen. Sie fragt, seitdem du Lydia versetzt hast, immer wieder nach dir.“
„Das wusste ich nicht.“
„Sie darf ich auch nicht in die Nähe von Lydia lassen. Nur dass Lydia hier vorsichtig sein muss.“
„Warum das?“
„Die Zwei hatten sich wegen irgendwas in den Haaren und Lydia ist leider viel zu nachtragend.“
„Klingt nach Lydia.“
„Genau.“
„Was willst du nun von mir?“
„Du wirst mein persönlicher Outlaw werden. Lass erstmal die Zügel an Bord schleifen. Du sollst keine Leute opfern, aber in der Flotte sollte es nicht so gut ankommen, wenn man auf dein Schiff versetzt wird. Es geht um Täuschung.“
„Und dann?“
„Sorgst du intern dafür, dass die Mannschaft auf Top-Niveau kommt.“
„Ich werde mich nicht mit weniger zufriedengeben.“
„Recht hast du. Es geht nur darum, dass man die Gefräßiger Wolf einfach ignoriert.“
Ich reichte dem General eine weitere Tasse Kaffee, während er fortfuhr. „Du wirst auf jeden Fall durch das ganze Sonnensystem gejagt werden, das verspreche ich dir.“
„Warum ich?“
„Warum nicht? Hast du was Besseres zu tun?“
„Stimmt auch wieder.“
„Ich habe eine Reihe kleiner Operationen für dich auf der Liste. Aber zuerst wirst du hier gebraucht, bis wir die Piraten und das Wrack der Furie vernünftig abtransportieren können.“
„Bekomme ich noch mehr Hintergrundinfos?“
„Deine Primäraufgabe wird es sein, einen Flottenstützpunkt zu finden. Irgendwo wird es noch alte, ausgediente Basen geben, die sich für unsere Zwecke eignen. Finde einen.“
„Ich hab nach weiteren Informationen und nicht nach weiteren Aufgaben gefragt.“
„Du erinnerst dich daran, was auf der Erde passiert ist?“
„Wegen dem Müll bin ich auf dem Mars gelandet.“
„Eineinhalb Milliarden Menschen liegen in der Sargnadel auf Eis. Sicher, alles Menschen von der Erde, aber eben Menschen. Die Erde wird nie wieder alle aufnehmen können.“
„Das ist wohl hinlänglich bekannt.“
„Ein paar Großkonzerne möchten gerne ein paar Steuern sparen. Da sie die Sargnadel finanzieren, haben sie natürlich Interesse daran, dass sie bald verschwindet.“
„Seit wann kümmert es den Mars, was Großkonzerne wollen?“
„Tut es eigentlich nicht, aber die Kohle für die Flotte ist auch nicht zu verachten.“
„Ok, weiter.“
„Unsere Regierung möchte gerne die Lorbeeren ernten, die mit einer Unterbringung dieser ganzen Menschen verbunden wäre. Das würde unsere politische Stellung auch im Hinblick auf die Erde deutlich festigen.“
„Komm bitte auf den Punkt.“
„Mein Auftrag ist es, einen Weg aus dem Sonnensystem zu finden, ohne dabei einen Krieg auszulösen. Nach meinen Daten hat bereits jemand das Kunststück vollbracht, allerdings unfreiwillig. Sie sind vor kurzem zurückgekehrt. Die Mond-Bastarde haben allerdings mittlerweile das Kommando in der Flotte und wir versuchen gerade herauszufinden, wer das war und was mit ihnen passiert ist. Da wirst du ins Spiel kommen.“
Ich war baff. Die Araner und die Vender wachten über die einzigen bekannten Sprungpunkte im Sonnensystem. Über diese Sprungpunkte und die Handelsstationen um Saturn und Jupiter betrieben sie zwar Handel mit uns, allerdings verweigern beide den Transfer durch ihr Territorium. Meines Wissens hatte die SFI einen Überlicht-Antrieb getestet, allerdings wurde, aufgrund des Drucks seitens unserer Besucher, die Entwicklung eingestellt. Die Gravon-Installation sollte im Laufe des nächsten Jahres eine Verbindung zum Sirius bekommen. Ein stabiler eigener Sprungpunkt wäre allerdings dem Ganzen vorzuziehen.
„Das ist jetzt alles etwas viel.“
„Kümmere dich erst einmal um dein Schiff und um die Flottenbasis. Danach wirst du wohl mit den Dingern hier spielen dürfen.“ Skiry hob den Schimmerknoten hoch. Er glänzte in der Zimmerbeleuchtung. Bunte Funken wanderten über die Oberfläche. Mich fröstelte es bei dem Anblick.
„Warum tust du das eigentlich?“
„Du hast mir auf dem Mars das Leben gerettet.“
„Ich hätte dir beinahe den Schädel von den Schultern geblasen, aber das Artefakt kam da zwischen.“
„Vergiss es einfach, das sagte ich dir bereits.“
Der alte Mann hatte mich quasi im Griff. Statt uns gegenseitig auf dem Mars kalt zu machen, kam die Entdeckung des Artefakts auf dem Mars dazwischen. Dadurch waren wir gezwungen gewesen, zusammenzuarbeiten. Nur so hatten wir es geschafft zu überleben.
„Habt ihr in dem zerstörten Modul auch nach Überlebenden gesucht?“
„Die Teams sind gerade gelandet.“
„Sende ihnen kurz einen Hinweis, dass drei Söldner dort festsitzen, zwei Frauen und Jakob Fleischer.“
„Muss mir der Name was sagen?“
„Die Fleischer sollten dir was sagen, ja.“
Zwischen den Ohren des Generals ratterte es. Zuerst verlor er die Farbe aus dem Gesicht, sein Kiefer bewegte sich nach unten und fing er sich wieder. „Jakob ist an Bord der Furie?“
„Zusammen mit zwei Söldnerinnen. Eine ist bei ihm ...“
„Die Arme.“
„Die Andere sitzt mit einem beschädigten Raumanzug in Frachtmodul 4 in einer Rettungskapsel.“
„Sonst noch was?“
„Das Modul wurde von einer Landekapsel getroffen, die auch gleich Giftgas mit hohem Druck in die Umweltanlage gepumpt hat.“
„Schlimmes Gift?“
„Ich durfte zugucken, wie jemand daran verreckt. Es ist absolut tödlich.“
Daraufhin tippte Chekov etwas auf ein Datentablett. Es piepte kurz, als die Antwort kam.
„Das war wichtig.“
„Die drei waren ursprünglich zu sechst. Die anderen drei sind tot.“
„Lecker.“
„Sollten alle identifiziert werden.“
„Wird auf jeden Fall erledigt. Auf dem restlichen Schiff gab es noch zehn weitere Tote durch die Angriffe der Piraten.“
„Kommt vor.“
„Leider. Aber das dürfte nicht das Problem sein.“
„Die Söldner würde ich gerne übernehmen.“
„Warum?“
„Weil ich die beiden Fleischer gern wieder als Team im Trupp hätte ...“
„Wo ist denn sein Bruder?“
„An Bord einer schweren Fregatte vom Typ HFI-23.“
„Und welches Schiff soll das sein?“
„Nennt sich Gefräßiger Wolf.“
Der General wischte sich mit beiden Händen von oben nach unten durchs Gesicht.
„Soll mir egal sein.“
Das Datentablett piepte erneut.
„Ok, die beiden in dem Schutzraum haben wir geborgen, sie sind wohlauf. Die Frau in dem Frachtmodul liegt im Koma.“
Das traf mich dann doch, so unbekannterweise. „Was ist passiert?“
„Die Kapsel wurde anscheinend getroffen. Sie hat zwar überlebt, muss aber zur Flotte. Sie wurde bereits in Stasis versetzt.“
„Schade eigentlich.“
„Wenn nichts gegen sie oder die anderen Söldner vorliegt, werde ich die Aufnahme genehmigen.“
„Danke.“
„Ich weiß, was die Fleischer anrichten können, wenn man sie lässt, und du kannst wenigstens mit solchen Kampfmaschinen umgehen.“
„Hast Du sonst noch was für mich?“
„Ja. Wir haben im Moment sehr wenige Piloten. Wenn möglich, versuch einige aufzutreiben. Ich werde dir, sobald ich kann, ein paar Leute schicken, aber wenn du vorher brauchbares Personal findest, kassiere es einfach ein.“
„So schlimm?“
„Unsere Flotten haben jeweils eine Sollstärke von 250.000 Personen. Die dritte Flotte hat aktuell nur 140.000 Mann Stärke und muss noch auf das Soll gebracht werden. Noch Fragen?“
„Ehm ... Nein.“
„Gut. Ruh dich ein wenig aus.“
„Wer hat eigentlich für meine frische Uniform gesorgt?“
„Das war wohl Caren Krieger, sie meint, du wärst einfach abgedampft, bevor sie dir das Zeug aushändigen konnte.“
„Ups? Ein Mann namens Hornfeld hat mich abgeholt und durchs Schiff geführt.“
„Was hat der denn im Hangar zu suchen?“
„Keine Ahnung.“
„Wie gesagt, ruhe dich aus. Morgen werden wir uns mal deine Söldner, die Kleine, die du gerettet hast und Von der Brüh vorknöpfen müssen.“
„Wer ist bitte Von der Brüh?“
„Keine Ahnung. Er tut so, als sei er der neue Koraght, aber da stimmt was nicht. Ich tippe auf eine Spezialschulung.“
„Die Frau, die wir retten konnten?“
„Sie hatte die Papiere einer Jennifer Tear bei sich.“
„Lass uns das morgen machen, ich hab keine Lust mehr.“
„Einverstanden.“

Auf dem Weg zu meinem Quartier fing mich Caren Krieger ab.
„Was hat eigentlich Hornfeld in Ihrer Kabine zu suchen?“
„Bitte was?“
„Er kam mir vorhin entgegen, als ich Ihnen Ihre Klamotten bringen wollte. Sie sollten die Tür verschließen, wenn Sie duschen gehen.“
„Ich hatte jetzt zwei Jahre lang keine brauchbaren Schlösser mehr an meiner Kabinentür, ich hab es wohl einfach versäumt.“
„Einfach den Computer anweisen. Sprachsteuerung.“
„Na so was. Was hat er bei mir gemacht?“
„Wer?“
„Hornfeld? Nachdem er mich quer durch das Schiff führte, ohne dass wir ankamen?“
„Keine Ahnung, der ist manchmal richtig komisch.“
„Jetzt sind Sie komisch.“
„Ich hatte gefragt, oder?“
„Genau das.“
„Ich werde ihn töten.“
Damit verschwand sie in die entgegengesetzte Richtung und wackelte demonstrativ mit dem Hintern. Zwei Soldaten sprangen regelrecht auf die Seite, als Caren auf sie zukam.

Wieder in meiner Kabine begutachtete ich erst einmal das Schlafzimmer. Doppelbett, große Schränke und eine Kommode standen hier herum. Ich hoffte, dass das Offiziersquartier wenigstens einen Schreibtisch hatte.
Jemand hatte Seesäcke vor einen Schrank gestellt. Ich nahm an, dass es meine persönlichen Habseligkeiten von der Furie waren. Ein Blick in die Taschen bestätigte das.
Ich holte mir aus der Küche noch einen Tee und blätterte noch etwas in den beiden Büchern, die ich mir vorher herausgesucht hatte. Dabei fiel mir auf, dass das Handbuch für die HFI23 von Caren Krieger verfasst worden war.
Die Wanddisplays im Wohnzimmer zeigten das Wrack der Furie auf der einen Seite auf der anderen konnte man die ausgebrannten Überreste des Piratenschiffes sehen. Wenn man sich an den Displays vorbei bewegte, veränderte sich die Perspektive, sodass man den Eindruck hatte, aus einem Fenster zu sehen. Ich wies den Computer an, klassische Musik zu spielen und las mir das Handbuch der Fregatte durch. Irgendwann schlief ich ein.


[2523.18] – 3 – Verhöre
Auf dem Weg zur Gefängniszelle der Söldner brüllte jemand den halben Bereich zusammen. „Mann du verdammter, arschgefickter Idiot! Was hast du dir dabei gedacht, bei so 'ner Scheiße mitzumachen?“ Stille. „Was hast du dir dabei gedacht Mann? Wenn du Glück hast, darf ich dich alle paar Jahre in 'nem bepissten Steinbruch besuchen und dir zum Geburtstag Salben schicken.“
„Es war ein Job und wir brauchten unbedingt das Geld, wir waren abgebrannt bis ins Letzte.“
„Soso, aber so einen Job?“
„Wir sollten uns unter die Mannschaft schmuggeln, was wir auch erfolgreich taten. Dann sollten wir uns, wenn wir ein Signal erhalten, in die verdammten Raumanzüge quetschen, und nach einem Päckchen suchen, das irgendwo in dem Kahn verborgen war.“
Unbemerkt von den beiden Streithähnen konnte ich mich an der Tür postieren. Sie boten einen interessanten Anblick. Hinter dem Schutzglas stand ein Mann in einem schlichten, grauen Overall. Davor stand genau derselbe Mann in einer sauberen und gut sitzenden Uniform. Beide waren ungefähr eins siebzig groß und hatten kahl geschorene Köpfe. Bei dem Eingesperrten zeigte sich ein Dreitagebart, während sein Gegenpart absolut glatt rasiert war. Sie waren drahtig gebaut und vergleichsweise dürr, aber, wie ich aus eigener Erfahrung wusste, durfte man keinen von beiden unterschätzen. Sie besaßen Implantate, die ihre Körperfunktionen steuerten und ihre Kraft so weit verstärkten, dass sie in der Lage waren, einen ausgewachsenen Menschen mit bloßen Händen zu zerreißen.
„Mann Bruder, der war Scheiße. Warum habt ihr das Modul mit diesem bepissten Giftgas geflutet? Die Besatzung hätte eh nix gemacht, die Schmarotzer hätten euch garantiert noch geholfen.“
„Ich hatte keine Ahnung, dass die unser Taxi mit Giftgas bepacken und das schön in die Umweltanlagen pusten. Wir versteckten uns in unseren Raumanzügen, als wir das Asteroidenfeld erreichten. Als dann die Kapsel in das Modul einschlug, war es schon zu spät.“
„Glaub ich auch.“
„Ach verdammt, Basti, ich wusste echt nicht, dass sie dieses verdammte Gas in das Modul kippen. Die Kapsel sollte unsere Überlebenszelle werden, bis das alles vorbei war.“
„Du weißt, was das Gas mit den Leuten angerichtet hat?“
„Ich hab es gesehen, verdammt.“
„Was glaubst du, was die Leute machen wollen, die die Folgen gesehen haben?“
„Sie wollen jemanden dafür töten.“ Jakob wurde immer kleiner während Bastian seine Schimpftirade fortsetzte.
„Ganz genau. Du kannst von Glück sagen, dass auf dem Mars keine Todesstrafe vollzogen wird. Ich fürchte aber, euch wird keiner glauben, dass ihr das Gas nicht bewusst eingesetzt habt.“
In der Nebenzelle stand eine Frau, die sich gleich zu mir gesellte, als ich der Zelle näher kam. Sie war noch etwas kleiner als die Fleischer Brüder, hatte einen athletischen Körperbau und kurze, dunkle Haare. Es musste diese Gina sein.
„Warum gucken Sie sich das an?“ flüsterte sie. Genauso leise antwortete ich: „Ich kenne die Jungs und kann ich mir das Verhör sparen, weil ich auf diese Weise mehr erfahre, als würde ich die Befragung selbst durchführen. Familienbande können da schon recht hilfreich sein. Auge in Auge hatten wir noch nicht das Vergnügen, denke ich.“
Ich blickte in wunderbare klare blaue Augen. Lange Wimpern, ein süßes Näschen. Dominierend war allerdings die Gesichtstätowierung. Sie wirkte indianisch, zumindest hatte ich auf uralten Bildern von Tattoos amerikanischer Ureinwohner ähnliche Zeichen gesehen. Die Tattoos bewirkten, dass ihre Gesichtszüge deutlich stärker hervortraten.
„Ich bin Gina Wemayr. Bitte nennen Sie mich nur Gina.“
Ich nickte. „Kann ich nicht versprechen, aber davon mal abgesehen.“
„Was wird aus uns?“ Sie wirkte zugleich hoffnungsvoll und resigniert.
„Gleich, ich würde gern noch was von Jakob erfahren.“
Die beiden Brüder hatten mich immer noch nicht bemerkt.
„Und nu?“ fragte Basti.
„Ach keine Ahnung. Wir sind pleite, außer Gina sind alle tot oder gegangen und ich habe so langsam auch die Schnauze voll.“
„Was für eine Erkenntnis. Rate mal, warum ich abgehauen bin.“
„Ich glaub ...“
Bei der Erwähnung Ginas blickten beide in unsere Richtung und verstummten.
„Klassentreffen der Marsbrigade, wie?“ sagte ich dann laut.
„Ach verdammt, ich hoffe mein Bruder reißt mich jetzt nicht wieder in irgendeine Scheiße rein.“
Wenn sie mich so ansahen, konnte ich die beiden immer noch nicht richtig auseinanderhalten.
„So, ihr zwei werdet gerade durchgecheckt. Wenn nichts gegen euch vorliegt, dann habt ihr ab sofort einen neuen Job.“
„Ach, muss mein Bruder dann mal einen anständigen Job annehmen?“
„Er wird viel herumkommen. Neue Leute, fremde Kulturen kennenlernen und ihnen ganz gewaltig den Arsch aufreißen.“
„Was anderes kann er eh nicht.“
„Du wirst mitmachen.“
Das Minenspiel zeigte zuerst Entsetzen, dann Unglauben und am Ende war ein breites Grinsen zu sehen. „Diesmal keine Anja, die uns gegenseitig aufeinander hetzt?“
„Die wird vielleicht noch nachrücken, wenn sie überlebt.“
Bastian und Jacob sprachen wie aus einem Mund: „Nee, lass mal.“
„Ganz oder gar nicht, aber zuerst muss sie zur Flotte, die Frau hat es übel erwischt.“
„Sie wird durchkommen?“ Gina klang nicht so besorgt.
„Wird sie. Ihre Rettungskapsel wurde getroffen und sie hat ein wenig Feuer gefangen. Das wird eine Weile brauchen, um zu heilen.“
Gina neben mir fragte: „Ist das so ein „entweder das oder Knast“ Geschäft?“
„Nicht ganz. Das nennt sich Truppenaktivierungsgesetz und wird bei Bedarf angewendet.“
„Tru-Was?“
„Truppenaktivierungsgesetz.“
Bastian grinste noch breiter als vorher. Jakob schien verwirrt zu sein und Gina verstand kein Wort.
„Bruder, du wurdest gerade eingezogen. Ich glaub einen anderen Job bekommt ihr sowieso nicht mehr.“

Die Nächste auf der Liste für meinen Rundgang war Jennifer Tear. Sie war fast einen halben Kopf größer als ich, hatte langes, schwarzes Haar und grün-braune Augen. Das Gesicht war perfekt geschnitten, eigentlich zu perfekt. Ich ging davon aus, dass sie mal etwas Geld in eine Schönheitsoperation gesteckt hatte. Ihre Bewegungen wirkten auf mich sehr kontrolliert, wenig natürlich, aber trotzdem soweit anmutig, dass man die Pilotin erkennen konnte. Die meisten Daten passten zu dem, was in der Datenbank stand. Die Haarfarbe war eine andere und man hatte chirurgisch das Gesicht verändert. Man konnte noch leichte Narben erkennen, die aber bald verblassen würden.
„Nun Miss Tear, erzählen Sie mir noch einmal die Geschichte.“ eröffnete ich die Unterhaltung.
„Wie oft denn noch?“ kam die schroffe Erwiderung.
„So oft es notwendig ist, das erfordern leider unsere Vorschriften.“
„Soso, Vorschriften. Ich frage mich aber, ehrlich gesagt, was es für einen Sinn haben soll, immer wieder dieselbe Geschichte zu erzählen.“
„Ich kann Ihnen vielleicht im Anschluss sagen, warum das so läuft.“
„Versprochen?“
„Natürlich nicht, das kommt drauf an, wie gut die Geschichte ist.“
„Na was soll's. Ich habe vor drei Jahren auf der Diegon Kolonie bei einem freifahrenden Kaufmann angeheuert. Jagdschutz, damit kann ich was anfangen.“ Sie räusperte sich.
„War eigentlich eine kleine Flotte, ein paar gute Kollegen, die mitgemacht haben und im Prinzip war außer viel durch die Gegend fliegen nicht viel zu tun.“ Sie überlegte einen Moment.
„Ich weiß nicht genau, wann das war, ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Jedenfalls wurde der Konvoi von einem Zerstörer angegriffen, zusammen mit mehreren Begleitschiffen.“
„Dort wurden Sie abgeschossen?“
„Nein, ich wurde nicht abgeschossen. Wir kämpften lange mit den Piraten, aber als unsere Trägerschiffe aufgebracht wurden und klar war, dass wir verlieren würden, wollten wir aufgeben. Also wir ergaben uns, was auch nicht wirklich problematisch war. Wir sollten uns in einer Reihe aufstellen für die Landung auf dem Zerstörer. Wir mussten uns identifizieren und dann wurde uns die Landung erlaubt.“
„Und so gerieten Sie in die Gefangenschaft?“
„Ich bin noch nicht fertig. Wir waren drei Frauen und vier Männer in den überlebenden Maschinen. Sie haben die Frauen landen lassen und die Männer abgeschossen.“
„Autsch ...“
In meinen Ohren klang das jetzt ein wenig nach einer schlechten Abenteuergeschichte. Es erinnerte mich an etwas, das mir auf der Suche nach Unterhaltung in der Videosammlung begegnet war. Ich wusste aber nicht mehr wo und wann das gewesen ist.
„Nach der Landung mussten wir uns ausziehen und wurden dann in die Duschen geführt. Dort konnten wir uns waschen.“
„Man gab Ihnen keine Kleidung?“
„Nein. Wir wurden dann in einen großen Raum geführt. Ich glaube, es war so was wie das Schiffsbordell.“
Sie beschrieb kurz den großen Vorraum auf dem Schiff. Aber entweder waren alle Frauen zu dem Zeitpunkt ausgeflogen oder sie existierten nie. Letzteres hielt ich für wahrscheinlicher.
Die Geschichte ging weiter: „Es gab keine Kleidung, kein gar nichts. Wir durften uns in den Räumen frei bewegen. Überall waren aber Kameras angebracht, selbst auf der Toilette oder unter der Dusche. Schlafen konnten wir überall, wo gerade Platz war, der Raum war komplett gepolstert. Decken gab es auch nur durchsichtige dünne.“
Es wurde langsam uninteressant. Die Räume hatten wir betreten und da war nichts, was ihre Geschichte auch nur annähernd bestätigen konnte.
„Das Spiel lief ziemlich einfach! Erfülle den Gästen ihre Wünsche und sie geben Geschenke. Mach nichts und du lebst von grauem Nährbrei.“
„Grauer Nährbrei?“
„Ja, das Zeug, das auch als Nährlösung in den Raumanzügen für Piloten verabreicht wird.“
Es machte Klick bei mir. „Ach das Zeug? Na lecker, aber man gewöhnt sich eigentlich dran, wenn man ne Woche in einem luftentleerten Cockpit zugebracht hat ...“
Sie sah mich an. „Wer macht denn bitte so was?“
„Ich, in meinem vorherigen Job.“
„Armes Schwein“
„Ich weiß nicht, aber Sie waren da, glaube ich noch etwas ärmer dran.“
„Es ging, die Nährpaste wird fast komplett vom Körper aufgebraucht, das erspart einige Gänge zum Klo.“
„Was ist dann passiert?“
„Nicht viel. Ich sah, wie sich jeden Tag eine meiner früheren Kampfgefährtinnen den anderen Frauen anschloss und sich ebenfalls von dem Gesindel betatschen ließ. Ich war die Letzte.“
„Sind sie selbst nicht in Versuchung geraten, ebenfalls mitzumachen?“
„Hätten Sie wohl gerne, wie? Nein, ich hab mich in eine ruhige Ecke zurückgezogen, ein wenig meine Übungen gemacht und gewartet.“
Die Bilder schoben sich sehr lebhaft durch meinen Kopf. Es war ein schlechter Film gewesen und ich glaube, ich hatte das zweifelhafte Vergnügen gehabt, ihn vollständig anzusehen. Warum schoss mir Lydias Bild in dem Moment durch den Kopf?
„Hin und wieder kamen Wildfremde, die sich ein, zwei oder mehr Frauen ausgesucht haben und diese wurden dann weggebracht. Ich weiß nicht, was mit ihnen passiert ist, aber ich habe meine ehemaligen Kolleginnen nie wieder gesehen.“
„Sie waren wahrscheinlich mehr als drei Monate an Bord des Schiffes, vielleicht etwas länger.“
„Tatsächlich so lange?“
„Ja.“
„Wie gesagt, ich hatte dort kein Zeitgefühl. Immer dasselbe schummrige Licht, keine Tag- und Nachtwechsel und die Freier kamen auch zu jeder Tages- und Nachtzeit.“
„Gab es irgendwelche Hinweise, ob die Piraten mal gelandet sind, oder Ähnliches?“
„Hm ... Ich glaube, das Wegbringen der Anderen war wahrscheinlich ein Anzeichen für eine Landung.“
„Ohne Zeitgefühl half Ihnen diese Erkenntnis wohl wenig?.“
„Ich vermute, dass die letzte Landung vor wenigen Tagen war. Es ist auf jeden Fall nicht so lange her.“
„Möchten Sie sonst noch etwas erzählen?“
„Ich möchte gerne in einen Kampfjäger eingeschweißt werden und darin solange durch die Gegend fliegen, bis man meine Leiche mit Löffeln aus dem Ding kratzen muss.“
„Hm?“
„Ach, ich bin Pilotin und habe im Moment nicht so die Neigung dazu, mich mit vielen Leuten in einem recht kleinen Raum aufzuhalten.“
„Sie brauchen wohl einen neuen Job?“ Die Stimme gehörte General Skiry Chekov.
Er hatte sich im Laufe der Befragung eingeschlichen. Ich wusste nicht, seit wann der General das Gespräch verfolgte, aber ich ging davon aus, dass er einiges gehört hatte.
„Wer sind Sie denn?“ fragte sie.
„Ich bin General Skiry Chekov von der Raumflotte Mars.“
„Und jetzt möchten Sie mir ein unmoralisches Angebot machen?“
„Nicht wirklich, bin verheiratet.“
„Sondern?“
„Wir sind im Moment sehr knapp an Piloten, und wenn Sie möchten, können Sie einen Eignungstest machen, ob Sie für die neuen Maschinen geeignet sind.“
„Knapp an Piloten?“
„Ziemlich knapp. Aufgrund des ständigen Säbelrasselns an allen Ecken und Enden wird es langsam heiß. Und wenn das so weiter geht, muss ich aufpassen, dass meine Schlachtflotte überhaupt ein paar Veteranen abbekommt.“
„Ach, Sie schulden mir noch etwas ...“
„Was?“
„Den Grund, warum ich meine Geschichte ständig neu erzählen muss.“
Skiry sah mich an und grinste nur. Das wollte ich ihm bei Gelegenheit heimzahlen.
„Das Ganze hat zwei Gründe. Zum einen erzählt jeder dieselbe Geschichte immer etwas anders. Man wählt andere Wörter und es kommen immer wieder neue Kleinigkeiten ans Licht.“
Der General meinte dazu noch grinsend: „Andere Gründe dafür sind Fehler beim Protokoll oder wenn es große Unterschiede in den Erzählungen gibt.“
„Oder man möchte sich ein persönliches Bild von der Sache machen. Aufzeichnungen und Protokolle helfen einem dabei nicht weiter.“
Ich bedankte mich noch einmal für das Gespräch und ging vor die Türe. General Chekov blieb noch eine viertel Stunde allein mit ihr, bevor er mir folgte.
Nachdem das Gespräch beendet war, hatte ich im Hinterkopf noch immer das Gefühl, mit einer schlechten Abenteuergeschichte abgespeist worden zu sein. Ich verfolgte diesen Gedanken aber vorerst nicht weiter.

Chekov gesellte sich zu mir. „Was hältst du von ihr?“
„In Stasis packen und die Wahrheit herausfinden?“
„Das dauert zu lange. Nimm sie in deine Crew auf.“
Er entsetzte mich. „Warum?“
„Die ist größtenteils harmlos. Und ich denke, dass unser kleiner Piratenkapitän damit etwas zu tun hat. Du hattest die Kleine doch befreit?“
„Ich gehe mal davon aus, dass das Ding, was sie vor den Augen hatte, ihr irgendeine VR-Show lieferte, um sie gefügig zu machen.“
„Denke ich auch. Aber davon mal abgesehen, sie dürfte ein netter Köder sein. Auf jeden Fall ist ein bekanntes schwarzes Schaf besser als ein unbekanntes.“
„Mir ist nicht wohl dabei.“
„Mir auch nicht, aber was will man machen?“
Wir kamen zum Hauptverhörraum. Wachen standen vor der Tür und salutierten. Wir hatten den Beobachtungsraum für uns alleine. Durch die einseitig blickdichte Verglasung konnten wir Von der Brüh am Tisch sitzen sehen.
„Ich habe Anweisung gegeben, ihn nur oberflächlich zu durchsuchen. Er hat ein Messer im Stiefel, aber das übersahen unsere Leute geflissentlich.“
„War nicht so einfach, wie?“
„Nein.“
„Was hast du vor?“
„Wir machen ihn jetzt richtig, richtig sauer auf dich, auf mich und auf den Kahn hier.“
„Und dann?“
„Bekommen wir etwas aus ihm heraus.“
„Wie das?“
„Er muss irgendwie von Bord.“
„Ich überleg mir was.“
„Mach das. Mir gehen im Moment die Ideen aus, wie wir ihn laufen lassen können, ohne dass er Verdacht schöpft.“
„Bevor wir da rein gehen, warum wollen wir ihn laufen lassen?“
„Mein Gefühl sagt mir, der Typ könnte uns zu seinen Auftraggebern führen, die das Artefakt haben wollen.“
„Sicher?“
„Nicht ganz, er könnte auch auf eigene Rechnung handeln, der Typ ist gänzlich unbekannt.“
„Ab in die Minen mit ihm würde ich sagen.“
„Wenn er ein hohes Tier ist, bekommen wir Ärger. Mich interessiert vor allem, wer hinter dem Artefakt her ist.“
„Glaubst Du wir bekommen was aus ihm heraus?“
„Nein, nicht das Geringste. Er hat definitiv eine Psychokonditionierung und ein paar Spezialtrainings hinter sich. Ein einfacher Pirat wäre nicht so ruhig geblieben.“
„Also auf zur Lügengeschichte. Sehen wir mal zu, dass wir richtig unprofessionell wirken.“
„Hatte ich lang nicht mehr.“
„Ich hab mich immer davor gedrückt, Leute auszuquetschen. Auf dem Mars haben das die Brüder Fleischer erledigt und auf der Bresslau hatte ich Leute dafür.“
„Geht mir nicht anders ...“
Mir kam ein Einfall. „Bevor wir da rein gehen, wir geben ihm die Gelegenheit mich zu provozieren.“
„Marc? Alles klar mit Dir?“
„Lass mich zu Ende erzählen. Wir lassen ihn mich provozieren und ich tu so, als wenn ich mich nur unzureichend unter Kontrolle habe. Dann finden wir das Messer und spielen weiter. Wenn er es dann übertreibt, geh ich damit auf ihn los.“
„Was hast Du vor?“
„Ihm ein Auge ausstechen.“
„Die Haarpracht könnte wirkungsvoller sein.“
„Ja, aber einen kleinen passiven Chip, den wir überwachen können, sollten wir irgendwo hin packen, wo er nicht freiwillig dran geht.“
„Versuchen wir es.“
Chekov nahm kurz mit der Krankenstation Verbindung auf und instruierte bereits die Ärzte. Ein Sanitätsteam würde in der Nähe warten. Es sollte dafür sorgen, dass Von der Brüh auch ja keinen Grund bekam, in seinem Auge nach Mikrochips zu suchen.

Kapitän Gregor Von der Brüh saß auf seinem Stuhl, leicht nach hinten gekippt, die Füße auf dem Tisch, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und grinste uns dämlich an. Er hatte eine Haarpracht, die jedem Modell den Neid ins Gesicht getrieben hätte. Etwa hüftlang, schwarz, glatt und dazu noch ziemlich dicht. Glatt rasiert saß er da wie jemand, der einfach nur darum bettelte, wie das letzte Arschloch behandelt zu werden.
„Willst du oder soll ich?“ fragte mich der General. „Mach nur“ erwiderte ich.
Der General zuckte mit den Schultern, trat dem Piraten die Beine vom Tisch und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Er kippte mitsamt dem Stuhl hintenüber. Ich sah mir die Szene im Geiste noch einmal an, dann kam ich auf den Trichter. „Immer interessant, wie man mit den festgeschraubten Stühlen umkippen kann.“ Meine Stimme hallte unangenehm in dem Raum.
Der General ging ein paar Schritte auf den am Boden liegenden Piraten zu. Er kramte umständlich Handschellen heraus und band dessen Hände an einer Bodenmanschette fest, die an der Rückwand, hinter dem Piraten, aus dem Boden ragte.
„Das ist eigentlich uninteressant, es gibt Sollbruchstellen.“ Chekov setzte nach. „Was aber viel wichtiger ist: Erstmal Entwaffnen!“
„Wie kommst du darauf, dass er bewaffnet ist?“
„Typen wie der haben immer eins übrig, das er durch die Kontrollen bekommt.“
Ich schüttelte nur den Kopf. In der Stiefelsohle wurden wir dann fündig. Dort befand sich kleines Messerchen, kaum mehr als ein Splitter. Genau wie erwartet.
Da fiel mir etwas auf. „Wo zur Hölle hat der die Stiefel her?“
„Die hat er wohl auf der Alpha geklaut. Da ist ein Firmenname in die Sole graviert. Zu teuer für ihn.“
Der Pirat gackerte und kicherte und bekam sich erst nach einer ganzen Weile wieder ein. Wir standen auf und lehnten uns nebeneinander an den Tisch. Nachdem sich Von der Brüh ausgegackert hatte, sah er uns an und prustete gleich wieder los. Es dauerte ein paar Minuten, bis sich der Piraten-Kapitän wirklich wieder unter Kontrolle hatte.
„Was seid ihr eigentlich für Spaßvögel?“
Der General antwortete: „Nur auf der Durchreise. Ich hoffe, der Boden ist nicht zu unbequem, da werden Sie die nächsten paar Tage bleiben.“
„Die nächsten paar Tage?“
„Klar, solange dauert es, bis unser Taxi hier ist und uns zur Flotte bringt.“
„Sagt mal ihr zwei, was wollt ihr von mir?“ fragte der Mann am Boden.
„Leider dürfen wir Sie nicht foltern, ansonsten würden wir jetzt wohl mal langsam damit anfangen.“
„Sehr witzig.“
„Was sollte das mit der Furie?“ fragte ich dann, „Mit dem kleinen Zerstörer kann man keine so große Ladung abtransportieren. Besonders bei einem Schiff, das gemischte Ladung an Bord hat, die eigentlich durch die Bank weg recht wertvoll ist.“
„Och, wir wollten nur unsere Angriffskapsel abholen, die sich in dem Schiff verfangen hatte.“
„Verfangen hatte?“
„Sie wissen doch, gestartet und dann irgendwie was gerammt.“
„Ah ja, und das Giftgas, was Sie an Bord versprühten?“
„War zufällig an Bord.“
„Zufällig?“
„Unser Auftraggeber s ...“ er biss sich auf die Lippe.
„Also ein Auftraggeber“ setzte ich nach.
„Ja ein Auftraggeber. Er sagte: Kapsel absetzen, Kapsel abholen, keine Zeugen hinterlassen und bitte einen Koffer bergen, der irgendwo in der Kapsel oder in dem dann wohl zerstörten Schiff ist.“
„Hat Ihr Auftraggeber etwas von Söldnern erzählt?“
Er sah weg. „Nein, hat er nicht.“
Das war jetzt gelogen wie gedruckt.
„Das war gelogen.“ sagte der General.
Der Pirat knirschte mit den Zähnen.
Mir fiel Jennifer Tears Geschichte wieder ein. „Was soll das eigentlich mit dem Bordbordell?“
Man sah, dass Von der Brüh einen winzigen Moment überlegen musste, bevor er reagierte. Er grinste mich an: „Geile Sache das. Die Mädels dürfen ein wenig Spaß haben, bekommen ein paar Leckerlein und ein wenig was zu spielen. Manche was mehr, und wenn ich nen Käufer für die Weiber gefunden hab, nehme ich ihnen die Kinkerlitzchen wieder ab und verhökre die. Dazu noch die Kohle für die Frauen.“
Ich versuchte, mich von seinen Schilderungen mitreißen und gefangen nehmen zu lassen. Das war der geeignete Aufhänger. Innerlich gab ich mir einen Kick negativer Gefühle, was nicht so einfach war, wenn man eigentlich den Idioten am Boden auslachen will.
„Manchmal hab ich die eine oder andere für meine Kunden reserviert, die teilweise sehr, eh, interessante Vorstellungen von Spaß haben.“
Ich flüsterte leise zum General: „Will er, dass ich ihn töte?“ Er antwortete genauso leise: „Ja.“ Gregor hatte es hoffentlich gehört.
Der Pirat erzählte unterdessen weiter: „Eine meiner besten Einnahmequellen, wenn's mal wieder schlecht mit Schiffen aussieht. Ihr wisst nicht, was die ganzen reichen Säcke auf den Stationen so dafür bezahlen, irgendwelche jungen Dinger durchzuficken, und wenn sie dann noch nach Herzenslust mit Messern, Spielzeugen oder anderen Dingen mit ihnen machen können, was sie wollen, dann zahlen sie sogar noch mehr.“
Ich tastete langsam nach dem Messer auf dem Tisch. Der General bemerkte es und schob es geschickt und geräuschvoll außerhalb meiner Reichweite. Ich drehte Von der Brüh den Rücken zu und gab irgendwelche gurgelnden Geräusche von mir. Es sollte so wirken, als wenn ich gleich auf den Boden kotze.
„Soso, die exotischen Wünsche Ihrer Kunden, wie? Ich dachte, Sie sind Pirat und keine Puffmutter?“ Skiry stichelte schön weiter.
„Wer sagt denn, dass ich nicht selber ...“ Er grinste nur noch böse.
„Und wenn das Ganze auf Ihrem Schiff passierte, gab's wohl noch eine nette Holo damit, wie?“
„Klar!“
Der General klopfte mir auf die Schulter: „Nicht so laut, sonst mach ich aus Geselligkeit mit.“
Er schob mir mit einer schnellen Handbewegung das Messer zu. Ich stieß ihn weg. Chekov fing sich aber schnell wieder und setzte mir nach. Gleichzeitig ging ich dann auf den Piraten zu und holte mit dem Messer aus. Ich schlug zu, aber wenige Zentimeter vor einem seiner hübschen blauen Augen hielt mich eine Hand davon ab, ihm dieses auszustechen.
„Nun, was genau wollten Sie aus dem Frachter stehlen?“ fragte der General ruhig. Seine Hand zitterte leicht, denn ich hatte einiges an Gewicht in den Angriff gelegt. Dass der alte Mann meinen Arm so festhalten konnte, war hauptsächlich dem Umstand zu verdanken, dass er einiges an Technik in seinem Körper hatte.
„Nun, Mr. Von der Brüh: Was wollten Sie mit meinem Paket?“ frage er den Piraten.
Der Pirat sah ihn an.
„Sie wissen, was ich will!“
„Sicher weiß ich, was Sie wollen.“
Er ließ ein wenig locker, die Klinge war nur noch wenige Millimeter vom Auge des Piraten entfernt.
„Mein Auftraggeber will es.“
„Wer ist Ihr Auftraggeber?“
„Eher sterbe ich!“
Der General sah mich an. Ich zuckte mit den Schultern. Die Maskerade und Überrumpelung war wohl bereits durchschaut worden, daher konnte ich auch aufhören zu spielen. Plötzlich ruckte der Kopf des Piraten vor und der General zog geistesgegenwärtig meinen Arm weg. Die Klinge schlitzte dem Mann trotzdem das Auge auf. Dank der Reflexe des alten Mannes konnte sich Von der Brüh aber nicht durch Selbsttötung aus dem Verkehr ziehen. Er würde uns noch erhalten bleiben. Wir standen auf und verließen den Raum.

„Medizinisches Team in Verhörraum 3“ sprach der General in eine Komm-Station an der Wand.
Er hielt mit einer Handbewegung die Sanitäter auf, gab einem den Schlüssel für die Handschellen und sagte den beiden, sie mögen so langsam machen, wie geht, aber schnell genug, damit keine bleibenden Schäden entstanden.
„Ich hab ne Idee, wie wir ihn von Bord bekommen!“
Chekov sah mich interessiert an. „Lass hören.“
Bastian Fleischer kam in dem Moment über den Flur gelaufen, ich hielt ihn fest.
„Warten Sie!“ Er sah mich an: „Was kann ich für Sie tun?“
„Was halten Sie davon, wenn Sie mit Ihrem Bruder einen kleinen Gefangenenausbruch arrangieren?“
Er wirkte etwas entgeistert. Aus Chekovs Mine entnahm ich, dass er keinen Schimmer hatte, was ich spielen wollte.
„Ich wollte meinen Bruder zumindest lebend behalten ...“
„Sollen Sie ja auch. Sie sollen aber dem Piratenkapitän hier die Flucht ermöglichen, zusammen mit der gewünschten Beute.“
Beim General machte es Klick. „Ah ja. Sie verhelfen Ihrem Bruder genau dann zur Flucht, wenn die schnelle Corvette hier eingetroffen ist, um die Gefangenen zum Mars zu bringen. Wir werden ein wenig durch die Gegend ballern, und dabei Sie, Ihren Bruder, die Kameradin Ihres Bruders und ein paar Piraten niederschießen und dann lassen wir den Dreckskerl laufen.“
„Das ist der Plan.“
Der General drehte sich um und lief bereits durch den Korridor. „Ich bereite alles vor!“
„Ok. Versuch ihm das gleich klar zu machen, Du bist jetzt dein Bruder und dein Bruder soll so tun als wäre er du. Gina soll auf jeden Fall mitspielen.“
„Und wie machen wir das?“
Ich führte ihn ein paar Ecken weiter, die Sanitäter führten den jetzt halb blinden Piraten zusammen mit einer weiteren Wache auf die Krankenstation.
„Du inszenierst mit dem General einen kleinen Unfall, dabei wird Chekov schwer verletzt. Anschließend öffnest du die Gen-Codierten Schlösser seines Tresors und lässt dann einen Gegenstand in einem gefütterten Koffer mitgehen.“
„Was ist das für ein Teil?“
„Ein Schimmerknoten, aber halte deine Klappe!“
„Ich glaub, wenn Jakob vorher gewusst hätte, worum es geht, hätte er seinem Auftraggeber in den Kopf geschossen und wäre gegangen.“
„Du klaust also einen Schimmerknoten und befreist die Piraten. Gina und dein Bruder müssen da mitspielen, sie müssen nämlich die Jungs in den Hangar führen, bevor sie etwas Wichtiges kaputtmachen können.“
„Autsch.“
„Ihr sollt auf keinen Fall einsteigen. Wir geben euch Sicherheitsplaketten aus, damit die Waffen euch nicht töten. Ihr werdet noch ein paar Blutkonserven bekommen, damit ihr schön den Boden einsauen könnt.“
„Wenn das auffliegt?“
„Der Pirat wird mitspielen. Vielleicht wird es nichts bringen, aber um den Koffer geht es nicht. Der Pirat muss nur wieder hier wegkommen.“
„Das wird Ärger geben.“
„Wird es, aber wir sind ja Kummer gewöhnt.“
„Und dann?“
„Ich werde euch beide den Marines, die wir hoffentlich bald bekommen, zuteilen.
Bastian nickte. „Ich instruiere Gina und Jakob, die werden ihren Spaß dabei haben, glaub ich.“
„Kennst du Gina?“
„Nur flüchtig. Sie und Anja kamen erst kurz vor meinem Austritt zum Trupp. Gina ist eine erstklassige Pilotin gewesen. Ein Fliegerass, die auf Abenteuersuche war. Sie kommt aus so ner überreichen Familie.“
„Also ein Familienrebell?“
„Und eine erstklassige Kämpferin.“
„Klingt gut. Ihr schafft das schon.“
Die Weichen waren gestellt und die Vorbereitungen wurden getroffen. Von der Brüh erhielt seinen Chip und war garantiert stinksauer auf uns. Das Wichtigste bei der gesamten Aktion war, dass jede Menge Blut floss.


[2523.18] – 4 – Flucht
Drei Tage, nachdem die Verhöre stattgefunden hatten, traf die Lupus Carnivore ein. Wir hatten einen Langstreckentransporter für die Aktion präpariert.
Jakob Fleischer behauptete ständig er wäre Bastian. Eigentlich wussten alle, dass er wirklich Jakob war und die Gefangenen standen in Reihe und Glied, um in Ketten gelegt zu werden. Plötzlich hallte ein Alarm durchs Schiff, der kurz danach wieder aufgehoben wurde.
Ich wurde theatralisch über Bord-Komm auf allen Terminals aufgefordert, sofort in die Kabine des Generals zu kommen, da es einen Zwischenfall gegeben habe. Normalerweise hätte man mich auch einfach über meinen Kommunikator ansprechen können, was wesentlich schneller und unauffälliger gewesen wäre. Unauffällig wollten wir aber gerade nicht vorgehen.
Der niedergeschossene Mann trank gemütlich einen Tee, während ihm die Sanitäter die Blutkonserven anlegten. Die Kabine war ein ordnungsgemäßes Schlachtfeld.
„Das gute Zeug kann man nicht einfach kalt werden lassen!“ Grinste er und ließ sich dann auf der Trage nieder.
Die Sanitäter hängten noch eine Blutkonserve auf und eine dritte Packung wurde dem General auf die Brust gelegt. Das Laken wurde immer blutiger. „Nur nicht zu dramatisch aussehen lassen.“
„Ach ich hab grad nen Schuss in die Brust bekommen, das muss blutig sein!“ sagte der alte Mann.
Er ließ sich seine Tasse abnehmen und die Fahrt in Richtung Krankenstation begann. Die offene Safe-Tür sagte mir, dass das Päckchen ebenfalls auf dem Weg war.

Von der Kabine des Generals waren es nur ein paar Meter bis zur nächsten Überwachungsstation. Ich würde die ganze Geschichte aus der Ferne beobachten müssen, bis alle im Bereich des Shuttlehangars waren. Von hier aus brauchte ich nur wenige Minuten bis dahin.
„... Bastian Fleischer, verdammt noch mal, hören Sie endlich auf!“ perfektes Timing. Der Wachmann sah ihn an. „Ich weiß, dass Sie Zwillinge sind, und Sie können sich nicht für Ihren Bruder ausgeben! Er hat Dienst und ...“ Gina fiel ihm ins Wort.
„Er," sie zeigte auf ihren Mitgefangenen, „ist wirklich Bastian Fleischer.“
Der Wachmann sah sie an. „Ach echt? Und wer hat vorhin seinen Dienst oben im Offiziersbereich angetreten?“
„Mein Name ist Jakob Fleischer“ kam eine Stimme aus dem Hintergrund.
Zwei Sekunden später lagen die Wachen auf dem Fußboden und Bastian kam ins Bild und befreite Gina und seinen Bruder.
„Ich hab doch gesagt, dass das klappt, Bruder.“
„Und nu?“
„Nehmen wir uns ein Shuttle und holen uns die Kohle!“
Der Piraten-Kapitän, jetzt mit einer Augenklappe sagte darauf hin: „Das wird Ihnen nichts bringen. Sie brauchen mich.“
„Ach ja?“
„Ja, ich war Ihre Heimfahrkarte.“
„Heimfahrkarte? Sie haben die verdammte Kapsel mit Giftgas beladen und der Extra-Behälter mit Druckventil war garantiert für uns bestimmt! Das war keine Heimfahrkarte, sondern eine Einbahnstraße in die Hölle!“
Der Pirat schmollte. „Wer teilt schon gerne? Davon mal abgesehen, wo ist der Unterschied?“
„Und Sie glauben, wir bekommen unsere Kohle nur von Ihnen?“ fragte Gina.
„Nein, Sie bekommen Ihre Kohle gar nicht, weil ich Sie beide töten werde. Wobei, wenn ich mir das so ansehe, hätte ich besser auf das Giftgas in der Kapsel verzichtet.“
Er warf Gina dabei einen lüsternen Blick zu. Befreit von ihren Fesseln trat sie ihm erst einmal kräftig zwischen die Beine. Röchelnd fiel der Piratenkapitän auf die Knie.
„Wir haben nicht ewig Zeit, verdammt.“ Jakob trieb alle zur Eile an.
„Richtig, Ihr befreit mich und meine Leute und dann gibt es eine Zukunft für Euch, wenn wir meinen Auftraggeber getroffen haben.“
„Und der zahlt auch?“
„Sicher ...“ Der Pirat blickte unschuldig in die Runde.
Gina und die beiden Fleischer-Brüder sahen sich unschlüssig an. Im Hintergrund hörte man Schritte. Kurz entschlossen warf Bastian einem der Piraten den Schlüssel zu. Er nahm zwei Gewehre vom Fußboden hoch, die er seinem Bruder und Gina in die Hand drückte. Die drei Söldner gingen im Korridor in Stellung und feuerten auf die heranrückenden Sicherheitskräfte.
Eine andere Kamera zeigte, wie sich die drei Söldner mit der Sicherheit einen heftigen Schusswechsel lieferten. Gina schaffte es, eine Schleusensteuerung zu treffen und der Korridor wurde abgeriegelt. Während dessen hatten sich die Gefangenen bereits befreit. Bastian zog seine Sicherheitskarte heraus und rannte voraus. Der Rest der Piraten folgte.
Der nächste Schusswechsel fand im Hauptkorridor statt. Bastian rannte direkt in das Feuer der Sicherheit hinein und ging zu Boden. Eine Blutampulle, die er bei sich trug, sorgte für eine hübsche Lache, die sich unter ihm ausbreitete und den Teppich böse versaute. Keiner der anderen machte sich die Mühe, seine Lebenszeichen zu überprüfen.
Sein Bruder schrie schmerzerfüllt auf, drückte Gina den Koffer in die Hand, den sein Bruder kurz vor seinem „Tod“ stehen gelassen hatte. Sie hielt ihn fest und Jakob rannte wild um sich feuernd auf die Wächter zu. Er kam bis in ihre Linien, bevor auch er zu Boden ging. Die Sicherheitskräfte brauchten etwas, um sich neu zu formieren. Jakob hatte eine ganze Reihe von ihnen wild feuernd ausgeschaltet, bevor er "zur Strecke" gebracht wurde.
Die kurze Feuerpause nutzten die Piraten, um durch den Korridor zu schlüpfen. Gina, der Piratenkapitän und acht weitere waren bereits auf der anderen Seite des Korridors, als mehrere Schüsse vier andere Piraten niedermähten.
Die Sicherheitsplakette, die alle an der Aktion Beteiligten trugen, war eine neuere Erfindung und stammte vom Mars. Sie sorgte dafür, dass man rücksichtslos in eine Gruppe von Personen schießen konnte und nur diejenigen tötete oder verletzte, die die Plakette nicht hatten. Alle anderen wurden lediglich betäubt. Die Smartgun-Technologie hierfür war auf der Polarwolf das erste Mal eingesetzt worden.
Ich schaltete durch weitere Kameras, bis ich den Trupp an einer großen Schleuse wiederfand. Aufgrund des ungünstigen Winkels der Kamera konnte ich leider nicht sehen, was genau an der Tür passierte, aber es gelang ihnen, das Schott zu öffnen. Später erfuhr ich, dass ein Techniker die Tür per Fernsteuerung geöffnet hatte. Der Pirat, der die Steuerung kurzschließen wollte, hätte beinahe den gesamten Sektor lahm gelegt. Als kleines Dankeschön für die vielen zerstörten Schaltkreise röstete sich der Pirat selbst, als er seine Hand zu hastig aus der Schalttafel zog.
Ich beeilte mich, zum Showdown zu kommen.

Durch das Sicherheitskraftfeld des offen stehenden Hangars leuchteten die Sterne. Das Shuttle stand startbereit mit offener Schleuse auf seinem Platz. Die Bordmannschaft wartete davor auf die Gefangenen. Es gab einen kurzen Tumult an einem der Eingänge. Schüsse fielen und von der gegenüberliegenden Ecke aus, konnte ich sehen, wie die Piraten auf das Shuttle zu rannten.
Kurz darauf wurden die, vor dem Shuttle wartenden Sicherheitsleute, von den Gefangenen niedergemacht. Mit einem gezielten Schuss aus einer geliehenen Dienstwaffe schoss ich Gina nieder. Ich sah auf die Justierung und stellte fest, dass sie von sich aus auf Betäubung gestellt war. Schnell änderte ich die Einstellung und schoss auf die Piraten. Ich musste mich konzentrieren, ihnen nicht die Köpfe direkt von den Schultern zu schießen.
Von der Brüh riss Gina den Koffer aus der Hand und rannte mit seinen Leuten weiter Richtung Shuttle. Ich lief in Richtung Hangarkontrolle und wollte die Schleuse schließen. Einer der Piraten tat mir den Gefallen, mich nicht so weit kommen zu lassen. Der Treffer in meine Hüfte war unerwartet schmerzhaft.
Ich überschlug mich theatralisch, blieb mit dem Rücken auf dem Boden liegen und sah zum Shuttle. Echtes Blut sickerte mir durch die Uniform. Die ganze Szenerie verschwamm teilweise vor meinen Augen.
„Ok Leute, Ihr könnt aufstehen, sie sind weg!“
Alle machten Anstalten sich zu erheben. Neben mir stand Gina und stieß mit einer Stiefelspitze gegen die Wunde. „He, so schlimm ist das nicht, ist nur ne Fleischwunde.“
Es war wie eine Explosion von Schmerzen, mir wurde abwechselnd schwarz und weiß vor Augen. Geistesgegenwärtig hämmerte Gina auf einen Kommunikator: „Medizinischer Notfall im Hangar, Colonel Havoc wurde verletzt!“
Sofort war es absolut still im Hangar.

Einen Tag später wachte ich im Krankenrevier auf. Kurze Zeit später trafen Gina, Chekov und Krieger ein.
„Sie hatten verdammtes Glück, genau wie Gina.“ Caren war an der Stelle sehr direkt. Mit schmerzverzerrtem Gesicht richtete ich mich auf und begab mich in eine Position, von der aus ich alle ansehen konnte. „Was ist passiert?“
„Die Sicherheitsplaketten waren ausgefallen.“
„Ausgefallen?“
„Zumindest Ihre und die von Miss Wemayr.“
„Wie?“
„Keine Ahnung. Gina hatte Glück, dass Ihre Waffe noch auf Betäubung stand, ansonsten hätten Sie sie mit einem glatten Schuss ins Herz getötet.“
„Marc, das hier riecht nach einem Maulwurf in der Mannschaft, und ich hoffe, dass Von der Brüh zumindest eines der vielen Täuschungsmanöver nicht durchschaut hat.“
„Ich hoffe, dass es das Richtige war.“

Wie abgesprochen, übernahm der General die Corvette, um sich zur Schlachtflotte bringen zu lassen. Er nahm dabei auch einen großen Teil der verbliebenen Gefangenen mit. Ich erhielt offiziell das Kommando über die Gefräßiger Wolf. Zehn Kampfjäger und ein paar Ersatzteile blieben zurück. Alles andere nahm der liebe General mit.
Der präparierte Koffer würde irgendwann ein Signal liefern. Wir hatten vier Wochen, die wir hier verbringen mussten, danach war das Signal ohnehin wertlos. Ich hoffte, dass wenigstens etwas von dem Plan klappte.

Joshua Lopez und Gregor Granai saßen zusammen mit Gina Wemayr und Jennifer Tear im Briefingraum. Während wir uns über den Einsatz unterhielten, wurden die Wolfsklauen fertig umgerüstet.
„So, das hier wird eine etwas längere Reise. Damit Ihr euch nicht so langweilt auf dem Flug, gibt es ein wenig weibliche Gesellschaft.“
Verhaltenes Lachen unter den Anwesenden. Ich stützte mich auf einen Gehstock, um ein wenig meine Wunde zu entlasten. Gina blickte mich besorgt an, sagte aber nichts.
„Spaß beiseite. Gina und Jennifer, Ihr werdet gleich noch eingewiesen, aber das sollte kein Problem sein, die Jäger sind kinderleicht zu bedienen.“
Die Runde sah mich erwartungsvoll an.
„Da ich leider hier das Kommando übernehmen muss, darf ich nicht selbst fliegen, daher ist das euer Job. Platziert die Signalbojen rund um die Gefräßiger Wolf und zwar im Abstand von etwa einer Lichtsekunde. Die Positionen werden als Nav-Punkte in eure Bordcomputer eingespeist. Ihr startet, sobald die Jäger fertig sind.“
Gina hob die Hand. „Ja? Gina?“
„Wie lange sind wir unterwegs?“
„Lang genug, um wie Tiere zu stinken. Sonst noch Fragen?“
Die Anwesenden schwiegen.
„Wegtreten!“

Die Kampfjäger starteten auf ihren langen Flug. Das Einzige, was ich tun konnte, war den Piloten zuzuhören, während sich die beiden Jäger in entgegengesetzte Richtungen bewegten. Leider musste ich den Vieren tatsächlich zumuten, drei Tage in den verdammten Jägern zu bleiben. Sie würden wie Tiere stinken, aber da mussten alle Piloten durch.
Die Doppelbesetzung war besonders wichtig. Mit mehreren Tausend Kilometer Abstand von der Heimat sah man nichts weiter als die Sterne und die Instrumente im Cockpit. So mancher Pilot ist vor Einsamkeit wahnsinnig geworden. Mit meinem genetischen Erbe war es allerdings etwas anderes. Alleine zwischen den Sternen im Cockpit eines Jägers zu sitzen, war für mich wie Urlaub. Ich glaube, deswegen hatte ich den Job auf der Furie so gemocht.
Zwischenzeitlich traf der Zerstörer Weidensee zusammen mit drei Schleppern ein. Damit sollten sie die Furie halbwegs an einem Stück zur Flotte schaffen können. Kurz nach der Übergabe des gesamten Materials unterhielt ich mich noch mit dem Kommandanten der kleinen Flotte, Colonel Alkenhof.
„Ziemlich mutig, die Aktion mit den Piraten.“
„Ich weiß, aber aus dem Kerl hätten wir nichts raus bekommen.“
„Wir bekommen aus dem nie wieder was heraus. Was glauben Sie, was passiert, wenn er seinen Auftraggeber trifft?“
„Bestenfalls? Er übergibt das Päckchen, streicht die Kohle ein und irgendjemand schießt ihn dann über den Haufen.“
„Das wär' dann aber schon ein langes Leben. Ich wüsste nicht, ob das so gut ist ...“
„Wahrscheinlicher ist, dass der Auftraggeber das Pack einkassiert, ihnen das Päckchen abnimmt und sie anschließend erschießt.“
„Richtig. Und was haben Sie davon?“
„Einen Piratenkapitän weniger.“
„Aber das wäre dann so, als hätten Sie die Leute in die Luftschleuse gestellt.“
„Hatte ich vor, darf ich aber leider nicht. Auf einem Erd-Schiff wären sie gar nicht aus der Luftschleuse heraus gekommen.“
„Ich weiß.“
„Entweder haben wir bald die Position der Leichen oder eventuell das Versteck der Piraten in diesem Sektor, wenn alles glattgeht.“
„Das wäre mal eine gute Nachricht.“
„Finde ich auch.“
„Und dann?“
„Heben wir sie aus.“
„Wann genau?“
„Erst brauchen wir eine schlagkräftige Truppe dafür. Ich glaube nicht, dass sie an der Stelle schnell genug sind, ihre Spuren zu verwischen.“
„Was haben Sie eigentlich verwanzt?“
„Gar nichts. In dem Koffer ist ein Artefakt, das eine exotische Strahlung abgibt. Wir lassen gerade Sensoren aussetzen, die diese Strahlung orten können und dann haben wir die Position.“
Mein Gegenüber schien zufrieden.
„Und dafür die Show?“
„Sicher musste doch echt aussehen.“
„Und was machen Sie, wenn Sie die Piraten nicht finden?“
„Weitersuchen. Und ein neues Artefakt liefern lassen, dort wo das Teil herkommt, gibt es noch weitere davon.“
„Was für ein Artefakt?“
„Mars-Müll ist wahrscheinlich wertlos, aber die Artefakt-Station will eins für irgend so ein Experiment.“
„Und es gibt noch mehr davon?“
„Ich auf dem Mars gab es das Zeug tonnenweise, wie Abraum.“
Alkenhof war definitiv nicht zu trauen. Er wusste, was wir mit den Piraten angestellt hatten und es war mir ein Rätsel woher. Die Mannschaft bewahrte Stillschweigen. Es gab einfach keine Kommunikationsverbindungen, die jemand genutzt haben könnte. Offiziell wurde von Verrat der eigenen Mannschaft gesprochen und dass die betreffenden Personen getötet wurden.

Drei Tage, nachdem die Weidensee abgeflogen war, erhielten wir ein Signal. Dabei handelte es sich um eine geraffte Nachricht, die wir recht umständlich dekodieren mussten. Sie war auf einer exotischen Frequenz gesendet worden und vergleichsweise kurz. Mein Instinkt sagte: Weidensee, aber ich hatte keine Beweise.
Die Nachricht lautete: „Vorsicht, Falle!“
Wenige Minuten später erhielten wir das erlösende Signal. „Ping Ping Ping“ Koffer wurde geöffnet. Der dort eingebaute Sender sendete das Signal drei Sekunden lang und hörte auf. Das Gesicht des Typen, der den Koffer öffnete, hätte ich sehen wollen. Mit „Ping Pong“ kam fünf Minuten später das zweite Signal. Sender wurde zerstört, zusammen mit dem Koffer. Wir hatten eine Position, vielleicht eine brauchbare aber daran glaubte keiner.

„General? Wir sind auf sicherer Verbindung.“
Chekov grinste mir auf dem Monitor entgegen.
„Sehr schön. Wie sieht es aus?“
„Die Quelle liegt recht mittig in dem Feld.“
Ich sendete die Koordinaten.
„Das ist Scheiße.“
„Ich weiß. Wir müssen aber trotzdem nachsehen.“
„Im Moment nicht. Die Daten sind wahrscheinlich eh Müll. Wie machten sich die Damen?“
„Gut soweit. Jennifer ist schnurstracks in ihre Kabine marschiert und hat 'nen Tag später ihren Bericht abgeliefert. Gina hat sich noch auf der Landebahn aus dem Raumanzug geschält und ist splitternackt in der nächsten Dusche verschwunden.“
„Ehm?“
„Sie riss sich quasi den Kampfanzug vom Leib, ist in die Dusche der Deckmannschaft marschiert und erst zwei Stunden später wieder heraus gekommen. Angeblich hat der Deckoffizier ihr ein paar Klamotten und Handtücher gebracht und sie in ihre Kabine gescheucht.“
„Das war jetzt ein Scherz, oder?“
„Eins von beiden war einer.“
„Ich frag besser nicht nach was davon.“
„Ist auch besser so, auf jeden Fall machen die Beiden einen guten Eindruck. Ich glaube, keine der beiden war bisher eine Woche lang im Raumanzug eingesperrt gewesen.“
„Kommt vor.“
„Die Geschichte von Jennifer war im Übrigen gelogen, sie hat eine halbe Stunde, nachdem sie in ihrer Kabine verschwunden war, den Bericht eingereicht.“
„Ich sagte, du sollst es nicht erzählen! Sieht sie wenigstens gut aus?“
„Ja, tut sie.“
„Na dann müssen wir wohl eine neue Beschäftigung für dich suchen.“
„Wenn ich mehr Piloten hätte, würde ich mal nachsehen, wo sich die Piraten so herumtreiben.“
„Glaub ich dir, ich hab aber noch eine andere Aufgabe für dich. Ich melde mich gleich noch mal bei dir.“
„Zu Befehl General, ich bin gespannt.“
Er unterbrach die Verbindung.

Auf der Brücke erwartete mich eine neue Komm-Verbindung mit dem General.
„So, hier ist Ihr Auftrag, Colonel!“
„General, was kann ich für Sie tun?“
„Ich übermittle Ihnen eine Liste von Piloten, die Sie vielleicht für Ihre Leute rekrutieren können. Sie müssen dafür nur ein paar Raumstationen abklappern.“
„Abklappern?“
„Nun, der Computer hat sechzehn Kandidaten ausgespuckt, die Sie sich persönlich ansehen sollen.“
„Na große Klasse.“
„Das Beste kommt noch: Sie dürfen fast alle großen Stationen besuchen, die meisten sitzen dort entweder fest oder im Bau.“
„Und die gute Nachricht?“
„Keine Kapitalverbrechen, sie haben sich teilweise mit den falschen Leuten angelegt oder eine Schlägerei angezettelt. Dort wo sie im Bau sitzen, wird man auf Sie warten. Teilweise müssten sie ohnehin länger drin bleiben, als Sie brauchen werden, um zur betreffenden Raumstation zu gelangen.“
„Kann ich sonst noch was für Sie tun, General?“
„Nein, Colonel Havoc, das war es.“
Ich fluchte, nachdem die Verbindung beendet worden war. Mein Wunsch war es, in einem Kampfjäger zusammen mit meinen Leuten ums Überleben zu kämpfen. Nicht, in einem gemütlichen Kommandostuhl zuzusehen, wie sich meine Leute in Asche verwandelten.
Zum ersten Mal seit dem ich mich auf dem Schiff befand, nahm ich auf dem Kommandostuhl platz und stellte fest, dass er verdammt unbequem war.

„Colonel?“ fragte mich Lieutenant Eric Blistson.
„Lieutenant?“
„Was machen wir eigentlich mit den beiden Piloten von dem Piratenschiff?“
„Haben wir nicht alle mit dem Piratenkapitän entsorgt?“
„Nein, einer liegt noch auf der Krankenstation und wird bald in eine Zelle verlegt werden können, der andere hatte sich während des Tumults tot gestellt.“
„Tot gestellt?“
„Unser Sicherheitstrupp hat ihn gleich betäubt und eingesperrt, er dürfte so mittlerweile langsam wieder zu Bewusstsein gekommen sein.“
„Er bleibt erstmal da, wo er ist ...“
„Mr. Blistson?“
„Sir?“
„Setzen Sie Kurs auf die Thetis Raumbasis, Reisegeschwindigkeit!“
Auf dem Wandschirm veränderten sich die Konstellationen und die Schneeflocken, die ich schon in der Wolfsklaue gesehen hatte, erzeugten ein Gefühl von Geschwindigkeit. Ich war angenehm überrascht, denn im Gegensatz zur reinen Beobachtung von Instrumenten, vermittelte einem dieses visuelle Feedback ein ganz anderes Gefühl für das Schiff.


[2523.21] – 5 – Thetis
„Wir sind gelandet.“ Kurz nach Lieutenant Blistsons Meldung änderte sich das Schwerefeld im Schiff. Wir hatten unsere eigenen Generatoren auf die Gegebenheiten auf der Thetis eingestellt. Der Hangar, den unser Schiff jetzt als Wohnhöhle in Beschlag nahm, war ein Quader, den man einfach im Regolith vergraben hatte. Nur über einen kleinen Einflugkanal konnte man den Bereich betreten. Er war intern mit dem Versorgungsnetz der Raumwerften verbunden, soviel wusste ich. Die bugwärtigen Monitore zeigten, wie sich langsam die Rolltore schlossen. In wenigen Minuten würde mein halbes Schiff auseinandergerissen und wieder zusammengebaut werden. Zeit genug, mich um meine Aufgaben hier zu kümmern.
Captain Breedneck hatte es irgendwie geschafft, einige Modifikationen für das Schiff zu organisieren. Die Gefräßiger Wolf würde eine kleine Frischzellenkur erhalten, die aus der zahnlosen Fregatte ein ernstzunehmendes Kampfschiff machen sollte.
Auf dem Weg zur Thetis erhielten wir weitere Instruktionen. Die Erdregierung hatte vor kurzem ein verschollenes Trägerschiff, die CV-223 wieder entdeckt und das Schiff direkt zur Verschrottung freigegeben. Ich sollte mir das Schiff ansehen und eine Einschätzung abgeben, ob wir ein Schiff mit Baujahr 2510 gebrauchen konnten.
Auf der Thetis selbst warteten bereits einige Piloten, die wir rekrutieren sollten. Darunter auch einige Ex-Besatzungsmitglieder der CV-223. So wie es den Anschein hatte, war ein Großteil der Besatzung kurz vor unserer Ankunft von einem Militärtransporter abgeholt worden. Ein gewisser Inquisitor Eredor hatte die Operation geleitet.
Gina sollte sich mit der Besatzung der CV-223 treffen und ich kümmerte mich um das Schiff.

Die CV-223 gehörte zur Gattung der leichten Träger und war ein gutes Stück größer als die HF-23 Schiffe. Der Rumpf hatte, ähnlich wie die HF-Schiffe, zu der auch mein Schiff gehörte, eine rechteckige Grundform. Es gab leicht trapezförmige Anhängsel an den Seiten, die wie kurze Flügel aussahen.
Unterhalb der Flügel waren zwei durchgehende Hangars sowie der zentrale Rumpf mit den Kabinen und der gesamten Technik untergebracht. Das Schiff wirkte ein wenig wie ein platt gedrückter Flugzeugträger aus dem 20. Jahrhundert.
Anders als der Mars setzte die Erde bei ihren Schiffen auf eine weiße Oberfläche, die eher nach Kunststoff aussah. Daher fiel es sofort auf, dass man mehrere Geschütze einfach auf den Rumpf geschweißt hatte, die nun wie Pocken auf der weißen Oberfläche aussahen.
Das Schiff war eine einzige Gefechtsnarbe, ein Wunder fast, dass es überhaupt noch seine ursprüngliche Form hatte. Dort, wo eigentlich die Brücke, das Sensorium sowie die Landekontrolle hätte sein sollen, war nur noch ein mit Schutt gefüllter Krater. Jetzt wusste ich, warum die Leute von der Thetis meinten, dass ich das Schiff nicht würde haben wollen. Viele der Schäden waren sehr alt. Ich steuerte das Shuttle mehrmals um das Schiff herum, bevor ich mich zur Landung entschloss.

Gina traf sich derweil in einem der Konferenzräume mit Vertretern der, auf der Thetis gestrandeten, Besatzungsmitglieder der CV-223.
„Guten Tag, mein Name ist Oan McGrown, meine beiden Begleiter sind Richard Garvant und Clara Nkoven.“ stellte sich der Redeführer der Leute vor.
„Ich bin Staff-Sergeant Gina Wemayr, das hier ist Corporal Malkav Kronen und Corporal Angelina McLevrey.“ stellte sich auch Gina mit ihren Leuten vor.
McLevrey war Versorgungsoffizierin auf der Gefräßiger Wolf. Ich sollte anmerken, dass „Versorgungsoffizier“ an der Stelle meint: Zimmermädchen für alles, daher war der Dienstgrad hier meistens kein Offiziersgrad. Sie wartete darauf, studieren zu können.
Corporal Malkav Kronen gehörte zu der Sorte Mensch, die eigentlich Polizist werden wollte und stattdessen beim Militär gelandet ist. Er war zwar grundsätzlich mit seinem Job zufrieden, allerdings wünschte er sich öfter etwas mehr Abwechslung. Seine Versetzung, auf die Gefräßiger Wolf war so etwas wie eine Strafaktion gewesen, weil er sich ein paar Feinde gemacht hatte, die im Rang über ihm standen, zumindest hatte er mir das so mal erzählt. Wenn ich ehrlich bin, war es mir ziemlich egal.
„Sie wollten uns sprechen?“ fragte Oan.
„Ja, wir sind auf der Suche nach einigen guten Piloten und etwas Verstärkung für unsere Crew.“
„Hat der Mars nicht genug Leute?“ warf Kronen ein.
„Hatte er mal, aber wir haben aufgrund der ständigen Streitereien gerade einen heftigen Engpass. Unser kleines Schiffchen ist leider auf der Liste der Schiffe, die über die normalen Kanäle bemannt werden, irgendwo hinten runter gefallen.“
„Das heißt?“
„Wir bekommen vorerst keine Besatzung aus den aktiven Kadern, dürfen aber unsere Mannschaft selbst zu rekrutieren, sofern keine Gründe dagegen sprechen.“
„Wir waren Besatzungsmitglieder eines Erdschiffes ...“ warf Richard Garvant ein.
Kronen hielt dagegen: „Der Colonel war auch ein Offizier der Erdstreitkräfte, bis sie ihn abgeschossen haben.“
„Abgeschossen?“
„Genetisches Erbe. Erst eine Falle gestellt und dann aus fingierten Gründen gefeuert.“
„Was ist der Colonel für ein Mensch?“
„Hm ... Eigentlich ein Pilot ersten Ranges.“ sagte Gina.
„Er gehört mit zu den Veteranen der Piratenkriege. Außerdem hat er einige Zeit gegen den Mars im Untergrund gearbeitet, bis er sich dann ergeben hat ...“
„Warum hat er sich ergeben?“
„Keine Ahnung, aber was interessiert Sie das?“
„Nur so. Wir wollen einen Eindruck von unserem zukünftigen Chef bekommen, bevor wir einschlagen.“
„Nun, so wie es aussieht, werden Sie wohl mit mir als einer Ihrer Vorgesetzten leben müssen, zumindest, was Ihre Piloten angeht ...“
McGrown fragte scheinheilig: „Sind alle Vorgesetzten so süß wie Sie?“ Das beantwortete Gina mit einem bösen Knurren. „Schon gut, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.“
Gina beruhigte sich auch sofort wieder.
„Nun, das Angebot des Mars-Militärs: eine Anstellung als Soldaten oder Piloten auf der HFI-23-CV21 Gefräßiger Wolf. Die Rangeinstufung erfolgt über Eignungstests sowie verbriefte und beglaubigte berufliche Erfolge. Zusätzlich kann eine neue Identität als Mars-Bürger beantragt werden. Außerdem können Sie und Ihre Leute auf dem Mars eine Staatsbürgerschaft erhalten.“
„Das ist alles?“
„Reicht das nicht?“
„Hm ...“ McGrown grübelte ein wenig nach.
„Ich würde mich gerne mit meinen Leuten beraten.“
„Treffen wir uns in einer Stunde wieder hier?“
„Einverstanden. Würden Sie uns alleine lassen? Unsere Leute werden gleich hier eintreffen.“
Gina erklärte sich einverstanden und die Drei von der Gefräßiger Wolf verließen den Raum.

Nach der verabredeten Zeit traf Gina wieder zusammen mit ihren Leuten im Konferenzraum ein. Sie hatte noch die Gelegenheit genutzt und sich vom General eine Freigabe besorgt. Außerdem hatte sie sich noch ein paar Bedingungen von ihm bestätigen lassen. Sie hatte vor, das Ganze in Eigenregie möglichst problemlos über die Bühne zu bringen.
„Ah, da sind Sie ja. Unsere Leute sind vor einer Viertelstunde weg.“
„Tut mir leid, ich habe noch mit General Chekov Kontakt aufgenommen und einige Details abgeklärt.“
„Was davon ist für uns wichtig?“
„Nur eines: Erzählen Sie uns bitte Ihre Geschichte.“
Die Überlebenden der CV-223 sahen sich irritiert an.

Der funktionsfähige Hangar hatte noch genug Energie, sein Sicherheitskraftfeld aufrecht zu erhalten. Auf dem Landefeld standen Kampfjäger vom Typ FX-2522. Jäger, die erst seit zwei Jahren offiziell in Serie gefertigt wurden. Diese hier schienen allerdings bereits 20 oder 30 Jahre alt zu sein. Die Rümpfe waren allesamt abgeschabt, verkratzt und hatten Brandspuren und Treffernarben.
Auf dem Landefeld war allerdings noch mehr als genug Platz. Ich suchte uns schön mittig ein Plätzchen und landete das Shuttle. Aufgrund der guten Atmosphäre verzichteten wir auf Raumanzüge. Laut den Berichten von der Station war das Schiff sicher.
Das Landedeck empfing uns mit einer sanften Brise Maschinenöl. Darunter mischte sich noch verbrannter Kunststoff, Ozon und etwas, was ich nicht identifizieren konnte.
Captain Varl begutachtete einen der Jäger, während sich Fleischer B+J diverse Schäden im Hangar ansahen. Eine Wand sah aus, als habe man versucht, sie mit einem Jäger einzureißen und zwar erfolgreich. Brandspuren an der Decke des Hangars, sowie die eher provisorisch verschweißten Panzerplatten waren nicht die einzigen Anzeichen dafür.
„Colonel? Kommen Sie mal kurz?“ winkte mich Varl zu sich.
„Sicher, was haben Sie?“
„Das hier“, er zeigte auf den Rumpf eines Jägers.
„Cpt. L.L. Varl“ war zu lesen und fast 70 Abschussmarkierungen für bestätigte Abschüsse klebten auf dem Rumpf.
„Ein Verwandter von Ihnen?“
„Nein, Colonel, nicht direkt, die einzigen Varls, die zu meiner Blutlinie gehören, sitzen auf dem Mars. Nein, das hier müsste der Familienzweig sein, der von meinem Ur-Ur-Großvater auf der Erde hinterlassen wurde, genauer gesagt, vom Bruder von ihm.“
„Aha, und was soll uns das sagen?“
„Nicht direkt meine Familienbande, ich weiß aber, dass Lucas Lee Varl ein frischer Kadett war, als er das Schiff betrat.“
„Ein frischer Kadett? Woher wissen Sie das?“
„Lucy Lea Varl ist meine Schwester, sie hat hin und wieder Post für den hier bekommen.“
„Die Welt ist klein, wie?“
„Jap, das ist sie. Der hier war frisch von der Akademie zur Fliegerausbildung auf dem Schiff.“
„Verstehe ...“
Das „und weiter“ blieb mir im Hals stecken, als ich sah, dass ein Kadett mit 3 Jahren Erfahrung fast 70 Abschüsse hatte.
„Ok, das ist ungewöhnlich.“
„Sollen wir ein Team rüber schicken, das sich die Jäger mal genauer ansieht? Vielleicht lohnt es sich, die aufzukaufen?“
Ich tippte mit dem Finger auf eine Raketenaufhängung, die sich daraufhin dazu entschloss, mit lautem Scheppern auf dem Deck zu landen.
„Ok, vergessen Sie 's.“

Richard Garvant begann zu erzählen.
„Wir, also die Anwesenden und die Leute, die Sie rekrutieren möchten, sind alle auf der CV-223 geboren. Wir wissen nichts Genaues darüber, was damals passiert ist. Sicher weiß ich nur eines: Ein Objekt in der Nähe dieses Artefaktes hatte auf das Schiff reagiert und wenige Sekunden später befand sich das Schiff irgendwo in einem fremden Sonnensystem.“
Er räusperte sich.
„Unsere Eltern, bzw. Großeltern in diesem Fall brachten erst einmal ihr beschädigtes Schiff wieder auf Vordermann. Zu der Zeit war noch verboten, überhaupt an Nachwuchs zu denken. Ich glaube, es hat zwei Jahre gedauert, bis man das Tabu aufgehoben hat, aber die Ältesten von uns stammen aus dieser Zeit.“
Gina ging zur Bar des Konferenzraumes und goss sich etwas zu trinken ein. „Auch etwas?“
„Wasser bitte.“ Garvants Begleiter nickten ebenfalls. Gina nahm sich einen Kaffee und verteilte Wassergläser während Garvant weiter erzählte.
„Jedenfalls war es da, wo das Schiff strandete, recht ruhig, was sich kurz darauf änderte.“
„Was änderte sich?“ fragte McLevrey.
„Die Ruhe. Es tauchten Schiffe am Rande des Systems auf. Fremde Schiffe, die nicht auf die Kontaktaufnahmeversuche achteten. Sie griffen die CV-223 sofort an.“
Garvant machte eine kurze Pause.
„Mein Urgroßvater könnte mehr darüber erzählen, er war damals Sicherheitschef.“
„Ich nehme mal an, dass es mit dem einen Angriff nicht vorbei war?“ hakte Kronen nach.
„Nein. So wie ich das mit bekommen habe, waren es Fremde. Man hat nie Leichen oder Ähnliches eingesammelt, zumindest weiß ich nichts darüber. Auf jeden Fall haben sich unsere Leute den Weg aus dem System frei schießen müssen. Und im nächsten System ging das Ganze weiter.“
Gina trank etwas von ihrem Kaffee und betrachtete die Tasse anschließend wie einen Feind.
„Es waren wohl zwei oder drei Sonnensysteme, die unsere Vorfahren auf diese Art und Weise durchquerten, bis sie an einen Platz kamen, wo sie relativ sicher waren.“
„Wo sind sie denn herausgekommen?“
„Sie haben eine entfernte Kolonie der Araner gefunden.“
„Das war wohl ein Glücksfall?“
„Nicht wirklich. Die Kolonie war seit Jahrzehnten vom Imperium abgeschnitten, aber zumindest hatten sie jetzt einen Eindruck, wo sie sich befanden.“
Gina überlegte: „Sie sind dann quasi durch das aranische Territorium geflogen?“
„Nein, sind wir nicht. Der Außenposten war abgeschnitten. Die Araner sind im Krieg mit irgendjemandem gewesen.“
„Gewesen?“
„Das liegt jetzt 45 Jahre zurück, seit dem wir auf den Posten trafen. Ich habe das Selbst nicht miterlebt. Mein Vater war damals eines der ersten Kindergartenkinder.“
Malkav meinte dazu: „Irgendwie sind Sie ja wieder hier gelandet ...“
„Sind wir. Im Grunde haben meine Vorfahren fünf Jahre auf diesem Außenposten verbracht, um das Schiff umzurüsten und für eine sehr lange Flugdauer auszustatten.“
„Das war lange ...“
„Ja, aber sie mussten etwas für die Besatzung tun.“
Garvant überlegte, wie er die Geschichte weiterführen sollte.

Jakob und Bastian Fleischer winkten mich ebenfalls zu sich.
„Ok, das Teil hier ist Schrott würde ich mal sagen, Boss.“ begann Jakob.
„Colonel.“
„Auch dass, Boss.“
„Colonel!“
„Ich werd's mir merken, Boss!“ Jetzt merkte ich, dass er sich einen Scherz erlaubte, aber er fing sich gleich.
„Nun, die Flugkontrolle des Hangars wurde mehrmals zusammengeflickt, die halbe Konsole ist aus irgendwelchen Teilen zusammengebastelt worden, sodass sie funktioniert.“
Ich sah mir an, was er meinte und erkannte noch Reste aktueller Computersysteme, die wie Teile alter Wracks aussahen. Bestandteile, die aus dem Cockpit eines Kampfjägers stammen mussten, waren auch zu finden. Aber auch ein ganzer Haufen scheinbar selbst zusammengebastelter und unbekannter Bauteile war vertreten, die definitiv nicht im Territorium der Erde gefertigt worden waren.
Benedict fand im Hangar noch zwei voll einsatzfähige XF-2522. Sie standen einfach so inmitten der Reihen völlig ruinierter Maschinen herum, glänzten wie neu und hatten sogar eine voll aufgelegte Bewaffnung. Trotz der Aufmachung sah man auch ihnen ihr Alter an. Wenn man genau hinsah, bemerkte man die Kratzer, Einschusslöcher und anderen Schäden, die jemand mit viel Liebe ausgebessert hatte.

Garvant fuhr fort: „Nachdem das Schiff auf den Flug vorbereitet war, flogen unsere Vorfahren einen riesigen Umweg um das potentielle Kriegsgebiet.“
Gina sah sich die CV-223 auf einem der Wandschirme an. Es war eine Echtzeitaufnahme, denn das Schiff befand sich im Dock.
„Das Schiff sieht aus, als sei es auch da nicht so friedlich gewesen, wie?“
„Nein, das Kriegsgebiet war wesentlich größer, als ursprünglich angenommen. Außerdem trafen wir auf unserem Weg auf viele kleine verstreute Welten und Kolonien von irgendwelchen Völkern. Fast alle die wir besuchten, waren menschlich. Viele davon waren sehr feindselig, einige eher freundlich und hilfsbereit.“
„Sie haben wohl einige Welten gesehen, wie?“
„Haben wir.“
Gina hielt ihren Blick weiter auf die Monitordarstellung gerichtet, als sie fragte: „Haben Sie in all den Welten irgendetwas Interessantes gefunden? Eventuell Technologie erbeutet oder so was in der Richtung?“
„Was glauben Sie?“
„Ich glaube, die CV-223 müsste, wenn Sie etwas Herausragendes gefunden hätten, anders aussehen. Vielleicht sind ein paar Teilsysteme ausgetauscht oder neu gebaut worden, aber das Schiff selbst ist, soweit ich erkennen kann, noch genau im Ursprungszustand. Das ist zumindest, was ich so erkennen kann.“
„Sie haben recht. Wir haben ein wenig aufrüsten können, aber das meiste war Standardkost. Nur die Waffensysteme sind komplett aranischen Ursprungs.“
„Und die Erde hat die Systeme nicht herausgerissen oder es zumindest versucht?“
„Die Systeme sind mit unseren Sensoren nur schwer bis gar nicht zu orten. Deswegen scheinen ja auch alle Schiffe der Araner weitgehend unbewaffnet zu sein.“
Das war wichtig. Die aranischen Raumschiffe waren also bewaffnet. Gina machte sich eine entsprechende Notiz.

„Ok Freunde. Sehen wir uns mal auf der Brücke um, vielleicht finden wir ja was!“ Ich rief meine Leute zusammen.
Auf dem Weg zur Brücke landeten wir zuerst in einem Trümmerhaufen, den anscheinend keiner aufgeräumt hatte. Zerborstene Konsolen, Brandspuren sowie Löcher von sorgfältig abmontierten Stationen waren in dem Raum zu sehen. In einer Ecke standen noch leere Frachtkisten herum. Es stank nach altem Lagerraum.
„Hier war mal die Brücke“ sagte Fleischer B.
„Und wo ist sie jetzt?“ fragte Fleischer J.
„Keine Ahnung, ich hab sie nicht geklaut.“ erwiderte sein Bruder.
Ich ging im Geiste noch mal die Schäden auf der Außenhülle durch und winkte den Dreien mir zu folgen. Wir gingen durch leere Korridore und landeten in einem Mannschaftsbereich.
Alle Kabinen waren leer, wobei die zur Einrichtung gehörenden Komponenten noch vor Ort waren, wenn auch nicht aufgeräumt. Die Quartiere waren alle unterschiedlich gestaltet. Vereinzelt lagen ein paar persönliche Gegenstände herum, die man vergessen hatte. Es sah alles danach aus, als habe man hier in einer Hauruck-Aktion alles zusammengepackt und zugesehen, vom Schiff zu kommen.
Mir fiel ein Schild auf: „Kindergarten“, ein Bereich, in dem etwas Spielzeug herum lag. Auf den Schiffen des Erdmilitärs waren nie Kinder erlaubt, außer vielleicht an Tagen der offenen Tür oder wenn Schiffe für besondere Anlässe bereitgestellt wurden.
Ein anderer Raum sah aus wie der einer Schulklasse. Wir fanden auf unserer Suche nach der Brücke noch zwei weitere Räume, die man anscheinend als Schulräume benutzt hatte. Zumindest kam mir das alles so vor. Wir fanden auch noch ein heruntergefallenes Heft. Es war von L.L. Varl. Captain Varl hob es auf und verstaute es in seiner Tasche.
„Ist meiner Schwester.“ sagte er laut und wir gingen weiter.
In der Nähe des Computerkerns im Zentrum des Schiffes fanden wir endlich die Brücke. Sie sah so zusammengewürfelt aus, wie die Konsole im Hangar. Bastian Fleischer ging zielsicher zu einer Konsole und aktivierte sie. „Hey Colonel, ich glaub das hier ist n geiles Luder, das Sie sich angucken müssen!“ sagte er laut.
Der Ex-Söldner hatte genau ins Schwarze getroffen und freute sich sichtlich über seinen Sieg.
„Corporal Bastian Fleischer, wie macht man Meldung?“ fragte ich ihn todernst. Die beiden sollten endlich aufhören, mich wie auf dem Mars zu behandeln. Wir waren hier keine furchtlosen Partisanen gegen einen unglaublich mächtigen Gegner.
Er riss sich zusammen: „Colonel, ich habe hier das Logbuch des Schiffes. Es war die letzte aktive Datei.“
„Kopieren Sie es auf einen Stick und packen Sie es gut weg. Lassen sie alles genau so, wie es ist.“
Er bestätigte mit einem Nicken und machte sich an die Arbeit. Mit den alten Söldner-Tricks, die er kannte, war es einfach, das Logbuch so zu kopieren, dass es keiner mitbekam. Ich las den letzten Eintrag.

[2578.22 / 2523.21] Logbuch des Captains
Endlich zu Hause.
Das hier ist der letzte Eintrag des amtierenden Kommandanten, Major Ernest Brint.
Wir waren jetzt über fünfundfünfzig Jahre unterwegs zurück nach Hause. Es war eine sehr lange Zeit und wir haben viele, viele gute Leute verloren und sind durch die halbe Galaxis geflogen, zumindest habe ich das Gefühl, das es die halbe Galaxis war.
Wir haben Vorkehrungen getroffen, dass die Kinder schnell von Bord kommen und in Sicherheit sind.
Die jungen Erwachsenen haben wir auf der Thetis untergebracht, die versprochen haben, dafür zu sorgen, dass sie unterkommen.
Es ist nicht viel Zeit vergangen für die Menschen hier, für uns schon. Trotzdem wissen wir, was uns erwartet, wenn wir wieder zur Erde kommen.
Das Oberkommando hat angeordnet das Schiff abzumustern, der Zustand berechtigt sie dazu.
Es war eine lange und harte Zeit an Bord und ich wage nicht mir auszumalen, was den wenigen Überlebenden der alten Besatzung bevorsteht.
Wie schon geschrieben: Die Kinder sind in Sicherheit, sowie alle, die nicht zur ursprünglichen Besatzung gehörten.
Ich hoffe, wir haben das Richtige getan, als wir sie versteckten, aber wir erachten es als notwendig.
Wir haben alle Aufzeichnungen an Bord soweit wie möglich mitgenommen. Das Logbuch hier wird zwar garantiert irgendwann auf der Erde landen, aber ich hoffe für mich und meine Leute, dass wir dann schon lange tot sind.
An die Finder dieses Logbuchs: Lasst die Kinder in Ruhe! Sie können nichts dafür.

Garvant beendete seine Geschichte an dem Punkt, als sie mit ihrem Schiff das aranische Kernreich erreichten. Sie wurden quer durch das Territorium gelotst und durften sich vor dem Sprung in das Erdsystem noch einmal vorbereiten.
Da man die Vorgehensweise der Erdregierung kannte, wollte man den Menschen, die sich neu auf dem Schiff eingefunden hatten, die quälenden Prozeduren aus Untersuchungen, Befragungen und gegebenenfalls sogar medizinischen Experimenten ersparen.
Die Araner haben uns ziemlich unmissverständlich klar gemacht, dass nur die Rückkehr in die Heimat eine gültige Option war. Alles andere wurde einfach nicht toleriert.
Clara Nkoven berichtete: „Wir haben vor dem Sprung zur Erde alle Einrichtungen, die nicht zu der ursprünglichen Ausstattung gehörten, soweit wie möglich versteckt oder entfernt. Außerdem haben wir viele Datenbestände in mobile Speicher umgelagert und nur noch das drin gelassen, was wir sowieso nicht verstecken konnten.“
Sie trank ihr Glas leer.
„Das Ende unserer Reise war ein getarnter Sprung ins Sonnensystem. Hier haben wir uns zur aranischen Handelsstation begeben. Dort buchten wir für die Kinder und einige der Leute, die sich uns angeschlossen haben, Plätze auf Passagierschiffen und Frachtern. Sie wurden auf einige ausgesuchte Stationen verteilt.“
„Wie viele waren es?“ fragte McLevrey.
„Das werden wir Ihnen nicht sagen!“ giftete Clara Nkoven.
McGrown räusperte sich und sagte: „Sie müssen verstehen: Es gab einigen Nachwuchs bei knapp 1500 Besatzungsmitgliedern. Außerdem haben wir überall Leute aufgenommen, wenn wir konnten. Die meisten, die nicht zur ursprünglichen Besatzung gehörten, sind allerdings auf der Araner-Station geblieben und werden wohl auf dem Weg nach Hause sein.“
„Nicht alle?“
„Natürlich nicht. Familien blieben meistens zusammen.“
„Wie viele der ursprünglichen Besatzung haben denn überlebt?“
„Also auf dem Schiff sind etwa 200 Personen geblieben. Wir haben den 2. Hangar ausgeschaltet und im 1. Hangar nur noch die Schiffe stehen lassen, die eine Überholung notwendig hatten.“
„Irgendwelche Schiffe an Bord, die wir nicht kennen?“
„Gehen Sie an Bord und finden Sie es heraus? Wieso die Frage?“
„Ich glaube, da will gerade jemand das Schiff klauen!“
Gina deutete auf den Wandschirm, wo zu sehen war, wie ein weiteres Shuttle in Richtung Schiff flog. Die Anwesenden verfielen in ein unangenehmes Schweigen.
„Staff-Sergeant Gina Wemayr an Gefräßiger Wolf!“
„Gefräßiger Wolf hier, was kann ich für Sie tun?“
„Warnen Sie den Colonel: Fremde sind gerade an Bord des Schiffes gegangen!“
Sie unterbrach die Verbindung.
„Ok, wenn Sie den Job wollen, sollen Sie ihn bekommen. Sie alle. Ich würde mir normalerweise mehr Zeit lassen, aber das hier scheint wichtig zu sein.“
Sie drehte sich zu ihren Begleitern um. „McLevrey? Kontaktieren Sie die Stationssicherheit und finden Sie heraus, was da vor sich geht. Kronen! Sie machen die Papiere fertig, ich werde mal ein paar Leute mobilisieren!“
McLevrey stand von ihrem Platz auf und öffnete die Tür. Jemand brüllte „Grüße von Von der Brüh!“ und schoss. Corporal Levrey wurde von dem Treffer in den Raum zurück geschleudert.

„Ok Boss, wir bekommen Besuch!“ riss mich Bastian Fleischer aus dem Text.
„Was ist los?“ fragte ich.
„Da steht ein zweite´s Shuttle im Hangar, keine Kennzeichen!“
Mit den Handzeichen vom Mars gab ich allen zu verstehen: Einpacken und unsichtbar machen!
So schnell wir konnten, verwischten wir unsere Spuren und schalteten alles aus. Kurz bevor ich den Aus-Knopf betätigte, sah ich auf einem Monitor das fremde Shuttle. Die Schleuse stand offen und Wachen waren vor der Tür postiert. Die Uniformen wiesen keine Herkunftszeichen auf.


[2523.21] – 6 – CV-223
Die Brüder Fleischer sicherten mit ihren schwereren Gewehren. Varl und ich gingen in den nächsten Bereich vor. Wir tauschten die Rollen. Varl und ich sicherten, die Fleischer stürmten vor. So kamen wir zwar nur langsam vorwärts, aber wir waren vor Überraschungen relativ sicher. Wir mussten so schnell wie möglich in den Hangar und vom Schiff herunter. In dem Shuttle mussten mindestens zwanzig bis dreißig Mann sein, weniger war für den Diebstahl eines Schiffes sehr ungesund.
Beinahe wären wir in einen großen Korridor gestürmt, aber Bastian hielt uns rechtzeitig zurück. Dann hörte ich sie. „Ok, Sichern und weiter!“ befahl jemand. Wir zogen uns schnell in einen Seitenkorridor zurück und quetschten uns dort durch eine Tür. Anschließend hielten wir den Atem an und lauschten.
„Hier ist ein Korridor!“ sagte einer der Fremden.
Die barsche Stimme, die wir zuerst gehört hatten, sagte: „Gut, markieren und weiter.“
Wir wagten mehrere Minuten nicht, uns vorwärts zu bewegen. Es hörte sich an, als seien da Profis unterwegs und ich hätte meinen Arsch verwettet, dass sie den Weg mit Sensoren überwachten. Aus unserem Versteck führten zwei Wege heraus. Es war extrem düster und erkennen konnte man so gut wie nichts.
Ein Durchgang führte in einen Waschraum. Duschen und Waschbecken waren hier an den Wänden angebracht worden. Jemand hatte mit Lippenstift ein Herz auf einen Spiegel gezeichnet. Auf dem Boden lag ein herrenloses Unterhöschen, eher ein Fetzen Stoff um nicht als ganz nackt zu gelten, herum. Wir hatten die Dusche der Frauen gefunden.
Der andere Durchgang führte in eine große Halle, die UV-Beleuchtung war ausgeschaltet. Dadurch waren die hier befindlichen Pflanzen bereits verwelkt. Die Decke gab einem das Gefühl unter freiem Sternenhimmel zu stehen. Grünflächen waren rund um ein großes, relativ flaches Schwimmbecken angelegt. Das Gras war braun und tot. Das Wasser war unberührt und still. Die Beleuchtung im Pool war aus und auch sonst wurde der Bereich nur durch die Notbeleuchtung erhellt. Auf Schiffen der Erde gab es normalerweise keine Schwimmbäder, da war ich mir absolut sicher.
Gegenüber vom Schwimmbad befand sich ein weiterer Durchgang. Wir ließen frisch zertrampeltes braunes Gras zurück. Auf den Fliesen blieben ebenfalls Reste von Staub und Gras liegen. Ich hoffte inständig, dass hier niemand hereinplatzte und sich genauer umsah. Der Durchgang führte in die Herrenumkleide. Es stank, als sei der Raum auch als Toilette benutzt worden, allerdings ohne entsprechende Einrichtungen.
Wir suchten uns von da aus einen Weg zum Hangar. Es dauerte allerdings eine kleine Ewigkeit, bis wir in einer Art Überwachungsraum herauskamen. Von hier aus konnten wir einen Trupp schwarz bekleideter Personen beobachten. Drei dieser Leute standen vor dem fremden Shuttle und zwei weitere machten sich an unserem zu schaffen.
„Ich glaub, unser Shuttle können wir knicken.“ flüsterte Varl.
„Das glaub ich auch.“ meinte Fleischer J.
„Gab es da nicht zwei einsatzfähige FX-2522?“
Fleischer B meinte dazu: „Wer fliegt den zweiten Vogel?“
Varl hob die Hand. „Ich kann zwar nicht kämpfen, aber den Vogel hier raus und irgendwo anders wieder rein bringen sollte gehen.“
Das war die Lösung. Jetzt mussten wir uns nur durch sechs Soldaten kämpfen und die einsatzfähigen Maschinen auf Anhieb wiederfinden.
„Boss, ich werd mit J mal gucken, ob's was gibt das Bumm macht. Wir kommen in 20 Minuten durch den hinteren Eingang, kurz vorher macht irgendwas Bumm!“
„Machen Sie es so, Corporal.“
Varl blieb bei mir. Zusammen wollten wir zu den FX-2522 schleichen.

Varl zog mich geräuschlos in eine Ecke. Ich wollte erst protestieren, aber er hielt mich mit einer Geste davon ab. Einer der fremden Soldaten schlenderte pfeifend in den Raum. Er bemerkte uns nicht und stellte sich mit dem Rücken zu uns vor eine Wand.
Das Öffnen eines Reißverschlusses war zu hören und kurz danach plätscherte es. Varl verdrehte die Augen und zog ein Kampfmesser aus dem Ausrüstungsgürtel. Lautlos näherte er sich dem Mann und stach ihm von hinten das Messer ins Genick. Ohne ein Laut von sich zu geben, ließ er den Mann zu Boden gehen und wischte das Messer an der Uniform des Toten ab.
„Der wird nie wieder einfach in eine Ecke pinkeln.“
Varl machte sich an der Türkontrolle zu schaffen, während ich ihm Deckung gab. Die Tür schnappte zu und wir verschwanden einen Raum weiter um die Ecke. Jemand hatte das hydraulische Zischen gehört.

McGrown und Garvant sprangen mit gezogenen Waffen in den Korridor, er war komplett leer. Gina zog ebenfalls ihre Waffe und gab Handzeichen, die den anderen Mitgliedern im Raum signalisierten: Deckung und folgen. Geschlossen rückte sie mit Garvant an der Seite vor und verfolgte die Schritte. McGrown war in dem Moment verschwunden als sie die erste Ecke umrundeten. Sie sah gerade noch jemanden um die nächste Ecke verschwinden und sprintete zusammen mit Garvant hinterher, dicht gefolgt von Kronen und Nkoven.
McGrown war weg.
Sie kam um die nächste Ecke und sah im letzten Augenblick den Schatten mit angelegter Waffe. Gina ließ sich fallen und der Schuss traf eine Konsole hinter ihr, die Funken sprühend zerplatzte. In dem Moment ging auch ein Alarm los, der allerdings nicht so störend war. Als sie aufblickte, sah sie noch den Schatten in einer Nische verschwinden. Sie rappelte sich hoch und die vier Soldaten folgten dem Schatten.
Als sie um die besagte Ecke rannten, trafen sie direkt auf die anrückende Stationssicherheit.
„Staff-Sergeant Gina Wemayr, Gefräßiger Wolf!“ identifizierte sie sich.
„Sergeant Armand Cvick, Stationssicherheit!“ brüllte der Mann vor ihr. Insgesamt waren es drei Leute.
Gina und ihre Begleiter steckten Ihre Waffen ein.
„Wir wurden angegriffen, jemand hat Corporal McLevrey getötet. Wir folgten den Angreifer bis hier her.“ berichtete sie ihrem Gegenüber.
„Wir wurden durch die Zerstörung einer Konsole alarmiert. Wo ist der Mann hin?“
„Sie müssten in ihn hineingelaufen sein!“
In dem Moment brach einer von Cvicks Leuten zusammen. Zu sechst sprangen sie in Deckung. Gina konnte gerade noch erkennen, wie der Fremde durch den Korridor in eine angrenzende Kammer floh. Cvick ließ durch seinen verbliebenen Sicherheitsmann Kronen und Nkoven in Sicherheit bringen.
Gina, Garvant und Cvick rannten derweil hinter dem Schatten her. Der Sicherheitsmann der Station bellte einige Befehle in sein Sprechgerät. Ein paar Sekunden später hörte man wieder Schüsse.
Sie trafen auf einen zusammengeschossenen Trupp Sicherheitsleute. Zwei waren tot, drei weitere waren verletzt. Einer der Verletzten sagte noch, dass der Unbekannte ein Gewehr mitgenommen hatte.

Es waren zwei weitere Soldaten, die wir angelockt hatten. Sie standen vor der verschlossenen Tür und hämmerten dagegen. „Cris? Mach die Tür auf!“
Natürlich antwortete Cris nicht. Sie probierten an den Türkontrollen herum, aber die hatte Varl unbrauchbar gemacht. „Mist. Was machen wir?“
„Warte hier, ich versuche, anders herum hinein zu kommen.“ Die Schritte entfernten sich. Meine Finger fanden eine Blechtasse, die jemand dort vergessen hatte. Ich hob sie hoch und zeigte sie Varl, der mich fragend ansah.
Die Tasse landete mit lautem Scheppern einen Raum weiter. Der Soldat stürmte an uns vorbei und Varl stellte ihm ein Bein. Eine Sekunde kniete ich in seinem Rücken. Mit der rechten Hand packte ich seinen Unterkiefer und zog ihn zur Seite hoch. Wir ließen die Leiche einfach liegen und zogen unsere Waffen. Hinter dem Zugang zum Hangar war nichts. Die Jäger standen auf der gegenüberliegenden Seite des Hangars.
In diesem Moment erschütterte eine Explosion das gesamte Schiff. Sofort rannten vier der Soldaten, die sich bis dahin bei den Shuttles aufgehalten hatten, zum nächsten Durchgang. Etwa eine Sekunde später tauchten Fleischer J+B auf und versteckten sich hinter einer FX-2522, die durch die Erschütterung zusammen gesackt war. Nur Sekunden nach der Explosion starben die beiden verbliebenen Wächter durch gezielte Schüsse der beiden Ex-Söldner.
Wir rannten gleichzeitig los. Varl und ich bemannten die Kampfjäger, lösten die Sicherheitskrallen an den Füßen und machten die Vögel startbereit. Voll aufgetankt und voll bewaffnet. Ich war erstaunt. Die Brüder Fleischer warfen beim Vorbeirennen kleine Gegenstände in die Shuttles. Sie waren fast bei den Kampfjägern, als die ersten Schüsse über das Deck peitschten.
Mit meiner Pistole gab ich den Brüdern Fleischer Feuerschutz. Während ihrer wilden Hatz gaben die Fleischer ungezielte Schüsse ab. Kurz bevor sie uns erreichten, teilten sie sich auf und schwangen sich in die Kampfjäger. Die Waffen warfen sie hinter den Sitz und schnallten sich an.
„Wo habt Ihr die denn her?“ fragte ich. Die Waffen sahen seltsam aus.
„Waffenselbstbedienungsladen und jetzt besser raus hier.“
Ich gab Varl ein Zeichen und wir starteten die Jäger. Sie erwachten sofort zum Leben und wir konnten mittels der integrierten A-Grav Antriebe abheben. Mit den Bordgeschützen feuerte Varl in eine heraneilende Gruppe. Die, die nicht in rechtzeitig in Deckung sprangen, wurden von den Feuersalven in Stücke gerissen.
Wir aktivierten gleichzeitig die Nachbrenner und verließen das Schiff. Noch, während wir abhoben, erlosch das Sicherheitskraftfeld des Hangars. Später erfuhr ich, dass Jakob einen kleinen Zünder an der Hangarkontrolle angebracht hatte.

Gina und Garvant rannten hinter Cvick her, als dieser mit einem Sturmgewehr vorpreschte. Er bog um eine Ecke und wurde durch ein auf Autofeuer gestelltes Gewehr in ein Sieb verwandelt. Fleischstücke und Knochenfragmente flogen den Verfolgern entgegen. Ein blutiger Film legte sich über den ganzen Gang. Gina und Garvant sprangen vor und gaben blind ein paar Schüsse ab, aber der Korridor war leer. Orientierungslos rappelten sie sich auf und schlichen vorwärts.
Der Fremde tauchte aus einem Seitenkorridor mit gezücktem Gewehr auf und fing an zu schießen. Keine Fluchtmöglichkeit, keine Deckung im Korridor. Die beschleunigten Projektilkugeln zerfetzten die Wandabdeckung neben Gina. Sie hatte fast schon mit dem Leben abgeschlossen, als der Fremde von einem Treffer gegen eine Wand geschleudert wurde. Er starb in einer Lache seines eigenen Blutes.
McGrown war plötzlich bei Gina und bot ihr eine Hand an. „Der war auch nicht so gut, wie er anfangs aussah.“
„Danke.“ Damit war das Thema für sie erstmal beendet.
Die Stationssicherheit übernahm die Leichen. Ohne weitere Fragen beantworten zu müssen, konnten sie den Weg zurück zur Gefräßiger Wolf antreten.
Malkav Kronen hatte sich in der Zwischenzeit um den ganzen Papierkram gekümmert und erstattete Gina Bericht. Anscheinend wollte die Stationsleitung keinen Ärger mit uns haben oder sie wollte uns schnellstmöglich los werden.

Wir meldeten uns direkt nach dem Start bei der Thetis und wurden von dort zur Gefräßiger Wolf geschickt. Es gab keine Probleme auf dem Rückflug. Die FX-2522 waren absolut kinderleicht zu bedienen.
Der Anflug auf die Gefräßiger Wolf gestaltete sich allerdings etwas schwieriger. Die Hangartore standen zwar offen, aber wir mussten uns zwischen den Deckenkonstruktionen und dem Schiffsrumpf zu den seitlichen Schleusen quetschen. Varl hätte beinahe einen Kran gerammt beim Einflug, schaffte es allerdings noch, alles unter Kontrolle zu halten.
Einige Techniker erwarteten uns bereits bei der Landung. „Mann, wo haben Sie die Dinger denn her?“ fragte mich Caren Krieger als sie prüfend die Hände über die Maschinen wandern lies.
„Von nem Erd-Träger, der hier zur Verschrottung liegt.“ sagte ich dann.
„Darf ich mir die Mühlen mal vornehmen?“ fragte sie dann.
„Nur zu, aber man sollte nicht sehen, dass jemand von uns daran herumgebastelt hat, könnte noch wichtig werden.“
„Ich bastle nicht, ich wollte nur immer mal gerne an Oldtimern herumschrauben ...“
„Die Teile sind Baujahr 2521!“
„Dann sind es ziemlich junge Oldtimer...“
Sie hatte bereits irgend etwas, das wie ein Schraubenschlüssel aussah, in der Hand, als ich mich abwandte um zur Brücke zu gelangen. Dort traf ich Gina und einen mir völlig unbekannten Mann.
„Ah, Colonel Havoc, ich möchte Ihnen gleich jemanden vorstellen.“
„Hat das nicht Zeit bis später? Wir wurden auf dem Schiff angegriffen.“
„Wir wurden auch angegriffen.“ Ich schluckte.
„Was ist passiert?“
„Steht alles in meinem Bericht.“ Sie händigte mir ein Datentablett aus. „Aber das Wichtigste möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Der Täter brüllte Levrey mit den Worten Grüße von Von der Brüh an.“
„Mit anderen Worten, Von der Brüh ist richtig, richtig sauer.“
Captain Breedneck mischte sich in unsere Unterhaltung ein. „Entschuldigung, Colonel, aber Stationskommandant Grandia möchte Sie umgehend sehen. Er ist bereits unterwegs!“
„Bestätigen Sie ihm das, ich erwarte ihn in meinem Raum. Gina?“
„Colonel?“
„Wie geht es Levrey?“
„Keine Chance. Es war ein glatter Herzschuss.“
„Verdammt!“
„Kann man nichts machen ...“
Ich winkte ab. Unser Plan schien, was das Sauermachen anging, ein wenig zu erfolgreich zu sein.

Stationskommandant Achmed Grandia, seit fast hundert Jahren Kommandant der Thetis, stattete uns wenige Minuten später seinen Besuch ab.
„Tut mir leid, dass Sie auf Schwierigkeiten gestoßen sind. Wir orteten das Shuttle erst, als Sie schon nicht mehr erreichbar waren!“
„Wir haben es überlebt.“
„Nun, es gibt Anzeichen dafür, dass sie das Schiff startklar machen, und ich wollte Sie fragen, ob Sie uns vielleicht helfen würden, unseren Auftrag von der Erdregierung zu erfüllen.“
„Auftrag von der Erdregierung?“
„Ja, das Schiff soll zerstört werden.“
„Wollten Sie es uns nicht gerade noch verkaufen?“
„Nun, wir hätten es dann als zerstört vermerkt und die Registrierung geändert in neue Fregatte für den Mars oder so.“
„Ah ja ...“
„Ich nehme mal an, Sie wollen das Schiff sowieso nicht mehr haben?“
„Nun, angesichts des Zustands des Schiffes ist es doch eher fraglich, ob wir es gebrauchen können.“
„Dachte ich mir fast. Da kann man eher ein neues Schiff bauen, als den Kahn wieder zu 100% einsatzfähig zu machen.“
Also hatten sie sich das Schiff doch genauer angesehen.
„Es fliegt wohl noch und es braucht eine neue Inneneinrichtung, aber so hat die Überprüfung gezeigt, dass es durchaus in einen brauchbaren Zustand gebracht werden kann.“
„Sicher, es ist nur vergleichsweise teuer.“
Da fiel mir etwas ein: „Haben Sie das Schiff vorher mal untersucht?“
„Ja, zusammen mit den Truppen der Erde haben wir das Schiff komplett durchkämmt, um sicher zu gehen, dass da nichts Wichtiges mehr drauf war.“
„Hatten Sie nicht erst gesagt, dass es keine Untersuchung gegeben hätte?“
„Untersuchung konnte man das nicht nennen, wenn ich ehrlich bin.“
„Wie meinen Sie das?“
„Dieser Eredor kam mit einem Haufen Leute auf die Station. Nahm eine Liste mit Namen und las sie vor. Über zweitausend Namen hat er den Leuten vorgelesen. Jeder, der auf einen Namen gehört hat, wurde zuerst überprüft und dann auf das Schiff gebracht. Wie eine verdammte Maschine.“
„Was ist dann passiert?“
„Er ließ sich von uns auf die CV223 bringen. Seine Leute sollten Beweise für das Versagen der Crew finden und ihm bringen. Sie kamen mit ein paar merkwürdigen Gegenständen wieder. Eredor hat sich alles angesehen und danach alles vernichten lassen. Angeblich unbrauchbar.“
„Vernichten lassen?“
„Sie haben das Zeug wahrscheinlich irgendwo in eine Ecke geworfen und sind gegangen, nachdem ihr Boss sie zur Sau gemacht hat.“
„Klingt nach einem ziemlich verblendeten Mann.“
„Ist er. Ich hoffe, dass er nicht noch einmal auf dieser Station aufläuft.“
„Zum Abschluss ist er dann abgehauen und hat nur die, die er haben wollte, mitgenommen?“
„Genau. Der Rest wurde einfach hier gelassen.“
„Genug davon. Was ist mit den beiden Kampfjägern, die wir benutzt haben, um vor den Fremden zu fliehen?“
„Wenn Sie vergessen, dass wir bei der Sicherheit geschlampt haben, vergessen wir, die Dinger in Rechnung zu stellen ...“ er verstummte.
Ich nickte nur.
„Ok, was wollen Sie jetzt von uns?“ fragte ich dann.
„Könnten Sie die Piraten bitte davon abhalten, mit einem leichten Träger der Erdregierung abzuhauen?“
„Sie klingen verzweifelt ...“ ich wollte ihn zappeln lassen.
„Wir haben einen Ruf zu verlieren und ein geklautes Schiff ist nun mal nicht so berauschend.“
„Fleischer J. und Fleischer B., kommen Sie bitte in den Besprechungsraum!“ rief ich die beiden Soldaten zu mir.
Es dauerte nur einen Moment, dann waren sie da.
„Können Sie uns berichten, wie groß die Schäden sind, die Sie angerichtet haben? Und eventuell auch was Sie festgestellt haben, was das Schiff an Besonderheiten hat?“
Die Brüder sahen sich an.
Fleischer J. begann: „Ein paar sekundäre Systeme sind leicht beschädigt, um ein wenig Verwirrung zu stiften. Als wir uns auf der Brücke befanden, hatte es den Anschein, als seien die Bordsysteme noch voll einsatzfähig.“
Grandia stutzte kurz und fragte dann: „Unsere Techniker sagten, der Kahn fliegt noch, können Sie das bestätigen?“
Fleischer B. erwiderte: „Gibt keine Gründe, warum das Schiff nicht fliegen sollte. Ich frage mich nur, ob es mit den paar Männchen, die noch übrig waren, überhaupt noch zu fliegen ist ...“
„Das Schiff musste immer unterbesetzt funktionieren. Ich würde einfach mal darauf tippen, dass die Leute, die übrig sind, das Schiff wohl starten und damit auch verschwinden können.“
Fleischer J. sagte dazu: „Mag sein, aber wie wollen die ohne Unterstützung ein Schiff dieser Klasse klauen und damit entkommen?“
Der Stationskommandant zuckte mit den Schultern. „Tarnvorrichtung, evtl. gibt es ein getarntes Schiff, welches auch den Shuttle ausgesetzt hat.“
„Sie wollen also, dass wir das Schiff und eventuell einen Piratenkreuzer zerstören?“
Der Stationskommandant sagte lapidar: „Ja.“
„Wie sollen wir das mit zwei Piloten machen?“
„Sie haben doch gerade einige Leute rekrutiert?“
Ich schüttelte mit dem Kopf.
„Ich weiß nicht mal, ob die überhaupt fliegen können oder wer diese Leute sind.“
„Nun, die FX-2522 sollten sie fliegen können.“
Unser Gespräch ging noch eine ganze Weile hin und her, dann sorgte aber die Alarmmeldung für ein Ende der Diskussion. Ein Piratenschiff hatte sich enttarnt und begonnen, auf die Station zu schießen. Ich stürmte auf die Brücke und Grandia war mir auf den Fersen.
„Bericht?“ fragte ich ohne Umschweife.
„Ein Piratenkreuzer hat sich gerade enttarnt und das Feuer auf die Station eröffnet, bis jetzt nichts Kritisches.“
„Wie nichts Kritisches? Dass meine Station angegriffen wird, ist nicht kritisch?“
„Nicht so hysterisch. Es werden nur kleine Raketen eingesetzt, keine Schiffskiller.“
„Das wäre ja noch schlimmer!“
„Unsere Piloten sollen sich sofort in die Jäger machen und für den Start vorbereiten. Wir greifen an!“ Ich ignorierte den letzten Satz von Grandia und gab Breedneck die Anweisung. Er leitete sie sofort weiter.
Grandia verschaffte uns eine Notstarterlaubnis. Der Hangar wurde evakuiert, während wir unsere Aggregate hoch fuhren. Ich sah auf den Monitoren, dass man schnell auch Werkzeuge und andere Kleinteile in Sicherheit brachte. Kurz, nachdem der letzte Techniker die Halle verlassen und die Schotts versiegelt waren, erhielten wir die Freigabe.
Eric Blistson steuerte das große Schiff manuell. Er gab Vollschub auf die Raketenmotoren. Der Antriebs-Partikelstrahl schob die Gefräßiger Wolf augenblicklich vorwärts. Ein leichtes Zittern durchlief das Schiff, während es beschleunigte. Hinter uns wurde der gesamte Werftbereich mit heißen Partikeln geflutet. Sie verbrannten Kabel, Leitungen, Gerüste und alle möglichen Dinge, die noch im Hangar herumstanden.
„Das wird teuer.“ murmelte Grandia neben mir. Ich hatte mich auf meinen Stuhl gesetzt, Grandia stand am Geländer vor den seitlichen Stationen und starrte auf die Kamerabilder.
Die schwere Fregatte schob sich quälend langsam aus dem Loch, aber immer noch schneller als nur über die Gravitationsgeneratoren. Das Schiff zitterte, als die Schwerkraftgeneratoren Treffer konventioneller Raketen ausgleichen mussten. Wir waren entdeckt worden.
„Status?“
„Alle Systeme online. Die Primärwaffen sind auch einsatzbereit, aber noch nicht getestet worden. Die Schilde sind stabil und die Panzerung wurde leicht angekratzt.“
Also noch kein Grund zur Beunruhigung. Zumindest für mich. Grandia schien Todesängste auszustehen. Wir hatten uns kaum aus dem Hangar heraus geschoben, als Blistson auf den stärkeren Antigravantrieb umschaltete. Die Gefräßiger Wolf erhob sich von der Planetenoberfläche und zog einen Wirbel aus losen Regolithkügelchen hinter sich her. Im Steigflug starteten die Kampfjäger. Die Piloten wichen dem großen Schiff sofort aus und formierten sich zu einer klassischen V-Formation.
Gina hatte Gregor Granai an ihrer Flanke und Jennifer flog mit Joshua als Flügelmann. Die vier Piloten hatten sich auf diese Aufteilung geeinigt. Alle hatten als Kopilot jeweils einen der neuen Piloten dabei.
Das feindliche Schiff schleuste von sich aus zehn Schiffe aus und von der Station kamen auch noch einmal sechs weitere Kampfjäger. Die Stationsjäger erreichten die Piraten als erstes und zwei von ihnen wurden zerstört. Auf der taktischen Karte sah ich, dass noch ein dritter Stationsjäger zerstört wurde, bevor der erste Pirat das Zeitliche segnete.
Dann kamen die Wolfsklauen angeschossen und acht Piratensignale lösten sich gleichzeitig auf.
Ich schüttelte den Kopf. „Nee ist klar.“ Ein Pirat und ein Stationsjäger vernichteten sich gleichzeitig.
„Alpha an Welpen!“ sendete ich über Funk. Nacheinander kamen die Bestätigungen der Wolfsklauen.
„Überprüfen Sie den Träger im Dock und sollte er sich bewegen, zerstören Sie ihn!“ befahl ich.
Ich wandte mich an meinen Stellvertreter: „Captain Breedneck, lassen Sie die Primärbewaffnung scharfmachen. Feuer frei für die Sekundärstationen!“
Die Kampfjäger drehten ab und verschwanden hinter der Raumstation. Der Piratenkreuzer feuerte einige halbherzige Breitseiten ab, die alle von den Schilden abgelenkt oder von der Panzerung absorbiert wurden. Gleichzeitig beschleunigte das Schiff mit Maximalschub. Das Piratenschiff war etwa halb so groß wie die Gefräßiger Wolf.
Wir setzten dem Schiff nach. Es hatte bereits einen Fluchtkurs eingeschlagen, der es direkt unsere Bahn kreuzen ließ. Ich hatte den Braten gerochen, jetzt hieß es durchkochen.
„Primärbewaffnung feuerbereit, Colonel“ meldete Breedneck.
„Feuer!“
Auf der Brücke wurde es schlagartig still. Weiße Energielanzen lösten sich aus den beiden neuen Geschützen. Langsam, aber mit ungeheurer Wucht schossen sie auf das Piratenschiff zu. Der Piratenkreuzer versuchte einen Haken zu schlagen, allerdings gelang ihm dies nur teilweise. Der Beinahetreffer unserer Primärgeschütze hatte eine unglaublich zerstörerische Wirkung auf das Schiff. Die Ausläufer der Impulse versengten die weiße Oberfläche des Piratenschiffes. Teile der Aufbauten wurden abgerissen und dort, wo das Schiff dem Impuls am nächsten war, wurde die Panzerung und Teile der Decks einfach weggerissen. Das Schiff hatte eine gefährliche, offene Wunde. Unsere Sekundärbewaffnung feuerte mit ihren Projektilgeschützen auf das Schiff. Weitere Aufbauten wurden vom Rumpf gefegt und Einschläge im Bereich der beschädigten Hülle drangen tief in das Schiff vor.
Angeschlagen ging das Schiff auf Tarnung und verschwand von den Sensoren. Die optischen Kameras und die Laserpeilung konnte zwar das Schiff noch erfassen, allerdings veränderte es seine Farbe und verschwand schließlich auch vor unseren Kameras. Eine Spur aus Gas und Trümmern führte zu dem Punkt, wo sie auf Reisegeschwindigkeit gingen.
„Verdammte Scheiße, was war das jetzt?“ fragte der Stationskommandant.
„Halten Sie die Klappe verdammt! Captain, Bericht!“
Achmed schnaubte wütend und setzte sich wieder auf den ihm zugewiesenen Platz. Er hatte wohl gemerkt, dass er hier nichts zu sagen hatte. Breedneck berichtete mit kühler Stimme: „Colonel? Das Schiff hat eine verbesserte Tarnvorrichtung. Wir konnten aber Gasspuren orten. Verfolgen wir sie oder kümmern wir uns um das andere Schiff?“
„Den kleinen Piraten werden wir wohl nicht so einfach einfangen können. Wir müssen die CV223 stoppen.“
Ein junger Corporal berichtete: „Colonel? Miss Wemayr meldet sich gerade.“
„Sergeant Wemayr, wenn überhaupt.“ berichtigte ich ihn. „Stellen Sie durch.“
„Hier Welpe 1.1, wir waren wohl etwas spät dran.“
„Wie meinen Sie das?“
„Der Träger ist gerade auf Reisegeschwindigkeit gegangen und wir kommen nicht mehr hinterher.“
„Kommen Sie nach Hause. Ich glaube, das war es.“
„Negativ. Ich werde aber auf Position bleiben.“
„Was gibt das, wenn es fertig ist?“
„Habe eine Laserpeilung. Als wir in Sichtweite kamen, gab das Schiff im Dock Vollschub. Es hat den Dockarm abgerissen und einige der anderen Schiffe beschädigt. Wir konnten wegen der ganzen Trümmer keine Schiffskiller abschießen.“
Ich hätte die Frau jetzt knutschen können.
„Laserpeilung?“
„Jawohl!“
„Gut gemacht, wir holen Sie ab!“
„Welpe 1.1 an Staffel! In Formation weiterfliegen. Versuchen Sie sich auf meine Laserpeilung aufzuschalten. Je mehr Augen dabei sind um so besser.“
„Sie möchten wohl auf Ihre Station?“ fragte ich Achmed.
„Eigentlich ja, aber ich würde gerne an Bord bleiben, wenn Sie die Verfolgung aufnehmen.“
„Aber?“
„Mein Platz ist auf der Station. Nun, ich könnte mir vorstellen, ein paar Wolfsklauen und einige Materialien extra bereitzustellen ...“ begann er.
„Es ist Ihnen wohl ernst, dass das Schiff aufgehalten werden muss, wie?“
„Ja, sicher!“
„Trotzdem werden Sie nicht dabei sein. Ich werde mit dem General sprechen, ob wir Ihren Auftrag durchführen sollen oder nicht. Danach reden wir weiter.“

In meinem Büro kontaktierte ich den General.
„Was kann ich für Sie tun, Colonel?“
„General? Ich habe hier die Anfrage von Stationskommandant Achmed Grandia. Er möchte ganz gerne die CV-223 zerstört sehen, die gerade von einem Piratentrupp gekapert wurde.“ begann ich. Der General hörte mir gespannt zu.
„Wir sammeln unsere Wolfsklauen ein und wären dann bereit, dem Schiff zu folgen. Das würde allerdings unsere weiteren Befehle verzögern.“
„Ich nehme an, er hat Ihnen ein Angebot zum Ausgleich gemacht?“
„Ja, einige Wolfsklauen und Materialien.“
„Nun, ein Pirat weniger ist immer besser. Wenn Sie weniger als sechs Wolfsklauen angeboten bekommen, nehmen Sie an, sind es mehr, lassen Sie es besser.“
„Ehm?“
„Wenn er mehr anbietet, wird’s zu gefährlich für ein einzelnes Schiff.“
„Aye, General.“
„Noch was anderes: Sie heuerten 12 Piloten und 20 Mann Besatzung auf der Thetis an?“
„Sergeant Gina Wemayr. Die Frau ist tüchtig.“
„Gut, dass Sie sie behalten haben, ich hätte sie zusammen mit den anderen beiden in den Steinbruch verfrachtet.“
„Finde ich auch. Ich unterhalte mich noch einmal mit Grandia und melde mich bei Ihnen.“
„Genau. Machen Sie das, wenn Sie über den nächsten Auftrag Bescheid wissen. Chekov Ende.“
Ich bestätigte noch und ging dann zurück auf die Brücke.

Der Stationskommandant war begierig darauf, meine Reaktion zu hören.
„Der General hat eindeutige Anweisungen gegeben. Wie viele Wolfsklauen möchten Sie uns denn überlassen für den kleinen Gefallen?“
Der Stationskommandant zögerte.
„Sagen wir, drei Stück?“
Ich hob eine Augenbraue. „Sie wollen uns drei Wolfsklauen übergeben für einen potentiell gefährlichen Job?“
„Na ok. Ich mache vier daraus. Außerdem stellen wir Ihre alten Reaktoren modernisiert für das nächste Schiff gratis zur Verfügung.“
Ich sah ihn an.
„Hä?“
„Ist nur ein Angebot.“
Ich überlegte und ließ ihn zappeln. Wir übernahmen derweil die Laserpeilung von Gina.
„Wolfsklauen an Bord!“ meldete mein erster Offizier.
„Nehmen Sie Kurs auf ehm...“ ich überlegte und sagte dann: „Sehen wir uns mal an, wo die CV-223 hin ist.“
Zu Achmed Grandia meinte ich: „Wir übernehmen die Verfolgung. Kehren Sie bitte zur Station zurück und sorgen Sie dafür, dass diese Piloten einsatzbereit auf Abholung warten.“
Ich drückte ihm eine kleine Datentafel in die Hand.
„Ok, ich kümmere mich darum. Was soll ich den Leuten sagen?“
„Sagen Sie ihnen, dass sie vor der Wahl stehen, entweder die geilsten Jäger im Sonnensystem zu fliegen oder den Rest ihres Lebens in dem Loch vermodern, in dem sie gerade sind.“
„Werde ich tun.“ meinte der Stationskommandant leicht kleinlaut.
In der Zwischenzeit kam Gina Wemayr auf der Brücke an und wir zogen uns in mein Büro zurück.
„Ok, Gina, erkläre mir etwas: Warum zur Hölle bist du auf einmal Staffelführer?“
„Das mit der Staffelführung haben sich die Jungs ausgedacht. Die meinten, ich wäre besser für den Job geeignet, als sie selbst.“
„Ah ja.“
Ich drückte Gina eine Tasse mit synthetischem Kaffee in die Hand. Die zweite Tasse stellte ich auf meinen Schreibtisch und machte es mir wieder etwas gemütlicher. Gina fuhr fort: „In den Trainingsrunden habe ich die Kerle immer abgeschossen. Gerade eben habe ich vier Abschüsse auf einmal gehabt. Die Jungs hatten je zwei und Jennifer leider keinen Abschuss.“
Sie schien sich ebenfalls etwas zu entspannen und trank einen Schluck aus ihrer Tasse.
„Also ich finde es auch etwas befremdlich, dass sich Lieutenants von einem Staff-Sergeanten freiwillig befehligen lassen, aber ich finde den Gedanken auch irgendwie amüsant. Die Beiden sind eigentlich nicht so die Kommando-Personen...“
Tausend Dinge rannten gleichzeitig durch meine Gehirnwindungen, ich brauchte etwas, bis ich den richtigen Gedanken erwischte.
„Nein, sind sie nicht. Ich könnte dich jetzt der Form halber zum Captain befördern, ist aber im Moment nicht drin.“
„Sicher nicht. Ich würde auch eher vorschlagen, dass jeder von uns eine Gruppe übernimmt, die auf den Maschinen ausbildet werden, wobei unsere Neuzugänge schon Flug- und Kampferfahrung haben.“
„Wie haben sie sich als Co-Piloten gemacht?“
„Eigentlich ganz gut. Die Wolfsklaue scheint der FX-2522 stark zu ähneln.“
„Ich finde, das Cockpit ist fast identisch.“
„Wohl wieder ein Zeichen dafür, dass die SF für alle Parteien im Sonnensystem Schiffe baut ...“
„Und wieder ein Grund mehr, den selbst ernannten Admiral endlich aus dem Verkehr zu ziehen. Leider sitzt der Typ ja etwas sehr fest in seinem Sessel.“
„Und ziemlich mächtig ist er obendrein.“
„Lassen wir das. Hast Du noch etwas im Bezug auf die CV-223?“
„Nicht wirklich. Das Schiff hat quasi schon angefangen, den Andockarm zu zerstören, als wir ankamen. Sie waren sehr schnell auf Fluchtgeschwindigkeit; eigentlich zu schnell für so ein Schiff.“
„Zu schnell?“
„Fand ich. Sie haben bereits beschleunigt, während sie noch am Andockarm hingen, und sind uns einfach davon geflogen. Ich konnte gerade noch die Laserpeilung aufbauen und aufrecht erhalten.“
„Die müsste aber bald aufbr...“
In diesem Moment gab es einen Knall und ein Ruck ging durch das Schiff. Mein Kaffee verteilte sich gleichmäßig über meinen Schreibtisch. Gina und ich sprinteten zur Brücke.

„Was geht hier vor?“ fragte ich atemlos.
„Minen in der Flugbahn. Wir haben gerade eine mitgenommen!“
„Schadensbericht!“
„Kam gerade rein. Keine Schäden an der Schiffsstruktur, die Panzerung am Bug hat etwas gelitten.“
Das war trotzdem nicht beruhigend.
„Ausweichmanöver ...“
„Schon eingeleitet. Wir haben die Schilde modifiziert und dürften so das meiste ableiten, was uns entgegenkommt.“
„Wie ist der Status?“
„Das gekaperte Schiff ist noch auf dem Schirm, die Laserpeilung hält noch, auch wenn es langsam an die Grenze geht ...“ begann Captain Breedneck seinen Bericht.
„Wir haben gerade beschleunigt, als wir auf die Mine gestoßen sind. Wir fliegen jetzt einen sporadischen Ausweichvektor. Das fliehende Schiff hat bereits aufgehört zu beschleunigen, wir werden aber nur recht knapp aufholen können.“
Mir kam eine Idee.
„Holen Sie mir jemanden von unseren Neuzugängen auf die Brücke, er muss sich mit der CV-223 auskennen!“
„Ich kümmere mich darum!“ sagte Gina und verließ die Brücke.

Zehn Minuten später stand Oan McGrown neben Gina auf der Brücke. Ein großer, kräftig gebauter Mann. Kurze, dunkelblonde Haare, etwa einen Meter neunzig hoch und sehr ernste, braune Augen.
„McGrown?“
„Der bin ich.“
„Sie kennen sich mit der CV223 aus?“
„Ein wenig. Ich war dort als Pilot, ich kenne allerdings das Schiff besser als meine Kameraden, die Sie angeheuert haben.“
„Sie haben gerade aufgehört zu beschleunigen. Sie sind jetzt fast 20% schneller als es eigentlich hätte sein dürfen.“
„Das hat was mit dem modifizierten Antrieb zu tun. Keine Ahnung wie das kommt.“
„Ich brauche einen Plan, wie wir auf dem Schiff landen und die Eindringlinge unschädlich machen können.“
„Eindringlinge?“
„Die Leute, die gerade das Schiff gestohlen haben.“
„Ich schließe mich mit Corporal Fleischer zusammen.“
„Mit wem davon?“
„Ehm?“
„Es sind zwei Fleischer, die wir an Bord haben.“
„Dann mit beiden.“
„Ich brauche den Plan, sobald wir das Schiff eingeholt haben.“
„Wird erledigt.“
„Wie viele Minen haben Sie eigentlich an Bord gehabt?“
„Minen?“
„Der Ruck vorhin wurde von einer Mine verursacht.“
„Dann hat wohl eher jemand alte Munition abgeworfen. Wir hatten keine Minen an Bord.“
„Schiffskiller?“
„Was für Dinger?“
„Nuklearbestückte Torpedos.“
„Die waren lange vor meiner Zeit schon verbraucht.“
Etwas an seiner Art machte mich stutzig.
„Was hatten Sie, um große Schiffe angreifen zu können?“
„Den Phasenstrahler am Bug und ein paar Antimaterietorpedos.“
Nur gut, dass es auf der Brücke keinen Spiegel gab. Antimaterie war als Waffe im Sonnensystem verboten worden. Davon mal abgesehen war Antimaterie als Energielieferant völlig unzureichend. Es gab wohl in verschiedenen alten Waffensilos noch ein paar Depots, aber das war eher etwas für die Geheimdienste.
„Hatten Sie die immer noch an Bord, als das Schiff abgemustert wurde?“
„Natürlich nicht. Nur die Energiewaffe dürfte noch an Bord sein. Sie ist tief in die Struktur des Schiffes eingearbeitet, sollte aber für normale Sensoren unsichtbar sein, solange sie inaktiv ist.“
„Gut. Das war es von mir aus.“
„Was haben Sie vor?“
„Wir verfolgen das Schiff jetzt bis zu seinem Zielort und werden uns ihm dann stellen müssen.“
Gina mischte sich ein: „Wir werden bereit sein!“


[2523.22] – 7 – 571RB
Wir verfolgten das Schiff eine Woche lang, bis das Ziel klar wurde: ein Kleinplanet mit dem hübschen Namen 571RB. Die Datenbanken unseres Schiffes enthielten eine ganze Menge Material zu diesem Stein. 571RB hieß auch mal AH-73 und gehörte zum Mond. Ein anderer Eintrag besagte, dass sich hier ein Versorgungsposten der freien Raumstationen befand. Wieder ein Eintrag besagte, die Erdregierung hätte hier eine Basis. Alle Einträge waren im Abstand von etwas mehr als vierzig Jahren erstellt worden, der letzte Eintrag lag aktuell fast sechzig Jahre zurück. Hier hieß es: „Aufgegeben 2465, nachdem alle Rohstoffe aufgebraucht waren.“
Der letzte Besitzer war eine Privatfirma, die dem Stein seinen jetzigen Namen gegeben hatte. 571RB war erst 2123 entdeckt und als extrem rohstoffreich klassifiziert worden. Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, was an dem ganzen Durcheinander nun stimmte und was nicht.
Das hier sollte noch eine Menge Ärger geben.

Wir erreichten 571RB am achten Tag unserer Verfolgungsjagd. Die flüchtige CV-223 hatte einen halben Tag Vorsprung. Sie war hinter 571RB verschwunden.
Es gab eine allgemeine Systemwarnung: „Sonnenturbulenzen mit erhöhtem Strahlenaufkommen!“
Für uns bedeutete dies, dass wir, wenn es jetzt zum Kampf kam, kaum Sensoren hatten und alle Systeme stark belastet werden würden. Unheilvoll wurde der 500 Kilometerbrocken auf dem Wandschirm immer größer.
„Wir orten Signaturen von zwei Raumschiffen. Unbekannte Bauart.“
„Nehmen Sie Kontakt auf.“
Die Nähe zu 571RB ließ bei dem zu erwartenden Gefecht nicht viel Bewegungsspielraum. Mir krampfte sich der Magen zusammen.
„Keine Antwort. Sie scheinen jetzt in unsere Richtung zu kommen.“
Ich wollte gerade die Kampfjäger zurück beordern, als ein Brückenoffizier meldete: „Feindkontakt direkt voraus!"
Ein anderer Deckoffizier meldete: „Viele kleine Körper im Anflug, aktiviere Bereichsverteidigung.“
Von Captain Breedneck kam die Warnung „Strahlung steigt an, wir verlieren langsam die Sensoren!“.
Wenn etwas passierte, dann kam auch immer alles gleichzeitig. Die Anspannung auf der Brücke stieg sprunghaft an. Ein Monitor nach dem anderen fiel aus.
Es wurde Zeit für einen verzweifelten Akt: „Primärgeschütze überladen und feuern!“
Die Primärgeschütze wurden daraufhin stärker aufgeladen als normal und die Energielanzen abgefeuert. Energielanze war eigentlich das falsche Wort. Die Primärgeschütze waren, genau wie die normale Bordbewaffnung, eher aufgebaut wie Railguns. Hier hatte das Trägerprojektil elektromagnetische Eigenschaften, die es eine ungeheuer große Energiemenge aufnehmen und abgeben ließ. Die Sensoren fielen in diesem Moment vollständig aus.
„Geschütze abgefeuert!“
Alle hielten den Atem an. Der Wandschirm war verrauscht. Alle Bildschirme außer den internen waren verrauscht. Nichts passierte.
„Colonel? Die Aussichtsplattformen melden mehrere Blitze von atomaren Explosionen.“
Die Meldung kam von einem jungen Offizier, der an der Bord-Kommunikation saß.
„Alle Geschütze und Schiffskiller klar machen. Sobald wir wieder irgendetwas orten, Feuer frei!“
Es dauerte elend lange Minuten, bis die Sensoren wieder etwas orten konnten. Nach und nach flackerten die Bildschirme wieder auf. „Colonel, keine Ziele im Umkreis.“
„Bitte was?“
„Keine Ziele im Umkreis.“
Varl sagte das absolut trocken. „Wo sind sie hin?“
„Wir haben sie zerstört.
Die beiden anfliegenden Schiffe hatten die langsamen Energielanzen nicht geortet und waren quasi direkt hinein geflogen. Die Wracks waren bereits auf dem Weg in Richtung Zwergplanet und würden dort hübsche kleine Krater hinterlassen.
„Wie ist der Status?“ frage ich, nachdem wir wieder halbwegs klare Sicht hatten.
„Colonel, keine Schäden.“
„Die Klauen sollen mal eine Runde drehen. Ich ...“
„Uns erreicht eine Komm-Nachricht von der CV-223!“ unterbrach mich der Komm-Offizier.
„Auf den Schirm“ sagte ich und kurz danach sah ich in ein etwas älteres Gesicht.
Die schwarzen Uniformen hatte ich schon mal gesehen und zwar bei den Leuten, die uns auf der CV-223 angegriffen hatten.
„Colonel Mark Havoc, Kommandant der Gefräßiger Wolf. Was kann ich für Sie tun?“ fragte ich scheinheilig.
„Ich bin Lordkapitän van Virit, ich denke, Sie haben uns wohl gerade um unseren Auftraggeber und eine Menge Kohle gebracht ...“ begann der Fremde.
„Für ein gestohlenes Schiff?“
Er sah wütend in die Kamera.
„Ja, für einen gestohlenen Schrotthaufen!“
„Das Schiff fliegt doch noch ...“
„Nicht mehr lange. Wir können vielleicht noch in den alten Dockanlagen hier fest machen, wir haben für den Flug hier her fast unsere gesamten Energievorräte verbraten.“
„Ich könnte Sie jetzt einfach aus dem Weltraum blasen ...“
Der Pirat grinste mich an. „Machen Sie nur, besser als auf dem toten Felsen hier zu stranden.“
„Man führe mich nicht in Versuchung.“
„Was halten Sie von einem Deal?“
„Ein Deal?“
„Ja, Sie lassen uns laufen und können das Schiff behalten. Offiziell können Sie es als zerstört melden, wenn wir hier angedockt haben und anschließend damit machen, was Sie wollen.“
„Ich weiß nicht, aber irgendwie ist das doch sehr dünn.“
„Machen Sie's anders: Bieten sie den Überlebenden von dem Kahn hier an, den Stützpunkt und das Schiff zu übernehmen, im Austausch für Informationen.“
Das Ganze ergab keinen Sinn.
„Wie kommen Sie jetzt darauf?“
„Ich habe die Logbücher gelesen. Ich denke, die Leute von dem Schiff dürften noch Interesse an dem Kahn haben.“
„Wir haben den Auftrag das Schiff hier zu zerstören. Eigentlich will ich das auch durchführen ...“
Der Pirat schien noch nicht aufgeben zu wollen.
„Ok, in einem Tag wird unser Begleitschiff hier auflaufen. Entweder wir kommen zu einem Deal und kommen lebend hier von dem Schiff herunter oder Sie werden einen schönen heftigen Kampf haben.“
„Wollen Sie mir drohen?“
„Bilden Sie sich nichts auf Ihre Glückstreffer ein. Unser Lebensunterhalt ist es, alte, aber noch einsatzfähige Schiffe aufzutreiben und weiter zu verkaufen.“
„Und dieser Job sollte eigentlich einen Haufen Geld einbringen, mit dem ich mein eigenes Schiff wieder etwas hätte aufbessern und reparieren können.“
„Und was haben Sie jetzt?“
„Ein von Ihnen schwerbeschädigtes Schiff, einen Schrotthaufen und einen toten Auftraggeber.“
„Wer war denn Ihr Auftraggeber?“
„Irgendein Geschäftsmann aus dem äußeren System ...“
„Das äußere System ist eine kommunistische Gesellschaft, die haben keine Geschäftsmänner ...“
„Er sagte, er wäre interessiert, dieses Schiff zu kaufen.“
„Und warum glauben Sie, dass es ein Geschäftsmann war?“
„Er bot marsianische Creds...“
Ich schüttelte den Kopf. Mir fiel erst in diesem Moment auf, dass mein Gegenüber die ganze Zeit recht reglos in die Kamera gestarrt hatte.
„Alles in Ordnung mit Ihnen?“
Er knurrte etwas Unverständliches.
„Ich fragte, ob alles in Ordnung mit Ihnen ist?“
„Was interessiert Sie das?“
„Ich frag nur.“
„Nein, wir hatten hier ein paar Probleme an Bord. Erst habe ich mehrere Männer verloren, als irgendjemand den Hangar entlüftet hat und dann ist dieses Schiff hier auch nicht gerade sicher.“
„Inwiefern?“
„Die haben hier die Hälfte aller Sicherheitssysteme ausgebaut, um Platz zu schaffen. Hier hätten locker 5000 Menschen leben können. Normalerweise sind 3000 Mann Besatzung für ein Schiff dieser Klasse schon recht viel.“
Jetzt wurde es interessant.
„Das klingt, als wenn das Schiff etwas wert sein könnte.“
„Das Schiff ist definitiv eine Menge wert. Wir haben hier viele Apparaturen gefunden, die wir überhaupt nicht identifizieren konnten. Sie sind wahrscheinlich noch nicht mal menschlich! Sie werden nur eine ganze Menge Kohle hier rein stecken müssen, um aus dem Ding etwas zu machen.“
„Nun, Sie machen mich wirklich neugierig ...“
„Haben wir einen Deal?“
Man merkte, dass mein Gegenüber langsam nervös wurde.
„Ich würde gerne etwas mit meinem Vorgesetzten besprechen. Wenn er nichts einzuwenden hat, würde ich einem Deal zustimmen. Wird ein paar Minuten dauern.“
Mit einem „Ich warte auf Ihre Nachricht!“ beendete er die Verbindung.

In meinem Büro suchte ich wieder den Kontakt zu General Chekov.
„Ah, Colonel Havoc, Sie haben Neuigkeiten über die CV-223?“
„Ja habe ich.“
Ich erzählte ihm von meinem Gespräch mit dem Piraten.
„Lordkapitän van Virit?“
„So hat er sich mir vorgestellt.“
„Ein selbst ernannter Lord, Führer einer Gruppe, die sich selbst als Freiheitskämpfer gegen eine dominierende Erde bezeichnet und eigentlich nicht von Bedeutung ist.“
„Ein Taugenichts?“
„Eher der verzogene Sohn eines Großindustriellen. Er hat sich sein Erbe gesichert, als die Blue Star Inc. auseinandergebrochen ist.“
„Der einzige Konkurrent der SFI ...“
„Nicht der Einzige, aber ein sehr großer.“
„Und er hat also eine Menge Kohle von der BSI einkassieren können, bevor die endgültig zusammenbrach?“
„Ja, eine verdammte Menge sogar.“
„Gibt es irgendeinen Grund, warum ich mich auf einen Deal mit ihm einlassen sollte?“
„Machen Sie's ruhig. Er ist kein Pirat und vielleicht können wir ihn noch gebrauchen.“
„Er weiß noch was über die CV-223.“
„Da das Schiff zerstört wurde ...“
„Wurde es nicht, es wird gerade in die alten Docks der 571RB gebracht.“
„Nun, dann geben Sie auf der Thetis an, dass es zerstört wurde. Wir werden Ihnen ein Team schicken, was das Schiff wieder instand setzen soll.“
„Wäre besser, wenn wir noch Mitglieder der alten Besatzung dabei hätten ...“
„Sie haben doch welche von denen an Bord?“
„Ja habe ich, aber das sind Soldaten.“
„Dann bitten Sie van Virit doch, einen Trupp von, sagen wir fünf Leuten, auf eine der freien Raumstationen zu bringen.“
„Und dann?“
„Sollen die mit ihren Leuten Kontakt aufnehmen.“
„Und dann?“
„Mal sehen was passiert.“
„Und ...“ ich unterbrach mich. „Ich werde hier die Stellung halten, bis ein Trupp Marines und die Mannschaften hier auftauchen.“
„Machen Sie das. Holen Sie aber die Besatzung von der Station, sobald das Schiff fest gemacht hat.“
„Warum?“
„Schreiben Sie mal den Namen des Steins auf.“
Ich tat, was er mir sagte.
571RB.
„Und nun?“
„Lesen Sie mal die Zahlen, als wenn es Buchstaben wären.“
„EGARB?“
„Vergessen Sie es!“
Ich starrte auf die Kombination 571RB. EGARB war also falsch. Es dauerte etwas, aber dann kam ich auf den Trichter. Blitzartig sprang ich auf und war sofort wieder auf dem Weg zur Brücke. Van Virit wartete.

Nach der Unterredung mit dem General schlug ich bei van Virit ein. Dieser bat uns dann anschließend um Hilfe, in dem Gewirr, das die Dockanlagen der 571RB ausmachte, einen sicheren Landeplatz zu finden.
Wir starteten mit zwei Wolfsklauen in voller Besatzung.
Die Dockanlagen waren spärlich bis gar nicht beleuchtet, sodass wir anstelle einer Raketenlafette starke Scheinwerfer einsetzen mussten. Es war eigentlich ein Wunder, dass hier überhaupt noch etwas leuchtete. Aus irgendeinem Grund schien die Installation noch Energie zu produzieren, wenn auch auf sehr niedrigem Niveau.
Die 571RB war ein riesiger Steinbrocken, in den irgendwann einmal irgendetwas eingeschlagen sein musste. Ein langer Trichter hatte sich gebildet, der ungefähr ein Viertel des Durchmessers des Klumpens ausmachte. Gleichzeitig war der Einschlagtrichter relativ schmal.
„Durchmesser: in etwa 70 KM. Tiefe 123,23“ sagte Medine Unitep hinter mir.
„Was schlägt solche Krater?“ fragte Corporal Soren Krustin.
„Auf jeden Fall was sehr Kleines, das mit hoher Geschwindigkeit einschlug.“
„Wie alt ist das Teil eigentlich?“ fragte ich.
„Also, wenn ich die Anzeigen hier richtig deute, müsste der Stein hier aus der Zeit stammen, in der dieser verdammte Ring hier entstanden ist.“
„Ich meinte den Einschlagskrater ...“
„Anhand der Erosionsspuren durch Mikrometeoriten und Einschlägen würde ich mal auf weniger als 200.000 Jahre tippen. Eventuell ein paar Tausend Jahre jünger oder älter.“
„Noch nicht mal so alt.“
„Eigentlich ein recht interessantes Phänomen.“
Wir gingen langsam tiefer. Gina war ein kurzes Stück hinter mir und flog ihren Jäger relativ mittig in den Krater. Ich hielt mich an den Rand und wir leiteten eine langsame Spirale ein. Die Ränder des Kraters waren stark befestigt. Es waren kleine Stationen installiert worden, jede mit tierisch vielen Geschützen versehen. Anhand der Schäden an den Anlagen konnte man aber auch erkennen, dass die Waffen seit Ewigkeiten inaktiv waren. Was alle verwunderte, war der Umstand, dass die Anlage immer noch über extrem viel Strom verfügen musste. Die Beleuchtung war zwar sehr schwach, aber es waren noch Hunderte, wenn nicht Tausende von Leuchten aktiv.

„Ich glaube, das hier muss die Raffinerieanlage gewesen sein. Ich sehe hier riesige Flüssigkeitsdepots und einige Abgasöffnungen.“ sagte Gina über Komm.
„Ich seh's. Sieht aus, als wenn die Anlagen mal richtig viel Abwärme produziert haben.“ erwiderte ich.
Wir ließen die Anlagen hinter uns und bewegten uns unterhalb des Kraterrands langsam weiter.
„Hier müsste eine Schiffswerft gewesen sein ...“ Gina hatte anscheinend etwas Interessantes gefunden, dachte ich mir.
„Schiffswerft?“
„Ja, inklusive Schiffswrack.“
„Können Sie etwas erkennen?“
„Ich sehe einen Schiffsrumpf mit vielen Beschädigungen. Man hat den halben Rumpf demontiert, die Panzerplatten schweben in einem Gestell neben dem Rumpf.“
„Können Sie das Schiff identifizieren?“
Es dauerte einen Moment. Gina bewegte ihren Jäger in einer schnellen Bewegung zum Bug des Schiffes. Ihre Scheinwerfer erleuchteten den ganzen Bereich. Jetzt konnte ich die Konstruktion ebenfalls erkennen. Riesige Rippen umschlossen den Rumpf, der Bug hatte einiges abbekommen aber noch während Gina am Bug entlang flog konnte ich den Namen bereits lesen.
„BCWS Catamaran!“ gab Gina laut den Namen preis.
Das Schiff war Ende des letzten Jahrhunderts verloren gegangen, aber anscheinend war es nicht wirklich weit weg gewesen. Die SFI verkaufte das Schiff der Erdregierung und die setzte es prompt gegen die Piraten ein und verlor es.
„Colonel?“
„Ja?“
„Hier hat man wohl nicht versucht das Schiff zusammenzubauen, sondern nachzubauen! Ich sehe hier drei weitere Werftanlagen in denen Rohbauten stehen!“
„Drei Rohbau-Schiffe?“
„Ja, anscheinend wurden sie nie fertig gebaut.“
„Das könnte den General interessieren.“
„Kann ich mir vorstellen.“
Wir flogen etwas weiter.
Hinter mir sagte Medine: „Ich sehe hier noch vier weitere Werften auf dem Schirm. Jetzt wo ich sie erkennen kann, kann ich sagen, dass die anderen Werftanlagen frei sind, aber die Halteklammern irgendwo eingefahren sein müssen. Der Teil ist aber seit mindestens fünfzig Jahren nicht benutzt worden.“
Wieder eine gute Nachricht.
„Was schlagen Sie vor?“
„In der Nähe landen und dann gucken, ob wir eine der Werften in Betrieb nehmen können.“

Wir brauchten eine ganze Weile, um den militärischen Raumhafen zu finden. Dabei stießen wir noch auf der gegenüberliegenden Seite auf einen alten Verladehafen für den Werftbereich. Am Grund des Kraters mussten die Abbaueinrichtungen sein. Von allen Installationen kam ein schwaches, rötliches Licht.
Über Funk hörte ich Baratheros quatschen: „Also, der Krater sieht mir, wenn ich mir die Sensordaten so betrachte, aus, als sei er gesprengt worden. Hier ist nichts eingeschlagen.“
„Wie kommen Sie darauf?“ das war Gina.
„Er ist zu gleichmäßig und zu tief. Außerdem ist nach fünf Kilometern das Material festes Gestein. Ein Objekt, was mit hoher Geschwindigkeit hier eingeschlagen ist, hätte bei der Tiefe den ganzen Asteroiden in Stücke sprengen müssen.“
Ich fragte: „Massiver Felsen?“
„Nicht nur massiver Felsen, das hier ist eines der rohstoffreichsten Dinger, die ich je gesehen habe.“
Wenn die Sensoren nicht irgendwelche Fehler aufwiesen, dann war der Datenbankeintrag falsch. Alternativ kam mir auch in den Sinn, dass jemand etwas verstecken wollte, und zwar auf Dauer.

Der militärische Raumhafen war eigentlich nichts anderes als ein großer Würfel mit Landebahnen. Der Großteil der Installationen war im Berg selbst zu finden. Interessanterweise hatte er künstliche Schwerkraft, ein weiteres System, das noch funktionierte. Wir sahen eine Reihe uralter verfallener Butterflys.
Es gab inmitten der ganzen Wracks eine freie Landefläche. Irritiert nahm ich zur Kenntnis, dass sie im Gegensatz zu allen anderen Bereichen im Hangar absolut staubfrei war.
Im Raumanzug kletterten wir aus unseren Jägern und suchten uns durch das Gewirr an Maschinen einen Weg in die Anlage hinein. Die Hauptluftschleuse mussten wir von Hand öffnen, um in das Innere der Station zu gelangen, aber das stellte sich als problemlos heraus. Nachdem die Messergebnisse alles im grünen Bereich anzeigten, nahmen wir die Helme ab. Genauer: Wir deaktivierten die Helme und die integrierten Nano-Muskeln bauten den Helm auseinander und ließen ihn im Kragenbereich des Raumanzugs verschwinden.
McGrown und Gina hatten ihre leichten Sturmgewehre mitgenommen. Soren Krustin und Medine Unitep waren beide unbewaffnet.
Soren war einer der beiden arbeitslosen Piloten, die wir auf der Thetis aufgelesen hatten. Medine war eine der vielen Technikerinnen an Bord meines Schiffes. Gina hatte noch Manfred Akilla Baratheros im Schlepptau und ich hatte Mitleid mit ihr, was den Flug anging.
„Die Jäger hier sehen aus, als wären sie viel älter als sie sein sollten. Das Dock muss schon Jahre stillgestanden haben, als sie die Station aufgegeben haben. Vor 70 Jahren ist die MK2 Serie ausgelaufen und die Schiffe sehen nicht danach aus, als wenn sie erst vor kurzem hier eingelagert worden sind.“ fing er an.
„Kommt vor.“ sagte ich dazu nur.
Gina flüsterte: „Kann er nicht einen kleinen Unfall haben?“
Manfred sagte: „Das Deck muss noch bis vor ein paar Jahren Luft gehabt haben. Da liegt so eine Menge Staub herum, dass sie unmöglich einfach so hineinkam. Außerdem gibt es Spuren von einer Luftzirkulation von den Luftschächten aus. Irgendwie alles etwas unsauber ...“
McGrown knuffte Dr. Baratheros in die Rippen und sagte: „Still jetzt!“
Der Wissenschaftler verstummte. Wir alle waren mucksmäuschenstill. Irgendwo in weiter Ferne hörte man etwas rascheln und klappern.
„Ich hab alles gescannt, auf der Station hier lebt nichts mehr. Wie auch, hier gibt es garantiert nicht mal eine vergessene Notration. Muss irgendein automatisches System sein ...“ er erhielt einen erneuten Knuff in die Rippen.
„Ok, keine Ahnung, was das war, aber ich denke wir sollten vorsichtig sein!“ sagte McGrown.
Wir waren uns da einig.
Von Gina kam: „Dr. Baratheros?“
„Ja?“
„Wäre hilfreich, wenn Sie erst einmal die Klappe halten.“
Der Wissenschaftler nickte. Krustin und Unitep zogen ebenfalls ihre Waffen. McGrown klemmte seine Lampe unter den Lauf seines Gewehrs. Gina hatte sich die Waffe über die Schulter gehangen und hielt auch Pistole und Taschenlampe in der Hand.
„Krustin? Unitep?“ Die beiden Angesprochenen nickten. „Holen Sie bitte Bergungsausrüstung aus den Klauen. Kontaktieren Sie bitte auch die Gefräßiger Wolf um einen Shuttle zu rufen. Ich glaube, wir können hier etwas Unterstützung gebrauchen.“
„Wir suchen einen Weg zu den Werftanlagen.“
„Alles klar, Colonel, wir sind auf dem Weg.“
Die beiden Soldaten waren ziemlich schnell verschwunden. Wir gingen vorsichtig in die Richtung, in der wir die Anlagen vermuteten. Beschriftungen waren zwar überall zu sehen, aber sie waren für Nicht-Eingeweihte nicht verständlich. Wir schlichen regelrecht durch die Gänge. Die Stimmung war unangenehm. Die Luft schmeckte nach Staub. Dr. Baratheros zuckte bei jedem Geräusch, das einer von uns machte, zusammen.
Leise flüsterte er: „Eigentlich sollte es hier richtig tot sein, aber das Licht, die Geräusche, die ganze Atmosphäre ist unheimlich ...“
Er hob schützend die Hand als McGrown sich umdrehte. „Bin ja schon ruhig!“
„Sie sind nervös?“ fragte er.
„Ja!“
„Sie fangen an auch mich nervös zu machen und so etwas kommt für gewöhnlich nicht gut.“
Manfred versuchte, sich am Riemen zu reißen.

Wir waren gefühlt eine Stunde unterwegs, als mein Funkgerät plötzlich Lärm machte: „Colonel? Das Shuttle ist unterwegs. Wir gehen jetzt zurück zur Luftschleuse und werden mal gucken ob wir ggf. das Ding mit Strom versorgen können.“ Ich bestätigte und wir schlichen weiter.
Ein riesiges Atrium eingerahmt von Laufgängen, tat sich unvermittelt nach einer scharfen Kurve auf. Treppen verliefen geschwungen von Ebene zu Ebene. Fahrstuhlanlagen befanden sich an einer zentralen Stelle. Die Treppen führten immer wieder zu den Fahrstühlen und gingen von ihnen aus. Von oben kam ein blaues, kaltes Licht. Eine längst vergessene Leuchtreklame surrte in einer Ecke. Man hörte ganz leise einen Ventilator rauschen. Sah man von den Geräuschen ab, war alles andere wie tot. Man rechnete unbewusst damit, dass gleich geht eine Tür aufgehen und von irgendwo her laute Musik zu hören sein würde.
Ich hatte den Gedanken gerade erst formuliert, da ging neben uns eine Fahrstuhltür auf, helles Licht blendete uns und Musik erklang. Wir zuckten alle heftig zusammen.
„Tschuldigung, ich hätte nicht gedacht, dass der noch funktioniert ...“ sagte Gina.
Der Fahrstuhl war mit lesbaren Beschriftungen versehen, die sogar beleuchtet waren. Außerdem war in seinem Inneren ein Plan der näheren Umgebung angebracht. McGrown zückte ein Messer und entfernte damit die Schutzfolie über den Plänen. Ohne die Folie konnte er die Karte einfach herausziehen.
Gina drückte mit Daumen und Zeigefinger eine Manschette an der Seite der Halterung auf. „Das wäre einfacher gewesen.“
Wir studierten gemeinsam die Pläne. „Ok, wir gehen jetzt den Hauptkorridor noch etwa einen Kilometer weiter und dann müssten wir in ein weiteres Atrium kommen. Von da aus müssten wir dann drei Etagen nach unten und da ist die Werftanlage.“ stellte Dr. Baratheros fest.
„Wäre ich nicht drauf gekommen.“ sagte ich.
„Dafür bin ich ja da.“
„Folgen Sie mir. Ich denke, ich weiß, wie wir weiter kommen.“ sagte McGrown.
Wir marschierten den Hauptkorridor etwa 20 Meter entlang und standen vor einem Berg Dreck.
„Eingestürzt?“ fragte ich.
„Eher aufgeschüttet, die Decke sieht zu intakt aus für einen Einsturz. Und man hat versucht, das mit Planken fest zu machen. Hier wollte wohl jemand die Verbindung kappen.“
In einem Nebenraum fanden wir Abdeckplatten, Streben und andere Bauteile um den Schuttberg richtig abzudecken. Bei genauerem Hinsehen erkannte man, dass unter dem Schuttberg bereits Streben und Platten hervorragten. Es war einfach Schlamperei am Werk.
Über einen Nebengang, der auch schon Vorbereitungen für den Verschluss aufwies, fanden wir einen Weg, um unser Ziel zu erreichen. Es war eine unscheinbare Tür, die in einen leeren Lagerraum führte. Wir betraten den Korridor von der anderen Seite her und sahen die Bescherung. Hier hatte man nur grobe Gitternetze benutzt, um den Schutt fest zu halten. Werkzeug lag lose auf dem sonst absolut sauberen Boden herum. Schwarze Streifen auf dem Gitter und geschmolzenes Geröll dahinter zeugten von irgendwelchen Hochenergiegeräten, die hier eingesetzt worden waren.
Ich wunderte mich, weil es noch keine weiteren Funkmeldungen gegeben hatte, ich hatte es aber auch nicht für nötig befunden nachzufragen.
Über den Hauptkorridor erreichten wir das nächste Atrium. Dieses war ähnlich aufgebaut wie das Erste, nur dass wir nicht am Boden, sondern unter der Decke herauskamen. Dort fanden wir auch wieder einen Plan der näheren Umgebung.
„Ok, wir nehmen die Treppe, ich traue den Aufzügen nicht.“ sagte McGrown.
„Och nö“ Manfred wollte protestieren.
„Abmarsch“ Gnade war mir in diesem Moment ein Fremdwort. Gina und McGrown quittierten das mit stillem Grinsen. Die Treppe war eins a erhalten geblieben. Wir kamen sogar unbeschadet unten an. Langsam aber sicher verschmierte der Staub unsere Raumanzüge. Ich war versucht, den Helm wieder zu aktivieren, verzichtete aber darauf.
Vom Boden des Atriums bis zu den Werften war es noch ein weiter Weg, allerdings kamen wir sehr gut voran. Die Korridore im Werftbereich wiesen eine dichte Staubschicht auf. Es musste Jahrzehnte her sein, seitdem das letzte Mal jemand hier durchmarschiert war. Irgendwo rasselte wieder eine Lüftung.
Vor der Hauptkontrolle der Werften begrüßte uns ein riesiger Bildschirm. Ziemlich mittig steckte eine Deckenleuchte, deren Halterung wohl durchgerostet war. Sie musste mit ziemlich viel Wucht eingeschlagen sein. Ein langes Kabel hing von der Decke herunter. Der Putz war an vielen Stellen eingerissen und hatte auf dem Boden helle Flecken hinterlassen. Es wurde Zeit, die Kommandozentrale zu betreten.
Außer der extrem schwachen Notbeleuchtung war alles ausgeschaltet. Operatorsessel und viele Computerterminals waren auf langen Tischreihen aufgebaut. Hier war mal eine ganze Menge los gewesen. Man hatte zwar säuberlich alles Mögliche entfernt, aber an einigen Monitoren hingen immer noch Klebezettel. Wir sahen uns weiter in dem Raum um.
„Ich guck mal, ob ich dem Ding etwas Saft besorgen kann“ sagte Baratheros laut.
Drei Sekunden später war er in einem der angrenzenden Räume verschwunden.
„Ich guck mal, dass er uns nicht in die Luft jagt.“ Gina folgte ihm.
McGrown und ich sahen uns an, wir zuckten beide mit den Schultern und machten weiter. Mein Begleiter war plötzlich verschwunden, als sei er vom Schatten verschluckt worden. Das Bild, das sich mir bot, war immer das gleiche: ausgeschaltete Terminals, Kartentische und ein paar große Computer.
Ich registrierte etwas irgendwo am Rande meiner Wahrnehmung und hechtete ohne nachzudenken vorwärts. Mit einer geschmeidigen Rolle landete ich in einer Ecke und hielt meine Waffe in den Gang. Eine Sekunde später wollte ich mich ein Stück weiterbewegen,. Ich hechtete ohne nachzudenken vorwärts. Mit einer geschmeidigen Rolle landete ich in einer Ecke und hielt meine Waffe in den Gang. Eine Sekunde später wollte ich mich ein Stück weiterbewegen und hatte plötzlich ein Messer an der Kehle und eine Lampe leuchtete mir ins Gesicht.
„Mann, das hätte ins Auge gehen können!“ sagte McGrown.
„Oder in die Weichteile.“ Meine Pistole war auf seinen Unterleib gerichtet.
„Nicht schlecht, Colonel, gar nicht schlecht. Haben Sie diese genetische Eigenschaft?“
„Welche?“
„Die, die Ihnen eine gewisse Vorahnung verschafft.“
„Deswegen wurde ich vom Mond verbannt und aus dem Erdmilitär gefeuert.“
Er half mir wieder auf die Beine und wir klopften uns den Staub von der Uniform. In diesem Moment ging das Licht an.
„Colonel? Hier Gina. Wir haben ein Stromaggregat gefunden, das noch Treibstoff hatte. Wir sollten jetzt etwas Licht haben.“
„Ich bin erstmal blind. Kommen Sie in den Kontrollraum.“ sagte ich blinzelnd.
Es dauerte ein paar Minuten bis ich wieder richtig sehen konnte. McGrown schien es ähnlich zu gehen.

„...en Zustand. Ich glaub es nicht, hier kann man mal sehen, dass die Erde vor einiger Zeit für die Ewigkeit gebaut hat. Auf jeden Fall sollten wir jetzt was sehen.“
„Havoc an Krustin, bitte melden!“ sagte ich in mein Komm.
Niemand antwortete.
Ich versuchte es noch einmal: „Colonel Havoc an Corporal Krustin, bitte melden!“
Immer noch Stille.
„Colonel? Hier ist Ihre Verstärkung, wir sind gerade in ein zweites Atrium angekommen. War gar nicht so leicht, Sie zu finden.“
„Irgendeine Ahnung, wo Corporal Krustin und Corporal Unitep sind?“
„Sind sie nicht bei Ihnen?“
„Nein, sie wollten sich in der näheren Umgebung umsehen und auf Sie warten.“
„Negativ! Wir haben zwar Spuren gesehen, aber von den Beiden fehlt jede Spur.“
Ich fluchte.
„Interessant. Der Raumhafenbereich scheint von der Militärbasis abgeschirmt zu sein.“
„Oder die Militärbasis ist abgeschirmt.“
„Oder das, stimmt.“
„Die ganze Basis ist abgeschirmt. Wir bekommen hier keinen Kontakt zur Gefräßiger Wolf.“
„Im Hangar?“
„Da ja.“
„Gut, wie lange brauchen Sie noch, bis sie hier sind?“
„Wie gesagt, wir sind gerade in einem zweiten Atrium angekommen ...“ ich hörte im Anschluss ein lautes Krachen und lautes Geschrei im Hintergrund. Irgendjemand schrie wie am Spieß, wildes Geplapper und laute Stimmen waren zu hören, aber ich konnte mir daraus keinen Reim machen.
„Was ist passiert?“ fragte ich. Die Antwort lies auf sich warten.
Nach ein paar Minuten fragte ich erneut nach.
„Zwei meiner Leute sind in den Fahrstuhl gestiegen, der in die untere Ebene führt und er ist in dem Moment abgestürzt. Meine Leute sind auf dem Weg nach unten. Sergeant Nkechov hat einen Arm verloren, er wurde beim Absturz des Fahrstuhls abgeklemmt. Ich lasse ihn von zwei meiner Leute sofort zurück zum Shuttle bringen, damit er schnellstmöglich auf die Krankenstation kommt!“
„Ok, sie sollten auch gleich Verstärkung mitbringen!“
McGrowns Riecher hatte uns wohl davor bewahrt, genau so zu enden. Es dauerte eine Weile, bis die Trupps bei uns eintrafen. In der Zwischenzeit fanden wir die Werftsteuerung für die Haltearme.

„Ich werde mich mal auf die Suche machen.“ sagte McGrown.
„Alleine? Und vor allem was wollen Sie suchen?“
„Wollen Sie mitkommen? Ich will mal sehen, ob ich unsere Vermissten wiederfinde. Hier ist ja für mich nicht mehr viel zu tun.“
„Man führe mich nicht in Versuchung. Ich glaube aber, ich sollte dafür sorgen, dass hier alles glattgeht. Nehmen Sie Gina mit.“
Die Beiden verschwanden dann auch sogleich. Kurze Zeit später kamen die ersten Techniker und Verstärkungstruppen an. Allein meine Anwesenheit schien die Moral der Truppe aufrecht zu erhalten. Ich hätte mich lieber irgendwo nützlich gemacht, stattdessen durfte ich mich hier langweilen.
Dr. Baratheros wischte mit einem Tuch über die Konsolen mit der Werftsteuerung. Langsam kamen die Beschriftungen zum Vorschein. Jemand hatte über den einzelnen Knöpfen Zettel angebracht. „PT-Alpha, PT-Beta, PT-Gamma und Catamaran“ waren darauf zu lesen. Auf den anderen Knöpfen stand nur „KW1, KW2, KW3 ...“ Baratheros drückte auf einen der KW-Knöpfe. Ein riesiger Bildschirm, den ich vorher für eine einfache Wand gehalten hatte, wurde hell und zeigte, wie die Klammern einer Werft ausfuhren. Baratheros aktivierte ein paar Kontrollen und spielte ein wenig damit herum.
Drei Techniker der Verstärkung installierten mehrere Sendestationen und dirigierten die CV223 in die Werftklammer. Der ganze Prozess dauerte fast einen halben Tag. Ein halber Tag, an dem ich mich richtig langweilte und weder von Gina noch von McGrown irgendetwas hörte. Sie trafen kurz vor dem Abschluss des Andockmanövers wieder in der Kommandozentrale ein. Leider ohne Ergebnis.
Wir verfrachteten Van Virit in ein Shuttle und nahmen ihn mit zurück zur Gefräßiger Wolf. Es sollte noch etwas dauern, bis sein Raumschiff eintraf, daher befahl er seinen Leuten, uns zu helfen. Diese waren weniger davon begeistert. Nicht wegen dem Schiff, sondern wegen dem Stein, auf dem sie gerade fest saßen.
Irgendjemand, leider konnte ich nicht herausfinden wer, brachte ein Gerücht in Umlauf. Es dauerte etwas aber dann machte es überall die Runde. Das Gerücht besagte, dass am Krater-Grund eine Grube sein sollte. Eine tiefe Grube, gefüllt mit den Knochen der auf der Station gestorbenen Menschen. Man behauptete, dass deren Knochen alle glatt seien, als hätte man sie abgeschliffen. Außerdem sei da sonst nichts mehr. Keine Kleidung, kein nichts.
Ich könnte mehr dazu erzählen, aber dieses Gerücht sorgte dafür, dass ich ernsthafte Probleme bekam, Leute auf die 571RB zu schicken. Hinzu kam, dass drei Crewmitglieder schwer verletzt und zwei Personen spurlos verschwunden waren.
McGrown und Gina hatten einen großen Teil der Station untersucht. Sie waren den Spuren der beiden Vermissten gefolgt, bis sie in einem Bereich landeten, in dem kein Staub lag. Hier verlor sich die Spur und ohne geeignete Ausrüstung würde dort auch niemand nach Leuten suchen können. Über Funk kam auch nichts herein. Sie bleiben einfach weg.

Van Virits Schiff traf mit fast drei Tagen Verspätung ein. Direkt nach dem Eintreffen nahmen wir Kontakt auf und erreichten auch gleich die Mannschaft.
„Lordkapitän? Hier erster Maat Krestikrow, wir haben ein Problem!“
Diese erste Meldung, nachdem wir mit dem ankommenden Schiff Kontakt aufnahmen, sorgte bei mir bereits für ein unwohles Gefühl in der Magengegend.
„Haben wir Sie so schwer erwischt?“
„Haben Sie. Ihretwegen mussten wir zwei Reaktoren abwerfen, die wir nicht mehr sicher betreiben konnten. Außerdem geht das Leben von fast siebzig Besatzungsmitgliedern auf Sie!“
Ich hatte ehrlich gesagt keinerlei Gewissensbisse.
„Kommt vor, wenn man Raumstationen angreift.“
„Belassen wir es dabei. Die Schäden müssen wir dringend ausbessern, sonst fliegen wir nirgendwohin.“
Van Virit nickte erst nur und sagte dann: „Machen sie auf der Station fest. Ich werde mich dann zu Ihnen gesellen.“
Er unterbrach einfach die Verbindung und fluchte laut.
Das war so ziemlich das erste Mal, dass ich ihn leicht fassungslos erlebte.
„Was ist los?“
„Ich hasse diesen Felsen!“ er zeigte auf den Wandschirm auf dem 571RB zu sehen war.

Ein Tag später war auch das Piratenschiff im Dock festgemacht. Es war, nachdem Dr. Baratheros die Funktionsweise der Werft entschlüsselt hatte, kein Problem gewesen.
Wir verbrachten eine Woche damit, Routinearbeiten zu erledigen, Schäden zu reparieren und unsere neuen Piloten auszubilden, bis dann die Wartungscrew zusammen mit zwei Traktorschiffen eintraf. Sie transportierten jede Menge Material. Die beiden Fregatten Bissiger Wolf und Schlafender Wolf sollten für die erste Zeit zur Sicherheit hier bleiben. Van Virit hatte ausgehandelt, dass seine Leute bei der Instandsetzung der CV-223 und bei der Erforschung der Basis helfen. Dafür wurde er im Gegenzug dabei unterstützt, sein Schiff wieder in Gang zu bekommen.
Caren Krieger hatte sich das Schiff der Piraten mal über die Sensoren angesehen. Sie sagte, dass es ihrer Ansicht nach nirgendwo mehr hinfliegen würde. Ich glaubte ihr, allerdings war Van Virit anderer Meinung.
Die Gefräßiger Wolf bekam daraufhin neue Befehle. Wir sollten auf der Diegon Kolonie unsere Crew auffrischen. Chekov hatte uns ein paar Männer zur Unterstützung organisiert. Vorher hieß es aber, auf der Thetis Bericht zu erstatten.
Colonel Brigitte Varial sollte das Kommando über die Weißer Wolf übernehmen. Sie versprach mir allerdings auch, dass sie sich um meine vermissten Leute kümmern würde.
Manfred Akilla Baratheros musste fast mit Gewalt zurück zum Schiff gebracht werden. Er hätte nur zu gerne die alte Station weiter untersucht.
Sechs Überlebende der CV-223 waren ebenfalls auf 571RB geblieben. Später sollten sie mit einem der Wölfe zu den äußeren Stationen der Liga der Freien Raumstationen fliegen.
Ich hatte das ungute Gefühl, das ich die Leute das letzte Mal sah.


[2523.26] – 8 – Das Attentat
Wir berichteten auf der Thetis von den Ereignissen, wobei wir offiziell das Schiff als zerstört meldeten. Dort nahmen wir auch die letzten Piloten auf. Auf dem Flug zur Diegon wurden Übungen abgehalten und Jennifer entwickelte dabei eine Vorliebe für die leichten FX-2522. Die Jäger erhielten bald den Spitznamen Dagger.
Auf der Diegon stieß ein Marine-Trupp zu uns,ein Überbleibsel einer größeren Eliteeinheit. Aus dem ganzen Haufen ist mir nur Rekar Schank in Erinnerung geblieben. Irgendjemand hatte ihn auf seinen metallischen Brustkorb einmal Schrank geschrieben und er hatte dies zu seinem Rufnamen gemacht. Rekar Schank war ein extremer Cyborg. Außer dem Gehirn war nicht mehr viel Menschliches an ihm.
Die Recherchen auf der Diegon zu 517RB brachten eigentlich nur noch mehr Informationsmüll zu tage. Zu viele Widersprüche und Ungereimtheiten und nichts passte zusammen. Ich beschloss, das Ganze einfach zu den Akten zu legen. Die Station hatte alles, was wir für einen neuen Flottenstützpunkt brauchten. Der schlechte Ruf war ein Problem, aber das war es dann auch schon. Ein neuer Name musste her, aber das war jetzt nicht meine Aufgabe. Den Satz „Stirb auf Stirb“ sollte man besser nicht in den Mund nehmen, das war schlecht für die Moral. Aber vielleicht fiel mir ja was ein, wenn wir den Laden das nächste Mal besuchten.
„Colonel?“ 1st Lieutenant McGrown riss mich aus meinen Gedanken.
„Ja, Lieutenant?“
„Wir haben ein Problem. Die Sicherheit hat gerade Pilot Garvin Avendis tot aufgefunden.“
Mit einem Mal waren meine Sinne hellwach.
„Gehen wir!“ sagte ich und ohne weiteren Kommentar verließen wir die Brücke.
Mittlerweile war meine Mannschaft ein recht zusammengewürfelter Haufen, wobei ich jetzt wenigstens alle meine Piloten hatte und einen kleinen schlagkräftigen Einsatztrupp. Wir konnten uns daher mehr als ein faules Ei ins Boot geholt haben.
Drei Decks tiefer war ein kleiner Raum abgesperrt worden. Hier hatte man die Leiche gefunden .
„Bericht?“
„Techniker Morgen Berysoc hat die Leiche bei einer Routinewartung gefunden. Er ist im Moment auf der Krankenstation. Er hat sich wohl verletzt.“
„Wohl verletzt?“ fragte ich.
„Er sagte, er hätte sich verletzt, als er über die Leiche gestolpert ist. Ich habe ihn zur Krankenstation geschickt.“
„Der Tote?“
„Pilot Garvin Avendis, ihn haben wir auf der Thetis aufgenommen.“
„Todesursache?“
„Wahrscheinlich das Messer, das ihm noch im Hals steckt.“ Der Sicherheitsmann deutete auf den Messergriff, den die Leiche im Nacken hatte.
McGrown kniete sich hin. „Die Leiche wurde nicht einen Millimeter bewegt, nachdem sie zu Boden ging. Hier ist keiner gestolpert.“
„Vielleicht war das ja auch metaphorisch gemeint?“
„Hier sind auch keine anderen Spuren, die auf irgendwelche ...“ er unterbrach sich und stand auf.
Schnurstracks ging er zu einem Wartungsgitter in der Wand und entfernte es, in dem er es einfach aus dem Rahmen zog.
„Sollte das nicht festgeschraubt sein?“
Hinter der Abdeckung befanden sich eine Pistole, zwei Kampfmesser, ein Funkgerät und drei Flaschen mit einer klaren Flüssigkeit. Auf dem Boden lagen ein paar Schrauben.
„Fällt Ihnen etwas auf?“ fragte mich McGrown.
Ich sah mich um.
Die Leiche wurde gerade angehoben und auf eine Bare gelegt. Es gab bereits exakte Holo-Scans vom Tatort.
„Hat der Mann einen Schraubenschlüssel dabei?“ fragte ich dann.
„Nein, Sir, er ist unbewaffnet.“
„Ist eigentlich auch egal. Irgendwie drängt sich mir gerade der Techniker auf.“ sagte ich.
„Warum? Weil er die Leiche gefunden hat und weil er möglicherweise das Werkzeug dabei gehabt haben könnte, das man benötigt um das Gitter zu lösen?“
„Die Schrauben saßen wohl sehr fest“ stellte McGrown fest. Er hielt eine Schraube in der Hand.
„Die wurde mit äußerster Gewalt abgeschraubt. Ich würde mal vermuten, dass hier zwei Leute am Werk waren.“
Das ergab keinen Sinn. Um zu verhindern, dass noch mehr Unheil angerichtet wurde, befahl ich Berysoc unter Arrest zu stellen.

Wenige Minuten später erfuhr ich, dass Berysoc nicht in der Krankenstation angekommen war. Ich schickte ein Team in sein Quartier, um dort nach Spuren zu suchen. Varl, McGrown und ich trafen kurz nach dem Team ein.
„War das der Mann?“ fragte Varl den Sicherheitsmann, der den Techniker zur Krankenstation geschickt hatte. Er zeigte dabei auf ein Foto an der Wand. Auszeichnung für herausragende Leistungen.
„Nein, der Typ sah anders aus.“ sagte er dann.
Mir krampfte sich etwas in der Magengrube zusammen. Techniker Berysoc, der echte Techniker befand sich in seinem Badezimmer, wie sich herausstellte. Ihm war eine Hand abgetrennt worden und eine Klinge steckte in seinem Nacken.
„Wie haben Sie Berysoc identifiziert?“
„Fingerabdruck und Ausweis?“
Für diese Aussage hätte ich dem Mann beinahe erschossen.

Das Schöne an einem abgeschotteten System wie einem Raumschiff ist, dass es keine Möglichkeit gibt, sich dauerhaft irgendwo zu verstecken. Der Nachteil besteht darin, dass man eine ganze Menge Schaden anrichten kann, wenn man will. Ein General-Alarm würde den Gesuchten in die Enge treiben und was dann passierte war nicht abzusehen. Zu viel Zeit durften wir uns auch nicht lassen. Ich beschloss, mein Privileg auszunutzen und ordnete eine Überwachung der Privaträume an.
Die Prozedur war ermüdend. Zuerst benötigten wir anhand der Autopsie den ungefähren Zeitpunkt des Todes, der leider um mehrere Stunden abweichen konnte. Ausgehend von diesem Zeitrahmen konnte man dann anfangen, die Aufzeichnungen der Überwachungssysteme nach dem richtigen Zeitpunkt zu durchsuchen. In unserem Fall konnte der Todeszeitpunkt stark eingegrenzt werden, sodass wir den Schuldigen recht schnell identifizieren konnten.
Es handelte sich um Gerhard Mönchsfeld, einen der Piloten, die wir auf der Thetis aufgenommen hatten. Ich schickte McGrown zu Mönchsfelds Kabine und wir verfolgten dann den Weg des Mannes. Um an den Techniker heranzukommen, hatte ihn Mönchsfeld direkt an der Kabinentür angesprochen. Der hatte zu dem Zeitpunkt nur einen Morgenmantel an und verschwand schnell im Bad. Der Mörder folgte Berysoc in sein Quartier und begab sich ganz schnell hinter ihm ins Bad. Dieser sah den Fremden erst im letzten Moment, aber da war es schon zu spät.
Mönchsfeld hielt sich noch eine halbe Stunde in der Kabine auf. Er schnitt der Leiche die Hand ab, scannte die Fingerabdrücke mit einem mitgebrachten Gerät und prägte sich diese auf seine eigene Haut. Er warf, während er die Kabine verließ, die Hand in den Müllschlucker.
Die nächste Aktion war der Mord an dem anderen Piloten in dem Lagerschuppen. Dieser hatte in dem Raum etwas entdeckt und wollte ihn gerade verlassen, als der vermeintliche Techniker hereinkam. Gemeinsam öffneten sie das Gitter. Der Pilot wechselte ein paar Worte mit ihm und wollte den Raum verlassen. Mönchsfeld nahm ein Messer zur Hand und stach von hinten zu. Bevor er den Raum verließ, nahm er ein paar Gegenstände aus dem Fach und stopfte sie sich in seine Taschen. Er rief dann die Sicherheit und ging vor die Tür, wo er auf den Sicherheitsmann traf, der ihn in Richtung Krankenstation schickte.
Der Sicherheitsmann war jetzt in tierischen Schwierigkeiten. Er hielt Mönchsfeld nicht etwa auf, sondern sagte zu ihm: „Sieh zu, dass du hier wegkommst!“
Varl erhielt umgehend eine Nachricht und er machte sich auf die Socken, um seinen Sicherheitsmann zu finden.
Wir verfolgten den Weg schneller als in Echtzeit, aber wir mussten oft raten, welchen Weg er genommen haben könnte, um Schritt zu halten. Der Flüchtige hatte sich zuerst in seine Kabine begeben. Er verlies sie, mit ein paar Sekunden Vorsprung, beinahe erst in dem Moment, als McGrown eintraf.
Mönchsfeld stand eine Ecke weiter und sah den Lieutenant seine Kabine betreten. Ich warnte ihn noch. McGrown fand in der Kabine ein paar Deckpläne, Kleidung aber nichts Besonderes mehr. Der Flüchtige rannte derweil in Richtung Computerkern, den ich vorsorglich sichern ließ. Kurz bevor er der Sicherheit in die Hände fiel, bog er ab und nahm einen Nebenkorridor in Richtung Hangardeck.
Ein Sicherheitsmann schaffte es gerade noch nach seiner Waffe zu greifen, als der Killer mit einem Messer in der Hand auf ihn zu sprang. Dann war er vom Bild verschwunden und wir brauchten einige Sekunden, bis wir ihn wieder hatten. Einer meiner Mitstreiter bei der Überwachung fand zuerst einen weiteren Verletzten, der gerade von McGrown notdürftig zusammengeflickt wurde.
Mönchsfeld stand eine Ecke weiter und setzte gerade zum Sprung an, als McGrown herumwirbelte und einen Schuss abgab. Der Flüchtige sprang gerade noch rechtzeitig aus der Feuerlinie und rannte dann weg. McGrown vergewisserte sich, dass die Blutung des Mannes am Boden gestoppt war, und rannte hinterher. Ich orderte einen Sanitätertrupp in den Bereich.

McGrown verfolgte den Täter, der sich irgendwo in einem Seitengang versteckte. McGrown lief zunächst an ihm vorbei. Ich wollte ihn warnen, er reagierte aber auf keinerlei Komm-Kontakt. Anscheinend hatte er ihn bemerkt und plante irgendwas. Eine Ecke weiter sah ich einen Zipfel Stoff von McGrowns Jacke aus seinem Versteck hervorragen. Mönchsfeld näherte sich dieser Stelle und mir krampfte sich etwas im Magen zusammen.
Er hatte das Stück Jackenstoff ebenfalls bemerkt, zückte sein Messer, schlich näher heran und stach mit einem brutalen Wirbel um die Ecke. Eine Sekunde später hatte er McGrowns Uniformjacke in der Hand und im nächsten Augenblick sah ich sein Gehirn durch den Korridor spritzen.

Keine halbe Minute später kamen Varl und einige Sicherheitsleute ins Bild. In der Zwischenzeit hatte McGrown die Leiche durchsucht. Ich sah auf den Monitoren, wie er einen Zettel, den er aus einer Tasche gefischt hatte, einsteckte. Anschließend stand er auf und befahl: “Bringen Sie die Leiche sofort in eine Luftschleuse und verfrachten Sie sie vor die Tür!“
„Bitte was?“ fragte Varl irritiert.
McGrown fuhr ihn an: „Schaffen Sie die Leiche sofort hier raus verdammt! Unser Leben hängt davon ab!“ Daraufhin rannte er los. Keine Ahnung, was er vorhatte.
Varl schüttelte erst nur mit dem Kopf und befahl dann seinen Leuten die Leiche zu packen und zu tragen. Ich verfolgte sie auf den Monitoren bis zur Luftschleuse. Der Sicherheitschef aktivierte das Sicherheitskraftfeld und öffnete beide Schleusentüren. Sie nahmen Anlauf und im Bogen segelte die Leiche ins All. Einen kurzen Moment später war die Schleuse geschlossen.
Ich spürte ein Zittern, das durch das Schiff ging, als die Lageregelung mit voller Kraft das Schiff zur Seite drückte. Es gab eine Explosion. Ein Ruck ging durch das ganze Schiff und ich hörte mehrere leise Folgeexplosionen.
Eine Sekunde später hing ich schwerelos in der Luft. Meine beiden Begleiter im Sicherheitsbüro hielten sich noch an den Armaturen fest. Die Notbeleuchtung war aktiv. Alle Monitore waren ausgefallen. Mit routinierten, immer wieder eingeübten Bewegungen schwamm ich zu einem der Haltegriffe, um wieder volle Kontrolle zu erhalten.
Auf dem Korridor sah es ähnlich aus. Die Notbeleuchtung war aktiv und die Schwerkraft war ausgefallen. Geräuschlos bewegte sich ein Ball brauner Masse an mir vorbei. Ich sah tunlichst zu, nicht damit in Berührung zu kommen. Überall schwebten Kleinteile herum, die nicht befestigt waren. Crewmitglieder ruderten hilflos mit den Armen, auf der Suche nach etwas Halt. Ich meinte mich daran erinnern zu können, dass es ein Schwerelosigkeitstraining gab. Anscheinend hatten das einige meiner Leute mal wieder nötig. Das 0G-Training wird sehr bald wieder auf den Routine-Trainingsplänen stehen, nahm ich mir vor.
Über eine Steuerkonsole gab ich den Code für die 0G-Situation ein. Die Notbeleuchtung wurde daraufhin ausgeschaltet und die Schiffsbeleuchtung wurde in einem zarten Blau reaktiviert. Haltestangen und Griffe fuhren aus, die viele Besatzungsmitglieder auch dankbar benutzten. Einige Leute halfen den frei im Raum trudelnden Besatzungsmitgliedern wieder an die Haltestangen. Ich zog mich an den Griffen in Richtung Brücke.
Dort erwartete mich ebenfalls ein heilloses Durcheinander. Drei Sanitäterteams waren damit beschäftigt, ein paar Besatzungsmitglieder zusammen zu sammeln. Anscheinend war eine komplette Konsolenphalanx explodiert und hatte mehrere Personen in Stücke gerissen. Ihre Einzelteile schwebten noch über der Brücke. Die gegenüberliegende Seite war mit einem dünnen Blutfilm benetzt. Allen stand der Schock ins Gesicht geschrieben.
Mein erster Offizier! „Wo ist Breedneck?“ fragte ich.
„Krankenstation“ antwortete mir ein Sanitäter, während er an mir vorbei schwebte und ein paar nicht identifizierbare Fleischklumpen einsammelte.
„Blistson?“ fragte ich.
„Hier, ich versuche gerade, uns mit den verbliebenen Hilfssystemen wieder auf Kurs zu kriegen.“
McGrown saß auf dem Kommandostuhl.
„Was geht hier vor?“ fragte ich ihn dann.
Er blickte zu mir hoch, denn ich hielt mich an einer an der Decke angebrachten Stange fest.
McGrown sagte: „Ich fand bei dem Kerl einen Brief, der einiges erklären dürfte und er war total verdrahtet.“
„Verdrahtet?“
„Sprengstoff.“
„Und warum haben Sie ihn getötet?“
„Damit er nicht ... Sie sehen doch, was passiert ist.“
Da hatte er recht.
„Was ist überhaupt passiert?“ fragte ich dann.
„Mininuke 70 Meter vom Rumpf entfernt ist passiert, Sir.“
Die Stimme gehörte Varl, der gerade ebenfalls auf die Brücke schwebte.
Die rechte Seite seines Gesichts war Rot, warf helle, eitrige Blasen und Blut quoll langsam aus einem Ohr.
„Alles klar mit Ihnen?“ fragte McGrown.
„Mit mir ja, drei meiner Leute wurden geröstet, weil sie keine Resistenz in den Genen hatten, zwei weitere sind auf der Krankenstation.“
„Wie hoch sind die Verluste?“ Ich brauchte dringend Informationen, denn im Moment wussten wir alle so gut wie nichts.
„Kann ich noch nicht sagen, auf dem ganzen Schiff gab es Verletzte, Tote und Schäden.“ antwortete Chefingenieur Hornfeld. Er hatte sich ebenfalls auf die Brücke begeben.
„Wie schlimm sieht es denn auf dem Schiff aus?“
„Lebenserhaltung ist in Ordnung, Schwerkraft ist ausgefallen, aber das bekommen wir in Kürze wieder in den Griff. Die Waffensysteme sind tot und alles, was auf der Backbordseite an Sensoren war, ist blind. Wir brauchen dafür ein Trockendock.“
„Sonst noch was?“Die Frage kam mir etwas schroffer als beabsichtigt über die Lippen.
„Einige Steuersysteme und Regelsysteme sind überladen worden. Eigentlich wäre es nicht so schlimm, wenn es nicht knapp 1/5 aller Energieableiter getroffen hätte.“
„Antrieb und Reaktoren?“
„Dem Hauptantrieb und den Reaktoren geht es gut. Die haben nichts abbekommen, sind ja auch extrem gut abgeschirmt. Wir kämpfen im Moment damit, die Lageregelung sowie die Steuerdüsen wieder zu reaktivieren.“
McGrown warf ein: „Gravitationsantrieb?“
„Der ist eigentlich funktionsfähig, die Steuerschaltkreise auf der Brücke sind dafür aber hinüber, die sind mit den Konsolen hier hopsgegangen.“
„Varl?“
„Ja?“
„Zur Krankenstation! Lassen Sie das behandeln.“
Ich räusperte mich.
„Hornfeld?“
„Sir?“
„Übernehmen Sie die Leitung, was die Reparaturen betrifft. Wir brauchen erstmal wieder die künstliche Schwerkraft und die Lageregelung. Danach die Sensoren. Da fällt mir ein, wie ist das eigentlich mit der externen Kommunikation?“
„Tot, Sir. Strahlenschäden an der Anlage.“
„Gut, dann muss die erstmal auf Vordermann gebracht werden. Wie ist der Status der Waffen?“
„Überwiegend einsatzbereit. Die Phalanxen, die der Explosion am nächsten waren, sind zugeschweißt durch die Hitze. Ich werde sobald es geht ein Team hinschicken.“

Ich hätte beinahe das Wichtigste übersehen. Im Sinne das Wohlergehen meiner Besatzungsmitglieder wäre mein Plan schon soweit in Ordnung gewesen, aber ich musste militärisch denken und durfte unsere Situation nicht außer Acht lassen. „Machen wir's anders: Sensoren, Kommunikation und Waffen müssen so schnell wie möglich online sein. Danach brauchen wir die Lageregelung und zum Schluss die Schwerkraft. Und danach können Sie mit Aufräumen anfangen. Ich glaube, wir müssen so schnell wie möglich unsere Kampffähigkeit wieder herstellen. Eventuell wartet nur jemand darauf, dass wir wehrlos im All herumhängen.
„Jawohl Sir!“
Das missmutige „Jawohl Sir!“ bereitete mir im ersten Moment Kopfschmerzen. Ich wusste nicht, ob es damit zusammenhing, dass ich meinen ursprünglichen Plan umgeworfen hatte, dass die Leute jetzt noch ein paar Tage länger in der Schwerelosigkeit ausharren mussten oder ob andere Dinge damit zu tun hatten.
„McGrown?“
„Ja, Colonel?“
„Mein Raum, sofort!“
Der Lieutenant begab sich augenblicklich auf den Weg. Zuerst wollte ich allerdings noch etwas mehr wissen. „Krankenstation, hier Brücke, bitte um Lagebericht!“
„Hier ist die Hölle los, Sir. Wir haben knapp 60 Verletzte rein bekommen und es werden noch mehr werden. Außerdem stapeln sich im Kühlhaus die Leichenteile.“
Ich schluckte.
„Wie schlimm ist es?“
„Können wir erst sagen, wenn wir alles zusammengesetzt haben. Ich lasse, sobald hier halbwegs Ruhe einkehrt, ein Team die Besatzungslisten durchgehen. Sie werden überprüfen ob und wer vermisst wird, aber im Moment würden wir gerne zuerst dort Leben retten, wo wir können.“
„Tun sie es. Wie geht es Breedneck?“
„Der Doc tut sein möglichstes, er wird gerade operiert. Hat böse was ins Gesicht bekommen.“
Alles entwickelte sich langsam zu einer ausgesprochenen Katastrophe.
„Colonel Havoc Ende!“ agte ich und beendete die Verbindung, bevor mein Gegenüber bestätigen konnte.
„Gina?“ fragte ich dann über die Bord-Komm.
„Colonel?“
„Schaffen Sie sofort eine Rotte Jäger nach draußen. Dauerpatroullie in 6er Rotation!“
„Bin schon auf dem Weg!“
Sie beendete die Verbindung, bevor ich etwas sagen konnte.
Mir fiel dabei siedend heiß etwas ein: „Verdammt, das Flugdeck!“
„Lieutenant Krieger?“
„Krieger hier, was habt Ihr da oben wieder für ne Scheiße gebaut?“
„Wir? Keine Ahnung, wovon Sie reden.“ sagte ich dann.
„Ich hab einen Techniker verloren, der von einer Wolfsklaue zerquetscht wurde und quasi das gesamte Werkzeug schwirrt hier herrenlos her ... Aua!“
„Alles klar?“
„Hab grad nen Schraubenschlüssel ins Kreuz bekommen. Das wird noch was dauern, bis man hier wieder treten kann.“
„Wir brauchen so schnell wie es geht eine Rotte Kampfjäger draußen, Gina ist schon auf dem Weg.“
„Nein, sie ist bereits hier und lässt ihre Pilotendie Jäger von Hand an eine freie Stelle dirigieren. In ein paar Minuten sollten die ersten Klauen draußen sein.“
„Mann ist die schnell.“
„Sicher. Das wird uns auch helfen hier Ordnung zu schaffen, wenn ein paar Jäger weniger hier herumstehen.“
„Gut. Machen Sie es so.“
Nachdem die Sache mit dem Hangar geklärt war, kamen wir zum spaßigen Teil. Ich wollte McGrown erschießen.

„Was war das da unten?“ fragte ich ihn ohne Umschweife als ich den Raum betrat. Der Pilot hing in der Luft, fing einige Teile meiner Einrichtung ein und schob sie vorsichtig in die dafür vorgesehenen Plätze.
„Ich habe in seinem Quartier ein paar Bauteile entdeckt, die nach den Bestandteilen eines Schiffskillers aussahen. Ich nahm an ...“
„Sie nahmen an? Warum meldeten Sie das nicht?“
„Darf ich zu Ende berichten?“
„Na gut ...“ ich war sauer, stellte ich fest.
„Ich nahm an, dass er sich Teile eines Schiffskillers besorgt und daraus eine Bombe gebaut hatte. Außerdem fand ich Strahlenschutz-Werkzeug.“
„Klingt wirklich nach nem Bombenbastler ...“
„Ich denke, nach seinen beiden Morden musste er aktiv werden, ich frage mich nur, warum er ein solches Selbstmordkommando gewählt hat. Von der Belohnung dürfte er nicht viel haben.“
„Belohnung?“ fragte ich hellhörig.
McGrown übergab mir einen Zettel. „Das trug er bei sich.“

An alle, die es interessiert!
Ich, Euer geschätzter Kommandant Gregor Von der Brüh setze hiermit ein Kopfgeld auf alle Besatzungsmitglieder der Gefräßiger Wolf aus!
10.000 Credits für jedes normale getötete Besatzungsmitglied!
25.000 Credits für jeden getöteten Offizier
50.000 Credits für jeden getöteten Piloten
100.000 Credits für den Tod von Colonel Marc Havoc
250.000 Credits für den Tod von General Skiry Chekov
5 Mio. Credits für die nachweisliche Zerstörung des Schiffes
Nachweise sind erforderlich!
Belohnung wird auch an Hinterbliebene und Freunde gezahlt, wenn entsprechende Nachweise erbracht wurden.
Euer geschätzter Kommandant

Gregor Von der Brüh

Ich bekam tierische Kopfschmerzen und hatte das Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen.
„Meinung?“ fragte ich dann.
„Böse Sache. Was hat er gegen dieses Schiff?“
„Ich ließ ihn mit einem Peilsender in einem Shuttle entkommen.“
„Autsch!“
„Vorher hat er sich noch ein Auge ausgestochen und gab uns die Schuld dafür. Gut, ich hätte ihm das Auge eh ausgestochen, aber das war etwas anderes. Der Plan war, ihn richtig sauer zu machen, aber ich hätte nicht gedacht, dass er so sauer wird.“
„Ich schätze ihm ist eine Menge Kohle durch die Lappen gegangen?“
„So in etwa. Mich würde nur interessieren, ob er unseren Köder geschluckt hat oder ob er sich sein zusammengeflicktes Auge wieder aus dem Schädel herausreißen ließ.“
„Wie?“
„Wir haben die Vermutung, dass hinter Von der Brüh mehr steckt als ein kleiner Piratenhandlanger, der Auftragsmorde durchführt.“
„Ich meine das Auge.“
„Ach, das. Wir haben ihm in sein Auge einen passiven Identifikationschip eingesetzt.“
„Da sage ich jetzt besser nichts zu.“
„Der General hielt es auch für eine gute Idee.“
Von der Brühs Bild schoss mir durch den Kopf. Wir hätten uns vielleicht wirklich mal seine Haare vornehmen sollen.
„Jedenfalls ist der Typ stinksauer auf uns und ich hab so das Gefühl, wir müssen hier sehr bald etwas unternehmen.“
„Da stimme ich Ihnen zu, Sir.“
„Ich hab 6er Rotation mit Patrouille befohlen. Bereiten Sie sich vor.“
„Ein Wort noch?“
„Ja?“
„Ich habe mir in meiner Heimat ebenfalls das Missfallen eines wohlhabenden Verbrechers zugezogen. Er sorgte irgendwann dafür, dass ich plötzlich für seine Verbrechen gejagt wurde. Deswegen bin ich mit der CV-223 mit geflogen ...“
„Was haben Sie eigentlich früher gemacht?“
„Ich war Mitglied der Luftstreitkräfte und war dort auf dem Weg zum Offizier.“
„Sondereinsatzkommando oder so etwas?“ hakte ich nach.
„Erzähle ich Ihnen vielleicht später einmal.“ sagte er und ging.
Ich überlegte lange, wie ich an die richtigen Informationen kommen konnte, aber dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Wir hatten noch einen Feigling und einen mittlerweile genesenen Piloten der Piraten in zwei hübschen Zellen sitzen. Mit ein paar Kotztüten in der Hand begab ich mich zur Brigg.

Der Gefängnisbereich wurde eigentlich kaum noch genutzt. Es saßen zwei Marines und zwei Piloten in Zellen, weil sich die vier geprügelt hatten. Ich drückte den kränklich dreinschauenden Marines, sehr zur Belustigung der beiden Piloten, je eine Kotztüte in die Hand, die die beiden auch gleich lautstark benutzten. Mein eigentliches Ziel war gleich nebenan, der Geräuschkulisse wollte ich einfach nur schnell entkommen.
Sie sahen beide zwar nicht gerade glücklich aus, aber sie schienen mit der Schwerelosigkeit keine Probleme zu haben.
Ich hob die letzten Tüten hoch und meinte: „Die scheinen Sie ja nicht zu brauchen.“
Der Blick, den die Piraten mir zuwarfen, hätte töten können. Ich klemmte die Papiertüten irgendwo ein und versuchte halbwegs anständig im Raum herum zu schweben, ohne wirr auszusehen.
„Gut, Ihre Chance: Geben Sie mir Informationen über Ihren früheren Boss: Gregor von der Brüh!“
Beide zuckten merklich zusammen.
„Ist er nicht auf dem Schiff?“ fragte einer der beiden.
„Ich hätte vermutet, dass er bei seinem Fluchtversuch getötet wurde.“ sagte der andere.
„Er hat es irgendwie geschafft zu entkommen.“
Die beiden Piraten stöhnten.
„Was?“
„Von der Brüh ist aufstrebender Piratenführer, er hat sich quasi die Herrschaft über den Artefakt-Sektor angeeignet.“
„Wem untersteht er?“
„Er untersteht niemandem. Er führt Aufträge aus, aber er untersteht niemandem.“
„Das erklärt einiges.“
„Wissen Sie etwas über das, was er von dem Frachter wollte?“
„Der Schrotthaufen, den wir angegriffen haben?“
„Genau der.“
Der andere Pirat antwortete: „Wir sollten das Schiff aufbringen. Er wollte nur ein bestimmtes Teil haben, das seine angeheuerten Söldner bergen sollten. Der Auftrag war, die Söldner zu töten und den Gegenstand zu bergen. Die Beute im Schiff gehörte der Besatzung, wenn er diesen Gegenstand bekam.“
„Was für einen Gegenstand?“
„Er meinte es wäre ein wertvolles Artefakt von dem Alien-Ding im Feld.“
Ich überlegte kurz und holte dann zwei Kopien des Steckbriefs heraus und reichte sie den Piraten.
„Was sagen Sie hierzu?“
Beide waren sich sofort einig: „Sie und Ihr Schiff sind so gut wie tot.“
„Haben Sie was Brauchbares für mich? Ich kann Sie durchaus noch eine Zeit lang hier sitzen lassen ...“
„Werden wir nicht auf der nächsten Mars-Station abgesetzt und dann verurteilt?“
„Ich habe, seitdem ich das Kommando auf dem Schiff übernommen habe, keine Mars-Basis angelaufen.“
„Oh.“ machte der eine Pirat.
„Wir sind tot.“ stellte der andere fest.
„Ich komme die Tage noch mal vorbei, dann hätte ich gerne etwas Brauchbares von Ihnen!“ sagte ich den beiden und ging.

Jetzt konnte ich nur noch abwarten. Das Zimmer von Gerhard Mönchsfeld wurde untersucht. Varl hatte das Kommando und sah mit seinem Wundverband im Gesicht und auf den Händen etwas merkwürdig aus. Da auf der Krankenstation im Moment einfach kein Platz war, hatte er sich selbst entlassen und machte sich daran, einfache Tätigkeiten durchzuführen oder zu überwachen.
Wir trafen uns in Mönchsfelds Quartier, nachdem sie dort etwas gefunden und mich darüber informiert hatten.
„Also, was haben wir?“
„Mem femer um eimem eimem emfämer im flamp.“ sagte Varl.
„Bitte was?“
„Einen Peilsender und einen kleinen Empfänger im Schrank!“ sagte einer der Sicherheitsleute, die dabei waren, Mönchsfelds Hinterlassenschaften einzusammeln, was bei der Schwerelosigkeit nicht leicht war.
„Was für einen Sender?“
„meia, ift fo eime femer emfämer komo, lamfrecke mip eimfachem emfehmlfapf. Der emfämer ift aber eim lamtreckem emfämer um der femer ift ein kurscheckem femer. Oh mamm, if fill wieer rifig refen kömmem.“
Ich sah den Techniker fragend an.
„Eine kleine Empfänger Sender Kombi, Langstrecke mit einfachem Befehlssatz. Der Empfänger ist das Langstreckenmodell und der Sender ist Kurzstrecke. Oh Mann ich will wieder richtig reden können.“
„Sie verstehen ihn?“
„Ein wenig. Ich hatte mal selber so nen Verband im Gesicht.“
„Ah ja. Lässt sich die Frequenz herausbekommen?“
„Welche?“
„Alle?“
„Prüfen wir im Labor. Sollen wir dann die Empfangsprotokolle auf den Frequenzen checken, ob es eine Kombination gibt?“
„Kombi?“
„Einen passenden Eintrag für den Emfänger.“
„Und bitte auch die Kurzstreckenprotokolle auswerten, was den Sender angeht.“
Varl hatte sich den Verband vom Gesicht gezogen. Die Wunde dahinter war behandelt und das Heilgel glitzerte.
„Das ist besser, muss nur aufpassen, dass ich mir das Zeug nicht selbst aus dem Gesicht wische.“
Er begab sich mit dem Verband in der Hand in Richtung Müllschlucker und blieb auf halbem Weg stehen. Varl ließ den Stofffetzen, den er im Gesicht gehabt hatte, einfach im Raum treiben und zog die Einheit heraus.
„Normalerweise bleibt nicht viel übrig, wenn etwas hier rein gestopft wurde, aber Metall und bestimmte Kunststoffe landen unten im Sammelbehälter. Vielleicht hab ich hier ja was.“
Er durchwühlte die Asche und fand ein paar Metallteile, die stark zusammengeschmolzen waren. Man konnte ohne Analyse nicht mehr feststellen, was das mal gewesen war. Außerdem fand er in der Asche eine Metallkapsel, die keinerlei Schäden erlitten hatte. Der Schraubverschluss ließ sich einfach öffnen und in der Kapsel befand sich ein Datenkristall.
„Der hier dürfte noch einige Informationen beinhalten, die wir brauchen können, hoffe ich.“
„Oder es ist eine alte Pornosammlung.“ sagte dann der Sicherheitsmann neben Varl.

Es dauerte zwei Tage, bis die Sensoren wieder funktionierten. Drei weitere Tage dauerte es, bis die Waffen sowie die Steuerung wieder aktiv waren. Insgesamt hatten wir durch das Attentat zwanzig Besatzungsmitglieder verloren und knapp zweihundert Mann waren verletzt worden.
Am dritten Tag schickte ich Reinigungsteams durch das Schiff. Die armen Kerle sollten die gröbsten Verunreinigungen entfernen. Personen, die die Schwerelosigkeit nicht gewohnt waren, hatten die ersten Tage leider die Angewohnheit, ihren Mageninhalt zu entleeren. Das sorgte für einen unangenehmen süßlichen Geruch im ganzen Schiff.
Am 5. Tag nach der Katastrophe pendelte es sich überraschend gut ein. Varl hatte sich seinen Verband erneuern lassen und blieb in seiner Kabine, um den Datenkristall auszuwerten.
McGrown, Gina und auch Miss Tear, sowie die anderen beiden ursprünglichen Piloten flogen derweil Doppelschichten, um nicht an Bord zu sein. Die Brücke war zur Hälfte demontiert worden, um die zerstörten Konsolen zu ersetzen.
Caren Krieger überwachte die Reparaturarbeiten. „Wo ist eigentlich Hornfeld?“ fragte ich sie, während wir dabei zusahen, wie zwei Techniker mit Schneidbrennern die halbe Wand herauslösten. Kabel hingen lose herum und hin und wieder sprühten Funken.
„Er kümmert sich um die Aggregate im Maschinenraum.“
„Sie klingen nicht gerade begeistert?“
„Ich würde mich gern um etwas anderes kümmern. Können wir kurz unter vier Augen reden?“
„Sicher.“
Wir verschwanden in meinem Büro. Caren warf sich auf die Couch und legte die Füße hoch.
„Ah, das tut gut.“ Sie öffnete mit einer Handbewegung ihren Overall und in dem Spalt kam ein lilafarbener BH zum Vorschein.
„Was gibt das, wenn es fertig ist?“
„Nur ein paar Minuten Ruhe.“
„Sie wollten mir etwas sagen.“
„Darf ich dabei liegen bleiben?“
„Wie machen Sie das?“
„Was?“
„Wir haben noch immer Schwerelosigkeit ...“
„Ach so, natürlich mit den Gurten.“ Sie hob den Arm an und ich konnte sehen, dass sie sich festgeschnallt hatte. Die Bewegung war mir völlig entgangen.
Aus der Kühleinheit besorgte ich mir eine der Getränketüten. „Auch eine?“
„Nur wenn da Alkohol drin ist.“
„Halten Sie das für eine gute Idee?“
„Nein, aber vielleicht bringt das meinen Blutdruck ein wenig nach unten.“
Ich warf ihr eine Tüte Bier zu. „Das muss reichen.“
„Oh, danke!“ Sie steckte einen Strohhalm in die Tüte und trank einen Schluck.
„Gut. Warum ich Sie sprechen wollte: Die Konsolen wurden durch eine Fehlschaltung im System hoch gejagt.“
„Das heißt?“
„Irgendjemand hat die Sicherheitsprotokolle geändert. Normalerweise sollte eine Überladung im System nach außen in die Panzerung abgeleitet werden. Dafür gibt es spezielle Schutzsysteme, die das bewerkstelligen.“
Sie trank noch einen Schluck. Langsam wurde ihre Stimme etwas weniger rau.
„Ich hätte etwas essen sollen.“ Umständlich fischte ich aus einem Schrank einen Streifen mit Nahrungsriegeln und warf ihn ihr zu.
„Nochmal danke, aber ich glaub ich sollte aufpassen, dass ich nicht gleich lalle.“
„Schaffen Sie schon. Erzählen Sie lieber weiter.“
„Also, jemand hat die Schaltung so modifiziert, dass sie einen Kurzschluss auslöst. Dieser Kurzschluss hat zur Überlastung einer Hauptenergieleitung geführt, was einen Teil der zentralen Leitungen erwischt hat.“
„Kann das nicht einfaches Systemversagen gewesen sein?“
„Ich kenne das Schiff besser als das Innenleben Mei ...“ sie verkniff sich den Rest des Satzes. „Ich habe alle Handbücher für die HFI-Schiffe geschrieben.“
„Danach wollte ich Sie ohnehin bei Gelegenheit mal fragen.“
„Es war definitiv kein Versagen der Schaltungen. Das wäre ungefähr so, als würden Sie Ihr Magazin aus der Waffe ziehen, den Sicherheitshebel auf gesichert stellen und dann zehn Leute in Folge mit dieser Waffe erschießen.“
„Also ziemlich unwahrscheinlich.“
„Ganz genau. Die Manipulation muss aber von jemandem stammen, der sehr tiefe Einblicke in das System hat.“
„Also ein Verräter in der Mannschaft?“
„Es kommen nur wenige in Frage. Hornfeld, zwei Techniker aus Hornfelds Abteilung und ich.
„Das schränkt den Kreis der Verdächtigen ziemlich stark ein.“
„Und da haben wir ein Problem.“
„Wieso?“
„Ich habe die Schaltungen nicht manipuliert. Ich hänge an meinem Leben. Manfred ist eigentlich nicht der Typ dafür, auch wenn er sich teilweise wie ein Idiot verhält. Die beiden Techniker haben nicht die Sicherheitsvollmacht für den Zugriff auf die entsprechenden Komponenten.“
„Das klingt alles sehr mysteriös.“
„Ist es auch. Und eine Untersuchung könnte auch zu dem Ergebnis kommen, dass es ein Unfall war, aber ich weiß, dass es keiner gewesen sein kann.“
„Klingt einleuchtend.“
„Das wollte ich Ihnen mitteilen.“
„Kann ich sonst noch was für Sie tun?“
„Schicken Sie mir irgendjemanden um die zwanzig, knackig und schön notgeil vorbei?“
„Nicht in meinem Büro!“
„Schade. Ich mach mich besser wieder an die Arbeit.“
Sie löste die Haltegurte, zog sich den Overall wieder richtig an und brachte ihre Frisur in Ordnung. Danach verschwand sie durch die Tür.
Ein Bericht von Varl lag in meiner Postablage. Die Sicherheit hatte sich fast jede Sekunde angesehen, die Mönchsfeld an Bord des Schiffes verbracht hatte. Leider fanden wir so nicht heraus, wann die Waffen im Wandschrank versteckt wurden. Auch haben wir zwar herausgefunden, wo er die Bauteile für seinen Selbstmordanschlag aufgetrieben hatte, aber nicht wie sie da hingekommen sind.
In den Fragmenten seines Kopfes fanden wir später noch Überreste einer nanotechnischen Erweiterung, die in seinen Schädel eingepflanzt gewesen war. Mit dem gefundenen Datenkristall konnten wir überhaupt nichts anfangen, dies würde ein Spezialistenteam der Flotte übernehmen müssen.
Am siebenten Tag nach dem Anschlag hatten wir dann endlich wieder eine Kommunikationseinheit. Leider war die Tach-Com Einheit zerstört worden, sodass keine Überlicht-Kommunikation mit der Flotte möglich war. Auch war es nicht möglich, eine gesicherte Verbindung aufzubauen. Deswegen meldeten wir uns nur standardmäßig zurück und machten Meldung über einen Anschlag sowie über die Beschädigungen am Schiff. Die Verlustzahlen meldeten wir an der Stelle nicht. Drei Tage später erhielten wir die Antwort, wir waren bereits im Annäherungsvektor auf die Victoria. Wir sollten dort bleiben, bis das Kurierschiff mit der Tach-Com Einheit bei uns eintraf.
Zusammen mit der Kontrolle über den Gravitationsantrieb kehrte auch die künstliche Schwerkraft wieder zurück. Sie konnte aber nicht einfach so wieder aktiviert werden, denn es gab viele Besatzungsmitglieder, die genetisch nicht an diese extremen Bedingungen angepasst waren. Außerdem war nicht jeder in der Lage, ausreichend Sport und anderes Training durchzuführen, um die schädlichen Einflüsse auf den Körper zu verringern. Daher wurde die Schwerkraft um ungefähr 1% pro Stunde angehoben.

Nachdem ich die beiden Piraten bisher immer nur ein wenig gehänselt hatte, beschloss ich, diesmal ernsthafter Informationen zu fordern. Bevor ich die Zellen betrat, kam mir Hornfeld entgegen. „Passen Sie auf, ich glaube, die Gefängniszellen wurden beschädigt. Auf jeden Fall müssen die Schlösser ausgetauscht werden. Ich bin gleich mit dem Material und ein paar Sicherheitsleuten da!“
Verwundert sah ich ihm nach und betrat den Zellenblock. Smixy und Sasmak saßen einfach wie gewohnt auf ihren Plätzen und starrten mich an.
„Wir erreichen in ein paar Tagen die Victoria Raumstation. Sollen wir Sie dort absetzen?“
Sesak Sasmak, so hieß der Pirat, dem ich das Schiff 2523.17 weggeschossen hatte, zeigte sich wenig kooperativ. „Machen Sie das.“
Der andere Pirat, Mat Smixy war sein Name, meinte: „Die Erde richtet Piraten hin ...“
„Mir egal, da weiß ich wenigstens, dass ich noch einen letzten Wunsch habe, ein paar Jahre im Gefängnis weiter lebe und vielleicht auch begnadigt werde. Von der Brüh begnadigt niemanden.“
„So schlimm kam mir der eigentlich nicht vor, ich fand ihn eher harmlos. Wie kommen Sie darauf?“
„Wolf im Schafpelz. Er spielt immer den leicht vertrottelten oder leicht benebelten Glücksritter, aber er ist ein knallharter Anführer. Ich habe schon einmal miterleben dürfen, wie er eine ganze Staffel aufgrund des Fehlers eines einzigen Piloten hingerichtet hat.“
„Der Pilot waren Sie?“ Die Frage war an Smixy gerichtet.
„Nein, er war 's.“ Er zeigte auf den anderen Piraten.
„Was ist passiert?“
„Ich habe mich geweigert, fliehende Rettungsschiffe abzuschießen.“
„Sehr löblich.“
„Das haben dann meine Staffelkollegen erledigt.“
„Und für die Geste der Menschlichkeit durften Sie weiter leben?“
„Nein. Wir wurden in den Hangar gerufen und die gesamte Staffel wurde aufgestellt. Er ließ ein Erschießungskommando antreten und hat dann den Befehl gegeben, alle bis auf mich zu erschießen. Natürlich vor der gesamten Mannschaft.“
„Und dann wurden Sie offiziell noch bloßgestellt, nehme ich an?“
„Ganz genau. Seit dem wollte mich keiner in der Staffel haben.“
„Wie gut ist er ausgestattet? Also Schiffe, Waffen und dergleichen?“
„Kann ich Ihnen nicht genau sagen. Er besitzt auf jeden Fall mehrere Zerstörer und er hat eine alte Minenstation vom Mond dort übernommen und ausgebaut.“
„Haben Sie Koordinaten für mich?“
„Nein, die hat er nur selbst. Die Basis wird regelmäßig verlegt.“
„Bei den ersten Verhören waren Sie nicht so gesprächig.“ stellte ich fest.
„Da war auch noch nicht klar, ob wir sterben würden oder nicht.“
„Und jetzt ist es klar?“
„Ich denke die Warnung war eindeutig, oder?“
„Welche Warnung?“
„Sie wurden doch angegriffen und beschädigt, oder nicht?“
„Wir wurden beschädigt, ja, aber nicht durch einen Angriff.“
„Was war es dann, was Sie getroffen hat?“
„Ein Selbstmordanschlag mit einem Schiffskiller. Er wäre beinahe an Bord hoch gegangen.“
„Und sonst keine Anschläge oder Angriffe?“
„Nichts, was mit dem Piraten assoziiert wurde.“
„Also ist er richtig sauer auf Sie.“
„Haben Sie noch etwas Brauchbares?“
Smixy warf mir einen bemitleidenswerten Blick zu. „Nicht wirklich, fürchte ich.“
„Ich werde nichts weiter sagen.“ Sasmak legte sich auf seine Pritsche und drehte mir den Rücken zu.
„Wenn das so ist, werde ich Sie an Inquisitor Eredor übergeben, er soll angeblich schon auf dem Weg sein.“
„Eredor?“
„Ja.“
Smixy stand an der Zellentür, Sasmak wirkte uninteressiert. Ich hatte gerade den Zellen den Rücken zugedreht, als es laut klackte. Smixy, ich nahm an, dass es Smixy war, stand mir im Rücken und versuchte meine Hände zu greifen. Ich wirbelte herum, die Schwerelosigkeit machte das Kämpfen zu einer ziemlich unangenehmen Angelegenheit. Der Pirat schaffte es, einen Hebel anzusetzen und presste mich an die Wand. Ich spürte, wie er versuchte, meine Pistole aus dem Holster zu ziehen, er wirkte extrem zittrig. „Jetzt hilf mir endlich!“ Irgendwie schaffte ich es, mich zu drehen und Smixy mit meinem Ellenbogen zu treffen. Es klackte wieder und ich wusste, dass Sesak Sasmak seine Zelle ebenfalls verlassen hatte.
Aber statt seinem Kumpel zu helfen, griff er Smixy von hinten und hielt ihn einem eisernen Würgegriff fest. Ich löste mich von den beiden und begriff erst einmal nicht, was geschehen war. Mit einem Ruck brach Sasmak Smixys Genick. Die Leiche blieb, blutige Tropfen verteilend, im Raum hängen.
„Danke?“
Der Pirat zog sich in seine Zelle zurück.
„Bringen Sie mich ruhig zu Eredor. Wir haben noch eine Rechnung offen.“
In dem Moment ging die Zellentür auf und Hornfeld zusammen mit zwei Sicherheitsleuten traf ein. „Sagte ich nicht, dass die Tür besser geschlossen bleibt, wegen der Sicherheitsschlösser?“
„Woher wussten Sie eigentlich, dass die Schlösser nicht mehr intakt sind?“
Während die Sicherheitswächter die Leiche verpackten, tauschte Hornfeld das Schloss an Sasmaks Zelle aus. Er reichte mir ein Datentablett. „Sicherheitssystem. Wenn die Schlösser beschädigt sind, melden sie sich automatisch in der Technik. Ich war kurz hier und hab kurz nachgesehen.“
„Haben Sie den beiden irgendetwas gesagt?“
„Natürlich nicht!“
„Vielleicht hätten Sie gleich mit den neuen Schlössern vorbei kommen sollen, statt erstmal nur nachzusehen.“
„Hätte auch ein Fehler beim Abschließen sein können. Ich wollte sicher gehen.“
„Und Sie haben sich nichts dabei gedacht, dass sich die beiden vielleicht denken konnten, was passiert, als Sie die Schlösser untersuchten?“
„Nicht wirklich. Ich dachte wirklich, die halten.“
Ich wollte ihn gleich verhaften lassen, aber es lag definitiv nichts gegen Hornfeld vor. Mein Gefühl sagte mir aber etwas anderes. Hornfeld hatte sich , seitdem ich an Bord war, sehr merkwürdig verhalten,. Vielleicht bildete ich mir nur etwas ein und es lag daran, dass ich mit seiner Art nicht klar kam. Hornfelds normalerweise glatte Haare standen in alle Richtungen ab. Seine Uniform war fleckig, als habe er sie seit einigen Tagen nicht mehr gewechselt. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, die Augenringe wirkten wie Krater im Gesicht. Der Mann war fertig.
„Am Besten Sie schnallen sich mal irgendwo fest und ruhen sich ein paar Stunden aus. Sie sehen aus, als würden Sie gleich irgendwo im Stehen einschlafen.“
„Ich kann bei der Schwerelosigkeit nicht schlafen.“
„Doch können Sie, vertrauen Sie mir. Schnallen Sie sich an ein Bett, vielleicht in einem Schlafsack oder in eine Decke gewickelt und trinken Sie einen milden Tee.“
„Wie soll der denn aufgebrüht werden?“
„Vergessen Sie den Tee. Legen Sie sich hin, das ist ein Befehl.“
„Jawohl, Sir.“
Hornfeld gähnte wie ein Löwe und zog sich an den Haltestangen davon.
Sasmaks Worte sorgten bei mir selbst nach Tagen noch für eine Gänsehaut. Er wirkte absolut siegessicher. Der Pirat plante etwas und ich wünschte mir, ich hätte ihn schon von Bord.

Wir erreichten die Victoria mit drei Tagen Verspätung.
„Hier Victoria Flugkontrolle, wir haben Ihre Anfrage bezüglich eines Trockendocks erhalten, können Ihnen aber keines auf dem Raumhafen zuweisen.“
„Unsere Sensoren sagen aber, dass sie welche freihaben, die geeignet sind.“
„Mag sein, aber wir wurden von der Administration angehalten, einen bestimmten Teil unserer Reserve für eigene Schiffe bereitzuhalten.“
„Liegt dieser Teil zufällig bei 100%?“
„Nicht direkt.“
„Was wollen Sie damit sagen?“
„Nun, wir haben Anweisung erhalten, in unseren normalen Raumdocks nur noch Schiffe der Erde und des Mondes zu versorgen.“
Warum sagen sie nie einfach: Ja so ist es!
„Sie brauchen uns nicht besonders zu versorgen, wir brauchen nur einen Platz, wo wir geschützt am Schiff arbeiten können.“
„Tut mir leid, ich kann da nichts für Sie tun.“
„Bekommen wir die Genehmigung, unsere Reparaturen im normalen Dock auszuführen?“
„Nein. Nach der neuen Dienstvorschr...“
„Hier spricht der Stationskommandant. Tut mir leid, dass ich die Verbindung kurz unterbreche. Ich sende Ihnen einen Zugangsvektor für die alten G-Werften, die sind zwar außer Betrieb aber noch mit Energie versorgt. Dort dürften Sie Ihre Reparaturen durchführen können.“
Die Stimme kannte ich.
Ich wollte gerade etwas erwidern, als sich die Stationsüberwachung meldete: „Würden Sie bitte jetzt landen oder den Anflugkorridor freimachen?“
„Sicher, wir gehen auf Leitstrahl.“
„Landungsdock 12 wird für Sie bereitstehen.“
Wir landeten nicht im Landungsdock 12, sondern in der G-Werft 2.


[2523.29] – 9 – Victoria
Die Victoria war ein riesiger militärischer Raumhafen. Ich hatte während meiner Zeit bei den Erdstreitkräften nur einmal die Gelegenheit gehabt, hier haltzumachen. Kein Landgang, keine Vergnügungsausflüge, kein Gar-Nichts, wir waren damals acht Stunden hier, um aufzumunitionieren und dann ging es weiter Richtung Mars.
Dort hielt ich mich danach ein paar Jährchen länger als geplant auf.

Mein erster Dienstbesuch nach der Landung bestand darin, zusammen mit ein paar kräftigen Marines unseren Passagier abzuholen. Unser Weg führte uns über die alte G-Werft 2. G steht für Gravitation. Unser Schiff konnte auf dem Boden der Werft landen und wurde mittels Verbindungsschläuchen an der Station fest gemacht. Direkt nach der Landung waren bereits Techniker in Spezialanzügen auf dem Schiff unterwegs, um die beschädigten Waffenluken zu reparieren. Man hatte bereits begonnen, überall dort, wo Sensoren und Kommunikationsanlagen waren, die Außenhülle abzumontieren. Die technische Abteilung arbeitete bereits auf Hochtouren. Vielleicht konnten wir schon sehr bald wieder abreisen.
Die G-Werft selbst war ein großer Hohlraum auf der Victoria. Überall war nackter Felsen zu sehen. Wie Narben zogen sich Versorgungsleitungen und Installationen durch das Gestein. Eine verlassene Überwachungsstation hing tot in dreißig Metern Höhe über dem Vorplatz. Vergessenes Gerät stand überall herum. Verrostete Werkzeuge lagen auf genauso verfallenen Mechanikerwagen herum. Der Boden war zentimerterhoch mit Staub bedeckt.
Der Tunnel zum Raumhafenbereich war mit dunklem Metall ausgekleidet. Man hatte grobe Panzermanschetten angebracht, die als leere Vorsprünge aus der Wand hervorragten. Auf dem Boden lagen Panzerplatten, die man nie festgeschraubt hatte. Am Ende des Tunnels passierten wir eine Luftschleuse. Sie blieb offen, nachdem wir hindurch traten. Auf dem Platz dahinter standen Passanten herum. Informationsschirme und die helle Beleuchtung standen in vollem Widerspruch zur Dunkelheit der Werftanlage. Niemand nahm von mir und meinem Trupp Notiz.
Vor Dock 12 trafen wir unseren neuen Passagier. Miriam Chekov war eine Doktorin mit verschiedenen Spezialgebieten. Eigentlich hätte man sie für einen Bücherwurm halten müssen, aber dem war definitiv nicht so. Sie trug ein helles, kurzes Kleid ohne Muster. Zwei riesige Koffer standen neben ihr. Ich fragte mich, wie sie die alleine hierher geschleppt hatte. Keine weiteren Personen waren in der Nähe. Ihre langen, dunkelblonden Haare hatte sie zu einem frechen Pferdeschwanz zusammengebunden. Als wir näher kahmen, zog sie die schwarze Sonnenbrille von der Nase und schlenderte mir mit einem frechen Grinsen auf den Lippen entgegen. „Wen haben wir denn hier? Den Colonel.“ begrüßte sie mich . Ich sagte erstmal gar nichts.
Im nächsten Moment hing sie mir am Hals.
„Schön dich wieder zu sehen!“ flüsterte sie mir ins Ohr und ließ mich dann wieder los.
„Lange ist es her, nicht war?“
„Ist es. Sei nur froh, dass Lydia nicht in der Nähe ist.“
„Stress mit deiner Schwester?“
„Ich nicht, aber sie hat immer noch einen Hass auf dich, weil du ihr ne Abfuhr erteilt hast.“
„Dein Vater erwähnte es bereits.“
„Sei froh, dass du nicht auf der Polarwolf gelandet bist, sie hätte dich bei der ersten Gelegenheit getötet.“
„So schlimm?“
„Du bist bis jetzt der Einzige, den sie nicht rum gekriegt hat ...“
„Soll in den besten Familien vorkommen ...“
„Na egal eigentlich. Solange ich in der Nähe bin, wird sie dir schon nichts tun.“
„Warum das?“
„Ich kenne sie.“
„Das ist keine Antwort.“
„Reicht aber.“
Sie machte wieder einen Schritt zurück. Auch wenn es albern klingt, aber am liebsten hätte ich sie abgeknutscht. Es gelang mir, mich zurückzuhalten, das passte nicht so in die Gegend hier. Und schon gar nicht vor den Männern und Frauen hinter mir.
„Ist das alles an Gepäck?“ fragte dann Gina hinter mir.
„Eh, ja. Die zwei Koffer, mehr hab ich nicht.“
Gina winkte zwei von den Marines heran, die dann das Gepäck auf die Gefräßiger Wolf bringen sollten.
„In Ihr Quartier oder doch eher in ein eigenes?“ fragte Gina.
„Bitte ein eigenes, ich würde gern etwas arbeiten, während ich an Bord des Schiffes bin. Außerdem muss ich mit Herrn Baratheros einen Termin machen, ich würde gern ein paar Laborgeräte benutzen.“
„Möchten Sie noch einen Adjutanten haben?“
„Nein, lieber nicht“ sie zwinkerte Gina zu, die grinste schelmisch und verschwand zusammen mit den Marines und dem Gepäck in Richtung Fregatte.
„Gibt's hier was Neues?“
„Nicht viel, nur seit ein paar Tagen ist hier alles in Panik. Angeblich kommt in Kürze ein Inquisitor vom Mond, das sagen zumindest die Gerüchte.“
„Was sagen die Gerüchte sonst noch?“
„Dass ich nicht auf der Station sein will, wenn der Mann eintrifft.“
„Ist das alles?“ fragte ich.
„Wenn wir auf dem Schiff sind.“ sagte sie und drückte sich noch einmal an mich. Sie roch wenigstens nicht nach antiseptischen Mitteln wie ihre Schwester.
Dann hakte sie sich bei mir unter und sagte: „Zeig mir mal deinen Schrotthaufen, ich will dich auslachen.“
Schweigend führte ich sie durch die Gänge zurück zum Schiff. Die Umwälzpumpen arbeiteten geräuschvoll im Hintergrund. Das Licht war schon wesentlich heller eingestellt undman hatte die Stromzufuhr aktiviert. Einige Besatzungsmitglieder waren damit beschäftigt, eine große Frachtschleuse freizumachen, um einen Korridor zum Hangar der Gefräßiger Wolf legen zu können. Miriam betrachtete durch die verdreckten Sichtscheiben mein Schiff.
„Dein Schrotthaufen sieht ja nicht mal so schlecht aus. Warum reißen deine Leute eigentlich das halbe Schiff auseinander?“
„Wir hatten auf dem Weg hier her ein kleines Problem mit einem selbst gebastelten Schiffskiller.“
„Das sollte das Schiff doch wegstecken können.“
„Eigentlich schon. Trotzdem hat es uns die Hälfte aller Sensoren, die Kommunikation und einen Teil der Bordsysteme gekostet.“
„Ach deswegen musste ich dieses überteuerte Hotel noch zwei Tage länger bezahlen?“
„Ganz genau.“
„Na gut, bist entschuldigt.“
Mir fiel auf, dass Miriam die ganze Zeit eine kleine Aktentasche bei sich trug, die sie nicht aus den Augen ließ. Unsere Marines hatten sich im gesamten Bereich verteilt. Schrank stand auf einer erhöhten Plattform und durch die, mittlerweile doch sehr stark verschmutzten, Panzerglasscheiben konnte man Leute sehen, die auf meinem Schiff arbeiteten.
Wir würden hier einige Zeit brauchen, um alles fertig zu bekommen, aber wir hatten unsere Ruhe und einen geschützten Hafen. Ich führte Miriam im Anschluss direkt in mein Büro. Ohne ein Wort zu sagen, schaltete sie zuerst die Abhörsicherung ein und ließ sich dann auf das Sofa sinken.
„Mann ist das anstrengend hier.“
„Anstrengend?“ fragte ich.
„Ich hab die ganze Zeit die notgeile Göre gespielt, die von ihrem Papi einen guten Job bekommen hat und sich jetzt schön wichtig macht.“
„Notgeile Göre?“
„Der beste Weg sich ein paar Leute vom Leib zu halten.“
„Hä?“
„Sich so sehr anklammern, dass sie die Flucht ergreifen, man muss nur aufpassen nicht an Leute zu geraten, die darauf stehen.“
„Oder so.“
Ich goss uns beiden Kaffee ein.
„Bitte.“
„Danke!“
Sie trank einen Schluck und verzog das Gesicht.
„Der war auch mal heißer ...“
„Ich sag meinem Adjutanten Bescheid, dass er vernünftigen bringt.“
„Nicht nötig, beim nächsten Mal dann doch ein Wasser, wenn's nicht chemisch schmeckt.“
„Oder so.“
„Ich hab Schimmerknoten dabei.“ begann sie, während sie ihre Tasche öffnete.
„Will ich gar nicht sehen.“
„Mir egal.“
Sie zog einen Gegenstand aus der Tasche und drückte ihn mir in die Hand. Er fühlte sich warm an, vibrierte leicht und man hatte das Gefühl, er würde sich ständig bewegen. Wenn man sich das Artefakt ansah, sah es auch so aus, als würde es sich ständig neu in sich selbst verdrehen .
„Wenn man sich das zu lange anguckt, wird man wahnsinnig.“ bemerkte ich.
„Es geht. Wir haben in der letzten Zeit ein paar Fortschritte erzielt.“
„Die da wären?“
„Diese Artefakte sind Schlüssel. Und unsere Messungen deuten darauf hin, dass sie mit dem Alien-Artefakt in dem Ring zu tun haben.“
„Was für Schlüssel?“
„Ist schwer zu sagen. Der hier scheint eine Art Materieöffner zu sein.“
Sie stand auf und hielt den Gegenstand an eine Wand. Kurz danach verschwand ein etwa drei Meter großer Abschnitt.
„Die Wand ist noch da.“ sie winkte dem Techniker, der hinter der Wand an einer offenen Konsole arbeitete aber von unserer Unterhaltung nichts hörte. „Sie ist nur unsichtbar und lichtdurchlässig. Es wirkt sich aber nicht auf das Kraftfeld oder dergleichen aus.“
Etwa zwei Sekunden, nachdem sie den Schlüssel von der Wand genommen hatte, war diese wieder da.
„Wir haben zwanzig dieser Schlüssel gefunden und sie haben teilweise unterschiedliche Eigenschaften. Der hier, “ sie steckte den Gegenstand wieder weg und holte einen anderen hervor, „hat dieselbe Wirkung wie der Materie-Schlüssel, wirkt aber nur auf Kraftfelder.“
Sie legte beide Schlüssel auf meinen Schreibtisch. Wie sie so nebeneinander lagen, konnte man die Unterschiede sehen. Meine Schreibtischunterlage verschwand.
„Die sehen sehr ähnlich aus, sind aber farblich unterschiedlich.“ bemerkte ich.
„Richtig. Der dritte Schlüsseltyp, den wir gefunden haben, muss zum Artefakt gehören. Den hat mein Vater in seiner Obhut.“
„Was anderes noch ...“
„Ja?“
„Was sollte die Show da draußen eigentlich?“
„Zu übertrieben?“
„Ein wenig, glaube ich.“
„Ach hör auf. Ich weiß, dass du auf mich stehst.“
„Danke. Das brauch ich grad.“
„Vergiss einfach, dass der General mein Vater ist, ok?“
„Wieso?“
„Ich könnte auch sagen, vergiss die Erziehung von Erde und Mond, besonders die militärische, aber das kommt aufs Gleiche heraus.“
„Inwiefern?“
„Ganz einfach. Die Tochter vom Boss ist kein Tabu für die Leute, wir haben nicht einmal Verordnungen oder Richtlinien, die innerhalb einer Einheit irgendwelche persönlichen Beziehungen regulieren.“
„Ich weiß es.“
„Warum bist du dann so verklemmt?“
„Ich möchte nur mit gutem Beispiel vorangehen.“
„Dann hör auf damit.“
„Meinst du?“
„Ja verdammt!“
„Dann kann ich mich wohl auch mit deiner Schwester aussöhnen ...“ Ich überlegte laut.
„Nein verdammt!“
„Nicht?“
„Ich sollte die Klappe halten.“
„Nicht nur du.“
„Ich treffe mich mal mit eurem Chefwissenschaftler, mal sehen, ob er noch genau so hochnäsig ist, wie damals als er noch Professor war.“
„Ihr kennt euch?“
„Ich hab bei ihm meinen Physik-Doktor gemacht, danach ist er vom Militär rekrutiert worden.“
„Und?“
„Wenn er mich noch mal dumm anmacht, reiß ich ihm ein paar Körperteile ab, die er eh nicht gebrauchen kann.“
Und schon war sie aus meinem Büro verschwunden.

Ich blieb noch einen Moment ruhig sitzen. Ich war völlig durcheinander, was meine Gefühle anging. Vielleicht hatte Miriam auch recht. Dann konnte ich nicht anders und fing an zu lachen.
„Ehem.“ machte McGrown in dem Moment.
Ich zuckte zusammen.
„Wie sind Sie hier rein gekommen?“
„Ich bin rein, als Miss Chekov raus ist.“
Er schaltete die Abhörsicherung wieder ein, die Miriam kurz vorher ausgeschaltet hatte.
Die Artefakte lagen immer noch auf meinem Schreibtisch.
„Die sollten Sie mal wegtun.“
„Werde ich machen.“
Ich griff nach dem Artefakt, welches Energiefelder aufspaltete und legte es auf das Artefakt, welches die Wände öffnete.

Als ich wieder zu mir kam, standen McGrown und Miriam neben meinem Bett.
„Was ist passiert?“ fragte ich.
„Ich hab da was in deinem Büro liegen lassen und du hast mal wieder etwas getan, womit keiner gerechnet hatte.“
„Aha. Das sagt jetzt aber nicht, was passiert ist.“
„Es gab einen Blitz und Sie flogen durch drei Wände und zwei Abschirmkraftfelder.“
„Autsch.“
„Sie waren etwas mehr als drei Tage bewusstlos, aber keine Verletzungen.“
„Warum war ich so lange weg?“
„Keine Ahnung.“
Sebastian Carver trat ans Bett: „Sobald es Ihnen wieder gut geht, können Sie gehen. Ich hätte gerne wieder eine fast leere Krankenstation.“
„Wie geht es Captain Breedneck?“ fragte ich .
„Wir haben ihn in Stasis versetzt. Er war zwar stabil aber wir können ihm hier an Bord nicht helfen. Wenn das Kurierschiff hier ist, können wir ihn mit der Kapsel zum Mars schaffen lassen.“
Ich setzte mich auf. „Wird er überhaupt wieder diensttauglich?“
„Kann ich ihnen nicht sagen. Zuerst müssen sein halbes Gesicht und Teile des Schädels geklont und hergestellt werden. Sein Gehirn ist sogar unbeschädigt, aber ohne schützenden Schädel drum herum ...“
„Autsch.“
„Er hätte tot sein müssen bei der Verletzung ...“ meinte Miriam.
„Hätte er. Und der Typ, der sich während der Schwerelosigkeitsphase eine Prellung am Bein zuzog, hätte eigentlich überleben müssen.“

Mit etwas Verspätung konnte ich den befohlenen Gefangenenaustausch in die Wege leiten. Die Formalitäten waren schnell erledigt, wir wurden aufgefordert, den Gefangenen der Station zu übergeben.
Sesak Sasmak wurde in Handschellen von zwei Sicherheitsleuten flankiert. McGrown und ich, außerdem hatten wir noch zwei unserer aufgerüsteten Marines dabei. Sasmak trug Hand- und Fußfesseln sowie einen Energiekragen um den Hals. Vor der Überführung hatte er sich die Haare an den Seiten seines Schädels abrasieren lassen. Über die Mitte seines Schädels zog sich ein Streifen dichten, braunen Haares bis in den Nacken. Seine Fesseln behinderten ihn, sodass wir nur sehr langsam vorwärtskamen. Es schien den Piraten nicht im Geringsten zu stören.
Die kleine Prozession führte uns ein gutes Stück durch die Raumstation. Eigentlich war es üblich, Gefangene am Dock abzuholen. Leider befanden wir uns mit unserem Schiff an einer anderen Stelle und nicht dort, wo wir eigentlich hätten sein müssen. Deswegen standen wir mit unserem Gefangenen dann im Rücken der Stationsleute, als wir ankamen.
„Ehem“ machte ich.
„Ah, Colon ... Marc?!?“
Die Uniform des Stationskommandanten wies etwas anders gestaltete Rangabzeichen auf, ein paar seiner Begleiter hatten noch die normalen Abzeichen und andere ebenfalls die etwas modifizierten.
Das Gesicht allerdings, ich hätte nicht gedacht, es noch mal wieder zu sehen.
„Marcus?“ fragte ich ungläubig.
„Nicht zu fassen, ich hätte gedacht ich sehe dich nie wieder, nachdem man dich auf der Erde gefeuert hat.“
„Ich genauso.“
„Heute Abend etwas Zeit?“
„Ist das eine Einladung?“
„Ganz genau.“
„Wo?“
„Ich hol dich hier ab, sagen wir 20 Uhr genau hier?“
„Geht klar.“
„Hast du die Papiere?“
Ich drückte ihm die Datentafel mit den Daten des Gefangenen in die Hand. Er winkte einem der Sicherheitsmänner und dieser hob einen Scanner und hielt ihn vor Sesaks Gesicht.
„Positiv“ sagte er schlicht.
Er trug unmodifizierte Rangabzeichen.
„Der Gefangene ist also ordnungsgemäß identifiziert?“
„Ganz genau.“
„Hiermit übergebe ich Ihnen den gefangenen Piraten Sesak Sasmak.“ sagte ich laut und bestätigte mit meinem Fingerabdruck die Übergabe.
Natürlich wurde dabei nicht nur der Fingerabdruck überprüft. DNS-Profiler nahmen ein paar Hautschuppen unter die Lupe, Stimmsensoren speicherten das Stimmprofil und zusätzlich wurde kontrolliert, ob ich überhaupt am Leben war.
„Was wird mit ihm geschehen?“ fragte ich dann.
„Wir schaffen ihn in das Stationsgefängnis, dort bleibt er bis Inquisitor-Captain Eredor hier eintrifft und ihn mitnimmt.“
„Wäre eine Luftschleuse oder ein Erschießungskommando nicht effektiver?“
„Der Mond ist genauso hinter den Piraten her wie alle anderen auch. Und da die Raumflotte mittlerweile unter Oberkommando der Mondstreitkräfte steht ...“
„Ach daher die Rangabzeichen?“
„Ach, gemerkt?“
„Sicher. Der Rangcode scheint mir nur modifiziert zu sein aber nicht grundlegend anders.“
„Wir sind quasi seit 2523.25 offiziell Angehörige der Weltraum-Marine.“
„Das klingt komisch.“
„Man hat sich mit den Mondstreitkräften darauf geeinigt, dass die reinen Raumflotten eine Marine darstellen. Die Kampfjäger stehen noch unter dem Begriff Luftwaffe und alle Kampftruppen fallen unter Heer.“
„Das hört sich sehr seltsam an.“
„Ich komme mir im Mo ... ach lassen wir das.“
„Wir sehen uns dann heute Abend und viel Spaß mit dem da.“ Ich deutete auf den Gefangenen.
„Nun denn, Colonel, viel Glück noch und bis heute Abend. Ach, bevor ich es vergesse, hier ist eine Liste mit Gefangenen, die im Moment bei uns einsitzen. Ich bin angewiesen worden, Auslieferungswünsche entgegen zu nehmen, wenn welche vorhanden sein sollten.“
Er überreichte mir eine Datentafel, die ich erstmal an McGrown weiter gab. Dieser warf einen Blick auf die Liste und zuckte ganz leicht zusammen. Konnte auch sein, dass ich mir das eingebildet hatte.
Sasmak grinste mich bitterböse an. Ich hatte ein sehr ungutes Gefühl bei der Geschichte, aber fürs Erste war ich nur froh, ihn nicht mehr an Bord meines Schiffes zu haben.
Wir machten uns so schnell wie möglich auf den Rückweg.

„Colonel?“ fragte mich McGrown.
„Ja?“
„Die Liste ...“
„Was ist damit?“
„Es ...“ er suchte nach Worten.
„Sehen Sie hier.“ er hielt mir die Datentafel vor die Nase. Ich las den hervorgehobenen Namen: „Ernest Brint“.
Wir sahen uns an und ich verstand, was er meinte. Irgendwo ertönte ein Alarm, dem ich allerdings keine Beachtung schenkte. Wir waren derweil wieder in unserem Hangar angekommen.
„Colonel?“ sprach mich August Hornfeld direkt an, als wir um die Ecke bogen.
„Ja, Lieutenant?“
„Gut, dass ich Sie erwische. Wir haben jetzt die gröbsten Schäden im Inneren des Schiffes beseitigt.“
„Und?“
„Wir haben Manipulationen an den Schildgeneratoren gefunden, die die Leistung herabsetzten.“
„Inwiefern?“
„Die Felder sind falsch konfiguriert, sie bieten nicht den effektivsten Schutz.“
„Haben Sie das korrigiert?“
„Ja.“
„Können Sie nach verfolgen, wer die Änderungen gemacht hat?“
Wir erreichten den Zugang zum Schiff.
„Ich konnte die Änderungen zurückverfolgen, allerdings bringt mich das jetzt zu meinem Problem.“
„Lassen Sie hören.“
McGrown stand neben uns.
„Laut Protokoll müsste ich es gewesen sein, aber ich weiß, dass ich es nicht gemacht habe.“
McGrown war kurz darauf verschwunden.
„Geben Sie mir bitte umgehend einen umfassenden Bericht. Varl?“
„Colonel?“
„Übernehmen Sie das.“
„Wird erledigt.“
Varl und Hornfeld verschwanden.
„Ich glaube wir haben ein Sicherheitsproblem.“ sagte McGrown neben mir. Ich zuckte zusammen, McGrown fuhr fort: „An die Steuerung kommen nur eine Handvoll Personen, und die Fähigkeit, die Zugänge zu markieren traue ich noch weniger Leuten zu.“
„Genau so etwas dachte ich mir schon.“
„Entweder Sicherheit oder Maschinenraum, und auch nicht unbedingt jemand, der in der Hierarchie irgendwo ganz unten steht.“
„Was schlagen Sie vor?“
„Ich werde mich ein wenig umsehen.“
„Und dann?“
„Entweder finde ich was oder wir haben einen weiteren Fall von Nano-Steuerung.“
„Nano-Steuerung?“
„Würde ich mal behaupten. Der Pilot, der uns den ganzen Schlamassel eingebrockt hat, war ferngesteuert. Für nichts anderes konnte man diese Sender / Empfänger Kombination gebrauchen.“
„Warum sagen Sie mir das erst jetzt?“
„Ich habe etwas Zeit gebraucht, Ihre Technik-Datenbanken nach solchen Techniken zu durchforsten. Um es kurz zu machen: Gerhard Mönchsfeld war wahrscheinlich ferngesteuert.“
„Eine Echtzeit-Steuerung dürfte es aber nicht gewesen sein.“
„Nein, eher so eine Art Kampfprogramm nur etwas ausgefeilter. Wenn ich die Nano-Implantats-Technik richtig verstanden habe, wäre ein kleines System, das nur für diesen Zweck gebaut wurde, durchaus in der Lage für solche Anschläge.“
„Die Frage ist aber, warum wurde es jetzt aktiviert?“
„Die Frage ist eher, warum nicht?“
„Wie meinen Sie das?“ wir standen immer noch an der Tür, es war allerdings weit und breit keiner zu sehen.
„Kann ein dummer Zufall gewesen sein oder irgendjemand hat den Knopf gedrückt, um das Programm zu aktivieren. Die Frage ist wer.“

Da wir einen längeren Aufenthalt auf der Victoria vor uns hatten, wurden für zwanzig Prozent unserer Besatzung Besuchervisa bereitgestellt. Ich ordnete allerdings auch striktes Drogenverbot an. Wer erwischt wurde, durfte sich auf etwas gefasst machen. Außerdem ordnete ich Sicherheitspatrouillen an, die überall dort unterwegs sein sollten, wo unsere Leute unterwegs waren.
Eine wesentlich größere Sorge war die Gefangenenliste mit den Austauschkandidaten. Wie McGrown und Garvant mir versicherten, waren alle Personen auf der Liste Besatzungsmitglieder der CV-223 gewesen. Allerdings hätten noch 20 Namen mehr auf der Liste sein müssen.
Irgendetwas stank an der Angelegenheit. Da ich mir keinen Reim darauf machen konnte, beschloss ich, das Ganze nur sehr zögernd anzugehen. Auf jedem Fall hatte ich das Gefühl, dass der Besuch auf der Victoria noch sehr interessant werden dürfte. Zuerst war mein Treffen mit meinem alten Flügelmann Marcus McLayred angesagt.
Wir trafen uns wie abgesprochen an der Landebucht 12 und er führte mich dann in den Vergnügungsbereich der Station. Unterwegs wechselten wir einige belanglose Gespräche, so was wir zuletzt gemeinsam unternommen hatten und dergleichen. Nach einer scheinbar ewig langen Wanderung durch die zivilen Geschäftsbereiche und Nebenkorridore landeten wir in einer Diskothek.
Sie war nicht groß, hatte aber zwei Etagen. Die obere Etage war ein etwas breiterer Laufgang, wo sich das DJ-Pult befand. Außerdem gab es dort zwei Theken, eine davon war ein wenig mit dünnen Wänden abgeschirmt, sodass man sich dort unterhalten konnte. Drum herum standen ein paar Tische. Es stank nach Alkohol, Schweiß, Parfum und Keller. Zwei Teenager schoben mich aus dem Weg, in schicke Lackklamotten gepfercht. Ein Riese von einem Kerl stand auf der Tanzfläche und lies die Haare fliegen. Keiner traute sich in die Nähe des Typen.
Musikalisch wurde überwiegend etwas geboten, was mit relativ vielen jaulenden Elektrogitarren zu tun hatte. Es war zwar nichts, was man aktuell als Mainstream Trend bezeichnen konnte, aber es wurden recht aktuelle Titel gespielt, die ich teilweise kannte. Überall an den Wänden hingen Hinweise, dass die Disco während des Besuchs des Inquisitors geschlossen blieb. Auch jegliche Hinweise auf dieses Lokal sollten für die Zeit verschwinden. Man würde sich aber wieder melden, sobald der Mann von Bord war.
Ich deutete auf einen der Zettel und brüllte Marcus ins Ohr: „Vorsichtsmaßnahmen?“
Er brüllte zurück: „Mehr als dass. Auf Mond-Stationen sind nicht einmal Geschäfte erlaubt, geschweige denn Vergnügungsanlagen. Der gesamte Vergnügungspark wird ab übermorgen umgebaut.“
Wir betraten den etwas gedämpften Bereich. Marc besorgte uns etwas zu trinken, ich nahm derweil an einem Tisch platz. Durch ein Fenster konnte ich die Tanzfläche beobachten. Marc stellte mir ein Kaltgetränk ohne Alkohol vor die Nase, er genehmigte sich ein Bier.
„Wieso habt ihr eigentlich ein Alkoholverbot?“
Ich überlegte kurz und sagte dann: „Ein fieser Piraten-Boss hat ein Kopfgeld auf mein Schiff und die Besatzung aussetzt.“
„Das klingt nach Ärger.“
„Das ist Ärger, die Reparaturen an meinem Schiff sind wegen des Anschlags notwendig geworden.“
„Welche Reparaturen?“
Ich wurde hellhörig. „In welchem Dock liegen wir?“ fragte ich ihn.
„Landestation 12, das dachte ich jedenfalls.“
Ich machte ein Zeichen: Werden wir beobachtet oder überwacht?
Er schüttelte mit dem Kopf.
„Wir liegen in der G-Werft 2“
„Ich dachte, die hätte ich stilllegen lassen.“
„Die Stimme im Komm gab sich als Stationskommandant aus.“
„Wahrscheinlich, damit ihr überhaupt den neuen Leitstrahlvektor annehmt.“
„Sehr wahrscheinlich, aber das macht mir jetzt Magengrummeln.“
„Da hat sich jemand in den Funkverkehr eingehackt und euch dann in einen toten Bereich geführt?“
„Wir haben Energie, Wasser und Treibstoff, es gibt aber kein Personal.“
„Wie auch, eigentlich sollte dort nicht mal Luft vorhanden sein.“
„Warum?“
„Admiral Benjamin Frankfurt ...“ ich unterbrach ihn. „Admiral Benjamin Frankfurt? Benny?“
„Genau der.“
„Also, was hat er?“
„Er hat die Stilllegung des Docks angeordnet und mit seinen Soldaten überwacht. Er ist zwar noch auf der Station, aber seit etwa einem halben Jahr habe ich das Kommando hier.“
„Was ist passiert?“
„Kann ich dir nicht so genau sagen. Der Admiral macht da ein großes Geheimnis draus.“
„Na so geheim ist es auch wieder nicht.“ sagte da eine Stimme neben uns.
Ich drehte den Kopf und sah da in einem heruntergekommenen schwarzen Lederdress Benjamin Frankfurt stehen. Kahl geschoren, an die zwei Meter groß und stämmig. Wenn man ihn so sah, hätte man ihm nie geglaubt, dass er mal Ausbilder bei den Erdstreitkräften war. Um genau zu sein, er war mein Ausbilder und wir haben einige Zeit gemeinsam in einer Staffel gedient.
„Ich hätte jetzt nicht erwartet, dass du hier auftauchst.“
„Wäre ich auch nicht, wenn Marcus mir den Tipp nicht gegeben hätte.“
Marcus sagte daraufhin: „Ich konnte ein altes Rottentreffen der letzten Überlebenden der Cappa-Rotte doch nicht ohne den Dritten einberaumen.“
„Nee ist klar.“ sagte ich dann.
„Gefällt dir dein Liegeplatz?“
„Würde sagen, nicht schlecht.“
„Ich hab meine alten Codes benutzt, um euch umzuleiten. Ist wichtig.“
„Genauso die Übernahme der Gefangenen?“
„Ja. Die müssen wir so schnell wie es geht verschwinden lassen.“
„Warum?“
„Weil der Inquisitor die anderen Überlebenden garantiert auch noch befragen, foltern und hinrichten wird.“
„Glaubst du, wir hätten Interesse an den Personen? Also der Mars?“
Der Admiral nickte nur.
„Ist das hier ein konspiratives Treffen?“ fragte ich dann.
Meine beiden Gegenüber schüttelten mit dem Kopf. „Nicht dass ich wüsste.“
„Die CV-223 Leute?“ fragte Marcus.
„Ja.“ sagte der Admiral schlicht und fuhr dann fort. „Normalerweise hätte ich die Leute nur unter Verschluss gehalten und versucht heraus zu finden, was passiert ist. Leider hat der Inquisitor eine andere Vorstellung von den Ereignissen. Selbst, nach dem er die Verhör-Berichte sowie einige andere Dinge gehört hatte, ist er der festen Überzeugung, die Besatzung hätte ihr Schiff mit Absicht gefährdet. Die Überlebenden wären schuld an dem Tod der anderen zweitausend Besatzungsmitglieder.“
Das klang nach einem typischen verblendeten Fanatiker.
„Was hast du eigentlich mit der CV-223 zu schaffen?“ fragte mich dann Marcus.
„Wir haben im Auftrag der Thetis das Schiff zerstört. Dort sind Piraten eingedrungen, die das Schiff übernehmen wollten.“
„Zerstört?“
„Ja.“
„Schade. Ich habe den Kommandanten gebeten, das Schiff nicht sofort zu verschrotten, sondern dies so lange nach hinten zu verschieben wie möglich.“
„Warum das?“
„Das Schiff hatte eine recht interessante Geschichte.“ sagte Benny dann.
„Magst sie erzählen?“
„Nein.“
„Schade ...“
„In ein paar Tagen kommt ein Kurierschiff vorbei. Es wird eine Tach-Com Einheit für uns transportieren. Die müsste in den Werftbereich.“
„Ich sehe mal, was ich machen kann. Ein zweites Schiff umzuleiten, könnte haarig werden.“
„Können wir einen versiegelten Container durchschleusen?“
„Das müsste gehen.“
Marcus räusperte sich: „Ich kümmere mich darum. Ich hab da eine Idee.“
Ich blickte mit gespielter Langeweile durch das Fenster nach unten. Marcus und Benny bequatschten irgendetwas. Auf der Tanzfläche hatten sich zwei Frauen einen beachtlichen Platz erobert und wirbelten umeinander. Auf dem zweiten Blick konnte ich die Beiden erkennen.
Ganz in Weiß tanzten da gerade Caren Krieger und Gina Wemayr miteinander und lieferten eine ziemlich heiße Show ab. Das Schwarzlicht sorgte für eine sehr interessante Optik. Ich fragte mich an der Stelle, ob ich den Beiden in einer ruhigen Minute mal sagen sollte, dass ihnen weiße Seide zwar steht, allerdings in einem Club, in dem Jeans und Leder angesagt sind, vielleicht doch nicht so ganz angemessen ist.
„Hast du etwas auf dem Herzen?“ fragte dann Benjamin an mich gewandt.
„Sagt dir der Stein 571RB etwas?“
Marcus zuckte sichtlich zusammen, der Admiral stutzte ebenfalls.
„Ja. Ein geheimer Stützpunkt, den wir zu der Zeit stillgelegt haben, als du auf dem Mars fangen gespielt hast.“
„Was war das für eine Basis?“
„Es sollte eigentlich ein Posten wie die Victoria werden,. Wir hatten damals allerdings Berichte bekommen, nach denen der Mond wohl ebenfalls an dem Stützpunkt interessiert war.“
„Im Prinzip haben wir ihn dicht gemacht, weil wir ihn nicht geheim halten konnten.“
„Ich habe Aufzeichnungen gelesen, die älter waren als die Zeit um 2510 herum ...“ begann ich.
„Wir haben zuerst mit zivilen Unternehmen zusammengearbeitet, um die Basis aufzubauen. Wir brachten Gerüchte in Umlauf, auf der Station würde es spuken, ungeklärte Todesfälle, und dergleichen.“
„Da war nichts dran?“
„Nicht zu der Zeit, als die Station noch von zivilen Kräften genutzt wurde. Das Unternehmen hat dann auch ordnungsgemäß Pleite gemacht, die Eigentümer wurden fürstlich von uns entschädigt und gründeten eine neue Firma.“
„Klingt interessant.“
„Wir haben die Station später wieder in Besitz genommen, und bis 2511 betrieben."
„Ich war bis 2514 auf dem Mars gefangen ...“ sagte ich dann.
„Der Anschlag 2509 hatte so große Löcher in die politischen Riegen geschlagen, dass der Mond ohne Probleme überall seine Leute unterbringen konnte.“
„Wir brauchten zwei Jahre, um alles so vorzubereiten, dass wir die Basis stilllegen konnten.“
„Ich habe ein paar Leute auf der 571RB verloren. Sie sollten die Station erkunden. Wir mussten etwas improvisieren, weil das Piratenschiff, welches wir aufgerieben haben, irgendwo andocken musste, damit es nicht auseinander brach.“
„Wir haben während der Evakuierungsphase ebenfalls viele Leute verloren, allerdings haben wir das nicht weiter untersucht. Einige Tote waren für die Geschichte nicht verkehrt. Der Stützpunkt, auf dem böse Geister wohnen.“
„Wurde das nie untersucht?“
„Nein. Eigentlich hätten wir die ganze Anlage sprengen sollen ...“ sagte Benjamin.
„Warum stand davon nichts in deinen Befehlen?“
„Hab ich wohl vergessen.“
„Na so was.“ Marcus schüttelte den Kopf.
„Der Mars plant, die Basis wieder in Betrieb zu nehmen.“ sagte ich dann.
„Wäre nett, wenn sie die halbfertigen Schiffe in Ruhe lassen.“
„Warum?“
Der Admiral sagte dazu nichts mehr.
Unser Diskothekenbesuch dauerte noch die halbe Nacht. Wir fingen erst an, zu alten Klassikern ein wenig abzutanzen und haben wir uns irgendwann darauf verlegt, fangen zu spielen. Als nicht mehr so viel los war, durften wir auch noch klettern und von oben runter springen. Wir hatten definitiv eine Menge Spaß. Gina und Caren waren irgendwann verschwunden. Es war schon fast wieder wie in alten Zeiten. Meine beiden Ex-Kollegen willigten ein, mal vorbei zu kommen und sich die Gefräßiger Wolf anzusehen. Im Gegenzug sollte ich dann die Station auch etwas genauer kennen lernen.
Am nächsten Morgen hatte ich den fiesesten Muskelkater der letzten Jahre.

Zwei Tage später traf das Kurierschiff ein. Wie verabredet wurde die Tach-Com-Einheit in einem versiegelten Behälter überstellt. Ein zweiter Behälter wurde ebenfalls ausgeliefert, obwohl dies nicht vereinbart war. August Hornfeld und Gina nahmen die Lieferung an, wobei Hornfeld den zweiten Behälter sofort zurückschicken wollte. Gina sah allerdings das Stückgut-Schild: CV-223-571RB. Auch ohne, dass sie von dem Gespräch mit dem Admiral wusste, traf sie die richtigen Schlussfolgerungen. Wir ließen die Frachtbox an Bord bringen und holten dann die Stasis-Kapseln der Überlebenden der CV-223 aus dem Container. Der Container selbst wurde sofort wieder zurückgeschickt.
„General? Ich hab sie.“
Meine ersten Worte über das neue Tach-Com Interface zu meinem Vorgesetzten waren zwar nicht gerade die informativsten, aber sie erfüllten ihren Zweck.
„Gut.“ sagte er schlicht.
„Neue Befehle?“
„Noch nicht. Wir überprüfen erst, ob die Verbindung sicher ist. Das kann noch etwas dauern.“
Ich erzählte dem General , dass ich alte Kameraden getroffen hatte, mit ihnen in einer Disco war und danach ein wenig Muskelkater hatte.
„Das Loch.“
„Wie meinen, General?“
„So heißt die Diskothek, in der Sie waren.“
„Oh.“
„Ihr erster Besuch auf der Victoria?“
„Nicht wirklich, aber die Diskothek habe ich damals nicht kennen gelernt.“
„Ist auch ein Insider.“
„Was sagt die Verbindung?“
„Sicher.“
„Ich hab die Überlebenden der CV-223 in Stasis an Bord.“
„Sehr schön. Ich nehme an Benny kennst du noch von früher?“
„Ja.“
„Ich hab ihn kennen gelernt, als wir über deine Freilassung verhandelt haben. Die wichtigen Entscheidungen haben wir im Loch getroffen, weil das der einzige Ort ist, an dem man sich auf der Victoria unbeobachtet unterhalten kann.“
„Und nun?“
„Hilf deinen alten Kameraden dabei, die Spuren zu verwischen. Eventuell stopft ihr den Frachtcontainer mit Müll voll, den ihr da bestimmt überall herum liegen habt.“
„Eventuell irgendwas in die Luft jagen?“
„Das könnte kontraproduktiv sein.“
„Also eher alles abstreiten.“
„Besser ist.“
„Also jagen wir was in die Luft und streiten alles ab.“
„Besser nicht.“
„Ich denke schon, ich hab da so eine Idee.“
„Die da wäre?“
„Dafür müsste Sesak Sasmak mitspielen.“
„Was hat der damit zu tun?“
„Wir schleusen ihm ein paar Waffen zu. Dann soll er nein Gefangenenaufstand anzetteln und am Ende wird das Gefängnis mit Giftgas geflutet, um der Situation Herr zu werden.“
„Das klingt nicht nach normalen Standard-Prozeduren.“
„Auf der Erde oder dem Mars vielleicht, aber auf dem Mond wird gar nicht erst verhandelt.“
„Gute Idee, vielleicht hilft das ja deinen Freunden.“
„Oder es bringt sie um.“

Am Tag nach dem Gespräch mit dem Admiral war es dann soweit. Marcus und Benjamin kamen an Bord. Bei unserem Rundgang durch das Schiff zeigte ich den Beiden einige interessante Orte, wobei ich die kritischsten und die beschädigten Bereiche geschickt ausließ. Die erbeuteten FX-2522 bekamen sie auch nicht zu sehen. Den Abschluss machte ein Besuch in meinem Bereitschaftsraum.
Ohne sie zu fragen, aktivierte ich den Abhörschutz. Auf dem Display in meinem Schreibtisch konnte ich sehen, dass meine Besucher nicht verwanzt waren.
„So, Freunde, was kann ich noch für euch tun?“
„Füll mal den Container, den wir hier rein gestellt haben, mit Müll auf,und zwar exakt 23,323 Tonnen.“
Auf einem Datentablett machte ich eine kurze Notiz und schickte diese an die Technik.
„Wird erledigt, warum?“
„Nun ja, wir haben, nachdem sie ihre Geständnisse unterschrieben haben, die Besatzungsmitglieder der CV-223 hingerichtet.“
„Ehm?“
„Befehl vom Inquisitor. Er wird im Übrigen morgen hier eintreffen und bis dahin will ich die Leichen von Bord haben.“
Marcus' Aussage schockierte mich etwas.
„Sind die Zeiten so hart geworden?“
„Ja, leider.“
„Und die Moral in der Truppe ist für 'n Arsch.“ Benjamin klang verbittert.
„Ich hab mit dem General gesprochen, er hätte vorgeschlagen einen Gefangenenaufstand zu inszenieren, bei dem hart durchgegriffen wurde.“
„Hatten wir auch überlegt, aber das hier war die bessere Variante.“
„Klingt zumindest einleuchtend.“
Ich verteilte einfach mal unseren kalten Kaffee an meine beiden Gäste.
Marcus zuckte zusammen, als er an der Tasse nippte. „Mann ist der heiß!“
„Bekommt ihr euren Kaffee aus dem Kühlschrank?“
Der Admiral nippte an seinem Kaffee. „Das ist der heißeste Kaffee seit einer Woche.“
„Auch neue Richtlinien: Kaffee muss kalt ausgeschenkt werden bei euch?“
„Keine Ahnung, irgendwie wird der Automatenkaffee immer kälter.“
„Was gibt’s eigentlich sonst Neues?“
„Inquisitor Eredor wird morgen hier eintreffen.“
„Ich habe gehofft, vorher weg zu sein.“
„Wie lange braucht ihr?“
„Wenn alles glatt geht, sind wir morgen startklar.“
„Wir holen den Container heute nachmittag ab. Im Übrigen gefällt mir dein Schiff.“
„Ich würde lieber wieder in einem Kampfjäger sitzen.“ sagte ich dazu.
„Habt ihr auch diese neuen Kampfjäger an Bord?“
„Neue Kampfjäger?“
„Ja, diese Wolfsklauen.“
„Ein paar Maschinen davon sind an Bord, ja.“
„Schon geflogen?“
„Was denkst du denn?“
„Hätte ich mir denken können.“
„Geile Maschinen, zwar etwas groß und schwer, aber auch wendig.“
„Ich würde gerne mal so eine Maschine in Aktion sehen ...“
„Ich glaube, das lässt sich erstmal nicht so einrichten.“
„Schade, eigentlich.“
„Die Maschinen sollten doch eigentlich schon relativ weit verbreitet sein ...“ merkte ich dann an.
„Wir haben bis jetzt keine Daten erhalten. Der Aufklärungsdienst meinte lapidar, die Wolfsklauen wären eine Fehlentwicklung gewesen, die nach 10 Jägern wieder eingestellt worden sei, nachdem das neue Jägermodell zu schwer, zu langsam und viel zu träge wäre.“
„Wo klärt ihr denn auf?“
„Gute Frage. Der Flotten-Nachrichtendienst sprach von knapp 30-40 Maschinen, die existieren sollen.“
Es ging sie nichts an, dass wir Wolfsklauen und XF-2522 Jäger an Bord hatten und auch die Dogfight-Fähigkeiten beider Maschinen mittlerweile recht gut kannten.
„Was macht eigentlich der Inquisitor noch auf der Station?“
„Er will irgendeine Verlautbarung verlesen und hat neue Befehle für mich.“
„Neues Kommando, Admiral?“
„Anscheinend.“
„Ich denke ich darf sie mir wohl zwangsweise anhören, diese Verlautbarung.“
„Wahrscheinlich.“
Ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus.
„Wie geht es Sasmak?“
„Sas-wer?“
„Der Gefangene, den ich dir vor ein paar Tagen übergeben habe. Und erzähl keinen Müll, ich hab die Übergabe-Papiere.“
Beide seufzten laut und sahen sich an.
„Der ist weg.“ sagte dann Benjamin.
„Wie weg?“
„Geflohen. Er hat sich irgendwie aus den Handschellen befreit und vier Wächter getötet. Seit dem ist er verschwunden.“
„Autsch.“
„Ganz böses Autsch. Der Inquisitor hat verlauten lassen, dass er Sasmak sehr bald nach der Verlautbarung haben will. Scheint was sehr Persönliches zu sein.“
„Könnt ihr ihn nicht per Überwachung aufspüren?“
„Wenn ihn jemand aufspüren wollen würde, würden wir das vielleicht noch hin bekommen.“
Das war an der Stelle eine wichtige Information. Mein Sicherheitschef musste informiert werden.
„Varl?“
„Colonel?“
„Ab sofort erhöhte Sicherheitsmaßnahmen. Überprüfen Sie alle Personen, die an Bord gehen wollen, und finden Sie heraus, ob sich eventuell ein blinder Passagier eingeschlichen hat.“
„Warum das, Colonel?“
„Klein Sesak Sasmak ist geflohen und ich habe keine Lust, ihn wieder an Bord zu haben.“
„Wird erledigt.“
Zu meinen Besuchern gewandt fragte ich: „Hättet ihr das nicht früher sagen können?“
Um Schlimmeres zu vermeiden gab ich der Brücke noch eine Entscheidung durch: „Alle Personen mit Landurlaub haben sich innerhalb der nächsten zwei Stunden zurückzumelden. Ausgangssperre für alle Besatzungsmitglieder ohne Genehmigung. Bitte geben Sie mir Bescheid, wenn es soweit ist.“
„Betrya hier, Bescheid, bis auf eine!“
„Bitte was?“
„Sind alle an Bord, ich lass das zwar noch prüfen aber aktuell ist keiner mit Landgang mehr draußen, bis auf Miss Tear.“
„Danke.“ Ich unterbrach die Verbindung und sah meine Besucher an.
„Ist nix mehr los auf der Station oder was ist das?“
„Vor zwei Tagen ließen wir alle zivilen Geschäfte schließen und die Zivilisten warten jetzt auf einen Transfer zur Erde oder einer anderen zivilen Raumstation.“
„Ich werde kein Taxi spielen. Warum schafft ihr sie nicht in die anderen Anlagen auf dem Stein hier?“
„Das ist Plan B, wir haben allerdings die Bevölkerung gebeten, erst einmal mitzuspielen, das hier kann eine böse Sache werden.“
„Warum?“
„Die zivilen Geschäfte und Vergnügungsmöglichkeiten an Bord waren eigentlich der Grund, warum die Mannschaft hier nicht meutert. Und ich hätte jetzt gerne eine unzufriedene Crew und ein paar wirklich grimmige Leute, die diesen Bastarden vom Mond zeigen, dass sie sich mit ihren Regeln hier kräftig in die Nesseln setzen.“
„So schlimm?“
„Die Regelungen sind schwachsinnig und kontraproduktiv. Andernfalls hätten wir sie schon längst eingeführt.“
„Klingt ja sehr aufbauend.“
„Ist es. Unsere Flotten werden noch einmal vergrößert und wir bekommen vom Mond zwei Flotten dazu.“
„Wo seid ihr dann?“
„Insgesamt? Bei sechs Flotten.“
„Das klingt wirklich langsam etwas übertrieben ...“ merkte ich an.
„Es ist übertrieben. Man will so viele Leute wie möglich in den Militärdienst holen, bevor die nächste Evakuierungswelle startet.“
„Ich dachte, auf der Erde wäre die Versorgungslage wieder stabil?“
„Ist sie auch, aber der Mond hat mittlerweile eine zu große Bevölkerungsdichte.“
„Wie viele?“
„Die Sargnadel wird um eine Milliarde Plätze erweitert.“
„Das wird Ärger geben.“
„Wird es. Offiziell wird davon allerdings noch nichts besprochen, nur der Generalstab und einige hohe Offiziere wissen Bescheid.“
„Und was sagt der Stab dazu?“
„Admiral Bergenhoff und einige andere waren nicht sehr davon angetan.“
„Bergenhoff? Ich hatte ihm meinen Urlaub auf dem Mars zu verdanken.“
„Er hat sich etwas gewandelt. Jedenfalls lässt er gewaltig Dampf ab, was die neuen Pläne angeht.“
„Kann ich mir vorstellen. Zweite Flotte?“
„Ja, die ist ihm.“
„Er war sowieso nie so davon begeistert, was die Zusammenführung von Mond und Erde anging. Dass er seine Flotte wieder aufbauen durfte, nachdem er sie auf dem Mars zum Teufel gejagt hat, wundert mich aber ehrlich gesagt.“
„Bergenhoff hat ziemlich gute Beziehungen und der Auftrag kam vom Präsidenten persönlich. Ihm kann man nichts anlasten. Er gerät nur langsam unter Druck, weil er mit den Leuten vom Mond nicht so klarkommt.“
„Klingt nach Bergenhoff.“
„Er sieht immer noch die Erde als Mittelpunkt der menschlichen Kultur an, der Mond ist seiner Ansicht nach ein Anhängsel und hat nichts in der Regierung zu suchen.“
„Da gebe ich ihm recht, was die Regierung und den Mond angeht, allerdings die Erde als Mittelpunkt der menschlichen Zivilisation?“
„Ich sollte es dir eigentlich nicht sagen, aber er war der Einzige aus dem Stab, der gegen deinen Rauswurf gestimmt hat.“
„Wie?“
„Du warst zwei Jahre auf dem Mars aktiv und hast sie richtig kräftig aufgemischt. Hast zwei weitere Jahre dort in Gefangenschaft zugebracht und solltest eigentlich als Veteran und Held gefeiert werden. Dein Rauswurf war eine Schande für ihn.“
„Und?“
„Er wollte dich in seinem Offiziersstab haben.“
„Das wusste ich nicht.“
Das Gespräch ging zwar noch ein wenig weiter, aber eigentlich gab es nichts Interessantes mehr.
Zum Abschied überreichte mir Benjamin noch zwei Tach-Com Transpondermodule.
„Halte die beiden Teile einsatzbereit aber komme ja nicht auf die Idee, die Dinger dazu zu benutzen, einen von uns zu kontaktieren.“
„Wird gemacht ...“
Vorsichtig legte ich die beiden Module in meinen Safe. Meine Leute füllten anschließend noch den Frachtcontainer und schossen ihn schon einmal in den Weltraum. Viel mehr war eigentlich nicht zu tun, die Gefräßiger Wolf war theoretisch wieder startklar.
Am nächsten Tag kam der Inquisitor auf die Victoria.

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Tag der Veröffentlichung: 30.05.2010

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