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ORGANHANDEL:

• Carla Del Ponte bezichtigt den Anführer des Kosovo des Organhandels:

Ein Buch der ehemaligen Staatsanwältin der UNO beschuldigt die Kosovar-Guerrilla von Thaçi, serbischen Gefangenen Eingeweide herausgerissen zu haben.

Quelle: El Pais
Übersetzung von Ulrich Fischbach:
Unter Beihilfe des aktuellen Premierministers Hashim Taçi wurden im Sommer 1999 zwischen 100 und 300 serbische Gefangene in den Händen der Guerrilla-Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK in albanesischen Buchstaben) mit Lastwagen zu einem Haus in Burrel
(Albanien) gebracht. Dort angekommen, entfernte man ihnen diverse Organe, die für den internationalen Organhandel gebraucht wurden, bis die Gefangenen ihr Leben verloren.
Solche Behauptungen sind Teil des Buches Die Jagd. Ich und die Kriegsverbrecher, veröffentlicht in italienisch von Carla Del Ponte, Ex-Staatsanwältin des Internationalen Strafgerichtshofs für das Ex-Jugoslawien, der vom UNO-Sicherheitsrat eingerichtet worden war, um über die Verbrechen jenes Krieges zu richten.
Das Werk, das in Zusammenarbeit mit Chuck Sudetic entstand, dem ehemaligen, regionalen Korrespondenten der New York Times, wurde diese Woche in Mailand veröffentlicht und rief unmittelbar Polemiken hervor.
Del Ponte erzählt in dem Buch, dass das von ihr ge- leitete Büro des Gerichtshofs für Jugoslawien „erstmalig im Sommers 1999 Informationen über ca. 300 Personen erhielt, die in Lastwagen über die Grenze in Richtung Nord-Albanien transportiert worden seien (…)
Die jüngsten, gesunden, starken und gut ernährten Gefangenen verschonte man mit Schlägen. Sie wurden von medizinischem Personal betreut und später in andere Haftbedingungen in Burrel überführt. Dort wurden sie in einem gelben Haus untergebracht, das als heimlicher Operationssaal diente, wo ihnen Organe entfernt wurden.“ Sobald sie entfernt waren, wurden diese Organe „ins Ausland verschickt, um sie Kliniken zu übergeben, wo zahlungskräftige Patienten auf sie warteten (…) Nachdem man ihnen eine Niere entfernt hatte, wurde einige Gefangene zurück ins Gefängnis gebracht bis zu dem Augenblick, in dem man ihnen andere lebenswichtige Organe entfernte, und man so
schließlich den Tod herbeiführte.“
Die Autoren des Buches schreiben auch, dass „der Organhandel mit Wissen und aktiver Billigung der hochrangigen Offiziere der Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK) betrieben wurde.“ Die Aufdeckung dieser angeblichen Taten ist auf „Angehörige der UNO, Journalisten und auf einen albanischen Staatsanwalt“ zurückzuführen“, erklärt Chuck Sudetic dieser Zeitung. Jene Personen „untersuchten das Haus in Burrel und entdeckten mittels chemischer Stoffe im
Fußboden und in den Wänden Spuren von Blut. Die erste Version der verhörten Albaner war, dass dort eine Frau entbunden hätte. Angesichts der großen Blut- mengen änderten sie die Version und erklärten, dass das Haus als Schlachthof genutzt worden sei.“
Eine Reihe von schauderhaften Daten widerspricht dieser Version. „Die Ermittler entdeckten
eine Fläche von 3 mal 1 Meter in der Mitte des Fußbodens des Raumes, die keinerlei Blutflecken hatte, was auf einen entfernten Operationstisch schließen ließ“, erklärt Sudetic.
„Auch fand man chirurgische Instrumente, Arzneien und Mittel zur Entspannung von Muskeln, wie sie in der Chirurgie verwendet werden, sowie einen Eisschrank mit
entnommenen Organen mit Ziel Flughafen Rinas“. Die heimliche Klinik „durchliefen wahrscheinlich auch Prostituierte verschiedener Länder Osteuropas und Albaniens“, fügt der Coautor hinzu.
Die Beschuldigung macht einen Teil des ausführlichen Buches aus, in dem Carla Del Ponte ihr gesamtes Leben als Juristin durchlaufen lässt. Aber soweit sie sich auf den Kosovo bezieht, stützt sie sich auf Zeugen- aussagen von Personen, deren Identität sie nicht offenlegt, und bringt auch keine direkten Beweise für die angeblichen Verbrechen bei. Warum wurden sie nie angeklagt? Die Autoren weisen auf das Problem der fehlenden rechtlichen Zuständigkeit Del Pontes in der Tatzeit hin. „Es war nicht klar“, schreiben sie, „ob die begangenen Verbrechen in dieser Zeit unter die Rechtsprechung des Tribunals für Jugoslawien fielen (…) Die wenigen Kosovo-Albaner, die zu einer Zeugen- aussage bereit gewesen wären, hätten lebenslang beschützt werden müssen, was den Umzug ganzer Familien
ins Ausland bedeutet hätte (…) Die Polizisten aus Bern in Brüssel, die durch die Bronx patroullieren, wissen wie frustrierend es ist, innerhalb des kriminellen, albanesischen Netzes zu ermitteln.“ Carla Del Ponte schreibt auch, dass einige Autoritäten der UNOKosovomission und der NATO „um ihr Leben fürchteten und um das der Mitglieder der
Missionen“ und dass „einige der Richter des Tribunals für das Ex-Jugoslawien befürchteten, ermordet zu werden“.
Die NGO Human Rights Watch bestätigte am Freitag, dass das Buch Del Pontes „ausreichende Gewißheit“ beibringt, um die Regierung des Kosovo und Albaniens
aufzufordern zu einer „förmlichen Ermittlung, die die Richtigkeit der Anschuldigungen überprüft“.
In dem Buch rechnet Del Ponte mit alten Gegner ab, und zwar mit einer Offenheit, die die schweizerische Regierung zu der Bitte veranlasste, davon abzusehen, es vorzustellen oder mit den Medien darüber zu sprechen. Seit Anfang dieses Jahres ist die Ex-Staatsanwältin in Argentinien Botschafterin der Schweiz, einem Land, das gerade eine Botschaft im Kosovo eröffnete, was es zu einem der ersten machte, das diplomatische Bindungen mit dem neuen Staat einging.
„La caza (Die Jagd, der Übers.) wurde unter ihrer Verantwortung als Ex-Staatsanwältin geschrieben, aber die Erklärungen, die es enthält, sind nicht vereinbar mit ihrer aktuellen Funktion als Repräsentantin der schweizerischen Regierung“, erklärt Jean-Philippe Jeannerat, Sprecher des schweizerischen Außen- ministeriums. „Wenn Del Ponte über ihre An- schuldigungen, die sie in ihrem Werk aufstellt, öffentlich spricht, könnte dies als offizielle
Position der schweizerischen Regierung ausgelegt werden, was unakzeptabel wäre.“
Am 31. März, noch vor der Präsentation in Mailand, wurden Del Ponte von ihrer Chefin Micheline Calmy-Rey (schweizerische Außenministerin) disziplinar- rechtliche Schritte angedroht, wenn sie nicht schnellstmöglich nach Buenos Aires zurückkehre. Laut der Ex-Staatsanwältin nahestehenden Quellen zeigte diese ein „relatives Unverständnis“ für die
Entscheidung, sie (die Veröffentlichung, d. Übers.) zu verschweigen, aber sie befolgte die Anweisung.
Jedoch ist es ungewiss, ob Del Ponte in der argentinischen Hauptstadt offiziell angekommen
ist, wenn man sie für die kommende Woche erwartet, wie Jorge Marirrodriga aus Buenos
Aires berichtet.
Die Präsentation des Buches vor der Presse in Mailand wurde im letzten Augenblick abgesagt, nachdem man von der Position der schweizerischen Regierung erfahren hatte. Dies bestätigt Lucia Piani vom Verlag Feltrinelli, der La caza herausgegeben hat.
Im Balkan hat das Buch Aufsehen erregt. Anhänger von Thaci, dem kosovarischen Premierminister, versicherten, dass es „eine Reihe von Lügen“ aufliste. Der Justizminister des Kosovo, Nekibe Kelmendi, trägt seinerseits vor: „Es ist eine Erfindung von Carla Del Ponte und der Serben, um mein Land zu diskreditieren.“ Aus Sicht der Serben hat die Betrachtung der kosovarischen Guerrilla als „kriminelle Mafiabande“ Befriedigung hervorgerufen. Del Ponte hatte den Ex-Präsidenten Serbiens, Slobodan Milosevic, auf die Anklagebank gebracht. Warum wurden diese Scheußlichkeiten so spät ans Tageslicht gebracht“? Chuk Sudetic erklärt: „Del Ponte genießt zur Zeit eine Freiheit zu sprechen, die sie als Generalstaatsanwältin nicht hatte. Sie glaubt, es sei besser, die geheimen Mechanismen der
internationalen Justiz mit einem Buch zu erklären als mit einem langweiligen Artikel für eine
Rechtsanwaltszeitschrift, den niemand liest. Es ist möglich, dass sich die Zeugen letztendlich trauen zu sprechen, wenn sie diese Geschichte lesen.“


***




Deutscher Bundestag Drucksache 15/4225

15. Wahlperiode 17. 11. 2004

Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 15. November 2004 übermittelt.

Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.
Antwort
der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ina Lenke, Dr. Rainer Stinner, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 15/4072 –
Menschenhandel und Zwangsprostitution im Kosovo
Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r
Organisiert begangene Verbrechen, auch mit Einsatz von Waffen, sind im
Kosovo nachweisbar ein Problem. Neueste Schätzungen ergaben, dass sich
ungefähr noch 330 000 bis 450 000 Waffen im privaten Besitz befinden.
Die „Central Intelligence Unit“ (CIU) der UNMIK-Polizei hat in ihrem Bericht
für das Jahr 2004 drei Bereiche organisiert begangener Verbrechen im
Kosovo hervorgehoben:
1. Drogenhandel: Die so genannte „Balkanroute“ (Türkei-Ehemalige Jugoslawische
Republik Mazedonien-Kosovo-Westeuropa) war ursprünglich
eine der Haupthandelswege zwischen Orient und Okzident. Ca. 80 Prozent
des in Westeuropa verkauften Heroins kommt über diese Route.
2. Waffenschmuggel: Laut CIU können die Aktivitäten von Kosovaren im
Bereich des Drogenhandels als Versuch gewertet werden, die mit kriminellen
Mittel erworbenen Geldmittel und die Gebietskontrolle zu nutzen, um
Waffen in das Kosovo und in angrenzende, mehrheitlich von Albanern besiedelte
Gebiete zu schmuggeln. Auf diesem Wege wird versucht, politische
Extremisten zu unterstützen.
3. Handel/Schmuggel von Menschen: Der Handel mit Frauen und Kindern in
Südosteuropa ist besorgniserregend. Das Kosovo wurde in den vergangenen
Jahren nicht nur als Transitland für verschleppte Frauen und Mädchen
aus osteuropäischen Ländern benutzt, sondern hat sich mittlerweile auch
als Zielland dieser Verschleppungen erwiesen. Dort werden die Frauen und
Mädchen zur Prostitution gezwungen. Neben Frauen und Mädchen aus
osteuropäischen Ländern werden aber auch zunehmend kosovarische
Frauen und Mädchen in und außerhalb des Kosovos zur Prostitution gezwungen.
Auch dieser dritte Bereich des organisiert begangenen Verbrechens, der Menschenhandel,
bedarf einer intensiven internationalen Beachtung. In verschiedenen
Medienberichten der vergangenen Monate wurde das Thema Zwangsprostitution
im Kosovo vor allem von Amnesty International (ai) behandelt.
Der Kosovo-Bericht im ai-Journal Juni 2004 belegt die tendenziell steigende
Drucksache 15/4225 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Zahl der in Nachtclubs, Tanzhallen, Restaurants, Motels, Hotels und immer
mehr in privaten „Appartements“ zur Prostitution gezwungenen Mädchen und
Frauen sowie den sexuellen Missbrauch von Kindern im Kosovo. ai geht davon
aus, dass der Zuwachs von 18 in diesem Bereich tätigen „Gewerbebetrieben“
im Jahr 1999 bis auf über 2000 „Betriebe“ Ende 2003 mit den im
Kosovo stationierten Soldaten der Nato-geführten Schutztruppe zusammenhängt.
Ebenso heißt es in einem Anfang Mai von ai in der Pristina vorgestellten
Bericht: „Alle zugänglichen Daten weisen darauf hin, dass das Kosovo
ohne die Präsenz der internationalen Gemeinschaft und den Einfluss gut ausgestatteter
westlicher Konsumenten einen eher geringen Stellenwert in der
Balkan-Frauenhandelsindustrie behalten hätte.“ Der ai-Bericht beschreibt u. a.
die Versäumnisse der verantwortlichen UN-Stellen bzw. der Kosovo-albanischen
Provisorischen Selbstregierung, den betroffenen Frauen und Mädchen
zu helfen.
Da funktionierende demokratische Institutionen und Rechtsstaatlichkeit zu
den Standards gehören, die im Kosovo erreicht werden sollen, sind die Bemühungen
im Bereich des Vorgehens gegen organisiert begangene Verbrechen zu
intensivieren. Dies gilt vor allem für den besonders menschenverachtenden
„Zweig“ der organisierten Kriminalität, den Menschenhandel.
1. Welche Stellen befassen sich im Kosovo mit der Bekämpfung des organisiert
begangenen Verbrechens, welche Mittel stehen ihnen zur Verfügung
und befindet die Bundesregierung dies für ausreichend?
Kriminalitätsbekämpfung obliegt im Kosovo vorrangig der UNMIK-Polizei
(zurzeit 3 600 internationale Polizisten) und dem Kosovo Police Service (6 000
Angehörige), daneben auch der Central Intelligence Unit/CIU, einer von
Deutschland, Großbritannien, Italien, Frankreich und den USA betriebenen kriminalpolizeilichen
Sammelstelle für Informationen und Erkenntnisse (53 internationale
Mitarbeiter).
Speziell zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens wurde innerhalb der
UNMIK-Polizei die „Organized Crime Unit (OCU)“ eingerichtet. Der OCU
untersteht u. a. die „Trafficking Persons Investigation Section (TPIS)“, in der
25 internationale und 35 lokale Ermittler an der Identifizierung und Aufklärung
von Fällen des Menschenhandels und der Zwangsprostitution arbeiten. Im Jahr
2005 soll die Zahl der Mitarbeiter auf insgesamt 120 erhöht werden. Auch die
CIU hat eine gesonderte Arbeitsgruppe zum Thema Menschenhandel eingerichtet.
Unter Berücksichtigung der für das Jahr 2005 geplanten personellen Aufstockung
des TPIS hält die Bundesregierung die personelle Ausstattung der internationalen
Ermittlungsbehörden im Kosovo zur Verfolgung der Organisierten
Kriminalität im Bereich Menschenhandel für ausreichend. Die den Ermittlern
zur Verfügung stehende technische Ausstattung sollte weiter verbessert werden.
Die Bundesregierung hat hier bereits in größerem Umfang finanzielle Hilfe geleistet.
Es ist geplant, diese Hilfe fortzusetzen.
2. An welchen dieser Stellen ist die Bundesrepublik Deutschland in welcher
Form beteiligt, und welche nationalen personellen und finanziellen Mittel
werden dafür zur Verfügung gestellt (nach Institutionen aufschlüsseln)?
Deutschland stellt mit zurzeit 268 Polizisten nach den USA das zweitgrößte
Kontingent der UNMIK-Polizei. Fünf deutsche Kriminalbeamte sind in den
Bereichen Ermittlung und Informationstechnologie eingesetzt.
Ein vom Land Nordrhein-Westfalen abgeordneter Kriminaldirektor leitet die
OCU. In der TPIS und zwei anderen der OCU nachgeordneten Einheiten sind
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4225
sieben deutsche Mitarbeiter beschäftigt. Die deutsche Zelle der Central Intelligence
Unit/CIU setzt sich aus 7 BKA-Beamten zusammen.
Zurzeit sind drei deutsche Richter im Kosovo tätig. Einer von ihnen leitet das
„Kosovo Judicial Institute“, das mit derWeiterbildung von Richtern und Staatsanwälten
betraut ist.
Bereits in der Vergangenheit wurde das Kosovo Organized Crime Bureau (bis
2004 Vorläufer der jetzigen Organized Crime Unit/OCU) aus deutschen Mitteln
des Stabilitätspakts Südosteuropa gefördert. In diesem Jahr wurden für das
OCU 388 000 Euro für technische Ausstattung und 150 000 Euro für den Ankauf
von Fahrzeugen zu Observierungszwecken als Zuwendungen zur Verfügung
gestellt.
3. Ist Menschenhandel und Zwangsprostitution ein Straftatbestand im Kosovo
und welcher rechtliche Rahmen steht den offiziellen Stellen im Kosovo
zur Verfügung, um gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel
vorzugehen?
Menschenhandel und Zwangsprostitution sind Straftatbestände im Kosovo.
UNMIK-Erlass Nr. 2001/4 zum Verbot des Menschenhandels im Kosovo definiert
die Begriffe „Menschenhandel“ und „Ausbeutung“ und regelt die Voraussetzungen
zur Konfiszierung von Eigentum und zur Schließung von Etablissements,
in denen die Prostitution gefördert wird. Das am 6. April 2004 erlassene
neue Strafrecht („Criminal Code“) stellt in Artikel 139 den Menschenhandel, in
Artikel 140 die Einziehung von Personaldokumenten von Opfern von Sklaverei
und Menschenhandel und in Artikel 201 die Förderung der Prostitution unter
Strafe. Prostitution selbst ist im Kosovo nicht strafbewehrt.
4. Welche Maßnahmen werden in Anbetracht der Tatsache, dass das Kosovo
ein Transitland für Menschenhandel ist, auf internationaler Ebene durchgeführt,
mit welchen Institutionen/Organisationen und mit welchen Staaten?
Deutschland, Großbritannien, Italien, Frankreich und die USA stehen in der
Central Intelligence Unit in direktem Austausch vor Ort. Die CIU arbeitet darüber
hinaus über Verbindungsbeamte eng mit den Einwanderungsbehörden in
Belgrad und Skopje zusammen. Mit Albanien, Bosnien-Herzegowina und
Montenegro findet eine fallbezogene Kooperation statt.
Die Organized Crime Unit steht in engem Kontakt mit den Sicherheitsbehörden
in Belgrad und organisiert mit diesen monatliche Treffen zur organisierten Kriminalität.
Auch nach Mazedonien bestehen gute Kontakte.
Im Rahmen des Stabilitätspaktes für Südosteuropa wurde im Oktober 2001 ein
umfassendes Regionalprogramm zur Ausbildung, zum Informationsaustausch
und zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Menschenhandels in Südosteuropa
etabliert. Dieses wird vom Büro der South-East Europe Cooperation
Initiative (SECI) in Bukarest koordiniert. Nach dem Modell von Europol organisiert
es den Informations- und Datenaustausch zur Ermittlung, Festnahme
und Strafverfolgung von Menschenhändlern und der Repatriierung ihrer Opfer
zwischen den Staaten der Region. Nationale und regionale Aktionspläne zur
Bekämpfung des Menschenhandels wurden entwickelt. Dazu trugen auch das
„International Centre for Migration Policy Department (ICMPD)“ und das
„International Migration Policy Programme (IMP)“ bei.
TPIS ist außerdem mit einem Repräsentanten im OSZE-Komitee zur grenzüberschreitenden
Bekämpfung des Menschenhandels vertreten.
Drucksache 15/4225 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
5. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zusammenarbeit der im Kosovo
agierenden Geheimdienste in Bezug auf die organisierte Kriminalität im
Kosovo?
Die Bundesregierung erteilt zu nachrichtendienstlichen Fragen nur in den dafür
zuständigen Gremien des Bundestages Auskunft.
6. Auf welche Erfolge können nach Kenntnis der Bundesregierung die Maßnahmen
gegen das organisiert begangene Verbrechen bisher verweisen?
Im Jahr 2003 wurden von der TPIS 2 047 Durchsuchungen auf der Grundlage
des UNMIK-Erlasses zum Verbot des Menschenhandels durchgeführt. In 60 Fällen
wurde Anklage erhoben. Diese führten zu 17 Verurteilungen. 26 Fälle sind
noch gerichtsanhängig. 57 Etablissements wurden im Jahr 2003 geschlossen. In
diesem Jahr wurden von der TPIS bislang 2 092 Durchsuchungen durchgeführt,
62 Anklagen erhoben und 67 Etablissements geschlossen. TPIS hat darüber hinaus
1 893 Interviews mit Betroffenen durchgeführt. 403 Frauen wurden als Prostituierte
ermittelt, von denen 30 in ihre Herkunftsländer repatriiert werden konnten.
Zurzeit werden 9 Frauen in beschützten Unterkünften betreut.
Die Ermittlungen von TPIS haben auch dazu geführt, dass in den vergangenen
Jahren eine Reihe von Etablissements in die von UNMIK erstellte „Off Limits“-
Liste derjenigen Lokale aufgenommen wurden, die von UNMIK- und KFORAngehörigen
nicht aufgesucht werden dürfen. Diese Liste umfasst zurzeit
200 Einrichtungen, die aber nicht zwangsläufig Dienste der Prostitution anbieten.
Unter Androhung von dienstrechtlichen Maßnahmen soll verhindert werden,
dass sich UNMIK-Personal an der Ausbeutung von Frauen und Mädchen
indirekt beteiligt.
7. Sieht die Bundesregierung Defizite im Kampf gegen die organisierte Kriminalität
im Kosovo, und wenn ja, welche, und was gedenkt die Bundesregierung
dagegen zu unternehmen?
Die am Kampf gegen die organisierte Kriminalität im Kosovo beteiligten Einrichtungen
sind regional und institutionell einer Reihe besonderer Herausforderungen
ausgesetzt. Das komplexe Geflecht der von Clanstrukturen dominierten
Organisierten Kriminalität erschwert den Einsatz von V-Personen. Die Organisierte
Kriminalität nutzt zudem die durchlässigen Grenzen des Kosovo. Die
Einreise in den Kosovo ist grundsätzlich visafrei möglich. Bei der Strafverfolgung
im Kosovo macht sich die durch das Engagement der Vereinten Nationen
begründete Vielfalt der Rechtssysteme der Mitgliedstaaten bemerkbar. Die
Bundesregierung setzt sich im Rahmen von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen
für kosovarische Richter für größere Kohärenz und Effizienz bei der Verbrechensbekämpfung
und Rechtsprechung ein.
8. Sind die deutschen Soldaten und Soldatinnen gegenüber der Problematik
der Zwangsprostitution und des sexuellen Missbrauchs von Kindern sensibilisiert
worden, und wenn ja, mit welchen Mitteln und welcher Zielsetzung?
Im Rahmen der Ausbildung von Soldatinnen und Soldaten und insbesondere
von Vorgesetzten, aber auch bei der Einsatzvorbereitung werden Menschenrechtsfragen
umfassend behandelt. Die am Konzept des „Staatsbürgers in Uniform“
und der „Inneren Führung“ ausgerichtete Ausbildung umfasst die ständige
Auseinandersetzung mit rechtlichen, ethischen und moralischen Aspekten
soldatischen Handelns. Darunter fällt auch die Thematik „Sexualität im EinDeutscher
Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/4225
satz“. Das Problemfeld Menschenhandel wird in der nationalen Vorgesetztenausbildung
im Rahmen der Einsatzvorbereitung thematisiert. Die militärischen
Vorgesetzten sind gehalten, ihre unterstellten Soldaten über relevante Inhalte zu
informieren und verpflichtet, die Umsetzung und Einhaltung geltender Bestimmungen
und Regeln zu kontrollieren.
9. Welche Mittel stehen den deutschen Soldaten im Kosovo zur Verfügung
und ggf. unter welchen Voraussetzungen, um auf ihnen bekannt werdende
Fälle zu reagieren?
Das deutsche Bundeswehrkontingent im Kosovo kann aus rechtlichen, insbesondere
mandatsrechtlichen Gründen im Einsatzgebiet keine aktiven Maßnahmen
gegen die in Frage 8 genannten Straftaten unternehmen. Ein Vorgehen gegen
illegale Prostitution und weitere Straftaten obliegt den zuständigen Polizeibehörden.
Sollte die Bundeswehr Kenntnis von o. g. Vorgängen erhalten, erfolgt
eine Meldung an die zuständigen Polizeibehörden.
10. Was geschieht mit deutschen Mitarbeitern der UNMIK, mit deutschen
Soldaten oder mit deutschen Polizeibeamten, wenn sie während einer
Razzia in einer der 200 Lokalitäten aufgefunden werden, die auf der
„Off-Limits“-Liste der UNMIK verzeichnet sind, bzw. welche Konsequenzen
sind vorgesehen, falls Fälle bekannt werden, in denen Deutsche
der Zwangsprostitution oder dem sexuellen Missbrauch von Kindern Vorschub
geleistet haben?
Verstöße gegen die „Off-Limits“-Vorschriften werden mit disziplinarrechtlichen
Maßnahmen geahndet. Die deutschen Polizeibeamten unterliegen bei
einem Verstoß gegen die entsprechenden Regularien primär der Disziplinargewalt
des Mandatsträgers, weil sie diesem zur Dienstverrichtung zugewiesen
sind. Bei nachweislichen Verstößen im Zusammenhang mit der Ausübung von
Zwangsprostitution oder dem sexuellen Missbrauch von Kindern würden deutsche
Polizeibeamte umgehend repatriiert. Weitere rechtliche Maßnahmen nach
Rückkehr sind hiervon unbenommen. Die deutschen Soldaten unterliegen der
Disziplinargewalt der deutschen Disziplinarvorgesetzten, die im Rahmen ihrer
Zuständigkeit Disziplinarmaßnahmen prüfen und über weitere Schritte entscheiden.
11. Gibt es bei den Aussagen von betroffenen Frauen, Kindern und Jugendlichen
einen Schutz für sie als Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution
im Kosovo?
Für die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution im Kosovo gibt es
verschiedene Zeugenschutzprogramme. Zu den Leistungen dieser Programme
zählen insbesondere die Stellung von Unterkunft und Versorgung, medizinische
und psychologische Betreuung sowie Rechtsbeistand. In Einzelfällen können
die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution eine neue Identität
erhalten.
Drucksache 15/4225 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
12. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass Lokalitäten, in denen
die Zwangsprostitution betrieben wird, nicht geschlossen werden, da
die lokalen Richter der Auffassung sind, dass das Gesetz eine solche
Schließung nicht erlaube?
Die Bundesregierung erwartet, dass in den Fällen, in denen der Tatbestand der
Zwangsprostitution festgestellt werden kann, die lokalen Richter die Schließung
der einschlägigen Lokalitäten verfügen. Die Überwachung dieser Maßnahmen
liegt in der Verantwortung der Ermittlungsbehörden, mit denen das
deutsche Verbindungsbüro in Prishtina in Kontakt steht.
13. Aus welchen Ländern stammen nach Kenntnis der Bundesregierung die
Frauen und Mädchen, die im Kosovo zur Prostitution gezwungen werden?
Nach einer aktuellen Übersicht der „Trafficking Persons Investigation Section“
der „Organized Crime Unit“ stammen die im Kosovo identifizierten Opfer von
Menschenhandel aus folgenden Herkunftsländern:
Moldau 48 %
Rumänien 22 %
Ukraine 14 %
Bulgarien 6 %
Albanien 4 %
Russland 1 %
5 % der Opfer des Menschenhandels stammen aus dem Kosovo selbst.
14. Was passiert mit den Frauen und Mädchen, bei denen festgestellt wird,
dass sie sich „illegal“ im Kosovo aufhalten?
Im Kosovo gibt es derzeit noch kein Ausländerrecht und damit auch nicht den
Tatbestand des „illegalen Aufenthaltes“. Hinzu kommt, dass die Ausübung der
Prostitution von Erwachsenen im Kosovo nicht strafbar ist.

Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin
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ISSN 0722-8333

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Tag der Veröffentlichung: 12.10.2009

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