Cover

Darf ich vorstellen... - ach, mach dein Scheiß doch selber!


Missmutig sah ich mich im Spiegel an. ' Na super' , stöhnte ich innerlich. 'Das wird so ein beschissener Abend.' Ich zupfte das weiße Top zurecht, sowie meine Schlabberhose. Ach scheiß drauf. Schnell schlüpfte ich in meine Chucks,die sicher schon bessere Tage gesehen hatten, und stieg ins Auto,wo meine Mutter schon wartete.
Ich machte in einem Jugendchor mit,der am heutigen Abend einen kurzen Auftritt bei einem Musikabend hatte. Irgendwie fanden alle diese Idee toll. Hat mich eigentlich irgendjemand mal gefragt? Na ja, auch egal. Ist ja eh zu spät und gekniffen wird nicht. Diese Veranstaltung fand in einer Schule statt. Zum Glück nicht in meiner. Somit würde mich dort kein Schwein kennen.
Meine Mutter fuhr. 20 Minuten radiobegleitendes Schweigen. Bei der Schule stieg ich schnell aus. „Viel Spaß,Lola.“ „Hm.“ Eilig ging ich hinein,auch wenn ich nicht wirklich Lust auf diesen Zirkus hatte. Das alles stieg in der großen Pausenhalle, in der sich schon die mehr oder weniger begabten Künstler aufhielten. Nach kurzer Zeit sah ich auch schon meine Truppe. Während ich auf sie zu ging, machte ich mir lustlos einen Zopf. Alle waren schon sehr aufgeregt. Lotta hibbelte herum, Anna zupfte nervös an ihrer Kleidung und Marie wiederholte immer wieder den Text der Lieder. So viel Aufregung um nichts. Da half es auch nicht,dass wir schon als zweites dran waren. Ich muss sagen, mein Befürchtungen hatten sich bestätigt. Die Mikrophone waren schlecht, die Technik war verbesserungswürdig und vor allem hätte das Publikum interessierter sein können. Und schon waren wir fertig. Seufzend setzte ich mich abseits auf eine Bank,das viel mehr ein Brett war,dass an der Wand angeschraubt war. Ich setzte mich in die Ecke,sodass ich mich mit meinem Rücken gegen die kalte Wand lehnen konnte und dabei die Füße vor mir auf die Bank legen konnte. Erneut seufzend schloss ich die Augen. Der Moderator kündigte die Pause an,Stühle wurden weggerückt und Menschen brabbelten und gingen durcheinander. Ich stellte mir vor, wie sie sich durch die Halle quetschten um zu einem Freund oder Verwandten zu kommen. Nur ich nicht. Denn wie gesagt. Ich kannte dort keinen, und mich kannte keiner.
Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr die Augen geschlossen habt und denkt jemand beobachtet euch? Nicht? Nicht schlimm, denn es ist wie wenn dich etwas die ganze Zeit nervend pikst. Ich wusste bevor ich die Stimme hörte,dass jemand vor beziehungsweise neben mir stand. „ Alles in Ordnung?“ Ich öffnete meine Augen. Der Junge der als Sänger aufgetreten war stand vor mir. Braune Haare,die zerzaust waren und blau-grüne Augen,die mich besorgt ansahen. Eigentlich sah er ziemlich gut aus...
Haaalt stopp Lola! Er sah nicht gut aus,jedenfalls interessiert es dich nicht. „Alles in Ordnung?“, fragte er erneut. „ Ja,was willst du?“, blaffte ich ihn an. Okay,das war nicht gerade freundlich,aber ich hatte gerade echt miese Laune. Doch er setzte sich nur grinsend neben mich. Äh, Hallo? War ich nicht deutlich genug gewesen? Das war mein Halt-die-Klappe-Stör-mich-nicht-und-hau-ab-Ton!
„Warum sitzt du so allein hier? Wo sind deine Freunde?“ Genervt wedelte ich kurz mit der Hand in Richtung Menschenhaufen. „ Da irgendwo und versuchen ihre anderen Freunde zu finden.“ „Und warum bist du nicht da?“ „Wird das ein Verhör?“ Jetzt wurde ich pampig, doch er lachte nur. „ Wenn es dir dann damit besser geht.“ Unglaublich! „ Dann bin ich aber dran mit dem verhören. Wo sind deine Freunde?“ Er zeigte auf eine Gruppe Jungs,die sich aus der Menge herauskristallisierten. Kristallisierten. Ein schönes Wort.
„Warum bist du nicht bei denen?“ „ Keine Lust.“ Also das war ja mal unlogisch. Er saß also lieber hier mit einer Kratzbürste, als bei seinen Kumpels? „ Ich glaub die warten auf dich.“ „Sollen sie doch. Die können auch einen Moment ohne mich auskommen.“ Einer der Jungen( man musste sofort an Motorrad und Gangster denken) rief plötzlich: „ Hey,wo bleibst'n du? Die Pause ist gleich vorbei!“ Der Junge neben mir seufzte. „ Sie können wohl doch nicht ohne mich. Also dann. Bis dann.“ Und weg war er.
Bis dann. Schon klar,träum weiter Junge. Ich blieb den Rest des Abends auf der Bank und war froh am Schluss endlich nach Hause zu können,auch wenn ich über eine viertel Stunde mit meiner Mutter im Auto sitzen musste. Zu Hause ging ich schnell auf mein Zimmer und ließ mich auf mein Bett fallen und schlief auch schnell ein.

Traumgestalten... - Oder anderer Schwachsinn


Am nächsten Morgen rieb ich mir den Schlaf aus den Augen. Ich fühlte mich kaputt, wie jeden Morgen. Ich konnte mich zwar selten an meine Träume erinnern,aber ich weiß,dass es Albträume waren.
Die Kopfhörer im Ohr, die Kapuze aufgezogen und die Tasche über die Schulter gelegt,ging ich zur Schule. Das kalte Eisentor der Schule begrüßte mich. 'Komm herein', flüsterte es. 'Und ich lass dich nie wieder heraus! ' Mal ehrlich. Die Schulen geben sich immer mehr Mühe uns das Leben schwer zu machen.
Langsam schob ich die Kapuze zurück.“Hey! Wie war das Singen?“ Das war Amber. „Ganz ok.“ „Wart ihr gut?“ „Ganz ok.“ „Waren die Leute nett?“ Na? Richtig. „Ganz ok.“ … und so weiter. Du denkst vielleicht,dass das ziemlich unfreundlich war,aber was du denkst ist mir sowieso egal. Amber kümmerte es nicht. Sie hat mich so akzeptiert. Aufgeregt erzählte sie mir, was ihr am letzten Tag passiert war. Sie hatte sich ein neues Kleid gekauft,hatte eine Freundin aus der Grundschule getroffen... Ja, manchmal kann ich auch zuhören.
Unterricht. Die Stimme war nur ein unangenehmes Summen im Ohr. Plötzlich war es still und Amber schob mir unauffällig einen Zettel zu. Ich las ihn. Prisma:Volumen G*h. „Das Volumen des Prismas errechnet man mit G*h. Grundseite * Höhe.“ Der Lehrer redete weiter. So war das immer: Wenn ich nicht aufpasste, half Amber aus. Sie war ein echter Schatz.
In der Pause bekam Amber ein leises „Danke.“ Irgendwie war dann auch schon Schluss. Zu Hause wartete ein Topf mit (wer hätte es gedacht) Nudeln. Ohne wirklich etwas zu schmecken, aß ich.
Mit dem Fotoapparat in der Hand stieg ich aufs Fahrrad und trat in die Pedale. Nach einiger Zeit sah ich schon keine Autos mehr und ein alter Baum kam in Sicht. Seine Rinde war grob und rissig. Ich setzte mich an seinen Stamm und suchte von dort aus ein gutes Fotoobjekt. Ich fand keins. Seufzend legte ich mich auf den Rücken. Das Sonnenlicht schlich sich durch die Blätter. Lächelnd schoss ich ein Foto.
„Na, wenn das nicht die Verdächtige ist.“ Erschrocken fuhr ich hoch. „DU?!“ Es war der Junge vom Musikabend. „Ja, ich. Ich freu mich auch dich wiederzusehen.“ Er schmunzelte und kam auf mich zu. Hoffentlich unbemerkt richtete ich mein T-Shirt. Er setzte sich neben mich. Ich rückte ein wenig weg. „Hattest du noch einen schönen Abend?“ Soll das ein Witz sein? „Nein, hatte ich nicht.“ „Du bist genauso pampig wie gestern.“, bemerkte er grinsend. Ich schnappte empört nach Luft. Pampig?! Mein Gesichtsausdruck musste wohl sehr lustig gewesen sein,denn er lachte. „Na danke, Herr Oberlustig.“ „Siehst du? Du bist pampig.“ Er tippte mir auf die Nase. Also jetzt reichts! Doch bevor ich etwas sagen konnte,stand er auch schon auf. „Ich muss weiter. Wir sehen uns.“ Er stieg auf sein Fahrrad und fuhr weiter. Ich wusste nicht warum, aber ich schoss ein Foto von ihm.
Kaum war ich weiter zu Hause, hörte ich wie meine Mutter mich rief, ich solle doch mit dem Abwaschen helfen. Still tat ich das,was sie sagte. „Wie war die Schule?“ „Ok.“ Stille. „Hast du viele Hausaufgaben auf?“ „Geht so.“ Stille. „Musst du viel lernen?“ „Hm.“ Ich war fertig und ging in mein Zimmer. Schweigend machte ich die Hausaufgaben, die mich interessierten. Aber das waren wenige.
Leise kauerte ich mich in meinem Bett zusammen. Ich hörte, wie meine Mutter durch das Haus rumpelte. Und dann schlief ich ein.

„... und darum werde ich deine Eltern anrufen, wenn sich dein Arbeitsverhalten nicht ändert.“ Die Lehrerin ließ sich schon seit Minuten über mich aus. Ich nickte nur. Ich würde wohl meine Hausaufgaben machen müssen. Denn meiner Mutter geht mein Schulleben nichts an. Am Nachmittag entkam ich dem Eisentor und stolperte direkt in jemanden hinein. „'Tschuldigung.“, nuschelte ich und wollte weiter,doch der Jemand hielt mich fest. „Bist du nicht...“ , ein Lachen. „ Hey Angeklagte.“ Ich fluchte im Inneren und sah auf. Er war es. „Was machst du denn hier?“ Mein Magen zog sich zusammen, als ein Mädchen auf ihn zu gerannt kam und ihm um den Hals fiel. Fröhlich gingen die Beiden und ließen mich stehen.

Ironischer Weise wurde mir in diesem Moment klar, dass ich verliebt war.

Egal was ich gesagt habe... - Ich bin nicht verliebt!


Natürlich merkte Amber,dass etwas nicht stimmte, und sie brauchte auch nicht viel um aus mir herauszukriegen, was los war. „Und... wer ist es?“, fragte sie aufgeregt. Sie strahlte über das ganze Gesicht. „Ich weiß es nicht.“, murmelte ich. Verwirrt sah meine Freundin mich an. „Wie... du weißt es nicht? Man muss doch wissen in wen man verliebt ist!“ „Das weiß ich doch auch!“ „Gerade eben hast du aber noch gesagt... egal. Also wie heißt er?“ „Hm... Ich weiß seinen Namen nicht.“ Amber zog die Augenbrauen zusammen. „ Also,... Ich hab ihn auf dem Musikabend kennengelernt und bin ihm seit dem schon ein paar Mal über den Weg gelaufen. Aber ich glaube, er hat 'ne Freundin...“ „Oh, du bist unglücklich verliebt...“ Amber seufzte auf. Unglücklich verliebt? … Ach, was für ein Quatsch erzähle ich ihr da überhaupt?! „Ach wahrscheinlich ärgere ich mich nur über ihn...“ Und weg war ich. Zweifelnd sah Amber mir nach.
Er hatte mich mehr aufgewühlt, als ich zugeben wollte. Still saß ich auf meinem Sofa, die Knie angezogen. Ich war nicht verliebt! Niemals! Ich konnte mich gar nicht verlieben! Aber als ich ihn heute gesehen habe mit dem Mädchen... Es war ein Stich gewesen. Ich hatte nicht gewollt,dass er sie umarmt. Ich... ich hatte gewollt,dass... er mich umarmt. „Scheiße!“ Ich wollte das doch gar nicht. Leise weinte ich.
Den nächsten Tag blieb ich zu Hause. Ich konnte einfach nicht zur Schule gehen. Am Nachmittag klingelte es an der Tür. Ächzend stand ich auf und öffnete sie. Es war Amber. „Hey! Ich wollte mal sehen wie es dir geht und hab auch gleich noch jemanden mitgebracht.“ Und da tauchte er auch schon hinter ihr auf. Sie drängelte sich an mir vorbei, während er ihr unsicher folgte. Beide setzten sich auf mein Sofa, doch ich zog Amber wieder hoch. „Ich muss kurz mit dir reden.“ Grinsend ging sie mit mir ins Bad. „Amber,verdammt! Was soll das? Warum bringst du ihn hierher?“ „Das ist doch der von dem du geredet hast,oder? Na also. Jetzt lächle ein bisschen und sei nett.“ Sie ging zurück. Seufzend sah ich in den Spiegel und machte mir schnell einen Zopf, als ich mich ansah. Die Augenringe würde ich wohl nicht so schnell weg bürsten können. Ich wühlte dann ein paar Kekse aus dem Küchenschrank heraus,sowie 3 Gläser und eine Flasche Cola. Als ich wieder in meinem Zimmer ankam, machte er sofort auf dem Sofa Platz,doch ich setzte mich einfach gegenüber von Amber und ihm auf den Boden. „Ich hab gehört du holst deine Freundin von der Schule ab. Das ist wirklich süß.“ Amber! Diese.. grrr. Er sah sie verwirrt an. Dann lachte er. „Aber nein. Das ist meine Schwester!“ Amber war zuerst überrascht, dann lachte sie. Seine Schwester. Ich wurde rot,dass merkte ich. „ Geht es dir denn wieder besser?“, fragte er. „Äh ja. Geht schon wieder.“ Amber musste dann gehen,musste irgendwelche Hausaufgaben machen, was ich ihr bis heute nicht glaube. Eine peinliche Stille entstand. Verlegen stand er auf. „Ich, äh, ich muss auch mal gehen.“ Ich nickte nur und begleitete ihn zur Tür. Als er an mir vorbeiging, streifte er meinen Arm. Es war nur ganz leicht, doch spürte ich noch Sekunden später seine Wärme. „Gute Besserung.“ Und weg war er.
Am nächsten Tag ging ich wieder zur Schule. Ich gab mir sogar Mühe bei den Hausaufgaben(denn die machte ich während der Stunde). Am Ende der Stunde stupste Amber mich an und zeigte aus dem Fenster. Neugierig folgte ich ihrem Fingerzeig. Ich bereute es sofort. Es war ER. Ich hatte mich schon so nicht auf den Unterricht konzentrieren können, doch jetzt ging gar nichts mehr! Es klingelte. Langsam packte ich zusammen. Wenn ich mir genügend Zeit ließ, würde er vielleicht schon weg sein.
Nein, er war immer noch da. Neben ihm stand seine Schwester und wartete ungeduldig. Ich hielt den Kopf gesenkt und beeilte mich zum Eisentor zu kommen. Keine Chance. „ Hey, Kriminelle! Warte mal.“ Idiot. Er hatte so laut gerufen,dass sich mehrere zu uns umdrehten. Langsam wandte ich mich ihm zu. „Ja?“ „Ich hab auf dich gewartet. Schön,dass du wieder gesund bist. Ach, und das ist meine Schwester Nacera.“ Nacera musterte mich abfällig, setzte aber schnell ein Lächeln auf,als ihr Bruder sich ihr zu wandte. Verlogene Schlange. Sie zerrte an seinem Arm und maulte,dass sie nach Hause wolle. Er lachte, zerstrubbelte ihr Haar und meinte :“ 'Tschuldigung. Ich muss dann los.“ Er ging. Mit seiner Schwester,dieser Zicke.

Wenn er so eine falsche Person als Schwester hat, konnte er auch nicht ganz anders als sie sein. Nein, so einen wollte ich nicht lieben... Überhaupt. Wer hatte denn auch etwas von Lieben gesagt?

Manchmal ist es besser zu Schweigen


„Lola? Was möchtest du heute essen?“ „Mir egal.“ Meine Mutter seufzte. „Lola, so kann das doch nicht weitergehen. Immer gibst du nur so abweisende Antworten.“ „ Sei froh,dass du überhaupt Antworten kriegst. Manche Menschen werden ja nicht einmal beachtet.“ Mutter fuhr sich nervös durch die Haare. „Lola... Ich.. Mir tut es...“ „Lass es! Ich habe keinen Hunger. Geh, ich muss jetzt Hausaufgaben machen.“ Ich drehte ihr den Rücken zu und ignorierte sie komplett. Mit gesenktem Kopf ging sie in die Küche. Ich machte die Tür zu und rutschte an ihr herunter,zog die Knie an und umschlang mich mit meinen Armen. Sie war selber schuld. Sie hatte es ignoriert. Ich war ihr egal gewesen. Schon wieder sammelten sich die unerwünschten Tränen in meinen Augenwinkeln. Ich presste meine Lippen aufeinander,damit kein Laut von meinen Lippen kam,während die Tränen meine Wangen hinunterliefen. Verdammt!
Ich hatte die Nacht nicht schlafen können. Still lag ich in meinem Bett und sah aus dem Fenster. Kaum ein Wunder,dass ich am Morgen nicht in bester Form war. „Lola! Wach auf!“ Ich blinzelte. Schon wieder war ich im Unterricht eingeschlafen. Der Erdkundelehrer sah mich ausdruckslos an. „'Tschuldigung.“,murmelte ich. Er redete weiter. „Was ist denn nur los mit dir?“, fragte Amber leise. „Schlecht geschlafen.“ „Warum das? Du weißt doch nun,dass es nur seine Schwester war.“ „Das ist es nicht.“ „Was dann?“ „Keine Ahnung. Hab halt einfach schlecht geschlafen.“ Sie wusste nichts davon. Sie hat auch nie gefragt. Ein Räuspern aus Richtung Lehrerpult erinnerte uns,dass wir nicht alleine waren.
Nach der Schule stand er mit seiner Schwester vor dem Eisentor. Nacera sah man an,dass sie keine Lust hatte zu warten. Er winkte mir zu.„Hey Kriminelle! Wie geht es dir?“ Er war ein Idiot. Genau. Ich liebe ihn nicht. Er ist ein verdammter Vollidiot. „ Lass mich in Ruhe.“ Da war es raus. Nacera grinste. Dumme Zicke. Schnell ging ich weiter, bevor ich es mir anders überlegte. Ich spürte, wie er mir verdutzt nachsah. Amber holte mich nach einiger Zeit an. „Lola! Warum hast du das gesagt? Ich dachte du magst den Typen.“ Ja ich... Nein. Ich mag ihn nicht. Ich mag ihn nicht. Ich mag ihn nicht. Vielleicht glaube ich mir irgendwann. „ Ich habe das zu ihm gesagt,weil er mich in Ruhe lassen soll.“ Verständnislos sah sie mich an. „Du musst dir endlich darüber klar werden,was du willst Lola. Entweder ja oder nein, aber spiel nicht mit Gefühlen anderer herum.“ Meine einzige beste Freundin drehte sich um und ging. Ja,Lola. Das hast du toll hingekriegt. Ich ging die Straße entlang und kickte einen Stein vor mir her. Immer wütender und heftiger trat ich nach dem Brocken. „Der Stein kann auch nichts dafür, was dich auch immer so wütend macht.“ Erschrocken sah ich auf. Er war, ohne dass ich es bemerkt hatte, mir hinterher gegangen. „Was willst du?!“ Ok Lola: Jetzt bloß nicht weich werden, ganz gleich was passieren wird! Dieser verdammte Idiot sah mich traurig an. Argh, bleib hart! „Warum bist du so plötzlich abweisend? Habe ich irgendetwas getan,dass dich verärgert hat? Dann tut es mir Leid. Ehrlich. Sag mir nur,was es ist.“ Meine Stimme versagte mir. Ich klang nicht gerade stark und selbstbewusst. „Du hast nichts getan. Ich möchte einfach nur von dir in Ruhe gelassen werden. Du nervst.“ Ich ging weiter. Dieses Mal folgte er mir nicht.
Schon wieder saß ich zusammengekauert in meinem Zimmer. Es war Abends. „Lola! Abendessen!“ „Ich habe keinen Hunger!“ Seit Tagen schon hatte ich keinen Hunger. Seit ich bei dem Musikabend war und diesen dämlichen Jungen kennengelernt hatte. Seitdem ging alles bergab. Ich mochte ihn nicht,nein! Ich würde nie wieder jemanden lieben!
Es klopfte. „Lola. Da ist Besuch für dich.“ Meine Mutter ging wieder. Dann öffnete jemand die Tür. Er. Er hielt einen Teller mit Nudeln und einer Gabel in der einen Hand. „Was willst du?“ Ich begab mich in eine halbwegs normale Sitzhaltung. „ Dass du etwas isst.“ Er kam zu mir,setzte sich neben mich und hielt mir den Teller vor die Nase. „Ehrlich, ich geh nicht bevor du gegessen hast.“ Ich starrte ihn böse an,nahm aber den Teller und begann zu essen. Wenn er so schneller verschwand... Ich aß auf. „Jetzt kannst du gehen.“ Er schüttelte den Kopf und blieb sitzen. Ich seufzte und ignorierte ihn. Das war nicht sehr einfach. Von ihm ging Wärme aus, nichts bedrohliches. Wir schwiegen uns an,doch diesmal war es nicht unangenehm. Vielleicht würde es nichts machen,wenn ich mich an ihn lehnte. Nein Lola! Du wolltest ihn doch ignorieren.
Ich sah auf den Nudelteller. Ach scheiß drauf! Ich lehnte mich an. Er sagte nichts. Kurze Zeit später legte er seinen Arm um mich. Er hielt mich. Wir schwiegen.

In diesem Moment war ich zufrieden.

Und jetzt?


Ich wachte davon auf,dass die Sonne,die durch mein Fenster schien, meine Nase kitzelte. Als mir klar wurde,dass ich in meinem Bett lag,fuhr ich hoch und sah mich um. Ich trug noch immer meine Klamotten von dem vorherigen Tag.War ich gestern in seinen Armen eingeschlafen?! Das darf doch nicht wahr sein! „Mist,Mist,Mist!“ Die Bettdecke duckte sich unter meiner Prügel. Langsam stand ich auf und tappte in die Küche, wo meine Mutter frühstückte. Sie lächelte,als sie mich sah. Wusste sie etwas? „Guten Morgen Lola. Hast du gut geschlafen?“ „Hm.“ Ich setzte mich und schmierte mir schweigend ein Toast. Dabei sah mich meine Mutter die ganze Zeit an. „Is' was?“ Mutter schüttelte nur lächelnd den Kopf. Als ich fertig war,sagte sie schließlich doch etwas: „Lola. Der Junge von gestern Abend... Der ist wirklich nett. Und ein Hübscher ist er auch.“ „Vergiss es. Ich werde nicht wie du.“ Ruckartig stand ich auf,schnappte mir den Rucksack,in dem der Fotoapparat noch lag und eilte hinaus. „Lola! So war das doch gar nicht gemeint...!“ Schnell schnappte ich mir das Fahrrad und fuhr so schnell ich konnte an den nächsten See. Ein Steg führte über einen Teil des Sees. Dort,am Ende des Stegs setzte ich mich und ließ die Füße vorsichtig ins Wasser gleiten. Es war kalt,doch ich genoss es und schloss die Augen. Die Schatten der Bäume,die das Wasser umgaben strichen über meinen Körper. Was dachte er wohl jetzt über mich? Inzwischen bereute ich meine Schwäche vom Abend. Wie konnte ich nur in seinen Armen sitzen bleiben? Ich öffnete meine Augen und sah auf die Wasseroberfläche. Still,dunkel,geheimnisvoll. Wie es wohl wäre jetzt in die Stille einzutauchen...
Eine warme Hand legte sich plötzlich auf meine Schulter. Erschrocken drehte ich mich um. Er. Natürlich war es er. „Hallo kleine Kriminelle.“ „Wie hast du mich gefunden?“ „Das war gar nicht so schwer. Du warst nicht zu Hause und auch nicht beim Baum. Da habe ich mir gedacht,der See würde auch in deine Sammlung an schönen Orten sein. Und ich hatte Recht.“ „Was willst du?“ Ich schob seine Hand von meiner Schulter. Er setzte sich einfach neben mich. Oh nein. Diesmal konnte er sich den Hintern wund sitzen! Ich würde mich nicht ein Stück zu ihm bewegen. „Was ist los?“ Er wollte nach meiner Hand greifen,ich zog sie weg. „ Hau ab. Ich will dich hier nicht haben.“ Nicht hier,nicht zu Hause , nicht in meinem Leben. „ Ich interessiere mich einen Scheißdreck für dich!“ Geh,oh bitte geh doch. „Das glaube ich dir nicht.“ Ich drehte mich schlagartig um und schrie : „Verschwinde!“Wut,Traurigkeit und Verzweiflung ließen mich auf ihn losgehen. Ich schlug gegen seine Brust, immer und immer wieder. Mein Inneres schrie vor Schmerz,während ich ihn beschimpfte. Doch er ließ mich gewähren. Dann schlang er seine Arme um mich und zog mich zu ihm ran. Ich wehrte mich verzweifelt, doch er war stärker als ich. Er hielt mich fest,sodass ich mich nicht bewegen konnte. Schluchzend verwünschte ich ihn. Tröstend strich er mir über den Kopf,durch das Haar,über den Rücken. „Shh... Ganz ruhig. Ich bin für dich da,ja? Ich werde dir nicht wehtun. Niemals.“ Diese Worte brachen alles. Meinen Widerstand,meinen Drang ihm weh zu tun und meine Beherrschung. Ich weinte nur noch. Gebrochen. Wie ein verletztes Tier lag ich in seinen Armen.

Später lag ich auf dem Rücken auf dem Steg,mein Kopf in seinem Schoß. Behütet. Seine warme Hand strich über mein Haar,wischte die letzten Tränen von meiner Wange weg. „Weißt du, ich weiß immer noch nicht deinen Namen.“ „Lola.“ „Lola? Ein schöner Name.“ „Er bedeutet Schmerz.“ Er verharrte mit seiner Hand. „Aber ich glaube nicht diese Art von Schmerz.“,sagte er nach einer Weile. „ Ich glaube,es bedeutet,dass es einen tiefen Schmerz in jedem hinterlassen wird,wenn es dich nicht mehr gibt.“ Seine Worte,genauso warm, wie seine Hände. „Und dein Name?“ „Ich bin Jason.“ „Danke Jason.“ Eine Stille lag über dem See. Er strich mir wieder durch das Haar. „Lola, versprich mir eins: Lüge mich und dich selbst nie wieder an. Hör auf dir selbst Gutes zu verbieten,ja?“ Mit brüchiger Stimme antwortete ich ihm. „Ich versuche es.“ Lächelnd streichelte er meine Wangen.

Vergangenes tut weh,also halt die Klappe...



Es wurde Abend. Wir hatten den ganzen Tag am See gelegen,hatten abwechseln Fotos gemacht. Er knipste am meisten mich,während ich eher die Umgebung fotografierte. „Du solltest nach Hause. Deine Mutter macht sich bestimmt schon Sorgen.“ „Mir egal. Soll sie doch.“ „Du magst deine Mutter nicht so sehr, oder?“ „ Ich verabscheue sie.“ Erstaunt sah er mich an. „ Ok, jeder hat mal Streit mit seinen Eltern, aber deswegen verabscheut man sie doch nicht.“ Ich schnaubte. „Doch. Ich hasse sie.“ „Und deinen Vater? Hasst du den auch?“ Mein Vater. „Nein. Ich habe ihn geliebt.“ Glaube ich. „Ist er ...tot?“, fragte er vorsichtig. „Ich weiß es nicht. Ich glaube aber,dass er lebt.“ „Was heißt, du glaubst? Was ist passiert?“ Ich wandte mich ab. Es war etwas passiert. Etwas,dass die Säulen meines Lebens gebrochen hat. Etwas,das mich

gebrochen hat. „Erzähl mir was passiert ist.“ Ich schüttelte nur den Kopf und biss mir auf die Lippe um nicht schon wieder zu heulen. „Ich möchte nicht.“ Er nickte nur. „ Gut,aber du solltest jetzt trotzdem nach Hause gehen.“ Ich seufzte und stand schließlich doch auf. „Na gut Zweitmama. Ich geh schon.“ Er lachte und folgte mir. Er. In Gedanken nannte ich ihn immer noch 'er'.
Meine Mutter stand vor dem Fenster und lächelte erleichtert,als sie mich mit ihm näherkommen sah. Die Tür wurde aufgerissen, kaum dass wir sie erreicht hatten. „Lola! Ein Glück. Ich habe mir Sorgen gemacht...“ „Wirklich? Das ist ja mal was anderes.“ Sie zuckte zurück,als hätte ich sie geschlagen. Hoffentlich tat es auch genauso weh. Er zog mich zu sich ran und flüsterte mir ins Ohr: „Hey, lass gut sein,ja?“ Ich machte mich los und drückte ihn ruppig weg. „Finger weg.“ Jason lachte nur fröhlich. Jason. An den Namen musste ich mich noch gewöhnen. „Bis morgen Lola!“ Ich ging ohne einen weiteren Blick ins Haus.
Ich saß auf meinem Sofa im Schneidersitz. Diesmal weinte ich nicht. Ich kauerte nicht. Ich war nicht unglücklich. Irgendwie hatte der Tag mit ihm eine komische Wirkung auf mich. Plötzlich lächelte ich. Ich lächelte einfach. Ohne Grund. Ich schloss die Augen und genoss einfach die Stille,das Gefühl.
Nach einiger Zeit hatte ich das Gefühl,das ich eine Sache jetzt erledigen musste. Ich nahm mein Handy und wählte eine Nummer. Nach einigem Klingeln ging sie ran. „Ja,hier Amber.“ Ich hatte sie noch nie angerufen. Ich wusste nicht ,was ich sagen sollte. „Hallo?“ „Hey Amber.“ Stille am anderen Ende. Dann: „Lola, bist du das? Was ist los?“ Ich lächelte und die Sicht verschwamm wieder verräterisch vor meinen Augen. „ Ja, ich bin es. Es tut mir Leid. Es tut mir alles Leid. Du bist die beste Freundin,die man haben kann. Ich habe dich eigentlich gar nicht verdient. Amber...“ Es sprudelte aus mir heraus, und dann wusste ich nicht mehr, was ich sagen wollte. Doch Amber nahm alles ab. „ Schon gut,Lola. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich bin deine Freundin und gehe mit dir durch Dick und Dünn wie man so sagt. Es ist alles ok.“ „Danke.“ „Ist schon gut,Lola. Wir sehen uns dann Morgen.“ Sie legte auf. Nach dem Anruf fühle ich mich viel besser. Mein Bauch knurrte plötzlich und lächelnd ging ich in die Küche,wo meine Mutter gerade aß. Überrascht sah sie mich an,als ich mir einen Teller ,ein Messer und eine Brotscheibe nahm. „Lola, was... Du isst freiwillig etwas?“ Ruhig strich ich mir Honig aufs Brot und biss ab. Nach dem ersten Bissen sagte ich nur: „Guck nicht so doof,sonst vergeht mir doch noch der Appetit.“ Schnell konzentrierte sie sich auf ihr Brot. Im Moment konnte ich sie nicht hassen. Ich wollte es auch gar nicht. Ich wollte das gute Gefühl in mir genießen und es durch nichts trüben lassen.

Meine Freundin hat auch ein Leben... Verdammt ist Freundschaft anstrengend!


Am Montagmorgen setzte ich mich mit gesenktem Kopf und leicht roten Wangen auf meinen Platz in dem Klassenzimmer. Was Amber wohl von mir dachte? Mir war es ein wenig peinlich, dass ich ihr an dem Abend meine Gefühle halbwegs ausgelegt habe und wusste nicht, wie ich mich jetzt verhalten sollte. Doch Amber war wie immer eine wunderbare Freundin und verhielt sich wie immer. In der Pause folgte ich ihr zu ihrem Mittagstisch. Das hatte ich noch nie gemacht. Ich hatte mich immer abseits irgendwo verkrochen. Doch Amber sagte nichts,lächelte aber leicht,als sie ihr Mittagessen entgegennahm und sich setzte und mir Platz machte. Ich sah ihr beim Essen zu,bis sie plötzlich fragte: „Möchtest du nicht auch etwas essen?“ Ich schüttelte den Kopf,doch sie reichte mir einfach ihren Apfel, den es an diesem Tag zusätzlich zum Mittagessen gab. „Iss einfach, Lola.“ Schweigend aß ich. „So, wie war dein Wochenende mit ihm?“ Ich verschluckte mich an dem Bissen Apfel und musste erst einmal minutenlang husten. Meine sogenannte Freundin sah mir dabei grinsend und seelenruhig zu. „Also?“, fragte sie, nachdem ich tief Luft geholt hatte. „Wie kommst du darauf,dass ich mit jemanden am Wochenende zusammen war?“ Sie lachte. „ Mal ehrlich,Lola. Deine Reaktion war Beweis genug.“ „Hm, na gut. Also wir waren ein Tag am See.“ Mehr würde ich ihr nicht erzählen. Sie sah mich an und nickte dann. „Es scheint dir gut getan zu haben.“ Ich wusste was sie eigentlich sagen wollte: Er scheint dir gut getan zu haben. „ Und... und du? Was hast du so gemacht?“ Sie begann zu erzählen und ich hörte ernsthaft zu, schmunzelte ein wenig,wenn sie etwas lustiges sagte und lachte. „Und Donnerstag bekomme ich hoffentlich endlich die schönen Ohrringe zum Geburtstag...“ Geburtstag. Verdammt, dass hätte ich fast vergessen! „Ja hoffentlich. Und... was wünscht du dir noch so?“ Sie zuckte nur mit den Schultern und meinte sie wüsste nichts anderes. Da klingelte es und ein Strom von Schülern bewegte sich auf die Klassenzimmer zu. Amber hatte in wenigen Tagen Geburtstag und ich hatte kein Geschenk für sie. Ich hatte auch keinen Plan Was ich ihr schenken konnte. Ich zerbrach mir den halben Tag darüber den Kopf. Leider war ich hinterher genauso schlau,wie am Anfang. Nach der Schule traf ich Jason vor dem Tor. „ Na wie geht’s dir?“ Ich lächelte nur still und ging schnell weiter. Zum Glück war er mir nicht böse deswegen,sondern lächelte nur spitzbübisch. Zu Hause packte ich mir Geld ein und fuhr mit dem Fahrrad in die Stadt. Ich ging durch die Straßen und schaute fast verzweifelte in die Schaufenster rein. Hier und da war Ramsch und Kitsch,doch leider nichts für Amber's Geburtstag. Verzweifelt lehnte ich mich an eine Mauer eines Geschäftes. Und das rettete meinen Tag und vielleicht sogar die Freundschaft zu Amber. Es war die Mauer eines Schmuckgeschäftes. „Und Donnerstag bekomme ich hoffentlich endlich die schönen Ohrringe zum Geburtstag..“ klang es mir im Kopf. Grinsend ging ich hinein. „Guten Tag. Wie kann ich Ihnen helfen?“ „ Ich suche nach etwas was ich einer Freundin zum Geburtstag schenken kann. Am liebsten eine Kette.“ Die Verkäuferin lächelte. „Natürlich. Da hätten wir einmal diese hier...“ Sie zeigte mir ein paar und beriet mich. Schließlich kaufte ich eine schmale Silberkette mit einem Rosenanhänger. Sie war wirklich schön. Ich wünschte der Frau noch einen schönen Tag und ging mit der Kette in der Tasche nach Hause.

Ich fühlte mich,als hätte mich eine Walze mindestens 3 Mal überfahren. Unglaublich,dass dieser Tag so anstrengend gewesen war. Doch irgendwie war ich auch stolz auf mich.

Was mich zerbrochen hat? Ich will nicht darüber reden...


Es klingelte an der Tür und ich war vor meiner Mutter da. Er war es. Natürlich war es Jason. „Habe ich deine Erlaubnis einzutreten?“, fragte er grinsend. „Idiot.“,gab ich nur zurück,ließ ihn aber herein. Er nahm meine Hand und zog mich Richtung meines Zimmers,während ich versuchte mich loszumachen. „Lass das!“ Er schüttelte nur lachend den Kopf und schloss die Tür hinter uns. Erst da ließ er mich los. „Das war total unnötig.“ Er setzte sich auf mein Sofa und wartete darauf,dass ich mich zu ihm setzte. „Nein,gar nicht. Ist es dir etwa peinlich vor deiner Mutter?“ „Das hat damit nichts zu tun!“ „Dann ist doch alles gut. Komm setzt dich.“ Er lächelte mich an und grummelnd setzte ich mich neben ihn. „Und jetzt erzähl: Wie fand Amber dein Geschenk?“ Ich begann zu erzählen. Dass mich alle ziemlich komisch angeguckt hatten,als ich plötzlich in der Tür stand. Dass nur Amber sich riesig gefreut hat, und dass sie total gerührt von der Kette gewesen war. „Die ist ja wunderschön Lola. Oh danke!“ Sie hatte mich stürmisch umarmt und mir einen Kuss auf die Wange gegeben. Trotzdem war ich der letzte Arsch auf der Party gewesen.
„Klingt doch gut.“ Er rückte näher und legte seinen Arm um mich. Ich schob ihn zurück. Da seufzte Jason,drehte seinen Rücken zu mir und ließ sich dann plötzlich einfach nach hinten fallen,sodass sein Kopf in meinem Schoß lag. Seine Augen waren geschlossen, ich spürte das leichte Beben des Atems. Erschrocken zuckte ich zusammen. „Warum schreckst du so davor zurück ,wenn dich jemand berührt? Was ist so schlimm daran,wenn dich jemand mag?“ „Ich hab dir schon einmal gesagt,dass ich nicht...“ „Dass du nicht darüber reden willst,ich weiß.“ Wir schwiegen. Er öffnete die Augen und sah mich an. „Bitte.“ Schnell wich ich seinem Blick aus. Vorsichtig griff er nach meiner Hand und hielt sie behutsam. „Es ist nur... diese Sache hat mir so wehgetan. Es tut selbst jetzt weh,wenn ich alles wieder zurückhole.“ Meine Augen füllten sich wieder mit Tränen,doch er wischte sie mit seiner anderen Hand weg. „Ist gut,Lola. Ich möchte nicht,dass du leidest.“ „Du weißt doch.Mein Name ist Lola. Ich bin geboren für Schmerz.“ Er fuhr hoch und hielt mich am Kinn fest und zwang mich somit ihm in die Augen zu sehen. „Sag so etwas nie wieder Lola. Nie wieder,hörst du?“ Ich schluckte und nickte erschrocken. Sanft streichelte er meine Wange. „Entschuldige. Ich wollte nicht grob sein. Ich will dir nie weh tun.“ Eine Gänsehaut überlief meinen Rücken bei diesen Worten. Dass hatte er auch gesagt. Er hatte es auch nicht gewollt und doch immer wieder getan. Jason ließ mich wieder los und sank zurück in meinen Schoß. „Würdest du einmal zu mir kommen Lola?“ „Zu dir... in dein Haus?“ Er lachte. „Nein, unter die Brücke. Natürlich zu meinem Haus.“ Meine Gedanken wirbelten umher. Sollte ich? Ja oder Nein? Sie ließen mich keinen logischen Entschluss fassen. „Bitte sag Ja.“ Ja. Das Wort hallte in mir wieder. Ja. Einfach nur Ja sagen,flüsterte es in mir. Es ist ganz einfach. Sag einfach Ja. Dann meldete sich eine andere Stimme: Nein. Du willst all das nicht. Er tut dir weh. Er wird dir wehtun,ganz genauso wie er es getan hat. Sanft nahm Jason meine Hand in seine beiden Hände. Warm. „Sag Ja.“ Ja. „Ja.“ Ja,ja,ja!Erleichtert lächelte er mich an. „Dann Morgen,ja? Direkt nach der Schule. Ich hole dich vom Schultor ab. Und sich davor drücken gibt es nicht!“ Ich streckte ihm die Zunge raus und pikste ihm in die Seite. Er beschwerte sich lautstark und fiel vom Sofa. Süffisant grinsend sah ich vom Sofa auf ihn herab. Jason schaute mich missmutig an. „Das freut dich,nicht wahr?“ „Ja,stimmt.“ Er knurrt und stürzte sich plötzlich auf mich um mich durch zu kitzeln. Lachend schrie ich auf und versuchte ihm zu entkommen.

Fremdes Terrain


Unterricht. Ich weiß nicht, ob ich schon einmal gesagt habe,dass mich Schule recht wenig interessiert. Vor allem ,wenn ich andere Sachen im Kopf habe. „Lola! Erde an Lola. Was ist denn heute los mit dir?“ Was los war? Er würde mich heute abholen und mich zu sich nach Hause nehmen. In sein zu Hause. „Äh... was?“ Amber rollte mit den Augen und schob mir einen Zettel zu. „e*f/2“ Schnell las ich vor und der Lehrer schien einigermaßen zufrieden zu sein. „Also?“ Amber sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Nichts.“ „Du kannst ziemlich schlecht lügen.“ Ich seufzte. „Na gut. Also nach der Schule holt er mich ab.... und dann... dann.... gehen wir zu ihm nach Hause.“ Erstaunt ließ sie die Kinnlade fallen. „DU?! Du gehst zu einem Jungen nach Hause?“ „Hast du was dagegen?“ Sie schüttelte grinsend den Kopf. „Dass ich das noch erlebe. Lola geht mit einem Jungen aus.“ „Ich gehe nicht mit ihm aus!“ Sie winkte grinsend ab. Dumme Pute.
Er stand am Tor,genau wie er es gesagt hatte. „Hey Lola.“ In seiner Stimme schwang ein ein Hauch Vorfreude. „Wo ist deine Schwester?“ „Hat länger Schule. Was ist... kommst du jetzt mit mir oder traust du dich nicht?“ Idiot. „Natürlich traue ich mich.“ Ich ging an ihm vorbei und er zog mich lachend in die richtige Richtung. Während wir gingen nahm er wie selbstverständlich meine Hand und ließ sie auch nicht los,als ich sie wegziehen wollte. Also ließ ich es bleiben. Seine Hand war warm. Vor seinem Haus blieb ich stehen. Es sah nett aus. Nicht groß und so modern,wie die neuen kalten Häuser. Es hatte eine sandig gelbe Farbe mit einem hellbraunen Dach. „Komm.“ Jason zog mich weiter. Hinein. In die Höhle des Löwen. Ich musste innerlich grinsen bei diesem Gedanken.
Es war eine andere Welt. Ich hatte das Gefühl in etwas sehr Privatem einzudringen. Er führte mich durch durch den Eingangsflur der in sehr hellem Braun gestrichen war,die Treppe hinauf zu einer weiß gestrichenen Tür. „Mach die Augen zu.“ „Sei nicht so albern.“ „Ich finde es nicht albern.“ Seufzend schloss ich die Augen. „Und jetzt?“ Ich hörte ,wie er die Tür aufmachte. Jason nahm nun meine beide Händen und führte mich vorsichtig herein. Dann ließ er mich plötzlich los. „Jason...!“ Ich wollte die Augen aufmachen,doch er legte von Hinten seine Hände auf meine Augen. „Nicht schummeln.“ Er drehte mich und zog mich dann zurück. Ich gab einen halb erstickten Schrei von mir,da landete ich schon weich. Meine Sicht wurde freigegeben. Ich saß auf seinem Schoß und sah einem riesigen Regal entgegen,der voller CDs war. Davor stand eine E-Gitarre und eine Akustik-Gitarre. Auf einem dunklen Schreibtisch aus Holz stand ein schwarzer Laptop. Ein Bett aus einem Holzgestell stand an dem Fenster, und die Wand war in einem dunklem Lila,dass an eine Beere erinnerte, gestrichen. Er schlang seine Arme um meinen Bauch,zog mich dicht an ihn heran und legte seinen Kopf auf meine Schulter. Mein Herz spielte verrückt und mein Verstand schrie mich an, ich solle gefälligst meinen Hintern bewegen und laufen. Doch ich tat nichts. Ließ ihn einfach nur gewähren. Die Stimme des Verstands verstummte. Die stimme der Vergangenheit verstummte. Ich neigte den Kopf zur Seite.

Die Welt schien still zu stehen, als er mich küsste.

Schatten meiner Vergangenheit


Er löste sich von mir und sah mich abwartend an. Stille. Komprimierte Stille. Ich sah den Ansatz eines Lächelns in seinem Gesicht. Ich drehte mich ein wenig und schwieg. „So schlecht?“ Leicht schüttelte ich den Kopf,welcher leer zu sein schien. Grinsend beugte er sich vor und wollte mir einen weitere Kuss geben,als die Gedanken wieder auf mich einstürzten. Ich drückte ihn weg. „Komm schon,was ist los?“ Er kam wieder näher. „Nein!“ Ich sprang auf und ging ein Schritt vor ihm zurück. Langsam stand auch er auf. „Was ist los, Lola? Habe ich irgendetwas falsches getan? Dann tut es mir Leid. Ich will dir nicht weh tun. Ich will dir nie etwas tun.“ „Hör auf!“ Überrascht sah er mich an,als ich ihn anschrie. „Lola...“ „Halt die Klappe! Sag diesen Satz nie wieder! Hörst du? Nie wieder!“ „Ich... ich wollt dich nicht verletzten,Lola,was ich auch immer getan habe...“ „Hör auf!“ Der Schrei ging in ein Schluchzen unter. Ich sank auf die Knie und überließ mich dem Schmerz. „Lola...Lola.“ Ich hielt mich umklammert,in der Angst ich könnte auseinanderbrechen. „Ich werde dir nicht wieder weh tun ,Lola.“, klang es aus meiner Erinnerung. „Sei still!“ „Lola. Was ist mit dir?“ Stille und Tränen.


„Genau das Gleiche hat mein Vater immer gesagt.“ Sagte ich leise,nachdem ich keine Tränen mehr hatte und erschöpft in seinen Armen auf dem Boden lag. „Dein Vater?“ Ich nickte. „Zuerst war alles wie bei einer Bilderbuchfamilie. Doch dann... er wurde gefeuert. Dann fand er keine neue Arbeit. Er saß nur noch in dem Sessel vor dem Fernseher. Kurz darauf begann er zu Trinken. Erst nur ein Bier. Dann wurde es mehr. Und auch stärkere Sachen. Bis spät in die Nacht trank er dann. Ich bin dann immer irgendwann zu ihm gegangen. Ich wollte,dass er aufhört zu trinken und ins Bett geht. Doch dann beschimpfte er mich immer. Sagte,dass all das meine Schuld wäre. Dann schlug er mich. Er tat mir weh. Am nächsten Tag,sah er dann immer,was er angerichtet hatte. Sah meine blauen Flecken. Er quälte sich dann mit Vorwürfen und sagte immer er würde mich nie wieder verletzten. Doch er tat es immer wieder. Mutter wusste davon. Sie hat einfach zugesehen,wenn er mich schlug. Sie hat mich sogar Abends zu ihm geschickt um ihn ins Bett zu schicken,damit sie nicht gehen musste. Doch irgendwann reichte es ihm nicht mehr mich zu schlagen und ging auf meine Mutter los. Am nächsten Tag hat sie ihn vor die Tür gesetzt und hat die Scheidung eingereicht. Und dann war er weg.“ Jason strich immer wieder sanft durch mein Haar. „Und weißt du... Ich habe meinen Vater geliebt. Selbst als er einmal mit einer Flasche nach mir geworfen hat,habe ich ihn geliebt. Aber meine Mutter... sie war so feige. Und sie ist es immer noch. Ich hasse sie.“ Schweigend hielt er mich.
Dann,nach einer Weile: „Weißt du, wo dein Vater ist?“ „Nein. Meine Mutter hat alle Verbindungen abgebrochen.“
Er brummte nur und küsste mich vorsichtig auf den Hals. „Lola?“ „Ja?“ „Du weißt,es ist nicht deine Schuld, oder?“

Ich gab ihm keine Antwort.

Hass ist Bestandteil meines Lebens


„Lola?“ Ich blieb stumm. „ Was denkst du eigentlich über mich?“ „Ich denke du bist ein starrköpfiger Junge,der einen ziemlichen Knall hat,wenn er mit jemanden wie mir die Zeit verbringt.“ „Nein, ernsthaft.“ „Das meine ich ernst. Ich verstehe nicht, warum du dich mit mir abgibst.“ Er seufzte. „Du bist total blind dir gegenüber. Du bist so hübsch und...“ „Ach du brauchst ein hübsches Schoßhündchen an deiner Seite um deine Freunde zu beeindrucken. Wo ist denn die Glückliche?“ „Du hörst mir nicht zu.“ Er fasste unter mein Kinn und zwang mich somit ihn anzugucken. „Lola... Ich mag dich wirklich gern. Verstehst du das? Weil du du bist.“ „Jason...“ Er legte mir bestimmt seinen Zeigefinger auf meine Lippen. „Du musst nichts dazu sagen,Lola. Du sollst es einfach nur akzeptieren.“ Er ließ mein Kinn los. „Ich werde dich nur unglücklich machen.“,sagte ich leise,mehr zu mir selbst als zu ihm. Leicht kitzelte er meinen Hals. „Dann ist das meine eigene Schuld,weil ich dich einfach nicht gehen lassen kann.“

Wir lagen auf dem Boden seines Zimmers und hielten uns. Er machte nicht viele Versuche mich zu küssen,sondern war zufrieden damit mich zu bergen. Es war einer der schönsten Momente,die es je in meinem verdammten Leben gab.

„Du musst nach Hause.“ „Ich will aber nicht.“ „Ich aber.“ „Du willst mich also doch nicht?“ Er seufzte und pikste mir in die Seite. „Nein du Dumme. Ich will nicht,dass die Polizei vor meiner Tür steht,wenn du nicht zu Hause auftauchst und mich in eine Zelle sperrt,die mich dann wochenlang von dir fernhält.“ „Feigling.“ „Meinetwegen.“ Ich seufzte und öffnete seine Haustür. „Braves Mädchen.“ „Klappe.“ Grinsend umarmte er mich noch einmal und stahl sich einen kurzen Kuss. Dann ging ich nach Hause. Wie ich schon prophezeit hatte,stand meine Mutter am Fenster und huschte gleich zur Tür,als sie mich sah. „Na mein Schatz, wie war dein Tag?“ „Das interessiert dich doch 'nen Dreck.“ Sie seufzte. „Lola. Das stimmt doch gar nicht.“ „Natürlich stimmt das, also gib dir keine Mühe.“ Ich ging auf mein Zimmer. „Willst du nichts essen?“,rief sie. „Keinen Hunger!“ Mein Blick fiel auf meine Schultasche. Schule. Verdammt, Hausaufgaben musste ich auch noch machen. Seufzend setzte ich mich an die Aufgaben und legte mich danach in mein Bett.


„Deine Schuld! Das ist deine Schuld Lola!“ Mein Vater zeigte mit der Wodkaflasche anklagend auf mich. „Du hast bis jetzt nur Probleme gemacht. Wir müssen dich durchfüttern und mit allem versorgen. Du machst nur Geldprobleme!“ Mir liefen still die Tränen herunter. „Papa, nein... Ich liebe dich doch. Ich will doch keine Probleme machen. Bitte Papa. Leg die Flasche weg und geh ins Bett.“ Er lachte nur laut und warf eine der leeren Bierdosen nach mir. „Verschwinde!“, schrie er. „Nein,Papa... bitte.“ Hilflos wand ich mich meiner Mutter zu. „Mama... Hilf mir.Bitte.“ Doch sie sah nur regungslos zu. „Mama!“ „Du hast es verdient,Lola.“ Sie drehte sich um und ging. Weitere Dosen trafen mich. „Verschwinde, du undankbare Göre!“ Er warf die Flasche und ich schrie auf.



Keuchend schreckte ich auf. Zitternd krümmte ich mich zusammen und hielt mich fest umschlungen. Mir war kalt. Die Tränen tropften auf mein Kissen.


Die Albträume waren zurück.

Sturmnächte


„Lola? Was ist los? Du siehst echt schrecklich aus!“ Amber sah mich besorgt an. „Ich hab nur schlecht geschlafen. Das ist alles.“ Amber schüttelte nur den Kopf. „Du scheinst immer schlecht zu schlafen...“ Damit wendete sie sich wieder der Tafel zu. Ich sah auf meinen Tisch. Da hatte sie Recht. Seit ES passiert ist,schlief ich schlecht oder auch gar nicht.
In der Pause saßen wir in der Pausenhalle. „... und hast du gehört? In den nächsten Tagen soll ein richtiger Sturm aufkommen!“ Ich rieb meine Augen und gähnte. „Ein Sturm?“ „Ja,so ein richtiger großer! Mit starkem Wind und Regen und allem drum und dran. Vielleicht kriegen wir ja sturmfrei. Im wahrsten Sinne des Wortes!“ Amber lachte. „Ja.... vielleicht.“

Es klingelte an der Tür. „Lola! Besuch für dich!“ Ich stöhnte. „Ja,ich komm ja schon!“ Schnell ging ich die Treppe herunter. Im Flur stand er. Jason. „Was... machst du hier?“ Verwundert blieb ich stehen. Er grinste,wie immer. „Na, dich besuchen.“ Bevor meine Mutter irgendetwas sagen konnte, griff ich nach seiner Hand und zog ihn in mein Zimmer. „Hast du nicht gelernt,dass man seinen Besuch ankündigt?“ „Ich war mir aber nicht sicher,ob du mich kommen lassen würdest.“ Er lächelte. Das tat er immer,wenn er mich ansah. „Lässt du mich dich umarmen?“ Ich unterdrückte ein Lächeln. „Jetzt wo du schon mal da bist... Gerne.“

Es klopfte an der Zimmertür. „Lola?“ Schnell machte ich mich von ihm los. „Was ist?“ Meine Mutter kam herein. „ Es hat angefangen zu stürmen. Du solltest schnell nach Hause fahren.“ Sie sah Jason an,welcher ein wenig zweifelnd nach draußen sah. „Es wäre mir lieber, wenn ich hier bleiben könnte. Würden Sie mir das erlauben?“ Meine Mutter kniff den Mund zusammen,nickte aber. „Na gut. Ich denke du hast Recht. Aber ruf deine Mutter an und sag ihr Bescheid.“
Er nickt nur und lächelte, als er sein Handy nahm und eine Nummer wählte. Mit kurzen Worten erklärte er seiner Mutter,was los war, und dass es besser wäre ,wenn er bei mir bleiben würde. Seine Mutter schien begeistert von der Idee zu sein. Zufrieden steckte er sein Handy weg und nahm meine Hand. „Sieht so aus,als stecke ich hier bei dir fest.“ „Hast du das geplant?“ Lachend nahm er mich in den Arm. „Nein. Aber gehofft.“
Ich wusste,dass ich rot war,als ich in meinen Schlafsachen in meinem Zimmer stand und er er mich musterte. „Hör auf so zu glotzen.“ „Du siehst hübsch aus...“ „Klappe.“ Ich legte mich in mein Bett. „Darf ich mit in deinem Bett schlafen?“ Beschämt legte ich mich auf die Seite. „Nein. Du solltest auf dem Sofa schlafen.“ Während ich versuchte einzuschlafen, hörte ich wie er sich seufzend auszog und sich hinlegte.
Ich konnte nicht schlafen. Ich wollte es nicht. Die Albträume... Er sollte sie nicht mitbekommen... Also war ich die ganze Nacht wach und sah ihm beim Schlafen zu. Sein Gesicht war friedlich. Wahrscheinlich träumte er nie schlecht. Als er sich am Morgen zu regen begann,schloss ich schnell die Augen und tat so,als ob ich schlafen würde. Der Sturm heulte immer noch am Fenster. Ich hörte kaum,wie er aufstand und ins Bad ging. Dann saß er plötzlich neben mir. Vorsichtig strich er durch mein Haar. Seine warmen Hände... Ich drehte mich um und lehnte mich an ihn. Überrascht hielt er inne. „Lola?“ Ich gab ein leises „Hm.“ von mir. „Öffnest du bitte mal deine Augen?“ Langsam tat ich,was er wollte. „Lola... Du kannst wirklich schlecht schauspielern. Das nächste Mal gib dir mehr Mühe,wenn du dich schlafend stellen willst.“ „Idiot.“ Er grinste und kitzelte meinen Hals. „Gerne doch. Und jetzt steh auf. Deine Mutter hat schon Frühstück für uns gemacht.“

Sturmnächte... Hatten wir das nicht schon?


Meine Mutter musterte mich argwöhnisch. „Na,sehe ich schon schwanger aus?“ Sie verschluckte sich an ihrem Kaffee und hustete,was mir eine kleine Genugtuung gab. Jason grinste nur in sich hinein und schenkte mir einen heißen Kakao ein. „Hm...Danke.“ Er zwinkerte mir zu,was meine Mutter nur noch argwöhnischer machte. „Nun,ich denke Jason, deine Mutter macht sich bestimmt schon Sorgen und ...“ „Aber nein. Sie ist begeistert davon,dass Sie so nett sind und mich hier schlafen lassen. Sie würde es viel schlimmer finden,wenn ich jetzt in diesem Sturm nach Hause fahren würde.“ Ich musste mich zusammenreißen um nicht loszulachen. Meine Mutter und nett. Sie wurde auch rot und stammelte irgendetwas von wegen,dass so etwas doch kein Problem sei. Ha! Wenn sie könnte würde sie den Sturm mit dem Besen von hier wegputzen.Und Jason noch dazu. „Was wollt ihr denn heute noch so machen?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Bleibt ja nicht viel. Wir könnten einen DVD-Tag machen.“ Jason nickte.“Hört sich gut an.“ Wir aßen schnell auf und gingen wieder in mein Zimmer,wobei ich die Tür abschloss. „Ich habe wirklich keine Lust auf meine Mutter.“,sagte ich nur,als er mich mit hochgezogenen Brauen dabei beobachtete. Ich schob die erste DVD ein setzte mich auf das Sofa. Kurz darauf saß er auch neben mir und legte seinen Arm um mich. Während Will Smith mit einem Blinden telefonierte, wurde ich immer schläfriger. Meine Augen wurden schwer.

„Deine Schuld Lola!“ „Nein,bitte Papa...“ „Verschwinde du jammerndes Stück Dreck!“ „Ahh!“
„Ahh!“ „Lola! Hey Lola! Alles ist gut. Hörst du? Es war nur ein Traum.“ Ich hörte abrupt auf zu schreien und unterdrückte zitternd meine Tränen. Sanft nahm er mich in den Arm. „Sh... Ich bin bei dir Lola.“ Bebend vergrub ich mich in seinen Armen. Langsam strich er mir über den Kopf. „Sag,was hast du geträumt? Wenn man jemanden anderen von seinen Albträumen erzählt verblasst die Wirkung,habe ich gehört.“ „M-mein... Vater... e-er...“ „Du trägst keine Schuld Lola.“
Erschöpft hing ich in seiner Umarmung. „Du solltest schlafen,Lola.“ „Nein! Wenn ich das tue, kommt er zurück!“ Jason hob mich hoch und legte mich auf mein Bett. „Aber dann bin ich ja da. Und wenn er dir wieder weh tun will, haue ich ihm eine runter.“ Ich musste ein klein wenig lächeln. Jason grinste und legte sich neben mich. Er hielt mich. „Schlaf. Ich beschütze dich.“ Vorsichtig nahm er meine Hand. Dann schloss ich die Augen.

Sonnenlicht blendete mich,als ich die Augen aufmachen wollte. Ich war zuerst orientierungslos,bis ich merkte,dass ich in meinen Bett lag. Hatte ich wirklich... durchgeschlafen? „Und? Wie geht’s dir?“ Seine Stimme neben mir brachte mich zum Lächeln. „Gut.“ „Keine Träume?“ „Nein.“ Jason grinste und gab mir einen sanften Kuss. „Jetzt hast du aber genug geschlafen. Steh auf. Der Sturm hat auch aufgehört.“ „Wie lange habe ich denn geschlafen?“,fragte ich, als ich aufstand und mir mit der Hand die Haare kämmte. „Einen ganzen Tag.“ „Was?!“ Lachend nahm er mich in den Arm. „Ich fasse es nicht. 'nen ganzen Tag. Tut mir echt Leid. Was hast du die ganze Zeit gemacht?“ Er zerzauste meine notdürftig gekämmten Haare. „ Keine Sorge. Du hast den Schlaf gebraucht. Außerdem war es schön dir beim Schlafen zuzusehen.“ „Was ist so spannend jemand beim Schlafen zuzusehen?“ Erneut lachte er. „Ich denke,dass weißt du.“ Ich wurde rot,als ich an die vorherige Nacht dachte. „Idiot.“ „Gern geschehen.“

Briefgeheimnis


Amber starrte mich an. Selbst als ich fragend die Augenbrauen hochzog, hörte sie nicht auf. Schließlich fragte ich sie: „Was ist? Habe ich irgendetwas im Gesicht?“ Nach einer Weile sagte sie: „Du hast keine Augenringe.“ Überrascht hob ich die Hand zu einem Auge. „Ja? Lola, was möchtest du dazu sagen?“ „Äh... doch nicht.“ Seufzend redete der Physiklehrer weiter und ich nahm schnell wieder die Hand herunter. Leise fragte ich Amber: „Waren die Augenringe sonst denn so auffällig?“ „Ab und zu.“ Verdammt. Ich hatte eigentlich immer versucht darauf zu achten,sie abzudecken. „Er scheint dir wirklich gut zu tun.“ Sofort wurde ich rot. „Wer?“ „Du weißt ganz genau,wen ich meine Lola.“ „Hm.“ „Aber ich bin echt froh,dass er für dich da ist.“ Schweigend schrieb ich das Tafelbild ab.

„Hey Lola.“ Jason nahm mich in den Arm und gab mir einen Kuss. „Die starre uns alle an,Jason!“,gab ich halblaut von mir. Er grinste nur. „Sollen sie ruhig. Sie kriegen trotzdem nichts ab.“ Lachend schob ich ihn weg und ging aus dem Tor um nach Hause zu gehen. Dabei nahm er meine Hand, ganz selbstverständlich. „Meine Mutter wird wieder Stress machen.“ „Und? Das ist ihr mütterliches Recht.“ „Hör auf so scheiß diplomatisch zu sein.“ „Dann hör du auf immer auf Rebellion zu schalten,wenn es um sie geht.“ „Bist du jetzt eigentlich für oder gegen mich?!“ „Natürlich für dich.“ „Hört sich aber nicht so an. Du weißt ganz genau, was sie getan hat. Oder eher NICHT getan hat.“ „Ja, aber dein Vater hat sich auch nicht gerade rühmlich verhalten.“ Da schwieg ich. Als wir schließlich bei mir zu Hause ankamen seufzte er. „Tut mir Leid Lola. Aber der Gedanke,dass er einfach weggegangen ist und dich mit diesen Albträumen zurückgelassen hat... Wie kann man soetwas tun?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Er muss wohl...“ „Er hat sich nicht mehr für uns interessiert. Der Alkohol war ihm wichtiger.“ Meine Mutter stand mit verschränkten Armen in der Küchentür. „Hat er sich denn je Mühe gemacht wieder mit dir zu sprechen?“ Ich senkte den Kopf. „Er will nichts mehr von uns Lola.“ Leise widersprach ich: „Du hast ihm ja auch verboten je wiederzukommen. Du hast gesagt du würdest ihn anzeigen,wenn er mich je wieder besuchen kommt,als er versprach wiederzukommen,wenn alles wieder gut ist.“ Ich hielt den Kopf gesenkt. „Geh schon mal nach oben Jason,ja? Ich komm auch gleich.“ Er zögerte kurz,doch er ging. Meine Mutter schnaubte. „Er hat dir weh getan Lola! Wie kannst du ihn dann noch so lieben?!“ „Dir war es doch egal, was er mit mir gemacht hat! Du hast immer nur weg geschaut und warst froh,dass du nicht an meiner Stelle warst! Du warst feige. Gottverdammt! Du bist das Letzte! Und weißt du was? Ich liebe ihn mehr als dich!“ „Na dann geh doch zu deinem so tollen Vater! Geht und ihr beide seit wieder glücklich , so wie er es doch die ganze Zeit wollte. Er wird sich freuen,dass seine Briefe doch Wirkung gezeigt haben!“ Meine Mutter hatte mich noch nie so angeschrien. Doch nach und nach wurde mir klar,was sie da gesagt hatte. „Briefe? Welche Briefe?“ Sie schlug sich die Hand vor den Mund. „Was verschweigst du mir?!“ Ich sah,dass sie Tränen in den Augen hatte. „Ich... ich hätte das nicht sagen sollen Lola. Er hat dich verletzt. Ich wollte dich doch beschützen. Er sollte nie wieder in deine Nähe kommen.“ „Da bist du ziemlich spät. Wo sind die Briefe?“ Sie drehte sich um und kam nach einiger Zeit mit einer Handvoll Briefen zurück. „Ich wollte dich nur beschützen...“ Schnell lief ich nach oben und knallte die Tür zu. „Lola...“ Schamlos warf ich mich Jason in die Arme und begann zu weinen.

Es soll weh tun


„Er hat mir Briefe geschickt. Seit er weg ist. Mindestens einmal im Monat. Kannst du dir das vorstellen?“ Jason strich mir über mein Haar. „Nein. Vielleicht muss ich meine Meinung über deinen Vater noch mal ändern.“
Ich lächelte und sah auf die vielen Briefe die auf meinem Bett lagen. „Willst du sie nicht aufmachen?“ Schnell schüttelte ich den Kopf. „Jetzt nicht.“ „Soll ich gehen? Willst du sie lieber alleine lesen?“ Jason wollte aufstehen,doch ich zog ihn dich zu mir ran. „ Nein,bleib hier. Bitte. Aber lass mich kurz duschen. Die Duschen in der Sporthalle sind nämlich zum kotzen.“ Er lachte und nickte nur. Ich stand auf und ging in mein Bad. Dort zog ich mich aus und band meine Haare zu einem Dutt zusammen. In Wirklichkeiten kreisten meine Gedanken nur über diese Briefe. Mit geschlossenen Augen ließ ich das Wasser über mich laufen. Ich drehte mich mit dem Rücken zu der Tür. Dann drehte ich es heißer. Und heißer. Es brannte sich in meine Haut. Meine Hand verkrampfte sich um den Regler. „'Tschuldige Lola,aber...“ Jason kam herein und stoppte sofort,als er mich sah. Ich seufzte und senkte den Kopf. Dann drehte ich das Wasser ab. „Gib mir bitte das Handtuch.“ Schweigend reichte er mir eins,welches ich mir umwickelte. Dann drehte ich mich um. „Hat dir deine Mutter nicht gesagt,dass man Mädchen nicht beim Duschen stört?“ „Warum hast du das gemacht? Du könntest dich dabei verbrennen.“ Ich schnaubte. Es sollte ja weh tun. Das war der Sinn. „Ich dusche halt gerne warm.“ „Das Wasser war nicht warm,das sah eher kochend heiß aus!“ ,widersprach er. „Ach was...“, murmelte ich. Da griff er plötzlich nach meinem Arm und drehte ihn um. Am Oberarm prangten auf der Innenseite zwei dünne Narben. „Au! Lass los!“ „Wolltest du dir eine dritte hinzufügen?“ „Was redest du da für einen Unsinn! Ich ritze mich nicht!“ „Nein? Das sieht aber anders aus!“ „Ach lass mich.“ Ich wollte mich an ihm vorbei drängen,doch er schloss die Tür und versperrte den Weg. „Was soll das? Lass mich vorbei.“ „Du kommst hier nicht eher raus bevor du die Wahrheit gesagt hast.“ „Mach kein Quatsch!“ „Ich mein es verdammt ernst Lola.“ Wir starrten uns an. Dann drehte ich mich um,trocknete mich ab und begann meine Unterwäsche anzuziehen. Schnell sah Jason mit roten Wangen weg. Kurz wagte er einen Blick und schnappte nach Luft. Ich senkte den Kopf. Langsam ging er auf mich zu. „Ist... ist das..?“ „Ja,da hat die Flasche mich getroffen. Es musste genäht werden.“ Eine Narbe prangte auf meinem linken Schulterblatt. Vorsichtig legte er seine warme Hand auf die Linie. „Lola...“ „Ich ritze mich nicht. Nicht mehr. Ich habe damit angefangen,als er begonnen hatte mich zu schlagen. Er sagte, dass alles meine Schuld sei. Da habe ich … Es hat weh getan. Sehr. Aber ich habe nur diesen Schmerz gespürt und für einen Moment war alles ok. Als er dann die Flasche nach mir geworfen hat und ich ins Krankenhaus musste,hielt er meine Hand und sagte, dass es ihm Leid täte,denn jetzt würde eine Narbe zurückbleiben. Er sah so traurig dabei aus. Da habe ich aufgehört,damit ich keine weiteren Narben kriege, die mein Vater ja so sehr hasste.“ Plötzlich umarmte mich Jason fest und sagte leise: „Du bist wunderschön Lola. Innen als auch Außen. Zerstör dich nicht.“

Vielleicht... vielleicht kann ich es schaffen. Wenn er bei mir bleibt.

Versöhnung


Ich hatte Tränen in den Augen,als ich schließlich den letzten Brief zur Seite legte. „Jason. Könntest... könntest du mich bitte halten?“ „Natürlich.“ Vorsichtig legte er die Arme um mich und zog mich dicht heran. „Lola... Du solltest deinen Vater suchen.“ Ich schloss die Augen und sog seinen Duft ein. Seine Existenz war mein Anker. „Hörst du Lola? Ich denke wirklich, dass es dir helfen könnte.“ „Meine Mutter wird ausrasten.“ Ich musste schmunzeln bei dem Gedanken. Lachend zerzauste er mir die Haare. „Du solltest um der Versöhnung willen zu deinem Vater gehen, nicht um deiner Mutter eins auszuwischen.“ „Ich habe doch gar nichts anderes behauptet.“ „Aber daran gedacht.“ „Das kann ich nicht verneinen.“ Schmunzelnd drückte er mich und gab mir eine Kuss auf die Stirn. „Aber... du kommst doch mit,oder? Ich meine, wenn ich ihn gefunden habe.“ „Wenn du das wünschst Lola... Dann gehe ich natürlich mit dir.“ Erleichtert kuschelte ich mich tiefer in seine Arme. „Aber wo soll ich suchen?“ „Ist auf den Umschlägen keine Adresse vom Absender?“ „Daran habe ich gar nicht gedacht...“ „Dafür hast du ja auch mich.“ Gespielt empört pikste ich ihm in den Bauch. „Au.. ist ja gut. Ich nehm es zurück.“ Er langte nach einem Umschlag,drehte ihn um und las. „Und?“ „Lies selbst.“ Ungläubig starrte ich auf die Adresse. „Das... das sind ja kaum 10 km von hier!“ Die ganze Zeit hat er fast vor meiner Haustür gewohnt und ich hatte es nicht gewusst! „Wollen wir los?“ „Jetzt?“ „Hast du Angst?“ „Nein.“ Jason stand auf und reichte mir seine Hand. „Dann los.“ Ich kaute auf meiner Unterlippe und griff etwas verzögert danach.
Wir fuhren mit unseren Fahrrädern an der Hauptstraße entlang.Bogen ab,fuhren geradeaus, bogen wieder ab. Es wurde später Nachmittag. Dann erreichten wir den Ort. Automatisch wurde ich langsamer. „Komm,weiter.“ Nervös folgte ich Jason, der den einen Umschlag aus seiner Hosentasche zog um nach der Straße und Hausnummer zu sehen. Schließlich hielt er vor einer Einfahrt an. „Hier ist es.“ Es war ein kleines Haus. Unscheinbar. „Bist du sicher?“ „Klar. Komm.“ Wir gingen zur Tür und ich drückte zitternd den Klingelknopf. Kurz darauf öffnete uns eine Frau die Tür. „Ja?“ „Oh, Entschuldigung.“ Ich drehte mich um und wollte zu meinem Rad, doch Jason hielt mich auf. „Warte. Verzeihen Sie, doch wohnt hier...“ Da hörte ich die Stimme. „Rebecca, wer ist denn da?“ Er tauchte hinter der Frau auf. Mein Vater. Er war es wirklich. Zur selben Zeit sah er mich und blieb abrupt stehen. „Lola? Bist... bist du es wirklich?“ „Papa...“ Wir starrten uns an. Dann drückte er sich an Rebecca vorbei und blieb unsicher vor mir stehen. „Lola.“ Ich verschränkte schützend die Arme vor meiner Brust. „Hallo Papa.“, hauchte ich verkrampft. Was würde er jetzt tun? Würde er mich fortschicken? Wollte er mich noch? All diese Fragen spukten in meinem Kopf herum. „Was... was tust du hier?“ „Ich habe deine Briefe bekommen.“ „Ah... deine Mutter hat sie dich also doch lesen lassen.“ „Nein, ich habe aber heute herausbekommen, dass sie sie mir vorenthält.“ Unsicher fuhr mein Vater sich über seinen Kopf, als wüsste er nicht, was er sagen oder tun sollte. „Stimmt das immer noch, was du geschrieben hast? Meintest du es ernst?“ „Aber natürlich Lola! Ich würde dich nie anlügen wollen. Ich...“ Er gestikulierte ein wenig hilflos mit seinen Händen. Da schaltete sich Rebecca ein. „Ich denke, wir sollten das alles gemütlich drinnen bei einer Tasse Tee oder Kaffee besprechen.“ „Ja.. ja,das sollten wir.“ Er ging der Frau hinterher, Jason nahm meine Hand und zog mich hinterher.
Wir setzten uns gegenüber. Rebecca und mein Vater, ich und Jason. „Paul, willst du uns nicht vorstellen?“ „Natürlich. Also, das ist Rebecca und das ist meine Tochter Lola und...?“ „Jason, ihr Freund.“ „EIN Freund.“ Ich stieß ihm den Ellenbogen in die Seite. Mein Vater lachte und sein Lachen entschärfte irgendwie die ganze Situation. „Donnerwetter. Da habe ich wohl einiges verpasst. Hast dir da ja 'nen ganz vernünftigen Kerl geangelt.“ Rebecca gab ihm einen sanften Klaps. „Nun bring das Mädchen nicht in Verlegenheit. Da ist sie nun den ganzen Weg gekommen um ihren Vater zu sehen und du begrüßt sie nicht einmal vernünftig.“ Jason hob eine Augenbraue. „Entschuldigung, aber hat er ihnen erzählt, was er mit Lola gemacht hat?“ Mein Vater seufzte. „Ja, habe ich. Ich habe ihr alles erzählt. Und es tut mir so Leid. Ich verfluche den Tag, an dem ich das Trinken angefangen habe. Ich versichere dir Junge, ich bereue jeden Tag, an dem ich ihr weh getan habe.“ Seine Freundin tätschelte seinen Arm und stand dann auf. „Ich mach uns jetzt mal einen Tee.“ Bittend sah mein Vater mich an. „Kannst du mir verzeihen, Lola?“ Ich sah ihn an, drückte Jasons Hand. „Ich weiß nicht. Ich weiß es wirklich nicht,Papa. Ich will dir verzeihen, ich will es wirklich. Aber ich kann nicht einfach alles vergessen.“ „Das verstehe ich Lola. Ich will versuchen alles wieder gut zu machen. Damit auch dein Kerl mich nicht ansehen muss, als ob er mich gleich anfallen will.“ Ich musste lachen und gleichzeitig weinen.
Als Rebecca mit dem Tee wiederkam, lagen wir uns in den Armen.
Ich konnte ihm zwar nicht sofort alles verzeihen, aber es tat gut wieder seine starken Arme zu spüren und die kleinen Lachfältchen am Auge zu sehen, die ihn zu dem fröhlichen und netten Menschen machten, der er doch war.

Und alles scheint ein gutes Ende zu nehmen


Es war wirklich schön, diese Zeit bei meinem Vater. Ich redete viel. Wir redeten viel. Und lachten. Und die ganze Zeit hielt Jason meine Hand. So habe ich mir ein Zuhause immer vorgestellt. Ein glücklicher Ort, einen Vater, der nervige Fragen zum Thema „Freund“ und „Beziehung“ stellt und eine fröhliche,nette Mutter.
„Du solltest langsam nach Hause Lola. Deine Mutter macht sich bestimmt schon Sorgen.“ „Ich bin zu Hause.“ Mein Vater seufzte. „Es freut mich wirklich,dass du so denkst, aber deine Mutter ist immer noch dein gesetzlicher Vormund.“ „Ja, ich weiß.“ „Na komm.“ Jason zog mich hoch und zur Tür. „Vielen Dank für den Tee und den netten Empfang.“ Rebecca lächelte herzlich. „Aber nicht doch. Ihr beiden sind immer willkommen.“ Schweigend fuhren wir zurück. Es war dunkel, als ich mein Fahrrad in der Einfahrt abstellte. Jason gab mir einen Kuss und fuhr dann weiter. Meine Mutter war nicht da, als ich hineinging. Das war mir in dem Moment ziemlich recht. Ich setzte mich in die Küche auf einen der Holzstühle. Was nun? Ich könnte meinen Vater fragen, ob ich bei ihm wohnen kann. Obwohl... Ich wollte ihm und Rebecca nicht auf die Nerven gehen. Da hörte ich Schlüssel klirren, ein Stöhnen und die Schritte meiner Mutter. Sie schlurfte in die Küche und ließ sich gegenüber von mir auf einen Stuhl fallen. Ihre Wimperntusche und ihr Lippenstift waren verwischt, ihre Haare waren ein einziges Chaos und ihre Bluse hatte einen großen Fleck, der verdächtig nach Alkohol roch. „Du warst bei ihm?“ „Ja.“ Zitternd griff sie nach einer Weinflasche, die nur noch halb gefüllt war und wohl schon am Nachmittag hatte herhalten müssen. „Und?“ Ich nahm ihr den Wein weg. „Lass das. Genau das hat unsere Familie kaputt gemacht.“ „N-nein! Er... er war es! Er allein!“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Du bist auch Schuld. Aber Papa hat aus seinen Fehlern gelernt. Er ist seit Jahren trocken und hat sogar eine neue Frau kennengelernt. Du hingegen...“ „Nein...nein.“ „Du hast nie etwas unternommen. Wieso? Wieso Mutter?“ Die Frau vor mir schien auf einmal so alt. Sie schlug die Hände vors Gesicht und weinte. „Ich w-wollte nie... nie wieder e-ein Opfer sein, ver-verstehst du? I-ich hatte Angst.“ „Du hast nur an dich selbst gedacht.“ „Ja. Ja, ich gebe es zu Lola!“ Ich nickte und stand auf. Plötzlich krallte sie sich meinen Arm. „Verlass mich nicht!“ Vorsichtig,aber bestimmt, machte ich mich los. „Ich werde hier leben bis ich endlich 18 bin. Dann ziehe ich aus.“ Ich ließ die Frau in der Küche zurück und nahm die Weinflasche mit. Man konnte ja nie wissen...

Sommerferien. Die Sonne brannte auf meiner Haut und ich konnte es kaum erwarten loszufahren. Ich würde mit meinem Vater,Rebecca und Jason nach Italien fahren. Zwei Wochen Urlaub mit Sonne und Meer. Ein Kennenlernen/Vertragen-Urlaub. „Kommt schon! Ich will los!“, drängelte ich und Jason nahm lachend meine Hand. Mein Vater klärte noch die wenigen Kleinigkeiten mit meiner Mutter und stieg dann ins Auto. „Ok,Abfahrt!“ Ich stieß einen übertriebenen Freudenschrei aus und folgte seinem Beispiel. Als wir schließlich alle im Auto saßen kam meine Mutter nochmal näher heran. „Viel Spaß Lola und passe auf dich auf.“ Sie hatte sich in den letzten Monaten gebessert und hatte auch das ein oder andere Gespräch mit ihrem früheren Mann geführt. Schließlich hatte sie diesem Urlaub zugestimmt. Ich hob nur die Hand zum Abschied,als wir sie und das Haus hinter uns ließen. Jason legte seine Arm um meine Schulter, zog mich näher heran und gab mir einen liebevollen Kuss. „Hey, ihr da hinten! Verschiebt das auf später in euer Hotelzimmer!“, rief mein Vater mit einem belustigten Blick in den Rückspiegel. „Dann sieh doch nicht hin!“ Grinsend streckte ich ihm die Zunge raus und Jason zerstrubbelte mir lachend mein Haar.
Das Leben konnte kommen.

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Tag der Veröffentlichung: 30.10.2011

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