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Prolog



Veränderung



Schritte hallten durch die Nacht, dass von einem stetigen Keuchen begleitet wurde. Eine Eule, die auf einem Baum saß und gut geschützt vor neugierigen Blicken war, beobachtete zwei Menschen aus seinen schwarzen lebhaften Augen. Die Eule öffnete den spitz zulaufenden Schnabel und gab einen langen Laut von sich, dass sich wie ein schmerzerfülltes Klageliedanhörte. Lautlos ließ es sich fallen und kurz bevor sie auf dem Boden aufprallte, öffnete die Eule seine großen Flügel, die sich lautlos in der Luft bewegten und glitt über den Köpfen der Menschen hinweg. Nach kurzer Zeit war die Eule in der Dunkelheit verschwunden.
Der Junge schaute erschrocken nach oben und betastete vorsichtig seinen Kopf, als ob er sichergehen müsste, dass er noch dran war.
„Was war das, Vater?“
Grinsend legte der Vater, während er lief, einen Arm auf die Schulter des Sohnes und antwortete: „Hat da ja jemand Angst? Wenn es dich beruhigt, es war ja nur eine Eule, die gerne schreckhafte Kinder frisst.“ Empört blieb der Junge stehen. „Ich hatte keine Angst! Schon recht nicht vor einer kleinen Eule.“ Blut schoss ihm in den Kopf vor Wut, doch er schaffte es nicht nach oben zu schauen, stattdessen blickte er starr auf einen ovalen Stein, der direkt vor seinen Füßen lag. Er kniete sich hin und nahm den Stein in die Hand. Fest schloss er seine Hand um den Stein, bis die Knöchel weiß hervortraten und warf ihn mit viel Schwung weg. Mit einem lauten Knall landete der Stein an einem Baum, der nach dem Aufprall den Abhang hinunter kullerte.
„Ach Yuuma, reg dich nicht so auf, das war doch nur ein kleiner Scherz. Komm lieber endlich, wir müssen uns beeilen, wenn wir es noch sehen wollen!“
Yuuma stand wieder auf und rannte zu seinem Vater, dessen Blick auf einen fernen Punkt gerichtet war. Schweigend liefen sie weiter, darauf bedacht nicht mit Felsen zusammenzustoßen, da der Mond hinter dunklen Wolken verborgen war und alles in tiefe Schatten tauchte, die einiges verbargen.
Wieso mussten sie eigentlich mitten in der Nacht zum Tempel? War das überhaupt erlaubt? , fragte sich Yuuma, der ein Gähnen unterdrückte. Ein kalter Wind wehte durch das kahle Gebirge, wo nur vereinzelt Bäume und meist nur Gestrüpp wuchsen. Er zog sich enger seine Jacke an den Körper, die mit weicher Schafswolle gefüttert war und gut vor Kälte schützte.
Irgendwann blieb Yuumas Vater stehen und hörte ihn tief einatmen. Auch ihn hatte diese Strecke erschöpft, denn der Tempel war auf dem höchsten Berg des Tals gebaut worden. Als Yuuma auch endlich oben ankam, drehte er sich langsam um und war wie jedes Mal erstaunt, wenn er diese Aussicht betrachtete. Eine große Gebirgskette schlängelte sich um das weitläufige Tal, dass zu dieser Jahreszeit gut von hier oben zu erkennen war, weil im Herbst und Winter meist eine große Nebeldecke sich darüber ausbreitete. Diese war dann zu schwer, um über die Berge zu schweben und sah dann so aus, als hätte ein Tier mit seinen riesigen Scharfen Zähnen seine Beute fest im Maul und würde es nicht mehr loslassen.
Winzige Häuser waren in der Mitte des Tals zu erkennen, aus denen kleine Rauchwölkchen stiegen. Ein dünner Fluss durchschnitt das Dorf in zwei Teilen und verlor sich dann in den Gebirgen. Sehnsüchtig schaute er zu den kleinen Häuschen, wo auch von seiner Familie das Haus stand und dachte an sein kuschliges warmes Bett.
Ein tippen an der Schulter riss ihn aus den Träumen. Yuuma drehte sich wieder zu seinem Vater um, der direkt auf den Tempel zuging. Dessen grauschwarzes Haar stand ihn in allen Richtungen ab, dass vom Wind zerwuschelt wurde.
Er folgte ihm und ein kribbeln durchlief seinen Körper. Dies geschah immer bei ihm, wenn er den Tempel sehen durfte, dass nicht oft geschah. In seinem ganzen Leben war er gerade erst fünf Mal dort gewesen.
Das erste Mal, als er als kleines Kind getauft wurde und somit gleichzeitig Treue gegenüber den Göttern, insbesondere dem Gott Flam geschworen hatte. Der Gott Flam, einer der Hauptgötter, war sehr beliebt unter den Menschen, da diese Gottheit ihnen das Feuer schenkte und somit Wärme, Licht und Geborgenheit gab. Auch wachte er über alle Lebewesen und sorgte dafür, dass jeden Tag die Sonne aufging, die alles gediehen ließ, was sie zum Leben brauchten.
Zwei große Säulen waren präzise aus dem Berg heraus gemeißelt worden, genau wie der Rest der Heiligstätte. Um je eine Säule schlängelte sich ein dünner langer Drache. Jede einzelne Schuppe war detailgetreu aus dem grauen Stein hervorgebracht worden.
An den oberen Enden der Säulen drückten sich die Drachen mit deren spitzen Klauen ab und berührten sich sanft an den Schnauzen.
Ihre Augen waren mit prächtigen großen Rubinen versehen, deren Schöpfer mehrere Jahre gebraucht haben, um so eine glatte Oberfläche zu bekommen, wie jetzt.
Yuuma streichelte vorsichtig einer der Drachen und bewunderte diese Geschöpfe zutiefst. Danach ging er leise in den Tempel, da man dort nur sprechen durfte, wenn es die Priester erlaubten. Dicht gefolgt wurde er von seinem Vater, der auch nun darauf bedacht war, bloß nicht zu laut zu sein.
Der Innenraum war noch beeindruckender und gestalteter aufgebaut.
Die Wand wurde von vier Statuen gehalten, die jeweils die Hauptgötter darstellten: Taqua, die Wassergöttin, Aera, der Luftgott, Mindrus, der Erdgott und Flam, der Feuergott.
Jede Götterstatue hatte eine Hand jeweils an die Wand gedrückt, sodass die Decke zusätzlich gestützt wurde. Yuumas Blick blieb am Altar hängen. Der Altar stand in der Mitte des Tempels und ist genau wie alles hier aus dem Berg gebaut worden. Ein großes Loch klaffte direkt über dem Altar, dass Licht hereinkam.
Der Mond lugte nun an der Seite, der dunklen Wolken hervor und tauchte alles in weißes Licht.
Vor Schreck hätte Yuuma fast aufgeschrien und konnte es gerade noch verhindern, indem er seine Hände fest auf seinen Mund presste. Kleine rote Flecken lagen überall verteilt auf der Steinplatte und war nur durch das helle Licht des Mondes sichtbar.
Yuumas Vater kniete sich direkt vor dem Altar, schloss seine Augen und murmelte ein paar Worte, die wahrscheinlich an Gott Flam gerichtet waren, wobei er auch ein paar Blumen auf die Platte legte. Diese Blumen gaben es nur ganz selten und wuchsen nur hier in diesem Tal, besonders an den steilsten Bergen.
Danach stand er abrupt auf, packte Yuuma am Handgelenk und schleifte ihn aus dem Tempel.
Völlig verwirrt folgte er seinem Vater und stolperte mehrmals über seine Füße.
Als sie sich ein paar Meter von der Heiligstätte entfernt hatten, blieb er stehen und schaute Yuuma fragend an. „Was ist los? Wieso hättest du fast losgeschrien? Du weißt doch ganz genau, dass in dem Tempel nur durch die Erlaubnis eines Priesters geredet wird! Das wäre total respektlos gegenüber den Göttern gewesen!“
Der Junge wartete schweigend ab und versuchte seine zitternden Hände unter Kontrolle zu bringen. Mit leiser Stimme antwortete er: „Vater, haben die Götter den Menschen nicht eigentlich verboten, Opfer darzubringen?“ Noch verwirrter blickte sein Vater Yuuma an. „Ja, wieso fragst du?“
„Naja, ich glaube ich habe…Blut gesehen, auf dem Altar.“ Fassungslosigkeit machte sich auf dem Gesicht breit. „Bist du dir da ganz sicher?“ Yuuma nickte.
„Warte hier, ich werde mir das mal anschauen!“ Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand wieder im Tempel. Nach ein paar Augenblicken kam er wieder, doch in diesem Moment geschah es. Auf einmal wurde alles in blutrotes Licht getaucht, dass den Drachen aus Stein einen bösen Anblick verlieh. Deren rote Augen funkelten sie grimmig an und die Krallen kamen einen noch schärfer vor. Panik stieg in Yuuma auf. „Was geschieht hier gerade? Sind die Götter nun sauer auf uns? Wer hat solch eine Schandtat vollbracht?“
„Dies wollte ich dir eigentlich zeigen, mein Sohn, aber unter diesen Umständen kann das nun nichts mehr gutes Bedeuten!“ Was wird wohl geschehen, fragte sich Yuuma und schaute dabei den blutroten Mond an, der sich nun endgültig von den Wolken gelöst hatte.
Tausende Sterne funkelten am Firmament und manchmal huschten ein paar Sternschnuppen vorbei. „Vater, wieso wolltest du mir das eigentlich zeigen?“
Seufzend verschränkte er die Arme und schaute seinen Sohn traurig an. „Normalerweise wäre dies ein Zeichen von Veränderung, einer guten Veränderung! Aber wie sollen wir das nun deuten, da wir Blut auf dem Altar gefunden haben?“
„Wer würde sowas tun? Und was wollte er damit bewirken? Kannte er etwa nicht diese Regel?“
„Ich weiß es nicht“, sagte der Vater und schüttelte mit dem Kopf. Schweigend standen sie nun da und betrachteten den Sternenhimmel, während der Mond weiterzog und immer heller wurde.
Yuuma hüpfte von einem Bein zum anderen und nervös lugte er zu seinem Vater. Was er wohl dachte? Als er das Schweigen nicht mehr aushielt, fragte er: „Hast du eigentlich von dem neuen König in Chorosp gehört? Er habe auch von Veränderungen gesprochen, die er demnächst durchführe und die die Welt neu Ordnen wird. Was meint er damit?“
„Ja ich habe mit ein paar Händlern aus Chorosp geredet, die selbst die Rede von ihm angehört haben und meinten, dass etwas Gutes geschehen wird. Nun frage ich mich auch, ob er nicht einfach die Herrschaft über alles haben will, die er aber erst haben kann, indem er alle unterjocht. Wir werden es ja dann sehen, aber ich glaube nicht, dass er gutes vollbrachen wird. Nicht mit diesen Zeichen!“
Yuuma dachte über die Worte nach, während er sich mehr in seine Jacke einkuschelt, weil der Wind nun stärker durch die Berge wehte.
Der Mond verlor nun endgültig seine rötliche Farbe und leuchtete wieder in dem weißen reinen Licht. Beruhigt nun atmete Yuuma aus. Die Drachen, die ihn vorher so beunruhigt hatten, sahen wieder friedlich aus und starrten mit ihren Augen in die Gegend.
Plötzlich veränderte sich etwas neben dem Trabant. Wo vorher kein Stern war, bildete sich von einer auf der andren Sekunde ein kleiner heller Punkt, der immer größer und stärker funkelte. Fasziniert bestaunten sie das Phänomen.
Yuuma fand als erstes die Sprache wieder. „Bedeutet das was Gutes? Denn dies passiert ja sicherlich nicht sehr oft und es war ein Atemberaubendes Spektakel!“
Der Vater lächelte. „Das kann schon sein. Ich spüre regelrecht die Veränderung, wie ein kribbeln, dass durch den ganzen Körper fließt!“
Ja, dachte sich Yuuma, es wird sich etwas Verändern.

Nach ein paar Tagen war das nächtliche Erlebnis in den Hintergrund geraten. Yuuma und seine Familie hatten viel zu tun und deshalb nur wenig Zeit, darüber nachzudenken.
Der Junge musste mal ins Nachbardorf laufen, dass einen halben Tagesmarsch entfernt ist, um wichtige Utensilien zu kaufen, die sie zuhause dringend benötigten. Auf dem Weg dachte er an die Nacht zurück, worauf ihm sofort tausend Fragen in den Kopf schossen. Was wird wohl dieses Zeichen bedeuten? Wer hat heimlich ein Opfer dargebracht, obwohl jeder wusste, dass es strengstens verboten war?
Die Götter, der vier Elementen sind einmal auf der Erde erschienen und hatte den Menschen Regeln aufgestellt, damit sie alle in Frieden leben konnten oder wie sie vermieden, die Götter zu erzürnen.
Unter diesen Regeln war auch diese, dass Opfern jeglicher Tiere verboten wurde, da die Göttin des Wassers sagte: „Geschöpfe der Welt“, begann sie lächelnd „Hört uns an! Um zu vermeiden, dass ihr das zerstört, was wir unter harter Arbeit erschaffen haben, stellen wir einiges klar! Tötet nur, wenn es unbedingt nötig ist. Um uns zu ehren braucht ihr uns keine Opfergaben zu bereiten. Es reichen schon weit aus kleineren Dingen, die uns erfreuen.“
Ob die Götter jetzt erzürnt sind? War der blutrote Mond ein erstes Zeichen ihrer Wut? Doch je mehr sich Yuuma den Kopf darüber zerbrach, desto verwirrter wurde er. Als er schon die Hälfte des Weges hinter sich gelassen hatte, beschloss er das Geschehene ruhenzulassen, da er sowieso keine Antworten auf seine vielen Fragen bekam.
Stattdessen betrachtete er die wunderschöne Landschaft, die mehr und mehr aufblühte, seit der Winter sich verabschiedet hatte. Überall wuchsen Blumen in allen verschiedensten Farben und Formen, die sich dann nach oben zur Sonne streckten und ihre Pracht entfalteten.
Von dem Duft der Blüten angelockt, flogen die Bienen summend herbei und landeten auf den Blumen, um den Nektar zu holen, aus denen sie später köstlichen Honig machten.
Bäume spendeten Schatten, der den Weg zum Dorf erleichterte, weil die Sonne heiß auf die Erde niederbrannte, obwohl erst seit zwei Monaten der letzte Schnee geschmolzen war. Yuuma hielt seufzend inne und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Nur noch eine Stunde, dann bin ich da, dachte er sich. Seine Kehle war so ausgetrocknet, dass er husten musste. Nirgends war ein Bach zu finden, woraus er trinken konnte und lief fluchend weiter, weil er vergessen hatte, sich etwas zu trinken mitzunehmen. Außer dem Geldbeutel, indem er ein paar Goldmünzen aufbewahrte, trug er nur seine Kleidung und eine lederne Umhängetasche, um später die gekauften Waren zu transportieren.
Um sich von dem quälenden Durst abzulenken, summte er ein paar Lieder, dass sich eher wie ein Brummen anhörte und schaute stets gerade aus. Auch wenn das seinem rauen Hals nicht gerade guttat, war er für den Rest des Weges abgelenkt.
Als Yuuma endlich das Dorf Mizea erreichte, beobachtete er, dass viele Menschen unterwegs waren.
In kleineren Grüppchen diskutierten die Leute lautstark und er konnte deren Zornesröte deutlich ansehen oder andere liefen mit einem verwirrten Ausdruck zurück in ihre Häuser.
Was wohl hier geschehen ist?
Schlendernd lief er betont langsam an einer Gruppe vorbei, um etwas davon mitzubekommen, was sie sagten. Doch die fingen so an, sich anzubrüllen, dass jeder die Worte des anderen mit seinem Geschrei überlagerte. Mit einem resignierten seufzen gab Yuuma auf, etwas zu verstehen, stattdessen kramte er aus einer Hosentasche einen zerknüllten Zettel heraus. Er faltete ihn auseinander und las schnell was er alles besorgen musste. Dann bog er in eine Seitenstraße ab und gelangte direkt in die Hauptstraße des Dorfes. Überall waren kleine Stände, die meist nur aus Holzbrettern gebaut worden waren und bei jedem Sturm umkippen würden.
Menschen von verschiedenen Rängen liefen über dem Markt. Von armen Bauern, die nur schlichte, einfache Kleidung an sich trugen bis zu reichen Adligen, die Gewänder aus teuerster Seide trugen und reich bestickt waren. Diese wurden gefolgt von Dienern, die schwere dunkle Kisten auf den Rücken trugen, wo all die neu gekauften Waren gelagert wurden.
Ein Geruch von verschiedensten Sachen stieg ihm in die Nase, dass ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Rechts von ihm wurden gebrannte Mandeln verkauft, die geradezu einen betörenden Geruchverströmten. Ein lautes Magenknurren bestätigten nur sein verlangen, doch die wenigen Münzen, die ihm seine Eltern mitgaben, waren nur für die Einkäufe gedacht. Yuuma schüttelte leicht den Kopf und suchte den ersten Stand auf.
Er kaufte für seine Mutter Kräuter, die sie zum verfeinern von Gerichten benötigte, die sie aber selber nicht anbauen konnten, da sie nicht das richtige Klima dafür hatten.
Die Frau, die ihn am Kräuterstand bediente, kassierte das Geld und schaute Yuuma dann grinsend an. „Na kleiner, wie hat dir die Rede so gefallen?“
Kleiner? Er unterdrückte eine freche Antwort und fragte stattdessen: „Welche Rede meinst du? Und wann soll die gewesen sein?“
Verwundert hob die junge Frau eine Augenbraue hoch. „Ich meine die, die vor etwa einer Stunde gehalten wurde! Von einem Dienstboten des neuen Königs in Chorosp.“ Nachdenklich blickte er sie an. „Da war ich wohl noch auf dem Weg hier her. Das erklärt auch die vielen Menschen, die sich dort hinten versammelt haben und einige sahen nicht gerade glücklich aus! Was hat dieser Dienstbote denn gesagt, was die Leute so wütend gemacht haben?“ Neugierig betrachtete sie Yuuma und ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen.
„Aus welchem Dorf kommst du denn, kleiner, dass du denn gar nichts mitbekommst?“ Yuuma ignorierte diese Anmerkung, doch gab seufzend nach und antwortete: „Ich komme aus dem Dorf Gezard, einen halben Tagesmarsch von hier.“ Die junge Frau nickte. „Wenn du dich beeilst, wirst du dir die Rede noch anhören können. Er wird wohl in Gezard noch nicht gewesen sein. Der königliche Dienstbote geht nämlich von Dorf zu Dorf und teilt allen die neue Ordnung mit.“
Verwirrt blickte er auf. „Die neue Ordnung? Was meinst du damit? Und was hat er denn nun gesagt?“ Geheimnisvoll lächelte sie Yuuma an. „Das wirst du noch früh genug herausfinden.“
Sie zwinkerte ihm zu, dann drehte sie sich zu einem neuen Kunden, den sie dann bediente.
Zurück ließ sie einen verwirrten Yuuma. Neue Ordnung? Was meinte sie damit? Und warum wollte sie es ihm nicht erzählen?
Sein Blick wanderte zwar über den Markt, doch achtete er kaum auf die Einzelheiten. Noch mehr Fragen, auf die ich im Moment keine Antworten bekomme, dachte Yuuma verärgert.
Doch wenn ich mich jetzt mit den restlichen Einkäufe beeile, schaffe ich es noch vor Sonnenuntergang bis nachhause und kann mir die Rede anhören!
Durst, dass ihn vorhin so geplagt hatte, war längst vergessen, dafür wirbelten tausende Gedanken durch seinen Kopf.
Überall kam er Menschen entgegen, die genauso verwirrt oder wütend schauten, wie auf dem Hauptplatz.
Es dauerte einige Zeit, doch bald schon hatte er alles nötige eingekauft. Seufzend blieb er stehen, um sich eine kleine Pause zu gönnen. Schweiß lief ihm den Rücken runter, da sich die ganze Hitze in der Stadt aufgestaut hatte, wobei die Sonne immer noch hoch im Himmel stand und nicht gerade damit die Hitze eindämmerte.
Yuuma hob seine Hand, doch er spürte keinen Wind, der etwas Abkühlung verschaffen könnte.
Schwindel überkam ihm, sodass Yuuma sich an eine Hauswand lehnte und tief einatmete. Ich muss was trinken, dachte er sich. Schnell lief er zu dem Dorfbrunnen, der aus roten Sandsteinen gebaut worden war. Ein altes Seil baumelte über den Brunnen, dass an einem Stock befestigt war. Mit einiger Mühe zog er an dem Seil, bis ein Holzeimer zu Vorschein kam.
Vorsichtig legte er seine Tasche mit den Waren auf den Boden. Er formte seine Hände zu einer Schüssel, tauchte die in das Wasser und trank gierig daraus. Dann wusch er sein Gesicht damit.
Der Schwindel verebbte und sofort sah er alles wieder schärfer.
Dann schnappte er sich seine Tasche und machte sich auf den Weg nachhause.

Die Sonne berührte bereits den Horizont und färbte die Landschaft in Gold-orangenes Licht, als er fast da war.
Nur wenige Menschen waren ihm begegnet, die meisten Händler, mit vollbeladenen Pferden. Hufgeklapper oder das Singen von Vögeln war das einzige, was er auf der Reise hörte. Alle liefen nach Mizea, zum Markt, um dort etwas zu verkaufen.
Als er in der Ferne endlich das Dorf Gezard sah, bemerkte er sofort denselben Trubel, wie in Mizea. Große Menschenmassen haben sich auf dem Hauptplatz versammelt und warteten, bis der königliche Dienstbote endlich mit seiner Rede anfing.
Was wohl sich alles verändern wird?
Eine kleine Bewegung am Rande des Dorfes machte ihn aufmerksam. Yuuma kniff die Augen zusammen, um zu erkennen was er in der Hand hielt. Yuumas Schritte beschleunigten sich, das Gewicht der Tasche wurde mit jedem Schritt schwerer und seine Schulter schmerzte, sodass er das Gesicht verzog. Was hielt dieser Mann in der Hand? Und wo will er….
Ihm stockte der Atem und Yuuma stolperte über seine eigenen Füße. Der Mann in der Ferne lief auf einem dünnen Pfad zu, der nur zu einem Ort führen konnte…zum Tempel. Nun wurde ihm auch klar, was er in der Hand hielt. Hühner, die herum zappelnden und versuchten, sich aus dem festen Griff zu befreien, um zu fliehen. Manchmal gab eines der Tiere einen Schrei von sich, dass durch die Berge schwach widerhallten. Kurze Zeit später war er hinter einem Hügel verschwunden. Er wollte die Tiere den Göttern im Tempel opfern!
Ob er es auch war, der diese Blutstropfen hinterlassen hatte, als er schon mal etwas geopfert hatte? Wer war er, der so die Regeln missachtete?
Er runzelte die Stirn, doch ihm blieb keine Zeit darüber nachzudenken, weil sich etwas in der Menschenmenge veränderte. Überall kehrte Stille ein und alle schauten erwartungsvoll auf einen Punkt. Den Rest des Weges rannte Yuuma zurück, quetschte sich durch die Menschen und suchte nach seinen Eltern.
Er fand sie direkt vor dem Podest, das die Bürger aus mehreren Holzkisten aufgebaut und ein rotes schlichtes Tuch darauf gelegt hatte.
Als seine Eltern ihn erblickten, lächelten sie ihn freudig an, worauf sie sofort wieder ernst schauten.
Yuuma stellte seine Tasche ab und rieb sich seine schmerzende Schulter. „Du bist gerade noch rechtszeitig gekommen, mein Sohn. Ein königlicher Bote ist hier und will uns eine Ansprache machen!“, meinte sein Vater mit einem leicht mürrischen Unterton. Yuuma lächelte.
„Ich weiß. Deswegen habe ich mich auch so beeilt und dabei auch eine erschreckende Entdeckung gemacht.“ Ein grimmiger Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit. Doch er kam nicht dazu, von dem Mann zu erzählen, der gerade auf dem Weg zum Tempel ist um Hühner für die Götter zu opfern, da gerade in diesem Moment ein Mann vom dunklen Teint das Podest bestieg.
Er trug ein rotes langärmliges Gewand, das wahrscheinlich aus einem teueren Stoff hergestellt worden war. Auf dem war ein schwarzer Adler gestickt, der seine Schwingen ausbreitete. Um die Hüfte trug er einen braunen Ledergürtel, an das ein kleines Messer befestigt war. Wahrscheinlich um sich zu verteidigen, falls er angegriffen wird, stellte Yuuma fest. Doch das faszinierendste an ihm war, dass seine ganze Haut mit goldenen Tätowierungen überseht war.
Der Dienstbote ließ seinen Blick kurz über die Menge schweifen und blieb kurz an Yuuma hängen. Dessen blaue Augen durchbohrten ihn regelrecht für einen Moment.
Kurz tauschten Yuuma und sein Vater einen fragenden Blick aus. Der königliche Bote räusperte sich kurz, als er mit tiefer Stimme zu reden begann: „Bürger von Gezard! Ihr habt bestimmt von dem kürzlich Königswechsel gehört, der sich in Chorosp zugetragen hat, da unser alter König Turrack verstarb.“
Ein seltsames funkeln leuchtete in seinen Augen auf, bis es wieder verschwand.
„Er hatte viele Jahre lang gut über das Land geherrscht und stetigen Frieden übers Land gebracht! Nun ist sein Nachfolger drauf und dran, diesen Frieden weiterzuführen, mit bloß ein paar Veränderungen.“
Yuuma horchte auf. Die Zeichen haben also doch gestimmt. Hoffen wir bloß, dass es gute Veränderungen sind!
„König Kasurack hatte während seiner Ernennung zum König eine Vision, wo ihm die vier Götter erschienen sind!“
Ein überraschtes Raunen ging durch die Menge. Normalerweise sind die Götter seit der Festlegung der Regeln nicht mehr erschienen, nur selten mal in kleinen Zeichen aufgetaucht.
Mit ernstem Blick betrachtete er die Menge und machte eine Handbewegung, damit sie wieder ihm zuhörten.
„Die ehrwürdigen Götter sagten ihm, dass die Regeln, die sie vor tausenden vor Jahren aufgestellt werden, umgestellt werden!“ Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen.
„Als erstes verlangen sie von uns, dass wir lebendige Opfer für sie dar geben, um sie richtig zu ehren. Sie haben es satt, nur mit Getreide und Blumen oder sonstigem unnötigen Plunder beschenkt zu werden.“
Keiner aus dem Dorf gab einen Ton von sich, stattdessen schauten sie den Boten fassungslos an, der diese Stille ausnutzte um schnell fortzufahren.
„Als zweites wollen sie, dass wir alle Geschöpfe unter unsere Macht stellen, die wir bis jetzt in Ruhe gelassen haben. Drachen, wie ihr sie alle kennt, sind böse Bestien, die alles zerreißen, was in ihrer Nähe ist!“
„Ich habe noch nie gehört, dass ein Drache einen Menschen angegriffen hat! Vielleicht gelegentlich ein paar Schafe oder Kühe“, sagte ein Mann von mittleren Alter entschieden, dessen Augen ruhig auf den Boten ruhten. „Außerdem, für was brauchen wir die Drachen, falls wir mal welche einfangen würden! Ihr wisst alle, dass man Drachen nicht so leicht einfangen kann. Sie sind die wildesten Geschöpfe die ich kenne und ohne Freiheit nicht lange überleben!“
Die Züge des Dienstboten wurden hart, sodass die Wangenknochen stark hervortraten und seine Augen funkelten zornig.
„Der König hatte eine Vision von den Göttern! Sie haben es befohlen und wer sich dagegen weigert, muss für die Ungehorsamkeit bestraft werden!“ Dann stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen. „ Außerdem wird für jeden eingefangen Drachen eine reiche Belohnung vergeben.“
Yuuma drehte seinen Kopf zur Menge und muss mit erschreckender Miene feststellen, dass einige bei diesem Angebot gierig zum Boten schauten.
„Was wird mit den eingefangenen Drachen eigentlich geschehen?“, kam die Frage von einem kleinen Jungen, der in der Nähe von Yuuma stand und einen verschreckten Eindruck machte.
Wenigstens einer der das genauso schrecklich findet wie ich, dachte Yuuma grimmig.
Der tätowierte Mann rümpfte die Nase und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das wurde mir von dem König verweigert, dies schon jetzt euch mitzuteilen, aber ihr werdet es bald erfahren, wenn ihr ein paar Drachen eingefangen habt.“ Damit verabschiedete er sich, drehte sich ohne der Menge noch mal einen Blick zuzuwerfen um und lief geschwind das Podest runter.
„Ich möchte echt gerne mal wissen, was das für Auswirkungen hat!“, kam es von Yuumas Vater. Yuuma seufzte und betrachtete seinen Vater von der Seite. „Das möchte ich auch gerne wissen. Glaubt ihr, dass stimmt mit der Vision, wo dem König die Götter erschienen sind?“
„Das ist schwierig zu beantworten, aber es könnte gut sein. Ihr wart ja beim Tempel, als dieses Zeichen geschah und es ist möglich, dass die Götter uns etwas damit mitteilen wollten!“, sagte seine Mutter mit gerunzelter Stirn. „Aber lasst uns erst mal nachhause gehen und Abend zu essen!“ Yuuma und sein Vater nickten und verließen die Menge, die sich genau wie in Mizea anbrüllte oder mit einem gierigen Grinsen anblickten.
In diesem Moment fiel ihm wieder die Verkäuferin am Kräuterstand ein, die anscheinend auch nicht über die neue Ordnung verärgert war. Ob sie sich am Jagen der Drachen beteiligen würde, nur um eine schöne Summe Geld zu bekommen? Wütend darüber, kickte er einen kleinen Stern mit dem Fuß weg. Hoffentlich werden es wenigstens noch ein paar Menschen geben, die vernünftig genug sind, die Drachen in Ruhe zu lassen. Wir werden es ja bald erfahren…

Impressum

Texte: Alle Rechte des Buches liegen bei mir!
Tag der Veröffentlichung: 30.06.2011

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