Ich denke oft zurück an die Ersten Weihnachtsfeste, die ich miterleben durfte. Diese Weihnachten waren und sind es noch heute für mich: das schönste, was es in meinem Leben bisher gegeben hat. Warum? Nun an eines errinnere ich mich besonders gern und ich möchte es Ihnen gern erzählen.
Sie müssen wissen, dass ich als kleines Kind in einem Heim aufgewachsen bin. Als ich 8 Jahre alt wurde, addoptierte mich die wahrscheinlich liebste Familie dieser Welt. Es war Oktober und für diesen Herbst schon sehr kalt. Für mich viel zu kalt, aber dem Wetter, dem war das egal. Ich lebte mich schnell ein und die Zeit verging ebenso schnell. Die Weihnachtszeit brach an und ich hatte nicht nur neue Eltern. Nein, ich hatte 2 liebe Geschwister, die mich sofort in ihr Herz schlossen und ich hatte eine Großmutter. Gott hätte nicht lieber zu mir sein können. Er schickte mir meine Geschenke nicht einfach in einem Paket und der Weihnachtsmann war auch nicht der Bote, aber ich war mir absolut sicher, dass auch der alte Mann mit dem weissen Rauschebart seine Finger mit im Spiel hatte. Ich war so glücklich und ich war zufrieden. Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr mich dies schon beeindruckt hatte.
Aber das war erst der Anfang von meinem allerersten Weihnachtsfest. Sie müssen wissen, das Großmutter bisweilen ein wenig seltsam war. Nein nicht verrückt, senil oder was es da sonst noch alles gab. Nein. Großmutter liebte Abenteuer und so schlitterte sie, ohne etwas dafür zu können, von einem Abenteuer ins nächste. Aber dazu später mehr.
Meine Schwester war zu Besuch und sie war irgendwie nicht so gut drauf. Sie hatte schon ihre eigene Wohnung und ich, seelig wie ich war, erzählte und erzählte über den Weihnachtsmann und wie glücklich ich doch war. Mein Freund Manni war auch mit dabei und er konnte sich ebenso sehr begeistern wie ich. Meiner Schwester Elli schien dies mächtig auf die Nerfen zu gehen. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass es regnen müsste und zwar tagelang. Doch es schneite wunderschöne dicke weiße Schneeflocken. Während Manni und ich also unserer Begeisterung absolut freien Lauf ließen, lies Elli die Bombe platzen.
„Es gibt keinen Weihnachtsmann.“
Wir widersprachen natürlich aufs energischste. Aber meine Schwester ließ nicht locker. Irgendwann war unsere Weihnachtslaune futsch. Weg. Manni und ich gingen traurig und ebenso missgelaunt, wie meine Schwester, nach Hause. Ich wusste zwar das meine Schwester uns nur aufziehen wollte, weil sie wegen etwas anderem traurig war, dennoch lies mich das ganze nicht mehr los. Ich floh praktisch aus der abgeschiedenheit meines Kinderzimmers, einen wunderschönen Raum den meine Eltern für mich hergerichtet hatten. Und unten in der riesigen Einbauküche stand Oma und war am backen.
Alte Menschen lügen nicht, hatte mir Mutter erzählt und wenn ich einmal etwas auf dem Herzen hätte, so könnte ich jederzeit zur Oma gehen und sie fragen. Sie würde mir immer die Wahrheit sagen. Ich stand also dann in der Küche vor ihr und...
Und ich brachte keinen Ton heraus. Sie lächelte mich warmherzig an. Bat mich näher zu kommen und mich zu setzen.
„Komm, koste mal eine von meinen weltberühmten Zimtschnecken. Dann werden dir schon die Worte wieder einfallen.“
„Danke.“, ich freute mich sehr darüber wie sie mit mir umging. Ich gehörte wirklich voll und ganz zur Familie und auf einmal kam dieses weihnachtliche Gefühl wieder. Nicht ganz, aber ein bisschen. Ich wusste nicht, ob es am Geruch des Backwerkes oder an Oma lag, aber es fühlte sich unbeschreiblich gut an. Also erzählte ich Ihr was vorgefallen war, während ich die noch warme Zimtschnecke aß.
„Keinen Weihnachtsmann?“, schnaubte sie, „Lächerlich! Sie glaubt es nicht? HA. Dieses Gerücht geht zwar schon seit Jahren um und irgendwie macht mich das ganz verrückt. Hmmm. Also los. Mantel anziehen. Auf geht’s.“
Oma war da kurz entschlossen.
„Wohin gehen wir Oma?“, fragte ich, während ich meine Stiefel fast im gehen anzog und gleichzeitig meine zweite Zimtschnecke verputzte.
WO? - entpuppte sich als der „Alles für Jeden“-Laden unten in der Fußgängerzone, die gar nicht weit von unserem Haus entfernt lag. Das ist einer von diesen Läden, die von allem etwas zu haben schienen, was man auch haben wollte und wenn er es nicht hatte, versprach der Besitzer, das er es am nächsten Tag hätte. Soviel ich weiss, hielt er seine Versprechen. Also standen wir im Geschäft und sie drückte mir mit einem Mal einen Zehner in die Hand und sah mich an. „Nimm dieses Geld mein Junge und kaufe für irgendjemanden etwas der Bedürftig ist.“
„Aber...“
„Nix aber,“ lächelte sie mich an. „Tu es einfach.“
Mit diesen Worten lies sie mich allein im Laden und wartete draussen.
Das Geschäft erschien mir groß, vollkommen überfüllt und jeder versuchte seine letzten Weihnachtseinkäufe zu tätigen. Die Schlange an der Kasse bewegte sich nur träge vorwärts.
Für ein paar Momente stand ich einfach nur da, verwirrt, den Zehner mit meiner Hand umklammernd.
Ich überlegte, was ich einkaufen sollte und wer auf dieser Welt denn nun ein Bedürftiger wäre. Ich dachte an jeden der mir einfiel. Meine Familie, Freunde, Nachbarn, die Kinder aus der Schule, Menschen und als ich gerade an die Menschen dachte die zur Kirche gingen und beteten, fielen meine Gedanken auf Beppo Stern. Er war ein Kind mit verfilztem Haar und ziemlich strengem Mundgeruch und er saß am Nebentisch in Frau Grollands Klasse 2b. Beppo Stern hatte keinen Mantel. Ich wusste es, denn meine Geschwister und meine Klassenkameraden hatten mir erzählt, das er im Winter, wenn es richtig kalt wurde, niemals nach draußen ging. Weil seine Mutter ihm dann immer einen Zettel schrieb, er hätte Husten oder wäre stark erkältet. Und da wir anderen Kinder keinen Husten hatten und uns nicht erkälteten, wussten wir alle das Beppo Stern keinen Mantel hatte. Ich fühlte den Zehner in meiner Hand mit wachsender Begeisterung und dachte: „Ich möchte Beppo einen Mantel kaufen.“
Da war ein Mantel mit einer roten Mütze. Er sah wirklich warm aus. Ich griff ihn und als ich an der Kasse stand, fragte ich: “Könnten sie sich diesen Mantel als ein Weihnachtsgeschenk für jemanden vorstellen?“
Hinter mir stand eine Frau die mich fragte, warum ich denn meinen Zehner nicht sparen würde. Ich antwortete ich scheu: „Ich...äääähm...es ist...für Beppo.“
Ich wusste das mein Geld nicht reichen würde und wollte fragen, ob ich den Rest ein anderes mal bezahlen durfte. Doch die Kassiererin lächelte mich an und nahm den Zehner. Sie legte ihn in die Kasse. Natürlich bekam ich kein Wechselgeld, doch sie steckte den Mantel in eine große Weihnachtstüte, gab sie mir und wünschte mir ein frohes Weihnachtsfest. Am selben Abend half Oma mir das Geschenk zu verpacken. Wir wickelten eine schöne rote Schleife drum herum und schrieben eine Karte dazu. Ein paar schöne Sprüche aus der Bibel – an welche erinnere ich mich nicht mehr, aber ich erinnere mich noch das wir mit „Für Beppo, vom Weihnachtsmann“ unterschrieben. Und Oma erklärte mir, das der Weihnachtsmann auf strickte Geheimhaltung bestand. Als sie mich zu Beppos Haus brachte, erklärte sie mir auf dem Weg das ich von diesem Zeitpunkt an, für immer und ewig und ganz offiziell, ein Helfer des Weihnachtsmannes sei. Wir parkten etwas abseits und schlichen uns von Gebüsch zu Gebüsch ganz leise, fast lautlos. Ganz in der Nähe von seiner Haustür gab Oma mir einen Schubs: „Los geht’s!“, sagte sie.
Ich holte tief Luft. Ich lief schnell zur Tür und polterte gegen die Tür und klingelte 3x, während ich laut „HOHOHO“ in der tiefsten Stimme die ich konnte rief, legte blitzschnell das Geschenk auf den Absatz und sprang zurück zu Oma, hinter den Schutz des Busches. Dieser war so dicht gewachsen, das er uns beide locker bedeckte , wir aber trotzdem das Geschehen beobachten konnten.
Gemeinsam warteten wir atemlos und gespannt, wann sich denn endlich die Türe öffnen würde und dann...
Endlich war es getan. Dort stand Beppo.
60 Jahre sind seitdem vergangen und noch immer ist in mir das Gefühl, der Nervenkitzel, nicht erloschen, den ich zusammen mit meiner Oma, unter Schüttelfrost, hinter diesem Busch vor Beppos Haustür erlebt habe. In dieser Nacht begriff ich, das diese furchtbaren Gerüchte über den Weihnachtsmann genau das waren, was meine Oma gesagt hatte. „Lächerlich“. Selbstverständlich gibt es den Weihnachtsmann. Ich muss es wissen. Ich gehöre schließlich zu seinem Team.
ENDE
Texte: Titelbild
Quelle: www.piqs.de
Fotograf: ArgonR
Lizenz: CC
http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/deed.de
Tag der Veröffentlichung: 21.11.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Frohe Weihnachten an alle :)