Der silber schimmernde Mond brachte die mit Schnee bedeckt, Lichtung zum Glitzern und der zugefrorene See schimmerte so prächtig, wie ich es noch nie gesehen hatte. Eine leichte Brise umspielte die Bäume und brachte sie geheimnisvoll zum flüstern. Genüsslich streckte ich die Nase in den Wind und genoss die frische Nachtluft.
Langsam ließ ich den Blick über meine so vertraute Lichtung schweifen. Eine feine Schneedecke bedeckte die hohen Tannen, die sich wie in einem halb Kreis um den See schlossen. Es war kaum zu übersehe, dass es Mitte Dezember war. Mit einem leisen Winseln legte ich meinen Kopf auf meine großen Tatzen und schloss die Augen.
Es war kalt, wie jeden Winter und obwohl mein weiches, dickes, graues Fell gegen jeden noch so kalten Winter gewappnet war, fror ich. Es war eine unangenehme, einsame Kälte. Eigentlich war meine Rasse ein Rudeltier, aber hier war seit Jahren keiner mehr aus meiner Spezies. Nur ich. Seit die Menschen mein damaliges Rudel angegriffen hatten und meine Mutter mich in den Schutz der Bäume zerrte, hatte ich weder diese Lichtung verlassen noch andere meiner Artgenossen gesehen.
Ein leichtes Zittern ging durch meinen Körper und ich beschloss, mich wieder in den Schutz der Tannen zu begeben. Hier hatte alles angefangen oder geendet, das trifft es wohl eher.
Ich kann mich noch an alles erinnern, als wäre es erst gestern gewesen. An die Zornesschreie der Jäger und die Angstschreie der Wölfe. Es waren erschreckende Bilder. Mit einem leisen Seufzer legte ich mich unter meine Lieblingstanne und sah mir die funkelnden Sterne weit oben am Himmel an. Meine Gedanken schweiften ab, an die Zeit, in der mein Rudel nicht nur aus mir bestand. Ich dachte daran, wie meine Mutter mir jeden Abend liebevoll bei der Fellpflege geholfen hatte und sie sich schützend an meine Seite kuschelte, bis ich schließlich eingeschlafen war.
Bei dem Gedanken an meine Mutter entfuhr mir ein leises Winseln. Ich sah weiterhin die Sterne an und dachte an den Abend, an dem mein Wolfsleben als Einzelgänger begann.
Meine Mutter war wie jeden Abend dabei, mir bei der Fellpflege zu helfen, als unser Anführer unruhig in die Lichtungsmitte tappte. Prüfend reckte er seine graue Schnauze in die Luft und schnupperte, viele andere taten es ihm gleich und setzten danach eine besorgte, unruhige Miene auf. „Sind das wirklich…? Nein das kann nicht sein, seit Jahren war hier keiner mehr“, sagte einer der Wölfe, der ebenfalls seine Schnauze in die Luft streckte.
Meine Mutter hörte auf mein Fell zu pflegen und reckte ebenfalls die Nase in die Luft. „Menschen.“, knurrte unser Anführer ärgerlich und drehte sich zu seinem Rudel um. „Los, alle in die Verstecke. Sofort! Ich regel das alleine.“, meinte er und lies seinen Blick in die Runde gleiten. „ A-aber Chef, das können sie nicht alleine schaffen! Was ist, wenn die Menschen eine Waffe bei sich tragen? Sie müssen sich ebenfalls verstecken!“, bellte ein junger Rüde, er war der vorlauteste von allen.“Sofort!“, knurrte unser Anführer und sah die anderen mit einem scharfen Blick an.
Mit zurückgelegten Ohren und runterhängenden Schwänzen traten die anderen Wölfe in den Schutz der Bäume. Meine Mutter legte ängstlich ihre Schnauze auf meinen Rücken und leckte mir beruhigend das Fell. Keine drei Sekunden vergingen, als der erste Mensch die Lichtung betrat. In meinen Augen war er mehr als hässlich. Er war kräftig und breit gebaut, auf dem Kopf hatte er ein grün-braun beflecktes Etwas. Meine Mutter meinte, mit etwas wie diesem schützten sich die Menschen vor Kälte wie uns unser Fell. An seinem Körper waren weitere von diesen kälteschützenden Sachen, in derselben Farbe, die er auf dem Kopf trug. In der Hand hielt er ein längliches silbernes Etwas. „Er hat eine Waffe!“, hörte ich mehrere der Anderen ängstlich flüstern. Unser Anführer stand in der Mitte und sah den Eindringling mit hochgestellten Nackenhaaren und gefletschten Zähnen an. Der Mensch grinste höhnisch und hob ergebungsvoll die Hände. Sein Mund bewegte sich, aber ich konnte nicht verstehen, was er sagte, da meine Mutter mir mit ihrer Pfote die Ohren zuhielt.
Unser Anführer machte einen Schritt auf den Menschen zu, augenblicklich richtet dieser seine Waffe auf den alten Wolf. Er knurrte. Peng.
Ein entsetztes und wütendes Geheul der Anderen war zu hören. Unser Anführer lag auf der Seite und unter ihm ergoss sich eine dicke Blutlache. Er war tot. Auf einmal schneller als man hätte sehen können, kamen noch mehr Menschen und schossen in die Bäume. „Hier sind noch viel mehr. Ich will, das ihr sie alle erledigt!“, rief der erste Mensch, der die Lichtung betreten hatte.
Panisch stand meine Mutter auf, grub schnell ein Loch in den hohen Schnee und warf mich mit einer Bewegung ihrer Pfote hinein. Nach einem Nasenstupser rannte sie aus den schützenden Bäumen und gradewegs auf die Menschen zu, um den erstbesten in den Arm zu beißen. Noch ein Schuss. Ich sah, wie meine Mutter regungslos auf dem Boden lag.
Früher wusste ich nie, wie sie das tun konnte, heute redete ich mir ein, sie wollte die Menschen glauben lassen, dass kein weiterer Wolf mehr da war, damit sie mich in Ruhe ließen. Damals hatte ich mich in meinem kleinen schützenden Loch versteckt und gewartet, bis die Menschen unsere Lichtung wieder verließen. Mit einem leisen Wimmern und weichen Pfoten betrat ich die Lichtung, doch keiner war mehr da. Die Menschen hatten sie alle mitgenommen. Ich war allein…
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Mit diesen Gedanken war ich eingeschlafen. Jetzt kitzelte die Sonne meine Nase und ich erwachte langsam aus meinen schlimmen Träumen. Die Gedanken an den bevorstehenden Tag vermieste meine Laune sofort. Wieder ein einsamer, langweiliger Tag. Aber irgendetwas war anders an diesem Morgen.
Neben mir dicht an meinen Rippen, lag etwas sehr Warmes und Flauschiges. Verwundert öffnete ich meine Augen und sah an mir herab. Ein kleines weißes, vielleicht vier Wochen altes Junges lag eingerollt im Schnee und kuschelte sich an meine Seite. Verwundert sah ich es eine ganze Weile an, bis ich mich schließlich hinsetzte und mich umsah.
Weit und breit kein anderer Wolf zu sehen. Nicht mal eine Amsel, die nach Nahrung suchte. Das Kleine jedoch schlief vergnügt weiter und kuschelte sich noch enger an mein Fell. Ich legte den Kopf in den Nacken und rief nach einem anderen Wolf. Gespannt wartete ich auf ein antwortendes Heulen. Nichts. Da war niemand. Abermals sah ich das Kleine an.
So klein und hilflos wie es war, konnte ich es auf keinen Fall alleine lassen. Das ließen meine wölfischen Muttergefühle nicht zu. Ganz zu schweigen davon, dass ich seit Jahren alleine war. Ich beschloss, es zu behalten und großzuziehen. Auch ein Name für das Kleine war schnell gefunden. Ab jetzt nannte ich sie Ivy und war somit doch nicht mehr allein.
Tag der Veröffentlichung: 12.09.2011
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Widmung:
Dieses Buch widme ich meiner Freundin Svenja :) Hab dich sehr lieb mein Sensei <3