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Kapitel 1

 

 

 

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Kate wachte schweißgebadet auf. Es war wieder der gleiche Traum. Der gleiche Albtraum. Sie fragte sich, wann das Ganze endlich ein Ende haben würde. An Weiterschlafen war jetzt nicht mehr zu denken. Tausende Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Sie kämpfte mit den Tränen. Ihr Weinen wandelte sich um in ein leises Schluchzen. Sie gab sich Mühe, die Tränen unter Kontrolle zu kriegen, denn sie wollte niemanden aufwecken.

Die alten Erinnerungen kamen wieder hoch. Sie sah, wie sie vor fünf Jahren mit ihrer Mutter mit dem Auto fuhr. Sie wusste noch genau wie ihre Mutter damals aussah. Blondes, mittellanges, welliges Haar, schöne blaue Augen, schmales Gesicht und ein wunderschönes Lächeln. Sie lächelte so viel und oft. Das war typisch für sie. Ihre Mutter hieß Maria, hatte eine herzliche, erfrischende Art an sich und engagierte sich oft für benachteiligte Menschen. Wie Kates Vater sie doch liebte. Auch nach 15 Jahren Ehe schaute er sie damals immer noch so unglaublich verliebt an. Oh, ja, er vergötterte sie.

Kate schaltete das Licht an, auf ihrem Nachttisch befand sich das Portrait von Maria. Sie nahm es zu sich und schaute es genau an. Sie merkte wie ihr ein paar Tränen das Gesicht hinunter kullerten. Sie legte das Foto bei Seite und suchte nach Taschentüchern. Zu ihrem Ärger fand sie keine in ihrer Sichtweite und stand von ihrem Bett auf. So musste sie ein paar Schubladen ihres Tisches öffnen bis sich ein paar Taschentuchpackungen zeigten. Sie nahm gleich vier davon heraus und legte sich wieder in ihr Bett.

Unter Tränen erinnerte sie sich wieder an die Autofahrt vor fünf Jahren. Sie sah wie ihre Mutter ihr zulächelte. Plötzlich änderte sich Marias Gesichtsausdruck als sie wieder auf die Straße sah. Kate schaute auch hin und fing an zu schreien. In rasender Geschwindigkeit steuerte ein LKW auf sie zu. Dann wurde es ganz dunkel.

Kates Atmung beschleunigte sich. Ihr Herz pochte. Obwohl es nur Erinnerungen waren, fühlten sie sich unglaublich real an. Auch die Ängste, die sie damals fühlte, konnte sie genau spüren.

Als sie damals wieder aufwachte, befand sie sich im Krankenhaus. Ihr Vater stand neben ihrem Bett und hielt ihre Hand.

„Wie schön, dass du wieder da bist“, sagte er erleichtert. Er sah sehr schlecht aus. Dicke Augenringe und ein sehr blasses Gesicht kamen deutlich zum Ausdruck.

„Dad, wo ist Mum?“

Sie erwartete eine Antwort, doch ihr Vater antwortete nicht. Er sah sie verlegen an.

„Dad, wo ist MUM?“, schrie sie.

„Ähm, Schatz. Sie…sie..“, er schluchzte, “sie ist tot.“

Kate strich über das Bild und stellte es wieder auf den Tisch. Fast jede Nacht träumte sie von diesem Tag, der ihr ganzes Leben auf den Kopf stellte. Sie kam immer noch über den Verlust ihrer Mutter nicht hinweg und fragte sich warum sie so früh gehen musste.

Jetzt war sie fünfzehn und Maria fehlte ihr sehr. Die Zeit in der sie sich gerade befand, war anstrengend. „Pubertät“ hatte es ihr Vater genannt. Wie auch immer, ob Pubertät oder nicht, sie fühlte sich seit einigen Monaten alleine, hatte Stimmungsschwankungen und fühlte sich nicht besonders gut. Dass sie wirklich alleine war und wegen Einsamkeit litt, konnte sie nicht sagen, denn sie hatte ein paar gute Freundinnen um sich und auch einen festen Freund, Valentin. Er war ein Jahr älter als sie und gab sich sehr viel Mühe um Kate. Oft brachte er ihr schöne Geschenke mit, wie Blumen, Schokolade oder Stofftierchen. Irgendwie ging ihr das etwas auf die Nerven, denn sie hatte das Gefühl, er wolle sie „kaufen“. Valentin war jedoch auch sehr einfühlsam, gab sich Mühe sie zu verstehen und ihr auch Unterstützung zu geben. Ihre Freundinnen hatten derzeit zwar auch „die Phase der gemischten Gefühle“, schweiften mit ihren Gedanken jedoch ganz wo anders herum. Einige von ihnen hatten noch keine feste Beziehung und bohrten sie mit Fragen durch, wie es mit Valentin lief, wie er sich anstellte und wie weit sie intim miteinander wären. Kate beantwortete zwar fast immer geduldig ihre Fragen, fühlte sich jedoch oft von diesen genervt. Sie wollte einfach in Ruhe gelassen werden. Sie hatte einen Freund und davor noch einen. Ihre Freundinnen hatten „das Glück“ nicht. Na und? Als ob es das Wichtigste im Leben wäre. Käte würde alle ihre festen Beziehungen hergeben, nur dafür, ihre Mutter einen Tag bei sich zu haben. Traurig musste sie einsehen, dass es nicht möglich war.

Ihr Vater, John, tat sich schwer mit dem Verlust ihrer Mutter. Er war auch wie sie eine lange Zeit sehr traurig.

Schließlich beschloss er eine Trauerbewältigungsberatung in Erwägung zu ziehen. Er wollte für sie da sein, wie er Kate später erzählte, und nicht ständig heulend vor ihr hin und her laufen. Dort, in der Beratungsstelle traf er sie. Susanne war ihr Name. Sie beriet ihn und half ihm aus der Trauer wieder heraus. Seit der Beratung ging es John immer besser. Er fing an, zu lächeln. Irgendwann sogar zu lachen.

Susanne war seit einem Jahr regelmäßiger Gast bei ihnen zu Hause. Später fing sie sogar an, über Nacht zu bleiben. Und vor ein paar Monaten teilte John Kate mit, dass sie demnächst bei ihnen einzieht. Kate war nicht gerade begeistert, willigte aber ein. Doch der Höhepunkt kam erst noch. Er sagte, dass Susanne einen Sohn in ihrem Alter hat und dieser auch mit einzieht. Sein Name war Alex.

Als Kate das hörte, fiel sie fast in Ohnmacht. Mein Gott, jetzt zieht auch irgendein Fremdling hier ein und sie wusste absolut nichts von ihm. Sie hatte Angst und war vollkommen schockiert. Sie tobte, weinte, bettelte, dass ihr Vater seine Entscheidungen rückgängig mache, aber er tat es nicht. Er blieb dabei. Susanne war der Engel, den ihm Kates Mutter Maria geschickt hatte, sagte er oft. Und heute morgen, an einem Samstag, war der Tag X, an welchem der Einzug von Susanne und einem „Fremdling“ stattfand.

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 2

 

2

 

 

 

 

 

Der Wecker klingelte und Kate machte langsam ihre Augen auf. Sie musste wohl wieder eingeschlafen sein. Sie schaute auf die Uhr. Es war 9.00. Sie streckte ihre Hand nach dem Wecker aus und drückte auf den „Aus“-Knopf. Plötzlich klingelte ihr Handy. Sie sprang aus ihrem Bett und durchsuchte das Zimmer nach ihrer Handtasche, in welcher sich das Mobiltelefon befand. Endlich hatte sie es in der Hand.

„Hallo?“, sprach sie etwas atemlos.

„Ja, hey, mein Schatz, hier ist Valentin.“

„Ach so, du bist es. Guten Morgen, sei gegrüßt. Was geht, Valentin?“

„Naja, ich wollte einfach mal anrufen und dir die Daumen drücken, dass heute alles gut geht. Ich weiß ja, welche Sorgen du dir gemacht hast wegen dem Einziehen von Susanne und so.“

„Hey, danke, das ist echt lieb von dir. Ich konnte heute Nacht wieder nicht richtig schlafen, stell dir das mal vor. Und ja, heute ist es schon so weit. Ich bin mal sehr gespannt. Vor allem auf diesen Alex. Mal sehen, wie er so drauf ist.“

„Sei nett zu ihm, ok. Soll ich heute vielleicht vorbei kommen?“

„Ich bin immer nett, Valentin“, sagte Kate zwar etwas zynisch, musste jedoch feststellen, dass sie es wirklich fast immer war. Ja, sie war sogar zu nett und das zu oft, „und du musst nicht vorbei kommen, kannst es aber gerne machen, wenn du möchtest. Bis dann, danke für den Anruf.“ Kate legte wieder auf.

Irgendwie tat ihr Valentin leid, da sie ihn manchmal nicht sehr einfühlsam behandelte. Er gab sich wie immer Mühe, aber ihr war heute nicht besonders danach, sich mit ihm zu treffen oder mit ihm zu reden. Überhaupt empfand sie nicht viel Gefühl für ihn.

Mein Gott, diese Jungs. Bei all den Beziehungen, die sie vorher hatte, waren nie viele Gefühle da. Irgendwie war da einfach nichts. Im Gegenteil zu ihren Partnern. Diese waren nämlich sehr nett und erfüllten ihr jeden Wunsch.

Und das war ja das Traurige, dass die Anderen sie liebten, sie es jedoch nicht tat. Dieses unglaublich wahnsinnige Gefühl, dass einen sofort umhaut, wenn man jemandem nur in die Augen guckt...., ja Liebe, so was war für sie ein Fremdwort.

Hhm... Liebe....vielleicht war sie zu jung dafür? Allerdings war sie fünfzehn und das war auch schon kein Kindergartenalter. Oder machte sie etwas falsch?

Ihre Freundinnen meinten, sie hätte zu hohe Ansprüche und sollte das Ganze gelassener und lockerer sehen, dann würden die Gefühle auch von selbst kommen. Ihr Vater meinte, sie hätte bloß noch nicht den Richtigen getroffen und sollte sich keinen Kopf darüber machen.

Oh ja, das war das richtige Stichwort, sich nicht den Kopf darüber zu machen. Das tat sie nämlich schon seit einiger Zeit.

Seit ein paar Wochen kamen ihr die Erinnerungen hoch mit wem sie es nicht schon probiert hätte. Und immer wieder diese gähnende Leere. Immer wieder dieses absolute Nichts. Einfach NICHTS. Keine Gefühle. Vielleicht wollte sie auch unbewusst niemanden an sich heranlassen, wegen Verlustängsten, da ihre Mutter so früh gestorben war. Sagte man das in der heutigen Psychologie nicht so? Hmmm, vielleicht sollte sie einen Psychologen zur Rate hinzuziehen?

Kate musste plötzlich über ihren letzten Einfall lachen und erwachte so wieder aus ihren Gedanken. Sie schaltete das Radio an, allerdings lief da nichts Besonderes, somit schaltete sie auf den CD-Modus um und drückte auf „Play“. Leise hörte sie, wie die Musik anfing zu spielen.

Sie merke, dass sie einen trockenen Hals hatte und schaute sich nach einer Flasche Wasser um. Diese stand neben ihrem Bett.

Sie bückte sich, um die Flasche greifen zu können, öffnete sie und goss sich Wasser in ein Glas, welches auf dem kleinen Tisch neben ihrem Bett stand. Kate trank das Wasser und merkte gleich wie gut es ihr tat. Sie stellte das Glas wieder zurück auf den Tisch und machte es sich in ihrem Bett bequem.

Und dann ging das Gedankenkino los.

Sie fing an, in Erinnerungen zu schwelgen. Da war zum Beispiel dieser eine Typ, Nik, mit dem sie zusammen war.

 

 

Fall 1:

 

Nik war im gleichen Alter wie sie, intelligent, freundlich, charmant, sah nicht schlecht aus und war witzig. Er lud sie ständig irgendwohin ein. Allerdings hatte er einen sehr eigenartigen Humor und ihm passierten ständig Sachen, die total peinlich waren. Kurz gesagt: er war sehr tollpatschig. Einmal waren sie im Kino. Er kam spontan vorbei und da sie nicht wussten was sie machen sollten, gingen sie uns Kino. Als sie dort angekommen waren, sahen sie sich das Programmheft und die Kinoplakate an, die dort überall rumhingen, und überlegten, was für einen Film sie sich anschauen sollten. Kate schlug vor, in eine gruselige Show zu gehen. Sie mochte zwar keine gruseligen Filme, allerdings wurde für diesen so viel Werbung gemacht und er schien echt spannend zu sein. Es handelte sich um so eine Art Mischung aus Thriller und Horror. Nik hatte nichts dagegen einzuwenden und so waren sie sich einig. So saßen sie eine halbe Stunde später in der Vorstellung und aßen Popcorn. Der Film war sehr gruselig, so schmiegte sich an ihren damaligen Freund und klammerte sich an seiner Hand fest. Ein paar Mal sagte er ihr, dass seine Hand vom ganzen Drücken sehr wehtue und ob sie sich nicht lieber an der Lehne festhalten wolle. Natürlich wollte sie es nicht. Irgendwann kam eine besonders gruselige Szene. Kate hielt den Atem vor Spannung an und guckte nur mit einem Auge hin, den Kopf halb zur Seite drehend. Auf einmal spürte sie wie zwei Hände auf sie drückten und jemand von der Seite „Buh“ rief. Sie spürte wie ihr das ganze Adrenalin hoch schallte und ihr Herz schnell zu pulsieren anfing. Und dann schrie sie ganz laut in die Vorstellung hinein. Es war sehr still, so dass man ihren Angstschrei sehr gut hören konnte. Während sie sich wieder langsam beruhigte und realisierte, dass es gerade eine echt peinliche Aktion war, lachte sich Nik einen ab. Er war es, der sich diesen „großartigen Witz“ ausgedacht hatte.

Ein anderes Mal wollte er unbedingt vor Kate angeben und ihr beweisen, dass er einen Spagat machen könnte. Sie versuchte ihm das noch auszureden, aber er ließ es nicht zu. Und das auch noch mitten auf der Straße, vor lauter Menschen. Tja, so kam es dazu, dass er sich voll zum Deppen machte. Und zwar riss seine Hose genau an der empfindlichsten Stelle und jeder konnte seine Unterwäsche sehen, welche er zum Glück an hatte. Danach hatte er solchen Muskelkater, dass er einige Tage nicht zur Schule gehen konnte.

 

 

Fall 2:

 

Der zweite Typ hieß Andreas. Er war etwas älter als sie und war im Gegensatz zu Nik eher schüchtern. Als er das erste Mal vor ihr stand, saß sie in einem Cafe und war dabei, an ihrem Cappuccino zu schlürfen. Wie gesagt, er tauchte sehr plötzlich und unerwartet vor ihr auf, so dass sie sich erschrak als er sie begrüßte.

„Hallo“, sagte er.

Kate schaute etwas erschrocken hoch und erwiderte ganz überrascht auch ein „Hallo“.

„Ähm....ich bin Andreas. Ich wollte dich etwas fragen... . Ähhmm... . Würdest du vielleicht mal mit mir einen Kaffee trinken geh...oder ….äääähm... einen Cappuccino.....“

Vor lauter Aufregung verhaspelte er sich und konnte keine richtigen Sätze mehr hervorbringen. Er konnte ihr nicht richtig in die Augen schauen und wirkte sehr nervös.

„..Oder etwas anderes machen, ich meine...ääähm...oh nein... nicht, dass du jetzt was falsches denkst... Ich meinte bloß.... .“

 

Kate unterbrach ihn: „Hey, ich weiss schon was du meinst.“

Sie wusste nicht genau, ob sie sich auf ein Date mit ihm einlassen sollte. Zu der Zeit hatte sie keine Lust dazu. Allerdings tat er ihr leid, wie er da stand und fast schon um ein Treffen bettelte. Außerdem fand sie sein Verhaspeln total süß. So entschied sie sich dazu, zuzusagen.

So sprach sie weiter:“Andreas, ich würde mich sehr gerne mit dir treffen. Wie wäre es mit nächster Woche?“

Das Gesicht von Andreas änderte sich ganz plötzlich. Er sah nun aus als würde er strahlen. Sein Mund verwandelte sich in ein breites Lächeln. Überhaupt sah es so aus als würde ihm eine große Last von den Schultern abfallen.

Als er wieder von ihr wegging, stolperte er und fiel fast auf den Boden. Allerdings kam ihm ein Tisch davor und er prallte auf diesem ab. Zu seinem Unglück standen dort ein paar Teller mit Essensresten. Und ja, genau in diese ist er mit seinen Händen und seinem Gesicht hineingeraten. Die Teller flogen vom Tisch und zerbrachen. Sie machten einen ganz schrecklichen Lärm dabei. Alle Leute, die im Cafe saßen, schauten sich nach Andreas um und viele lachten dabei.

Als er sich wieder langsam aufraffte, gab er sehr schmerzhafte Laute von sich. Sein Gesicht sah aus als hätte es eine „Kriegsbemalung“ und seine Hände waren total dreckig. Kate fand den Anblick zwar auch amüsant, verkniff sich jedoch das Lachen und eilte ihm zu Hilfe. Gleichzeitig fragte sie sich, ob die Entscheidung, sich mit ihm zu treffen richtig war.

Später trafen sie sich und Kate hatte öfters das Gefühl, sich mit einer Wand zu unterhalten. Andreas war einfach nicht sehr gesprächig und gab nur wenige Laute von sich. Das meiste was sie zu hören bzw. zu sehen bekam, war ein Nicken oder ein zustimmendes „Hm“ oder ein verneinendes „Hm“ oder ein abwesendes „Hm“. Jaa, sehr unterhaltsam... .

Diese Beziehung war ganz nett, da Andreas ihr auch immer Geschenke machte und sie sehr verwöhnte. Er wusste, dass er mit seiner Ruhigkeit nicht sonderlich punkten konnte. Allerdings gab er Kate stets das Gefühl, dass sie für ihn wichtig war.

Jedoch fehlte ihr etwas. Es war zu langweilig.

Sie hatte Schuldgefühle, da er so viel für sie tat, aber sie empfand einfach nichts für ihn. Wieder einmal.

 

Kates nächste Beziehung war ein absolutes Disaster. Allerdings waren irgendwie alle ihre bisherigen Beziehungen ein einziges Chaos. Sie hatte die seltene Gabe, mit den eigenartigsten und beklopptesten Jungs zusammenzukommen. Manchmal fragte sie sich, ob sie verflucht wäre.

Da fiel ihr eine Anzeige ein, die sie erst vor kurzem gesehen hatte. Eine Schamanin bot ihre Hilfe an und das bei jeglichen Problemen. Diese Anzeige hatte sie sich ausgeschnitten und bewahrte diese in ihrer Tischschublade auf - nur so für alle Fälle.

 

 

 

 

 

 

Fall 3:

 

Ihre letzte Beziehung war ,wie vorher erwähnt, ein absolutes Durcheinander. Ihr Freund Tim war sehr nett und aufgeschlossen. Mit ihm konnte sie auch viel Spaß haben, allerdings hatte er, oder besser gesagt, die Leute um ihn herum, ein riesiges Problem. Er redete und redete wie ein Wasserfall. Ohne Punkt und Komma. Und wehe, wenn ihn jemand unterbrach. Tim benahm sich einfach schlimmer als eine Frau. Er quasselte Tag und Nacht. Und das Schlimmste an dem Ganzen war noch, dass er es nicht mal selber merkte. So wurde Kate jeden Tag zugelabert und kam nicht zu Wort.

Auch am Telefon machte er keinen Halt und redete und redete.... So kam sie irgendwann auf die Idee, das Telefon einfach liegen und ihn reden lassen. Während Tim seinen „Laberflash“ auslebte, kümmerte sie sich um andere Sachen. Ab und zu griff sie zum Hörer, um zu hören, ob er noch da war. Irgendwann verabschiedete sie sich und alles war erledigt. Eines Tages war er kurz davor Kate auf die Schliche zu kommen.... .

 

„Hey Kate, bist du schon wach? Was machst du denn noch im Bett?? Es ist fast zehn Uhr. Mach dich bitte fertig. Wir fahren bald los.“

Kate kam wieder aus ihrem Gedankenstrudel heraus und schaute zur Tür, um zu sehen, wer sie so unangenehm und plötzlich aus ihren Erinnerungen entrissen hatte. Es war ihr Vater, der immer noch an der Tür stand und sie ungeduldig anguckte.

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 3

 

 

3

 

 

 

 

„Kate, hast du gehört, was ich dir gesagt habe? Ich....“

„Jaa Dad, ich weiß. Ich bin nicht taub.“, unterbrach sie ihn. „Ich mache mich gleich fertig, ok?“.

Ihr Vater verließ darauf hin das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

Wiese musste er sich immer so aufregen? Ständig hatten die Eltern irgend etwas zu meckern. Nie war etwas gut genug für sie. Tue dies. Tue das. Merkten sie gar nicht, dass ihre Kinder keine Babys mehr waren und auch selbst denken konnten?

Kate stand von ihrem Bett auf und machte sich daran, auszusuchen was sie heute anziehen wollte. Sie überlegte hin und her. Hm, vielleicht dieses violette Kleid? Es war schließlich Sommer und draußen war es sehr warm. Valentin mochte dieses Kleid sehr. Er sagte, dass sie darin wie eine Prinzessin aussah und dass es ihr super stehen würde. Sie dachte aber auch an ihren kurzen Rock. Diesen hatte sie während eines Sonderangebotes gekauft. Dazu noch ihr Lieblings T-Shirt.

Also ein rotes Oberteil und ein kurzer Jeansrock. Diese Idee gefiel Kate sehr.

Sie machte sich auf zum Kleiderschrank, welcher unweit von ihrem Bett stand. Sie machte die Tür des Schrankes auf und schaute nach ihren Sachen, für die sie sich gerade erst entschieden hatte. Ah, ja, da sie sind sie endlich, schoss es ihr durch den Kopf als sie etwas Rotes entdeckte. Der Rock befand sich in der Nähe. Sie stellte sich vor wie sie in dem Outfit aussehen würde. Sie freute sich immer, dass sie es sich erlauben konnte, solche Sachen zu tragen. Kate war sehr schlank und konnte einfach alles anziehen. Darum beneideten sie viele ihrer Freundinnen. Schließlich achteten die Mädels sehr auf ihre Figur, vor allem in diesem Alter.

Aber sie hatte einfach Glück mit ihren Genen gehabt, sie konnte essen, was sie wollte und blieb stets rank und schlank. Sie war wirklich froh darüber, dass sie sich keine Gedanken um ihr Gewicht machen musste, schließlich hatte sie schon genug anderer Probleme. Ein Problem weniger. Super.

Kate machte sich daran, die Sachen anzuziehen.

Oh, verdammt!!!, schoss es ihr durch den Kopf. Heute fand doch die „Familienzusammenführung“ statt. Und da würde sie ja diesen „Fremdling“ treffen. Mist!!

Sie warf ihre Kleidungsstücke wütend auf ihr Bett. Kate schnaufte kurz durch. Sie konnte unmöglich in so einem Outfit diesem Alex und seiner Mutter Susanne begegnen.

Nicht aufregen. Nicht aufregen. Alles gut. Alles gut. Nicht aufregen. Das war ihr Mantra. Immer, wenn sie kurz vorm Explodieren war, sagte sich sich diese Sätze wie in Trance auf. Bekam sie eine schlechte Note – Mantra aufsagen. Hatte sie Streit mit jemanden – Mantra aufsagen. Hatte ihr Vater wieder einmal schwarze Kleidungsstücke mit weißen gemischt und in die Waschmaschine getan – Mantra aufsagen.

Sie versuchte sich zu beruhigen und atmete ein paar Mal tief durch. Aber irgendwie half es dieses Mal nicht. Ach, eigentlich half es so gut wie nie. Sie regte sich trotzdem auf.

„Mist!!!“, sagte sie diesmal laut.

Dabei hatte sie sich so gefreut. Sie schmiss sich auf ihr Bett, stand kurz danach wieder auf. Machte noch mal die Schranktür auf und kramte ihre alte Jeans und irgendein unbedeutendes T-Shirt heraus. Das musste reichen.

Der Tag fing ja super an. Ein großartiger Start mit der neuen Familie. Jetzt hatten ihren neuen Mitbewohner ihr sogar den Tag versaut. Na, großartig. Sie fragte sich wie es weitergehen würde.

Und was wäre, wenn es die ganze Zeit so weitergehen würde? Ziehe dies nicht an, tue dies nicht, mach dies, benimm dich so und nicht anders. Diese Vorstellung machte ihr irgendwie Angst. Oh mein Gott, dann konnte sie sich auch gleich erschießen. Oder weglaufen. Aber wohin. Und dann wäre sie obdachlos. Oh, nein, diese Idee war noch schrecklicher. Oder sie konnte einfach ausziehen. Aber sie war ja noch nicht volljährig.

Diese Gedanken verwirrten Kate so sehr, dass sie davon Kopfschmerzen bekam.

Sie schaute nochmal in den Spiegel und stellte fest, dass sie grauenhaft in diesen Sachen aussah.

Sehr hässlich.

So etwas zog sie nur dann an, wenn sie verschlief und sich beeilen musste. Oder wenn etwas Unerfreuliches statt fand. Wie Wände streichen oder tapezieren, im Haushalt mithelfen oder den Keller ausräumen.

Oder wenn die neue Familie einzog.

Naja, immerhin sah ihr Gesicht gut aus.

Sie hatte volle braune Haare, die etwas länger waren und blaue Augen.

Kate machte sich auf nach unten, zu ihrem Vater. Als sie die Treppe herunterkam, klingelte es an der Tür.

„Dad, machst du auf?“, schrie Kate durchs ganze Haus.

„Jaaa....sofort“, schrie ihr Dad zurück.

„Ah, hallo, Valentin. Was machst du denn hier? Hattest du Langeweile oder wie? Wir haben heute viel vor, weißt du.“

„Ich, ähm...naja...ich wollte eigentlich zu Kate.“

Valentin verhaspelte sich so sehr. Er war immer total komisch drauf, wenn er es mit ihrem Vater zu tun bekam. Dann wurde er nervös und konnte nicht richtig reden. Kate eilte ihm zu Hilfe.

„Dad, ist schon ok. Das ist für mich. Ich regele das.“

Ihr Vater machte ein unzufriedenes Gesicht und brummte vor sich hin, ging aber schließlich weg.

„Hey, Valentin, was machst du hier?“

Kate fiel auf, dass er nicht besonders gut aussah. War er krank?

„Ist alles ok bei dir, du siehst irgendwie müde aus“, fügte sie noch schnell hinzu.

„Ja, hey. Ach, weißt du. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Dir ging es doch in letzter Zeit so schlecht, wegen dem Einzug … .“

Das war mal wieder typisch Valentin. Er machte sich ständig so viele Gedanken um sie. Dabei waren es nicht mal seine Probleme, sondere ihre. Irgendwie fand sie das voll süß.

„Ja, heute ist DER Tag. Ich bin schon wahnsinnig gespannt. Naja, was heißt gespannt. Ich bin eher total nervös. Wie mein zukünftiger Stiefbruder wohl so drauf ist? Valentin, was ist, wenn ich mich mit ihm überhaupt nicht gut verstehe? Aber ich muss ja mit ihm klarkommen. Hm.....“

Oder was wäre, wenn dieser Alex ein Drogensüchtiger ist oder irgend so ein Gangster. Kate versuchte diese Gedanken bei Seite zu schieben. Überhaupt hatte sie viel zu viel Fantasie in ihrem Kopf. Sie machte sich damit selbst verrückt.

„....weißt du, das wird schon. Ich bin ja auch noch da. Kate, hörst du mir überhaupt zu?“

„Nein, äh, ich meine, ja. Tut mir echt leid. Meine Gedanken kreisen heute so hin und her. Ich weiß, dass du da bist. Danke.“

Eine Weile wurde es ruhig. Sie standen einfach da und guckten sich an.

Er unterbrach die Stille.

„Wenn du möchtest, kann ich gerne mit dir kommen. Dir moralisch beistehen und dir auch beim Umzug etwas helfen. Wenn dein Vater natürlich nichts dagegen hat.“

Kate dachte kurz darüber nach. Vielleicht wäre es wirklich von Vorteil, wenn Valentin mit ihr mitkommen würde? Dann wäre sie nicht alleine und würde sich etwas sicherer fühlen. Aber was würde ihr Vater dazu sagen? Er wäre wahrscheinlich nicht von dieser Idee begeistert.

Sie wusste auch

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 12.01.2021
ISBN: 978-3-7487-7130-2

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