Cover

Prolog

 

 

 

 

 

 

Fünfzehn, dreißig, fünfundvierzig, voll,

die Zeiger meiner schnieken Uhr dreh‘n sich wie toll

Sie zeigen zuverlässig mir

Minuten und Sekunden

verlassen kann man sich darauf

für viele ungezählte Stunden

Nur wenn das Uhrwerk eines bösen Tages bricht entzwei,

dann ist’s mit hochgelobter Präzision gar rasch vorbei…

 

 

Bleistift

 

 

Die kaputte Uhr

 

 

 Die meisten moderen Uhren an den vereisten Handgelenken von tödlich verunglückten, oder erfrorenen Bergsteiger am Mount Everest überleben ihren Besitzer um Längen. Zumindest so lange bis ein extremer Frost in dieser, auch für Uhren lebensfeindlichen Höhe irgendwann tief in der eiskalten Bergnacht die interne Batterie knackt und somit auch die Elektronik inside ihren Geist aufgeben lässt. Solarbetriebene Armbanduhren hingegen könnten unter bestimmten Umständen nach Sonnenaufgang selbst an erfrorenen Bergsteigern wieder zu kurzzeitigem Leben erweckt werden, wenn die energiereichen Strahlen der Sonne das freiliegende Display erreichen und somit auch die Photovoltaik wieder in Gang setzen können. Wir reden hier allerdings vom Konjunktiv, »könnten«...

In jedem Fall aber gilt, kein noch so namhafter Markenhersteller jener modernen Hi-Tech-Zeitmesser übernimmt unter diesen Umständen definitiv eine Garantie für eine optimale Funktionalität seiner eigenen Produkte, selbst wenn sich diese Geräte rein zeitlich gesehen, sogar noch in einem Garantie-Modus befinden sollten. Denn dafür sind auch die robustesten aller vom erfinderischen Menschen erdachten Zeitmessinstrumente einfach nicht erschaffen worden, um solchen höchst ungewöhnlichen Extrembedingungen dauerhaft widerstehen zu können. Wie halt der Mensch eben auch, aber sei‘s drum, allen und jedem kann man es ohnehin nicht recht machen. Allerdings würde wohl auch niemand auf die hirnrissige Idee kommen, einem am Mount Everest erfrorenen Bergsteiger auch noch dessen Chronometer abzunehmen, das Ding einzustecken, um es nach einem Abstieg aus achttausend Meter Höhe zuhause in eine Uhrmacherwerkstatt zu schaffen und obendrein noch eine schriftlich verbriefte Garantiereparatur zu verlangen, dreist wenn er für das beanstandete Produkt einen gültigen Kassenzettel vorlegen könnte...

Nun denn, so finden wir uns also damit ab, dass jener Chronograph vermutlich für alle Zeiten an der vereisten Leiche jenes tödlich verunglückten Bergsteigers verbleiben und wohl auch für jeden noch so wohlmeinenden Uhrmacher zu einem nie zu klärenden Mysterium werden wird...

 

 

Das Dilemma

 

Nun gibt es aber durchaus auch andere Situationen, als die eben geschilderte, in der eine völlig normale Armbanduhr, ohne jemals diesen widrigen Bedingungen ausgesetzt zu sein, die Grätsche machen kann und für den gedachten Zweck, nämlich einer am Handgelenk zu tragenden Armbanduhr definitiv nicht mehr zu gebrauchen ist. Dreist wenn man sogar einen gültigen Kassenzettel mit einem noch sechs Monate währenden Garantieanspruch vorlegen kann, so wird man kaum in die Lage versetzt werden diese Uhr überhaupt noch tragen zu können. Es sei denn man langt selber ordentlich in das eigene Portemonnaie und finanziert sich diese recht kostspielige Reparatur auf eigene Rechnung...

So trabte ich denn mit meiner kaputten Uhr zum Uhrengeschäft zurück, wo ich diesen schönen, nun leider aber defekten Zeitmesser dereinst erstanden hatte und schilderte dem Verkäufer mein Problem. Der Mann betrachtete meine edle Armbanduhr wie ein Alien-Exemplar aus einer fremden Welt und fragte mich ohne sie je auch nur angefasst zu haben gar recht nassforsch,

»Und, haben Sie überhaupt einen Kassenzettel als Beleg dafür, dass Sie diese Uhr auch bei mir gekauft haben?«

»Selbstverständlich, einen Moment bitte«, erwiderte ich und kramte umständlich den zuhause sorgfältig aufbewahrten Kassenzettel heraus, glättete ihn ein wenig und legte ihn dem Verkäufer zur Einsichtnahme vor. Nachdem er meinen Kassenzettel ausgiebig studiert und danach bestätigend festgestellt hatte, dass dies in der Tat ein Gerät aus seiner Kollektion sei, gab er mir jedoch den Kassenbon mit einer geradezu unglaublichen, wie ebenso haarsträubenden Begründung zurück,

»Ja, das tut mir jetzt leid, aber ich kann Ihnen Ihre Uhr nicht reparieren lassen, denn für diese Art Schäden an Ihrer Uhr kommen die Hersteller leider nicht auf, auch wenn Sie einen einen noch gültigen Garantieanspruch von sechs Monaten auf Ihre Uhr haben.«

Ich war natürlich einigermaßen platt, denn das war doch definitiv keine 0815-Uhr aus der Billig-Ramschkiste von Woolworth.

»Na hören Sie mal, dieses Ding hier hatte gut und gerne einhundertzwanzig Euro bei Ihnen gekostet und eine ausreichende Garantie von sechs Monaten ist, wie Sie ja selber sagen da auch noch drauf. Also das kann ja wohl alles nicht wahr sein«, empörte ich mich.

Der Verkäufer zuckte lediglich mit den Schultern,

»So ärgerlich, wie es für Sie auch sein mag, aber wie ich Ihnen schon sagte, ich kann Ihnen Ihre Uhr nicht auf Garantie reparieren lassen, denn die Hersteller lehnen es in aller Regel strikt ab für Schäden, wie diese aufzukommen. Ich könnte versuchen, sie auf Kulanz beim Hersteller für Sie reparieren zu lassen, aber dafür müsste ich das Gerät zur Herstellerfirma nach Dänemark einschicken und die überprüfen dann den Sachverhalt. Trotzdem sollten Sie sich nicht allzu viele Hoffnungen auf einen Erfolg machen, denn wie ich die Branche kenne, werden Sie am Ende wohl doch alleine auf dem Schaden sitzen bleiben, so sind halt nun mal die Spielregeln, es tut mir leid.«

Wir einigten uns im Anschluß auf eine Überprüfung des Sachverhaltes...

 

Zwei Wochen später rief er mich an und meinte noch einmal, dass es ihm leid tue, aber das habe er ja schon vorher gesagt, dass die Herstellerfirma es ablehne, den Schaden an der kaputten Armbanduhr auf Garantiepflicht zu beheben.

»Ein defektes Metallarmband, selbst wenn es wie in Ihrem Fall, aus Edelstahl ist, gehört leider nun mal nicht zum Umfang der Garantieleistung einer Uhrenfirma«, meinte der Händler gleichmütig. »Die erwähnte Garantieleistung erstreckt sich lediglich auf die einwandfreie Funktion des Uhrwerks und auf nichts anderes sonst.«

Ich war in der Tat ziemlich frustriert, als ich noch am selben Tag seinen Laden betrat und von ihn eine sachkundige Auskunft erwartete.

»Was sollte ich denn Ihrer Meinung nach nun tun, die Uhr einfach in die Tasche stecken und mich damit abfinden? Nee, nee, so geht das nicht. Sie allein sind für mich der Fachhändler, definitiv der kompetente Ansprechpartner und ich halte mich nur an Sie, wenn das von Ihnen vertriebene Produkt innerhalb der Garantiezeit Mängel, oder einen gravierenden Fehler aufweist und nur so kann am Ende auch ein ordentlicher Schuh daraus werden.«

Der Händler schien jetzt zwar echt genervt, zuckte allerdings abermals nur kurz mit den Schultern und hatte darauf natürlich keine plausible Antwort parat.

»Wissen Sie«, fuhr ich unterdessen fort, »wenn Sie jetzt beispielsweise mein Autohändler wären und ich käme während der Garantiezeit mit einem in Ihrem Unternehmen gekauften Auto wegen einer defekten Türverriegelung zu Ihnen. Würden Sie dann auch zu mir sagen, steigen Sie doch auf der Beifahrerseite ein und klettern rüber auf den Fahrersitz. Machen Sie sich keine Sorgen, der Motor läuft doch noch und das Auto selbst ist trotzdem noch immer betriebs- und verkehrssicher!«

So könne man das nicht sehen, das wäre doch ganz etwas anderes und ließe sich überhaupt nicht miteinander vergleichen, argumentierte der Händler. Ich war da aber ganz anderer Meinung,

»Schließlich habe ich bei Ihnen in der Tat eine hochwertige Armbanduhr gekauft und keine billige Taschenuhr, guter Mann. Oder dachten Sie etwa, ich hätte mir dieses feingeflochtene Edelstahlarmband vorsätzlich selbst vom Handgelenk abgerissen um mir daraus womöglich ein Miniatur-Kettenhemd zu basteln? Schauen Sie mal auf Ihren Kalender, Meister, wir haben das Mittelalter längst hinter uns gelassen und leben jetzt im 21. Jahrhundert. Wissen Sie was, wenn auch Sie mir nicht helfen wollen, dann behalten Sie einfach Ihre kaputte Uhr, ich werde mir bei einer anderen Firma einen neuen Chronometer kaufen und diese ganze leidige Angelegenheit meinem Rechtsanwalt übergeben. Soll sich doch die Justiz damit herumschlagen, wozu hat man denn sonst eine private Rechtschutz-Versicherung.«

Als er das hörte, lenkte er jedoch zähneknirschend etwas ein,

»Ähm, warten Sie mal, könnte man sich vielleicht doch noch einigen? Ich würde Ihnen,  sagen wir mal, rein aus Kulanzgründen heraus, ein preisgünstiges Kunstlederarmband für Ihre Uhr kostenlos…«

»So«, erwiderte ich. »Sie wollen mir also allen ernstes von meiner Nobelkarosse das Türschloss ausbauen und mir quasi eine billige Strippe in die Hand drücken, mit der ich dann die Fahrertür festzurren kann. Vergessen Sie’s einfach. Dann werden wir uns damit demnächst wohl vor Gericht sehen. Einen schönen Tag noch, der Herr und ich bin jetzt schon auf die fabelhafte Erklärung Ihres Anwaltes gespannt, warum an einer Armbanduhr ein dazugehöriges Armband nicht unter die gesetzlich vorgeschriebenen Garantiebedingungen fallen soll...«

 

 

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Impressum

Cover: selfARTwork

Text: Bleistift

© by Louis 2019/10   last Update: 2023/2

Impressum

Texte: © by Louis 2019/10 last Update: 2023/2
Cover: selfARTwork: 2023/1
Tag der Veröffentlichung: 05.02.2023

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