Eine Momentaufnahme aus dem Mittelalter…
Eine recht stille, dunkelblaue Sommernacht brach an und lindlaue Lüfte umwehten die nur vom hellen Mondenschein erleuchtete Burg, deren fleißige Bürger sich aber längst schon zur Nachtruhe begeben hatten, um sich von ihrem anstrengenden Tagewerk erholten und nun längst schon den friedlichen Schlaf eines Gerechten schliefen.
Plötzlich erhob sich lange nach Mitternacht unterhalb der Burgmauern ein wüstes Geschrei. Fackeltragend und dabei lautstark grölend bewegte sich ein undefinierbarer Zug von sinnlos betrunkenen Ganoven, Zerlumpter, widerlich kreischenden Weibern, sowie etlichen halbseidenen Galgenvögel und anderes zwielichtiges Gesindel auf die Burg zu und fand die Zugbrücke hochgezogen und die Burgtore fest verschlossen vor.
Sie stimmten sofort ein vielstimmiges Geschrei an und drohten der Nachtwache, das Burgtor zu stürmen, falls sie ihrer Einlass begehrende Truppe nicht umgehend Tür und Tor öffnen würde. Vergeblich versuchte die Handvoll Soldaten der Nachtwache auf die nächtlichen Ankömmlinge einzuwirken, um sie einerseits zur Ruhe, aber andererseits auch zum Weiterziehen zu bewegen. Aber die prompte Reaktion der weiter hinzugestoßenen Halunken ließ nicht lange auf sich warten und bald schon flogen erste Steine und Knüppel gegen das hölzerne Burgtor, sogar bis hinauf auf die steinernen Zinnen der Burgmauer. Begleitet von wüsten Beschimpfungen und unflätigen Beleidigungen, welche dieser ungehobelte Haufen betrunkener Raufbolde und Tunichtgute wütend gegen die Nachtwache und die friedlich schlummernden Bürger in der Burg ausstieß. Bald gingen überall auf der Burg nach und nach die Lichter an und die Bürger begannen sich ernsthaft ob des Lärmes und des übergriffigen Vandalismus jener nächtlichen Banditen zu sorgen.
Plötzlich stand der Burgherr unter den aufgebrachten Bürgern und verlangte über die nächtliche Ruhestörung umgehend aufgeklärt zu werden.
Kopfschüttelnd beorderte er umgehend den Kommandanten der Stadtwache zu sich,
»Hauptmann, saget diesen Leuten da draußen, es sei Sperrstunde und bevor nicht morgen früh die Sonne am östlichen Horizont aufgeht, werden sämtliche Zugänge und Tore geschlossen bleiben. Und außerdem wird randalierendem Gesindel ohnehin der Zutritt zur Burg verwehrt. Auf dass sie sich gefälligst trollen sollen, ansonsten wäre ich gezwungen, andere Seiten aufzuziehen, denn die Sicherheit der mir anvertrauten Fünfhundertfünfzig Seelen auf dieser Burg ist mir eine heilige Pflicht. Dies ist mein letztes Wort dazu und es ist nicht verhandelbar!«
Noch während der Hauptmann die Worte des Burgherren verkündete, nahmen die Angriffe und das Geschrei der Vandalen zu und als gar erste Geschosse der Steinschleuderer einige Bürger trafen, die daraufhin blutend zu Boden gingen, befahl der Kommandant seine Bogenschützen auf die Zinnen der Stadtmauer, was den jedoch den Zorn und den verstärkten Unmut dieser randalierenden Banditen natürlich nur noch weiter anstachelte.
Als die Bogenschützen auf der Burgmauer in Stellung gegangen waren, forderte der Kommandant die Kanaillen ein letztes Mal auf, das Areal vor dem Burgtor unverzüglich zu verlassen, ansonsten würden sie die volle Härte des Gesetzes treffen, was jedoch nur mit einem wütenden Geschrei der Angreifer und deutlich schärfer gezielten Würfen der Steinschleuderer beantwortet wurde.
»Bogenschützen, legt an. Die Bögen spannen!«, lautete nun das scharfe Kommando des Hauptmanns. »Los…« Ein Hagel von zirka dreißig Pfeilen ging auf die nächtlichen Angreifer nieder und streckte dabei auch einige von ihnen zu Boden.
»Und nun schickt Eure gepanzerten Ritter hinaus, auf dass sie diesen Banditen gehörig die Hölle heiß machen und sie endlich in Flucht schlagen, Hauptmann!«, ordnete der Burgherr an.
Auf den anschließenden Befehl des Kommandanten hin ließen die Büttel nun die Zugbrücke hinab, zogen das eiserne Gittertor auf und öffneten ihren Mannen die Burgtore. Schon donnerten zwanzig gutgerüstete Ritter hoch zu Ross mit gezogenem Schwert über die hölzerne Zugbrücke…
Eine entsprechende Sequenz aus der Gegenwart…
»…Ich kann doch nicht x-beliebige Bewohner des Märkischen Viertels im Reinickendorfer Berlin mit Pfeil und Bogen ausrüsten, verehrter Herr Abgeordneter, das käme ja de facto der Aufstellung einer bewaffneten Bürgerwehr gleich, mal ganz davon abgesehen, dass dies gesetzlich gesehen, absolut unzulässig wäre. Wie also stellt Ihr Euch das vor? Und nur weil ein paar marodierende Vandalen in der Nacht grölend durch die Wohngebiete ziehen, diverse Rettungsgerätschaften der Berliner Feuerwehr unten am Weiher missbräuchlich benutzen, von mir aus auch vorsätzlich beschädigen und ganz nebenbei gelegentlich auch noch die Nachtruhe von einigen, wahrscheinlich hypersensiblen Anwohnern unterbrechen. Selbst wenn sie bei ihren nächtlichen Umzügen immer wieder Mal ein paar Schachteln illegal importierte Polenböller, sowie diverse Kanonenschläge mitten im Wohngebiet zünden oder auch einige harmlose Feuerwerksraketen in den Berliner Nachthimmel schießen, von mir aus auch mit entsprechenden Bengalos den einen oder anderen Papiercontainer abfackeln. Und ja, das Flaschenwerfen und Anzünden von diversen PKWs, das ist in der Tat natürlich schon etwas verwerflicher, also da bin ich dann wieder bei Euch. Auch was das gelegentliche Abfeuern von allerdings vermutlich eher harmlosen Platzpatronen aus einigen illegalen, will sagen, privaten Maschinenpistolen betrifft, aber das sind doch in aller Regel mehr oder weniger, auch nur Freudenschüsse. Wie auch immer, dies alles rechtfertigt jedoch noch lange nicht die Errichtung auch nur einer Polizeistation für eine einzige Großstadt-Siedlung von gerade mal Fünfundfünfzigtausend Anwohnern, noch zumal, wo doch dort deutlich mehr als die Hälfte aller Bewohner des Märkischen Viertels leider auch noch einen entsprechenden Migrationshintergrund haben. Die meisten von diesen armen Teufeln kommen verarmt, entrechtet und traumatisiert auf höchst abenteuerlichen Wegen aus ihren Heimatländern zu uns und hoffen hier auf eine wohlwollende, deutsche Unterstützung. Wollt Ihr denen etwa auch noch zusätzlich mit staatlicher Gewalt drohen?
Bei den heutzutage ständig wachsenden und aus allen Nähten platzenden deutschen Großstädten hätten wir außerdem viel zu tun, denn wir müssten ja demzufolge auch ständig immer neue Polizeistationen in Betrieb nehmen. Aber Ihr wisset doch selbst, wie die Lage der öffentlichen Hand ist, kein Personal, kein Geld und diese zusätzlich benötigten Flächen würden dann ja auch noch versiegelt und damit dem öffentlichen Bedürfnis nach mehr Stadtgrün, letztlich entzogen werden. Schließlich wollen wir ja auch keinen Polizeistaat, der die Bürger mit drakonischen Maßnahmen in ihren verbrieften Freiheiten einschränken würde. Oder seht Ihr das etwa anders, Herr Kollege?«
»Dann schickt doch wenigstens Eure motorisierten Ritter hinaus in die Nacht, damit die dort unter den Marodeuren und nächtlichen Ruhestörern endlich mal für Ordnung sorgen, Herr Bürgermeister!«
»Was soll das, Ihr wisset doch ganz genau, verehrter Herr Kollege, dass mir für ganz Reinickendorf lediglich nur zwei Einsatzfahrzeuge des Berliner Ordnungsamtes zur Verfügung stehen. Was also schlagt Ihr vor, soll ich nun machen? Na schön, ich will sehen, was ich für Euch tun kann. Gehet nun und beruhigt Eure aufgebrachten Bürger, schließlich sollen ja sie nicht das Gefühl bekommen, dass sich niemand um sie kümmern würde. Ich werde mich vielleicht im nächsten Jahr, so Gott will, wenn die neue Regierung steht, mit einer entsprechenden Fürbitte an den Berliner Senat wenden. Aber ich sage Euch gleich, verehrter Herr Abgeordneter, ich mach‘ mir da eher keine großen Hoffnungen, schon gar nicht auf ein, wie auch immer geartetes Polizeirevier im Märkischen Viertel, da sind mir dann leider doch die Hände gebunden…«
»Das, verehrter Herr Bezirks-Bürgermeister, sollte man aber vielleicht gerade doch tun.«
»Wie meinen?«
»Euch die Hände binden, nach Spandau schaffen und Euch in das finsterste Verlies der Spandauer Zitadelle werfen, verehrter Herr Bezirksbürgermeister, bis auch Ihr endlich begriffen habt, dass Ihr für die Belange der Bürger da zu sein habt und nicht umgekehrt…«
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Impressum
Text: Bleistift
Cover: selfARTwork
© by Louis 2021/10
Texte: © by Louis 2021/10
Bildmaterialien: Coverfoto: selfARTwork, Zitadelle Spandau, 2021/10
Cover: selfARTwork
Tag der Veröffentlichung: 10.10.2021
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