Als Diplom-Ingenieur für Kreativtechnologie besaß ich an unserem gleichnamigen Institut eine einmalige Sonderstellung und man ließ mir relativ freie Hand, zumindest bei den meisten meiner neuen Erfindungen. Von daher brauchte ich mir also nie großartig Sorgen um Etats und Budgetierungen zu machen, mit denen andere Abteilungen unseres Institutes aber stets und ständig zu kämpfen hatten.
Zwei Jahre nachdem ich das Abenteuer mit den Cronotronen und der Zeitreise zur Uraufführung von W. A. Mozarts 'Zauberflöte‘ hinter mich gebracht hatte, bearbeitete ich mit meinem Team ein neues Aufgabengebiet, welches mich aber mindestens genauso faszinierte, wie diese temporären Zeitreisen in die Vergangenheit.
Aber immer schön der Reihe nach...
Genau wie ich es schon vorausgeahnt hatte, fanden meine Chefs auf Anweisung der Institutsleitung recht schnell einen neuen Chrono-Chefpiloten, der mich ersetzte und nun statt meiner die Vergangenheit mit meiner Erfindung bereisen durfte. Man wollte natürlich auch, dass ich mich wieder mit anderen Dingen beschäftigte, denn die Zeitreisen hatten sie nun einigermaßen im Griff und das gab mir zudem auch Zeit und Gelegenheit, mich wieder auf etwas völlig Neues zu konzentrieren.
Bei der Erforschung der Zeitreiseproblematik wurde ich immer häufiger auch mit Begriff, 'Geschwindigkeit' konfrontiert, einer wichtigen physikalischen Größe, die mich in zunehmendem Maße zu faszinieren begann und der ich fortan immer mehr Zeit widmete.
Ausgangspunkt des größer werdenden Interesses war stets nur die eine bedeutsame Frage, was überhaupt ist Geschwindigkeit eigentlich?...
Die einfachste und wohl immer zutreffende Antwort lautete, Geschwindigkeit ist immer relativ. Geschwindigkeit wird immer einem bestimmten Raum-Zeit-Kontinuum zugeordnet. Und in diesem sind die Höchstgeschwindigkeiten begrenzt, zumindest solange, wie man es jedenfalls nicht besser weiß. Glauben Sie, dass die absolute Höchstgeschwindigkeit in unserem Raum-Zeit-Kontinuum, wirklich die Lichtgeschwindigkeit ist?
Falsch...
Längst schon haben andere exzellente Wissenschaftler herausgefunden, dass es auch in unserem Universum winzigste Teilchen gibt, die sich deutlich schneller fortzubewegen vermögen, als es das Licht tut...
Davon ausgehend, beschloss ich mich mit dem Phänomen der Geschwindigkeit etwas intensiver zu beschäftigen und um genau zu klären, wie weit man Dinge in unserem Raum-Zeit-Kontinuum überhaupt beschleunigen konnte, ohne dabei die innere Struktur eines Gegenstandes zu zerstören. Genau das war die richtige Fragestellung und deshalb gelang mir auch der alles entscheidende Durchbruch, bei dem der abstrakte Begriff "Geschwindigkeit" von nun an, sehr wahrscheinlich auch komplett neu definiert werden muss...
Dazu hatte ich wieder einmal einen speziellen Hochleistungsrechner modernster Bauart, bei der Institutsleitung beantragt und ihn natürlich auch bekommen, als ich meine Forderung vor der "Heiligen Inquisition" hinreichend stark begründen konnte. Basierend auf der bereits vorangegangenen Grundlagenforschung der Zeitreisen, schrieb ich nun für diesen gigantischen Superrechner ein völlig neues Programm, welches den Nachweis erbringen sollte, dass es auch innerhalb unseres bekannten Raum-Zeit-Kontinuums möglich sein würde, diese überschnellen Teilchen praktisch nutzbar zu machen.
Die Wissenschaft kennt diese, sich immer über der Lichtgeschwindigkeit bewegenden Teilchen, nur als Tachyonen. Mittels genau dieser Tachyonen wollte ich nun ganz simple irdische Dinge bis an die Grenze ihrer Existenz beschleunigen. Dass es diese überschnellen Tachyonen gab, daran zweifelte ich keine Sekunde. Mir war nur noch nicht in allen Details restlos klar, ob wir sie denn auch in unserem Sinne wirklich würden beherrschen und nutzbringend verwenden können. Als ich nach Monaten mühseliger Kleinarbeit mit meinem Team das Programm zur nutzbaren Anwendung von Tachyonen fertig geschrieben hatte, fütterten wir unseren neu angeschafften Hochleistungsrechner damit und nachdem wir endlich auch die speziellen Arbeitsparameter eingegeben hatten, wurden schon nach kurzer Zeit die ersten Kontouren sichtbar, innerhalb dessen, sich die gesteuerten Tachyonen bewegen würden.
Ein jeder gab sein Bestes und die Mitarbeiter verschoben an so manchen Tagen sogar ihren wohlverdienten Feierabend in Regionen, die jenseits von Gut und Böse lagen. Einer unserer Techniker vergaß über seine Arbeit sogar die eigene Hochzeit, da aber seine Zukünftige in einem unserer Labore an dem Mustergerät zur Erzeugung von überschnellen Teilchen arbeitete, fiel ihm seine Entschuldigung relativ leicht und ihre Schelte bezüglich seines versäumten Trauungstermins in der Kirche, zum Glück sogar eher ungewöhnlich milde aus...
Übermorgen sollte also der Tag sein, an welchem wir die Tachyonen-Technologie in der Praxis testen wollten. Die Prototypen der Gerätschaften waren fertiggestellt und der Hochleistungsrechner programmiert. Es konnte also losgehen. Aber mich hatte natürlich die Neugier dermaßen gepackt, dass ich wieder einmal einfach nicht die Zeit abwarten konnte.
Deshalb beschloss ich, einen vorzeitigen kleinen Selbstversuch zu wagen und mich mit programmierbaren Tachyonen anreichern zu lassen. Ich weiß, dass das jetzt dämlich klingt, aber ich wollte eigentlich nur der erste sein, der einen einzelnen Flügelschlag eines Kolibris mit eignen Augen sehen konnte, ohne dafür eine dieser superteuren Hochgeschwindigkeitskamera benutzen zu müssen. Einem Laserstrahl beim Lichtaufbau zuzusehen. Was geschieht eigentlich an der Spitze eines Laserstrahls, während sich dessen Photonen mit Lichtgeschwindigkeit auf einen Punkt zu bewegen?
Es war wie der Zwang, in diese neue Welt einzutauchen und dabei die eigene Umgebung völlig neu zu erleben. An die Risiken und Gefahren, denen man dabei unter Umständen ausgesetzt sein würde, verschwendete ich natürlich keine einzige Sekunde. Auch hätte mir ja niemand helfen können, denn ich würde ja aufgrund meiner hohen Eigengeschwindigkeit für niemanden sichtbar sein. Erst wenn ich etwa eine halbe Stunde lang vor dem Gesicht eines Menschen wie angeschraubt ganz stille stehen könnte, wäre mein Abbild vielleicht für den Bruchteil einer Sekunde für ihn wahrnehmbar geworden. Allein die Vorstellung daran, die war an und für sich, schon irre genug.
Da ich als einziger Mitarbeiter über eine unbeschränkte Zugangsberechtigung für das Versuchslabor verfügte, wählte ich für den Selbstversuch einen optimalen Zeitpunkt. Nämlich genau dann, wenn alle Mitarbeiter in der Institutskantine zum Mittagessen waren. Eine günstigere Gelegenheit würde sich mir definitiv nicht mehr bieten. Kurzentschlossen begab ich mich also ins Labor und schloss mich dort ein. Dann fuhr ich den Rechner hoch und aktivierte das freigeschaltete Anreicherungsprogramm für die Tachyonen. In einer separaten Panzerkammer, in die ich danach kletterte, wurde ich nun mit steuerbaren Tachyonen angereichert, die eine geschätzte Lebensdauer von etwa gut einer Stunde hatten. Diese Panzerkammer wies eine ähnliche Beschaffenheit auf, wie eine Dekompressionskammer, wie sie Taucher benutzen müssen, wenn sie zu schnell aus großer Tiefe an die Wasseroberfläche gelangen. Zur Sicherheit befand sich noch eine mit solidem Handwerkszeug bestückte Werkzeugkiste in der Kammer. Nach kurzer Zeit war der Prozess der quantitativen Anreicherung abgeschlossen und der Computer öffnete für mich automatisch die gepanzerte Kammertür.
Zwei Dinge bemerkte ich sofort und die wirkten ohne Verzögerung, direkt auf mich ein.
Zum einen war da eine abgrundtiefe Stille, die aber auch nicht das geringste Nebengeräusch an meine Ohren gelangen ließ. Mit Ausnahme eines schwachem, kaum wahrnehmbaren, scheinbar extrem tiefdumpfem Brummen. Einer Frequenz, die aus ziemlich weiter Ferne unglaublich leise zu mir herüber klang. Das war aber auch schon alles an vernehmbaren Geräuschen. Zum anderen verspürte ich eine äußerst unangenehme Hitze um mich herum. Schon wenn ich einen Arm ein ganz klein wenig schneller bewegte, schien sich der Arm ziemlich stark zu erwärmen. Ich bewegte daraufhin meinen Arm einen Moment lang wie einen Windmühlenflügel und es dauerte auch gar nicht lange, da fing plötzlich mein Hemdsärmel in der Panzerkammer Feuer und brannte sofort lichterloh. Ich riss mir rasch das Hemd herunter und trat das Feuer aus. Schlagartig wurde mir klar, warum mein Hemd so schnell in Brand geraten konnte. Ich bewegte mich ja vergleichsweise rasend schnell durch unsere dichte Atmosphäre. Hunderttausende Male schneller, als man das normalerweise gewohnt war. Ähnlich wie ein Space Shuttle, welches mit einer sehr hohen Geschwindigkeit aus dem Weltraum kommend, in die Lufthülle der Erde eintaucht und dessen Außenhaut sich dabei so extrem aufheizt, sodass es sogar besondere Hitzekacheln benötigt, um die Reibungshitze der Luftmoleküle erfolgreich abzuwehren. Genauso schnell erhitzte sich sozusagen mein Hemd, wenn ich meinen Arm schnell durch die Luft wirbelte.
Je schneller ich mich also bewegte, umso heißer wurde es um mich herum. Und meine Haut verbrannte nur deshalb nicht, weil sich rasend schnell stets ein neuer Wasserfilm darauf bildete, der mich abkühlte. Ich brauchte daher dringend so etwas, wie einen persönlichen Hitzeschild oder noch besser, einen dieser silberfarbenen, feuerfesten Anzüge, wie sie die Feuerwehrleute tragen, wenn sie einen Großbrand bekämpfen. Das war kein Problem, denn solche feuerfesten Anzüge gehörten mittlerweile schon zu den üblichen Notfallausrüstungen und in dieser Hinsicht war unser Institut beinahe vorbildlich damit ausgestattet. Ich entstieg also der Kammer und wollte gerade das Labor durch die Sicherheitstür verlassen, als ich wie erstarrt stehenblieb.
Julia, unsere Nuklearphysikerin war bereits vom Essen zurückgekehrt. Sie hatte die Schleusentür geöffnet und stand nun ziemlich unbeweglich, wie eine Figur aus Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett mitten in der Tür und…sah mich aber nicht. Ich atmete auf, es hatte also funktioniert.
Sie hatte zwar bereits schon einen Schritt in den Raum getan und blieb so zwischen Tür und Angel, scheinbar wie angewurzelt stehen. Das stimmte zwar nicht, denn genau genommen, war sie normal in Bewegung und irgendwann würde sie auch durch die Tür gegangen sein, aber so lange konnte ich natürlich nicht warten. Aus meiner Sicht konnte das Passieren der Tür jedoch noch Stunden dauern. Bis sie überhaupt den nächsten Schritt tun würde, vergänge sehr wahrscheinlich eine endlos andauernde Ewigkeit. So taxierte ich, ob ich mich auf dem Boden, quasi unter ihr hindurchschieben konnte. Mir blieb auch gar keine andere Wahl, denn es führte nur diese eine Sicherheitstür aus dem Labor auf den Flur hinaus. Das brachte mich auf die Idee, ein paar hilfreiche Werkzeuge aus der Werkzeugkiste mitzunehmen, denn ich hatte immer noch den Ganoven-Slogan aus einem uralten Gangster-Film im Ohr, "Um wie viel schöner wird das Leben, wenn wir einen Hammer heben!"...
Das hatte zwar mit meinem Ausflug in die andere Welt nicht im Mindesten etwas zu tun, aber es war allerdings trotzdem beruhigend, einfach nur etwas Praktikables zur Hand zu haben, was einem in einem akuten Gefahrenfall wenigstens ein Stückweit weiterhelfen konnte.
Dieses, mit voller Absicht in der sicheren Panzerkammer deponierte Werkzeug war ja ebenfalls mit den entsprechenden überschnellen Teilchen angereichert worden, was mir in meiner Situation gewiss entgegen kam. Ich wühlte also in der Werkzeugkiste und fand neben einem stabilen Hammer, einen hölzernen Zollstock, dazu noch eine sehr vielseitig verwendbare Wasserpumpenzange, sowie einen großen schweren Seitenschneider, wie ihn die Elektriker benutzen, um starke Kabel und elektrische Leitungen durchzuschneiden.
Ich tat all diese nützlichen Handwerkzeuge sorgfältig in meine braunlederne Umhängetasche und schob die Tasche anschließend mit einem kühnen Schwung zwischen Julias Beine hindurch, hinaus auf den Flur. Danach nahm ich etwas Anlauf, rannte auf Julia zu und warf mich kurz vor ihr auf den Boden. Auf dem Bauch rutschend, glitt ich so zwischen ihren Beinen hindurch. Der Schwung reichte gerade so aus, um den gleichen Weg zu nehmen, wie meine Ledertasche. Nun lag ich zwar draußen auf dem blauen Linoleumfußboden vom Flur, aber durch die hohe Reibungswärme an der Luft und auf dem Fußboden hatten sich meine Jeans und mein T-Shirt entzündet und brannten im Nu lichterloh. Ich konnte mir gerade noch die brennenden Klamotten komplett vom Leibe reißen. Doch nun stand ich fast nackend und leicht angesengt in schwarzen Lederhalbschuhen auf dem Flur vor dem Labor und trampelte auf meinen brennenden Jeans herum, um das restliche Feuer zu löschen.
Am Ende des Flures kamen mir bereits zwei meiner Kollegen entgegen, die wieder auf dem Weg zur ihren Arbeitsplätzen waren und mich aber nicht bemerkten, weil sie mich wegen meiner hohen Eigengeschwindigkeit natürlich nicht sehen konnten. Glücklicherweise konnte ich zwar das Feuer löschen, aber die Hosen waren als solche leider auch nicht mehr zu gebrauchen. Im Grunde war es mir egal, ich könnte auch nackt umherlaufen, es konnte mich ja eh‘ keiner sehen und ich hatte gewiss nicht die Absicht, mich eine halbe Stunde extra vor jemanden aufzubauen, damit er mich doch irgendwann wahrnehmen konnte. Aber ganz so völlig ungeschützt wollte ich mich denn doch nicht nach draußen wagen und so sammelte ich die Reste meiner verbrannten Kleidung vom Fußboden auf und trug meine lederne Umhängetasche quasi als Sichtschutz auf meine edelsten Teile vor mich her. Obwohl das total überflüssig war, denn alle anderen Menschen bewegten sich in einer völlig anderen Dimension als ich und so war ich für sie nur mal rein praktisch gesehen, genaugenommen unsichtbar geworden. Aber auch als Wissenschaftler findet man sich gelegentlich nur schwer mit allgemeingültig bekannten physikalischen Gesetzmäßigkeiten ab, wenn man all diese Gesetzmäßigkeiten von jetzt auf gleich aus einem vollkommen anderen Blickwinkel betrachten musste.
Für mich waren zwischen meinen brennenden Hosen und der erfolgreichen Löschaktion ungefähr drei bestenfalls vier Minuten vergangen. Aber Julia hatte noch immer ihren Fuß in der Tür, sie schien noch nicht einmal bemerkt zu haben, dass ich brennend zwischen ihren Beinen hindurch gerutscht bin. Es musste für einen völlig unbeteiligten Beobachter wie eine absolut zirkusreife Attraktion ausgesehen haben.
Am Ende des Flures wusste ich einen Raum, in welchem sich diverse Löscheinrichtungen und auch diese feuerfesten Schutzanzüge befanden. Dorthin musste ich also zuerst, da biss die Maus nun mal keinen Faden ab. Zunächst allerdings mogelte ich mich erst einmal an meinen beiden Kollegen vorbei und hoffte weiterhin, dass sie mich nicht bemerken würden. Ich ging also meinen beiden Kollegen zügig entgegen und war doch recht erstaunt darüber, was man auf einmal alles zu sehen bekam, wenn man sich selber scheinbar unbeobachtet glaubt.
Reinhard, unser bester IT-Mann, hatte seine Hand an Yvonnes wohlgeformten Hintern und so schlenderten sie lachend über den Flur. Reinhard hatte damals den entscheidenden Tipp für die Steuerung der Cronotronen gegeben und mittels des von ihm bevorzugten Z10-Superrechners war uns das auch mit den Tachyonen gelungen. Für mich sah das Ganze im Augenblick wie eine farbige, dreidimensionale Fotografie aus, denn die lachenden Gesichter der beiden schienen irgendwie lebendig zu sein und wirkten aber dennoch wie eingefroren. Die hübsche Yvonne war übrigens Diplom-Ingenieurin für Oberflächengrenzwerte und ganz offensichtlich hatte Reinhard bereits eine interessante und jeansüberspannte griffige Oberfläche bei dem jungen Weibsbild gefunden.
Okay, kein Grund sich zu echauffieren, schließlich schlich ich ja selbst im höchsten Maße unbekleidet durch unser Institut. Wenngleich ich sagen wir mal, im Moment zwar gerade nackend, aber immerhin doch halbwegs dienstlich, unterwegs war. Aber das stand hier nicht zur Debatte. Es ging mich auch sonst nichts an, was die beiden miteinander trieben oder auch nicht. Schließlich waren sie alt genug und intelligente Leute obendrein. Das Komische daran war nur, dass mir diese Beziehung zwischen den beiden vorher eigentlich noch nie aufgefallen war.
Nun, ich hatte aber im Moment auch wirklich andere Sorgen. Vorsichtig öffnete ich die Tür zu dem Feuerschutzraum und fand den Schrank mit den feuerfesten Schutzanzügen. Ich zog einen der silberfarbenen Anzüge an, stülpte mir den Helm über den Kopf und hängte mir meine Ledertasche um. Die verbrannten Klamotten tat ich vorsichtig in den Löscheimer und machte mich dann auf den Weg nach draußen. Dieser Weg gestaltete sich unkomplizierter, als ich zunächst dachte. Die Infrarotsperre zuckte nicht mal, als ich den roten Lichtstrahl passierte. Ich war selbst für die moderne Sicherheitselektronik einfach noch zu schnell. Was sollte denn erst der aufmerksame Wachmann vom Sicherheitsdienst sagen, der genau in meine Richtung schaute und an dem ich nur in einem Zentimeterabstand vorbei ging. Der Mann würde noch Stunden in dieselbe Richtung schauen, ohne sich dabei auch nur einen einzigen Millimeter zu bewegen. Er würde später sogar vor Gericht einen Meineid darauf schwören, dass zu diesem Zeitpunkt garantiert niemand den Eingangsbereich passiert hätte.
Hier draußen empfing mich wieder eine ungewohnte Stille. Kein Windgeräusch, kein bisschen Vogelgezwitscher, kein Autolärm, kein Lärm vom gegenüberliegenden Schulhof. Obwohl dort gerade große Hofpause war und die Kinder wie verrückt umhertobten. Kein Lärm vom Schulhof, der sonst sogar die gemessenen 95 Dezibel üblicherweise locker überstieg. Nichts. Alles wirkte wie auf einer plastischen Fotografie festgehalten. Aufgenommen mit sehr viel weniger Zeit, als dem Bruchteil einer einzigen hunderttausendstel Sekunde…
Die Straße zwischen Schule und Institut ist eine sogenannte Tempo-30-Zone und nur etwas über 100 Meter lang. Fahrzeuge haben hier aus gutem Grund langsam zu fahren. Aber jeden Tag um die Mittagszeit donnerte ein Motorradfahrer mit seinem Bike die kurze Gasse entlang, als galt es an jeden verdammten Tag einen neuen Weltrekord im 100-Meter-Straßen-Speedway aufzustellen. So natürlich auch heute wieder.
Der Motorradfahrer befand sich mitten auf der Straße, kurz vor der 90°-Kurve, vor der er wieder scharf abbremsen musste. Er hatte genau den höchsten Punkt seiner Geschwindigkeit erreicht. Nun aber stand er da wie das Denkmal eines Bikers, hingegossen aus lebendigem Fleisch, Metall, Plastik und Gummi. Natürlich zog er sich mit seiner sinnlosen Raserei, auch jeden Tag aufs Neue den Unbill seiner Mitmenschen zu. Weil er die Maschine auf dieser kurzen Distanz bis ans Limit hochzog und dabei einen brutalen Höllenlärm verursachte, der weit über die erträgliche Schmerzgrenze hinausging. Nur ist es bisher leider niemanden gelungen, ihm das Handwerk zu legen. Jetzt aber konnte er mir nicht mehr entwischen, denn durch meine Tachyonen-Beschleunigung war ich zu Fuß vieletausendmal schneller, als er auch nur ansatzweise auf seinem rasanten Bike. Ich ging zu ihm auf die Straße und stellte mich direkt neben das Bike. In der unmittelbaren Umgebung des Bikers roch es nach heißem Motorrad, Gummi, Öl und Leder. Der Mann, ein noch recht junger Bursche, kauerte in einer deutlich aerodynamischen Rennhaltung auf seiner Maschine und schaute grinsend auf sein Tachometer. Die rote Nadel stand auf zackige 185 Kilometer pro Stunde. Er hatte die schwere Maschine in eine günstige Position gebracht und wollte wohl gerade beide Bremsen betätigen, um sich danach dann fast waagerecht in die Kurve zu legen. Ich rüttelte leicht an seinem Sitz, aber die nun völlig lautlose Höllenmaschine lag dermaßen bombenfest und sicher auf der Straße, dass keine zehn Mann das Bike jetzt hätten umwerfen können. Allein die ungeheure Geschwindigkeit verlieh der Maschine eine enorme Stabilität, an der im wahrsten Sinne des Wortes einfach nicht zu rütteln war. Ich zog meinen silberfarbenen Stulpenhandschuh aus und legte meinen kleinen Finger vor das Hinterrad, um die Geschwindigkeit zu erfühlen, mit welcher sich das Rad über meinen Finger wälzen wollte. Die Reifen waren aufgeheizt und nur ganz allmählich spürte ich, wie sich ein winziger Hauch von Druck aufbaute und langsam meinen Finger zwischen Reifen und Beton einzuklemmen begann. Es sah so aus, als würde er wohl erst in einer bis eineinhalb Stunden meiner Zeit, mit dem Bremsvorgang vor der Kurve beginnen wollen. Viel Zeit, um diesem fiesgrinsenden Typen einen angemessenen Denkzettel zu verpassen, ohne ihn jedoch ernsthaft zu verletzen oder dabei seine Maschine zerstören zu wollen.
Ich hielt meine Hand an den Motorblock seines Kraftpaketes und hätte mir beinahe daran die Finger verbrannt. Dann hatte ich eine zündende Idee.
Ich zog meinen silbernen Handschuh wieder an und hebelte die Kappe von einer seiner Zündkerzen herunter. Ich konnte sehen, wie sich langsam am Kopf der Zündkappe ein blauer Zündfunke bildete. Aus meiner Tasche fingerte ich nun den massiven Seitenschneider heraus und schnitt ein paar Millimeter Metall vom Kopf der Zündkerze ab. Das abgeschnittene Metallstück blieb natürlich freischwebend in der Luft liegen, wo es später für den Biker sogar zu einer ernsten Gefahr werden konnte. Daher nahm ich es sicherheitshalber mit und tat es vorsichtig in meine Werkzeugtasche. Dann steckte ich dem Krawallmacher die Zündkappe wieder auf die manipulierte und nun viel zu kurz geratene Zündkerze. So in geschätzten zwei bis drei Stunden dürfte dem Spinner dann endlich auch der Motor seiner Maschine ausgehen. Da hatte er dann ordentlich Zeit über das plötzliche Verstummen seines Motors nachzudenken und wer weiß, vielleicht findet er ja möglicherweise in der nächsten Woche sogar den Fehler. Frohgemut und in dem Bewusstsein, den lärmgeschädigten Bürgern der Umgebung ein gutes Werk getan zu haben, machte ich mich auf den Weg zum Zentral-Bahnhof.
Der Bahnhof ist hier das Zentrum der Begegnungen aller Art. Verliebte treffen sich hier im verträumten Bahnhofskaffee zu einem Rendezvous, Leute strömen auf die Bahnsteige, um in fremde Orte zu verreisen oder kamen hier aus fernen Ländern an. Die Postautos werden mit diversen Postsäcken beladen, welche die Bahn zuvor auf dem Bahnhof angelandet hatte. Hier befinden sich neben zahlreichen Einkaufsläden und Boutiquen auch ein Bäckereigeschäft und die Filiale einer renommierten Bank. Kurzum, der Bahnhof ist hier das wichtigste gesellschaftliche Zentrum der ganzen Gegend. Nicht immer allerdings geht es auch stets friedlich und umgänglich zu. Viele Kneipen haben in der Nähe des Bahnhofes bis weit nach Mitternacht geöffnet und Prostituierte aller Couleur bieten hier rund um die Uhr, ihren umfangreichen Service für jedermann an. Zudem geben sich Junkies, Kiffer und Taschendiebe vor Ort die Klinke in die Hand. Wenn ich hier diesbezüglich gewisse Erwartungen hegte, etwas Außergewöhnliches zu erleben, dann doch hier am Bahnhof. Kaum hatte ich jedoch die Bahnhofstraße erreicht, da bemerkte ich auch schon den lautlosen Tumult, der sich vor dem Haupteingang zur Bahnhofshalle abzuspielen schien. Lautlos natürlich deshalb, weil man nichts von alledem hörte, aber die Ansammlung von vielen Leuten auf dem Bahnhofsvorplatz ist fast immer suspekt. So platzte ich mitten in diese explosive 3D-Fotografie hinein, ohne zu wissen, was genau hier eigentlich passiert war. Ich konnte nur an Hand der vorgefundenen Situation versuchen, mir einen eigenen Reim auf die vorangegangenen Ereignisse zu machen.
Als ich nun endlich nahe genug herangekommen war, konnte ich sehen, wie sich vier grobe Kerle, alle samt mit schwarzen Lederjacken und mit sonstigen metallbesetzten Rockerklamotten bekleidet, mit zwei Streifenpolizisten prügelten. Einer der beiden Polizisten war eine Frau, die ganz klar in eine schwere Rauferei mit einem der vier Typen verwickelt war. Dieser Kampf musste schon eine geraume Weile andauern, denn der bullige Typ mit einer roten Lockenpracht auf dem Kopf, wie Ludwig der XIV, hatte die Uniformbluse der Polizistin aufgerissen und versuchte nun in einem derben Handgemenge an ihre Waffe zu gelangen, die aber immer noch fest in dem ledernen Holster an ihrem Gürtel steckte.
Offensichtlich wollte der Polizist seiner bedrängten Kollegin zur Hilfe kommen, aber die drei anderen Ganoven schienen ihn nach Kräften daran zu hindern. Lediglich eine schon etwas betage Dame mit einem altmodischen braunen Hut auf dem Kopf, hielt ihre krokodillederne Handtasche in der Hand und versuchte damit verbissen auf einen dieser Rockertypen einzuschlagen.
Doch dann erkannte ich das eigentliche Problem.
Während sich der Polizist zu seiner bedrängten Kollegin durchkämpfen wollte, hatte sich einer der Banditen in dem Gerangel bereits der Dienstwaffe des Ordnungshüters bemächtigt, sie durchgeladen und eindeutig auch schon den Abzug betätigt. Der Schuss musste schon vor einer guten Viertelstunde abgefeuert worden sein, denn das Projektil hatte bereits den Lauf der Pistole verlassen und die leere Patronenhülse schwebte schier unbeweglich in einer kleinen Rauchwolke in der Luft. Als ich mir in aller Ruhe den Weg anschaute, den das Projektil zu nehmen schien, wurde mir schlagartig klar, diese Kerle hatten es definitiv auf die beiden Polizisten abgesehen. Denn das Ziel des abgefeuerten Projektils war eindeutig der Kopf jenes Polizisten, das war schon mal sicher. Also, wenn ich hier nichts unternehmen würde, wäre der Polizist in spätestens einer Stunde tot. Dann nämlich hätte ihn das Projektil erreicht und wäre in seinem Kopf eingeschlagen.
Ich schaute mich um. Zwar standen überall Leute herum und schauten diesem Tumult interessiert zu, aber niemand machte irgendwelche Anstalten, den beiden Polizisten zur Hilfe zu kommen, wenn man mal von der älteren Dame mit dem braunen Hut absah. Ich kramte aus meiner Tasche den Zollstock heraus und maß die noch verbleibende Flugstrecke der Kugel. Einen Meter fünfunddreißig, mir blieb also noch knapp eine dreiviertel Stunde Zeit, um etwas zu unternehmen. Allerdings kam ich an das fliegende Projektil noch nicht heran, denn der riesige Kerl in der schwarzen Lederjacke und den wild dreinschauenden Augen, hatte die Waffe von oben herab auf den Polizisten abgefeuert. Ich konnte den Polizisten anderseits aber auch nicht so einfach wegzerren, denn dazu besaß er eine viel zu träge und vor allen Dingen, viel zu verletzliche Körpermasse für meine enorme Geschwindigkeit. Ich konnte also nur versuchen, das Projektil von seiner ursprünglichen Flugbahn deutlich abzulenken, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Dieses Projektil, nur das verdammte Projektil, das war in diesem Moment mein einziger Gedanke.
Der Bäcker hatte einige Tische und Stühle, sowie ein paar Sonnenschirme vor seine Ladentür gestellt. Mehrere seiner Kunden saßen draußen im Sonnenlicht, tranken Kaffee und genossen zudem bei diesem schönen Wetter sein leckeres Gebäck. Ich ging zu dem Bäckerladen, ergriff den nächstbesten freien Stuhl und trug ihn vorsichtig zu der brutalen Schlachtszene hin. Dann positionierte ich den Bäckerstuhl zwischen dem Schützen und seinem designierten Opfer. In meiner Umhängetasche wusste ich ja eine robuste Wasserpumpenzange und wenn die nicht half, hatte ich immer noch einen Hammer zur Verfügung. Damit würde es mir auf jeden Fall gelingen, die Flugbahn des Projektils zu verändern. Ich stellte mich auf die Sitzfläche des Stuhls und konnte nun das frei fliegende Projektil erreichen, das inzwischen bestimmt schon ein paar Millimeter weiter an sein Ziel herangeflogen war. Vorsichtig fasste ich es zwischen Daumen und Zeigefinger an, um es zu erfühlen. Wie vom Blitz getroffen, riss ich laut fluchend, meine Hand zurück. Dieses winzige, glänzende Kupferding war so heiß, dass ich mir daran Daumen und Zeigefinger regelrecht verbrannt hatte. Wütend über meine eigene Dummheit nahm ich die Klempnerzange aus meiner Tasche und packte das glühend heiße Geschoß fest wie ein Hufschmied an. Ich spürte förmlich die mächtige Energie, die in dem Stück fliegenden Metall steckte und änderte mit einem kräftigen Ruck die Flugrichtung des Projektils nach oben. Nun würde das Geschoss wie eine Rakete senkrecht in den Himmel steigen und war für niemanden mehr eine ernstliche Gefahr. Anschließend wollte ich dem Mord-Schützen die Waffe aus der Hand winden, was mir aber dann doch nicht gelang. Höchstwahrscheinlich hätte ich ihm die Hand unmittelbar an seinem Handgelenk regelrecht abgebrochen, wenn ich ihm die Waffe gewaltsam entwendet hätte. Also begnügte ich mich damit, die Sicherung an der Pistole wieder eingeschaltet zu haben. So konnte er jedenfalls nicht ohne weiteres wieder auf den Polizisten schießen.
Als nächstes nahm ich die Handschellen aus Gürtel des Polizisten und klickte eine Schelle um dessen linkes Handgelenk. Während ich die andere Schelle um die rechte Hand des Schützens schnappen ließ. Zur Unterstützung dieser fesselnden Maßnahme presste ich die Schellenseite des Ganoven noch einmal richtig kräftig zusammen. Das würde der Kerl mit Sicherheit sofort merken, wenn dieses Schmerzsignal erst mal bis zu seinem Hirn vorgedrungen war. Aber das konnte noch dauern. Als nächstes nahm ich die Pistole der Polizistin aus ihrem Holster und lud die Waffe durch. Dann gab ich ihr die geladene und entsicherte Pistole in ihre rechte Hand und ich spürte sofort einen ziemlich deutlichen Reflex, wie sich die Muskeln ihrer Finger um den Griff ihrer Waffe zu krallen begannen. In ihren Augen wuchs mit großer Geschwindigkeit ein erstarkendes Erstaunen. Das konnte ich eindeutig an ihren Pupillen erkennen. Danach zog ich ihr aus ihrem Gürtel das letzte verbliebene Paar Handschellen und schloss die übrigen beiden Angreifer an ihren Handgelenken ebenfalls sehr fest zusammen. Aus Sittlichkeitsgründen wollte ich der Polizistin die zerrissene Bluse nicht wieder in ihre Hose stopfen. Ich brachte lediglich die Seiten ihrer ramponierten Bluse so in Position, dass diese jetzt wenigstens ihre freien Brüste verdeckten. Mit ihrem letzten noch verbliebenen Blusenknopf knöpfte ich der Polizistin dann die beiden eingerissenen Blusenhälften wieder provisorisch zusammen.
Danach trat ich wie ein Künstler, der sein Werk aus der Distanz betrachten will, drei Schritte zurück und war recht zufrieden, was die veränderte Szenerie anbelangte. Ich fand, dass nun die Verhältnisse wieder gerade gerückt worden waren. Den Rest würden diese beiden Ordnungshüter jetzt wohl auch allein bewerkstelligen können.
Den als Steigleiter benutzten Bäckerstuhl stellte ich anschließend wieder auf seinen alten Platz neben die Eingangstür des Bäckerladens zurück. Während sich diese dramatische Szene in aller Öffentlichkeit abspielte, saßen die Gäste des Bäckers, wie in einer Theaterloge und beobachteten das ganze Geschehen aus der Distanz, eines interessierten Zuschauers. Eine Dame in einem hellen Sommerkleid hatte es sich bei Kaffee und Kuchen unter dem aufgestellten Sonnenschirm recht bequem gemacht und genoss das sich vor ihren Augen abspielende Schauspiel, während ihre Hand nach der Tasse Kaffee langte. Aber da kam ich ihr jedoch zuvor und trank ihre Tasse in einem einzigen Zug aus. Allerdings musste ich den Kaffee regelrecht aus ihrer Tasse heraussaugen, wenigstens löschte dieses coffeinierte, aromatische dickflüssige Gel ein wenig den Durst.
»Held sein macht durstig, habe die Ehre«, sagte ich zu ihr, verbeugte mich und stellte sie ihr nun wieder auf ihre Untertasse zurück. Während ihre Hand aber immer noch unvermindert in Richtung der längst schon geleerten Tasse griff.
Ein Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass es an der Zeit war, wieder zurückzukehren. Und so wollte ich gerade den Rückweg zum Institut antreten, als ich beim Vorbeigehen einen Blick in die offenstehenden Türen der Bank warf.
Ich traute meinen Augen nicht, zwei ebenfalls mit schwarzen Lederjacken bekleidete Ganoven, offensichtlich Spießgesellen jener Viererbande da draußen, überfielen gerade die Bank. Sie hatten beide diese dämlichen schwarzen Sturmhauben über ihr Gesicht gezogen und während einer von ihnen mit einem Revolver die Angestellten und die Bankkunden in Schach hielt, war der andere dabei, das Geld in einer großen blauen TUI-Reisetasche zu verstauen. Zum Glück hatte der keine Waffe bei sich. Zufällig aber war das auch unsere, also die Institutsbank, und in mir kroch die kalte Wut hoch. Auch wenn unsere Feldversuchs-Abteilung nicht unmittelbar von Kürzungen und Streichungen finanzieller Art betroffen war, so wusste ich doch, dass andere Institutssegmente um jeden Cent kämpfen mussten.
»Also abgehoben wird von euch Ganoven hier nix, das schwör‘ ich euch!«, stieß ich unter meinem silberfarbenen Helm hervor. Wütend marschierte ich in die Bankfiliale hinein und nahm dem Kerl den Revolver aus der Hand, den er lässig wie ein Cowboy an seinem Zeigefinger gedreht hatte. Dann stellte ich meine Tasche auf den Boden und kramte den Hammer heraus. Kurzentschlossen packte ich den Hammer und die Waffe und ging wieder zurück auf die Straße. Draußen entfernte ich die Patronen aus der Trommel und legte den Revolver auf die granitene Bordsteinkante. Dann schlug ich mit dem Hammer einmal kräftig drauf. Ein einziger gut gezielter harter Schlag auf die Mündung der Kanone und der Lauf des Revolvers war sogleich platt wie eine Flunder.
Tja, dachte ich immer noch böse grinsend, Geschwindigkeit ist eben doch keine Hexerei. Zurück in der Bank, drückte ich dem Typen den unbrauchbar gemachten Revolver wieder in seine Hand und so sicher, wie sein Kumpan das Geld aus dem offenen Tresor in seine Reisetasche gepackt hatte, so legte ich die Geldscheinbündel vorsichtig wieder zurück in den Tresor und drückte die massive Tür anschließend wieder fest zu. Ein paar Umdrehungen am Zahlencode und der Banküberfall ward justament in diesem Augenblick Geschichte. Danach betätigte ich schnell noch den roten Alarmknopf in der Bank, dessen lautloses Signal in Kürze die Sicherheitskräfte alarmieren würde. Danach wandte ich mich an den Revolverhelden,
»Eins ist Fakt mein Freund, von uns gibt es diesmal kein Urlaubsgeld«, murmelte ich stinksauer. »Verreisen wirst du bestenfalls auch nur bis nach Santa Fu und dafür brauchst du keine Kohle, denn das erledigt die Justiz für dich gratis...«
Nun zum Abschluß noch ein lustiges Familienbild fürs Fotoalbum, dachte ich und zog den beiden Bankräubern ihre Sturmhauben vom Kopf. Dem Wild-West-Cowboy setzte ich das Ding auf die nur noch briefmarkenstarke Mündung seines Revolvers. Und mit der Sturmhaube des zweiten Bankräubers drehte ich ein paar schnelle Windmühlenflügelrunden und stülpte sie ihm danach wieder wie eine Schumpfmütze über. Feuer fangen würde seine nun energiegeladene Vermummung frühestens erst in ein paar Stunden, aber die nötige Power dazu, die hatte sie jetzt schon von mir mitbekommen. Allerdings wollte ich zu diesem Zeitpunkt längst schon wieder im Institut sein. Schließlich machte ich mich auf den Weg und sah zu, dass ich fort kam. Sonst lief mir am Ende womöglich noch selbst die Zeit davon.
Auf dem Rückweg kam ich natürlich wieder an dem Biker vorbei. Der hatte inzwischen beide Bremsen an seiner Maschine voll durchgezogen und seinen Kopf tief in Richtung Motor geneigt. Ganz offensichtlich hatte er also schon gemerkt, dass irgendetwas mit der Zündung an seiner Harley nicht zu stimmen schien.
Der Wachmann in der Eingangstür des Institutes starrte immer noch mit verschränkten Händen auf den Rücken durch den gläsernen Durchgang in das leere Treppenhaus. Unseren Laborflur erreichte ich gerade noch rechtzeitig, bevor die Energie der Tachyonen aufgebraucht war. Julia war zwar inzwischen schon einen Schritt weiter gekommen, stand jetzt aber ziemlich verdutzt dreinblickend, immer noch zwischen Tür und Angel. Reinhard und Yvonne waren auch einen weiteren Schritt näher an die Sicherheitstür zu unserem Labor herangekommen und schauten sich aber nun gegenseitg anlachend, direkt ins Gesicht, während Reinhards Hand immer noch auf Julias Allerwertesten ruhte. Ich öffnete schnell die Tür zu dem Feuerschutzraum und begann den silberfarbenen Schutzanzug auszuziehen. Gerade als ich mich auch der Hose entledigen wollte, stand Reinhard plötzlich in der Tür und hatte das Deckenlicht eingeschaltet, während Julia auf dem Flur nun erschrocken aufkreischte.
»He‘, was machst du denn hier im Dunkeln und wozu hast du diesen verdammten Feuerschutzanzug an, brennt es hier etwa irgendwo?«, fragte er mich völlig entgeistert. Ich wusste nun, dass ich wieder zurück in meiner Welt war.
»Und was macht deine Hand auf Yvonnes Hintern?«, konterte ich grinsend. Er sah mich erstaunt an,
»Woher …?«, stammelte er. Ich winkte nur ab, schlüpfte in einen Blaumann und warf mir rasch noch einen Laborkittel über.
»Vergiss es, lass' uns lieber den Versuch für morgen noch mal durchgehen. Ich denke, wir müssen da noch einiges etwas genauer modifizieren«, sagte ich wie nebenbei und schlug ihm jovial auf die Schulter. Gemeinsam gingen wir ins Labor. Julia stand zutiefst erschrocken neben der Tür und hielt ihre Hand aufs Herz gepresst,
»Mein Gott, hab isch mich jetzt erschrocke'. Mir war, als wär' mir grad' eben a' brennende Katz' durch die Tür gehuscht...«
Reinhard schaute sie zweifelnd an und sah hinaus auf den Flur und meinte ironisch,
»Nichts zu sehen, Julia, auch keine brennende Katze…«
Doch dann schaute er mich an und wollte wohl gerade etwas sagen, als jemand das Radio eingeschaltet hatte,
»… Wie die Polizei offiziell mitteilte, fand heute Mittag vor dem Zentral-Bahnhof ein Banküberfall in einer Filiale der Holzmann-Bank statt. Geistesgegenwärtig gelang es zwei zufällig vorbeikommenden Streifenpolizisten, vier der Bankräuber in einer geradezu vorbildlichen Aktion, blitzartig festnehmen. Unterdessen versuchten zwei andere Komplizen die Bankfiliale ausrauben. Aus bisher noch ungeklärter Ursache geriet jedoch einer der beiden Bankräuber urplötzlich in Brand und konnte aber noch in der Filiale von den Angestellten überwältigt werden. Während der zweite Täter, offensichtlich in Panik, ohne Beute zu flüchten versuchte und dabei der alarmierten Bundespolizei direkt in die Arme lief. Die näheren Umstände der Tat werden zurzeit noch von den Behörden geprüft.
Athen: … Das griechische Parlament hatte gestern…«
Reinhard sah mich prüfend an und meinte dann kopfschüttelnd,
»Drei Mal hintereinander Feuer, dann du in diesem feuerfesten Anzug, das ist doch jetzt nicht etwa nur ein Zufall oder?...«
Ich verschloß mit Daumen und Zeigefinger meinen Mund, grienend warf den imaginären Schlüssel hinter mich und erwiderte,
»Denk' einfach nur an Yvonnes Hintern, der ist ganz sicher heiß genug...«
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Impressum
Cover: selfARTwork
Text: Bleistift
© by Louis 2013/3 last Update: 2021/9
Texte: © by Louis 2013/3 last Update: 2021/9
Bildmaterialien: selfARTwork
Cover: selfARTwork © by Louis 2021/9
Tag der Veröffentlichung: 27.09.2021
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