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Der lachende Mück

 

 

An einem Samstag, sehr früh am Morgen…

Ich lag in meinem Bette und schlief den Schlaf des Gerechten.

Aber nicht mehr lange, denn mein unablässig arbeitendes, akustisches Überwachungsradar registrierte zu diesem Zeitpunkt tatsächlich einen anfliegenden Banditen aus sechs Uhr.

Der Ton war unmissverständlich und klar.

Ich wurde aus der Luft angegriffen und zwar in diesem Augenblick.

Eine fürchterlich juckende Einstichstelle an meinem linken Oberschenkel verriet mir einen Sekundenbruchteil später, dass ein weiterer einzelner heimtückischer Terror-Angriff bereits stattgefunden hatte. Dieses leider nur zu gut bekannte singende Geräusch aus sechs Uhr, es kam indes rasch näher und wurde immer lauter. Instinktiv bezog ich eine abwehrende Verteidigungsposition. Als das Geräusch die höchste Lautstärkestufe erreichte, schlug ich gnadenlos zu...

Meine Hand klatschte gegen meine Wange und der singend hohe Ton verstummte nun schlagartig...

Ich war im Nu hellwach und meine Augen gewöhnten sich nur mühsam an die heraufziehende morgendliche Dämmerung.

Hatte ich den fliegenden Banditen erwischt?

Mitnichten, ich hörte ihn noch lachend in der Ferne davonfliegen und im Halbdunkel des anbrechenden Tages, in irgendeine dunkle Ecke meines Schlafzimmers verschwinden.

Ein Blick auf das Leuchtzifferblatt meines Weckers sagte mir, es ist exakt 04.57 Uhr.

Genau die richtige Zeit, um zum Gegenangriff überzugehen. Der Griff an den Schalter meiner Nachttischlampe, ließ das überfallene Schlafzimmer in ein abgedunkeltes Licht tauchen. Verdammte Bestie, dachte ich, als ich meine leere Handfläche betrachtete, bist du mir also doch entwischt. Meine Wange brannte und die entzündete Fläche rings um die Einstichstelle am Oberschenkel breitete sich so rasant schnell, wie ein fataler Flächenbrand in einem trockenen Waldgebiet aus. Vor allem fing sie an, ganz unerträglich zu jucken. Als erklärter Pazifist begann ich urplötzlich, ganz gegen meinen Willen und meine Gewohnheit jene seltsamen Rachegefühle in mir zu entwickeln, die mir aus anerzogenen Überzeugungsgründen eigentlich eher fremd sein sollten...

In einer gewaltigen Gefühlsaufwallung aus Wut und Zorn, baute sich in mir ein regelrechter Hass gegen den Verursacher dieses immer stärker werdenden Juckreizes und meiner gestörten Nachtruhe auf.

Ich sann plötzlich auf primitive Rache und wollte Vergeltung. In meinen ungebremst wildesten Phantasievorstellungen malte ich mir die schlimmsten Formen der Todesstrafe für den Banditen aus. Sollte ich ihm womöglich jeden seiner Flügel einzeln ausreißen? Ihm mit einem Messer brutal seinen Kopf vom Rumpfe trennen oder ihn in einer offenen Flamme grillen, um ihn dann anschließend ganz und gar dem Feuertode überantworten? Egal, in diesem Moment war mir so ziemlich jedes Mittel recht, wenn es ihm nur ordentlich lange Schmerzen bereitete, bevor er endgültig sterben würde. Und sterben musste er, denn das war schon mal klar.

Mein Tribunal, bestehend aus einem Richter, einem Ankläger und einem Verteidiger in einer Person hatte diesen hinterhältigen Terroristen in einer internen Gerichtsverhandlung bereits nach einer Sekunde Verhandlungsdauer rechtskräftig vorverurteilt und für ihn unabänderlich mit null Gegenstimmen, die Höchststrafe beschlossen.

Ich brauchte keine sonnenüberflutete karibische Tropeninsel um den Banditen in einer Zelle außerhalb meiner Gerichtbarkeit zu befragen, warum er auf brutalste Weise auf mich eingestochen, mir mein Blut geraubt und mich mit fiesen Krankheitskeimen infiziert hatte. Es galt als erwiesen. Und auf diese unglaubliche Freveltat konnte es nur eine und zwar eine durch Tat und Schuld angemessene Antwort geben.  Den Tod durch…

Die Frage war nur, auf welche Weise er sterben würde. Ich beschloss diese Frage erst einmal zu vertagen und konzentrierte meine Anstrengungen zunächst ganz auf die Ergreifung des Täters. Denn exekutieren kann man nur jemanden, dessen man auch habhaft ist. Alles andere ist naturgemäß lediglich Wunschdenken und irgendwie käme ich mir dabei verladen vor.

Mein erster Gedanke war, einen Großalarm auszulösen und die andere Hälfte meiner Streitmacht für den Kampf gegen den fiesen Verbrecher zu mobilisieren. Gemeinsam würden wir einen Schlachtplan entwerfen, das Gebiet in gleichgroße Quadranten und Kampfsektoren aufteilen, sowie auch die effizienteste Kampftaktik festlegen, um seiner habhaft zu werden. Zu meinem Bedauern konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal eindeutig geklärt werden, ob man den eingedrungenen Banditen im Singular oder im Plural würde bekämpfen müssen. Mit einem schnellen Seitenblick auf mein im tiefen Schlummer versunkenes Eheweib erkannte ich, dass hier tatsächlich nur einer angegriffen worden war und das war ich.

 Dementsprechend lautete die Botschaft:

 Damit wirst du ja wohl noch allein fertig werden...

 Na denn, dachte ich, auf in den Kampf und Tod dem Feinde...

 Was ist die erste Handlung, wenn man einen widerrechtlich eingedrungenen Terroristen erfolgreich bekämpfen will?

 Als erstes musste man unterbinden, dass dem Angreifer womöglich weitere Spießgesellen zur Hilfe eilen könnten.

 Des Weiteren verhindern, dass der Täter unerkannt das von ihm angegriffene Territorium nach der Tat klammheimlich wieder verlassen konnte. Ergo musste man die Landesgrenzen schließen und sichern. Gesagt, getan!  

Mit einem schnellen Griff an das anklappbare Fenster, hatte ich den Fluchweg des Terroristen abgeriegelt. Nun gab es für diesen fliegenden Banditen auch keine Chance mehr einfach zu entkommen und mit einer nennenswerten Verstärkung konnte dieser Verbrecher ab jetzt ebenfalls nicht mehr rechnen. Wer jetzt drin war, war dran, das hatte ich mir geschworen und wappnete mich zu einem gnadenlosen Kampf gegen diesen elenden Schurken.

Inzwischen hatte das Ausmaß dieses heimtückischen und hinterlistigen Angriffs auf meinen malträtierten Oberschenkel seine größtmögliche Ausdehnung erreicht und betraf bereits schon mehrere Quadratzentimeter.

Die betroffenen Hautareale, die jetzt rot angeschwollen waren, juckten höllisch, was meine Wut und meine Angriffslust nur noch weiter aufstachelte. Ich war verletzt und ich war gedemütigt. Noch niemals zuvor hatte es je ein fliegender Bandit gewagt, bis in meinen heiligen Tempel vorzudringen, meinen Hort der Ruhe und Geborgenheit, der Regenerierung. Ja, mich dort sogar zu verletzen und mir damit meine heilige Nachtruhe auf das Empfindlichste zu stören.   

Ich war soweit und wollte den Kopf des Verbrechers aufgespießt auf einen eisernen Pfahl sehen, bis ihm seine blau angelaufene Zunge aus seinem Schandmaul heraushing, so wie einst Heinrich der VIII. im nass-kalten England mit seinen ärgsten Gegnern verfahren ist.

Ja, ich war sogar wild entschlossen einen Schritt weiterzugehen und mich an dem Schicksal meines Delinquenten genüsslich zu weiden.  

Zwar heißt es immer so schön aus der Bibel zitiert :

»Die Rache ist mein, sprach der Herr...« ...Aber nicht diesmal.

Diesmal wollte ich das Blut des Feindes sehen und es war mir völlig egal, was andere davon hielten oder wie sie über mich an dieser Stelle dachten. Für mich gab es kein Zurück, denn ich war ein unschuldiges Opfer und führte an dieser geheimen Front einen gerechten Kampf gegen eine heimtückische und fiese Bestie. Und ich gedachte, diesen Kampf zu gewinnen, um anschließend Richter und Henker zugleich über dieses barbarische Pack zu sein.

Noch immer über mordlustige Gedanken sinnierend, verbrachte ich einen Teil meiner Zeit damit, darüber nachzudenken, wie ich wohl am besten meines hinterlistigen Gegners habhaft werden konnte. Ein boshaftes Lächeln huschte über meine gequälten Gesichtszüge, denn ich hatte die Lösung gefunden.

Ich würde den Banditen am besten nach der amerikanischen Methode liquidieren.

Nein, nein, nicht was man jetzt landläufig denken könnte, ihm die Giftspritze zu verpassen, das empfand ich selbst als viel zu human. Es sollte besonders sicher und sehr überzeugend sein, denn im Exekutieren waren die Amis ja wirklich echte Meister.

Ich wollte meinen Delinquenten quasi auf dem elektrischen Stuhl wissen und es regelrecht genießen, wie er darauf in Flammen aufgeht. Das erschien mir als die angemessenste Methode, seinem heimtückischen Terroranschlag zu begegnen. Jetzt nun, wo er mir nicht mehr entkommen konnte, suchte ich in der Schublade nach dem passenden Utensil. Wusste ich doch, dass ich dereinst ein solch pikantes Tötungsinstrument bei einem Elektronikanbieter im Internet preisgünstig erworben hatte. Bislang ist der Fall allerdings noch nie eingetreten, wo ich dessen Macht bedurft hätte. Aber irgendwann ist es schließlich immer das erste Mal...

Nun also war es soweit und nichts und niemand konnte mich davon abhalten, meinen Plan auch in die Tat um zusetzten. Schnell wurde ich fündig und fingerte das Gerät aus der noch immer originalverpackten Pappschachtel.

Den Stecker in die Steckdose und das Ding eingeschaltet...

Ein kleines blaues Licht mit einem hohen UV-Anteil flammte auf und hinter einem Schutzgitter aus Metall baute sich im Sekundenbruchteil eine elektrische Hochspannung von über 10.000 Volt auf. Diese todsichere Falle würde jeden fliegenden Banditen in Windeseile den unvermeidlichen Garaus bereiten. Wahrlich, eine effiziente Tötungsmaschine. Ich hatte meinen 'elektrischen Stuhl' aktiviert...

Mit einem diabolischen Grinsen im Gesicht stellte ich meine elektronische Killermaschine auf das Sideboard und schaltete meine  Nachttischlampe aus, um die bevorstehende Hinrichtung dieses Barbaren von meinem Logenplatz aus genießen zu dürfen. Das blaue Licht würde den brutalen Mück anziehen, wie es Marlene Dietrich in ihrem Film, "Der Blaue Engel" damals schon überzeugend vorhergesagt hatte. Und ehe der Verbrecher überhaupt merken würde, was los war, hätte ihn die Hochspannung mit einem funkensprühenden Knistern bereits komplett aufgefressen.

Schade eigentlich nur, dass dieser widerliche Terrorist dabei nicht lange genug würde leiden müssen.

Noch ehe ich es mir auf meinem Beobachtungsposten so richtig bequem machen konnte, von welchem aus ich die Exekution genauestens verfolgen wollte, registrierte ich den bereits im Anflug befindlichen Banditen. Der singend hohe Ton kam schnell näher. Er flog auf direktem Wege an mir vorbei und hielt unbeirrt auf die Tod und Verderben bringende Hinrichtungsstätte zu, die unmittelbar hinter dem Gitter auf ihn lauerte. Ein kurzer Lichtblitz und der Verbrecher hatte sein Leben im Bruchteil einer Sekunde ausgehaucht...    

»Wir haben ihn!«, rief ich geradezu euphorisch aus und wollte eben den Stecker aus der Dose ziehen, als es an dem Metallgitter bereits zum zweiten Male hell aufblitzte. 

Aha, dachte ich, na sieh mal einer an, da hatte es sogar noch ein weiterer Bandit bis in mein Schlafzimmer geschafft. Wer weiß, was der noch alles hätte anrichten können. Na, dieser Halunke war nun auch Geschichte und als potentielle Gefahr war er bereits ausgeschaltet worden, noch bevor er überhaupt einen Schaden bei mir anrichten konnte.

Das nenne ich in der Tat nun wirklich effizient. Zufrieden lehnte ich mich also auf mein Kopfkissen zurück und genoss mit einem breiten Lächeln meinen haushohen Sieg über diese hinterhältigen Verbrecher.

 

***

 

Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden, oder toten Personen sind wohl eher nicht zufällig, sondern tatsächlich auch so gewollt...

Die Handlung allerdings, ist übrigens keinesfalls fiktiv...

 

 

                           

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Cover: selfARTwork

Text: Bleistift

Covermotiv: JenaFoto24.de_pixelio.de

©  by Louis 2013/5     last Update: 2021/7

Impressum

Texte: © by Louis 2013/5 last Update: 2021/7
Bildmaterialien: Covermotiv: JenaFoto24.de_pixelio.de
Cover: selfARTwork
Tag der Veröffentlichung: 30.07.2021

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