Cover

Die Flößerhure

 

Eine milde tiefblaue Sommernacht mit einem funkelnden Sternenzelt lag im Frühsommer 1799 über dem hohen Schwarzwald. Die dunklen Wälder rauschten und die Luft war angenehm lau.

Es duftete auch in dieser Nacht wieder überall unglaublich intensiv, beinahe fast schon berauschend, nach frischem Heu. Die Bauern hatten in diesen Tagen das erste Mal nach diesem extrem langen, nasskalten Frühling größere Mengen Gras an den Hängen und auf den Bergwiesen gemäht und es anschließend großflächig zum Trocknen ausgebreitet.

Der laue Nachtwind nahm diesen seltsam verführerischen Duft des trocknenden Grases auf und verteilte ihn nun gleichmäßig über den gesamten Schwarzwald.

Cornelius lag einsam in seinem Bette wach und konnte nicht mehr einschlafen. Wohl auch deshalb, weil jetzt Mitte Juni das fahlgelbe Licht des hellen Vollmondes direkt in seine Schlafkammer schien. Wie so oft hatte er zuvor von seiner Frau, der schönen schwarzhaarigen Liesbeth geträumt, welche damals von Jedermann als die lieblichste Rose des Schwarzwaldes bezeichnet wurde. Er träumte von seiner schönen Liesbeth, die er nicht hatte beschützen können, als sie im Sommer vergangenen Jahres während eines heftigen Unwetters im Schwarzwald starb. Ein gewaltiger Blitzschlag spaltete den Baum, unter welchem sie Schutz vor dem Gewittersturm gesucht hatte.

Ein viel zu früher und vor allem ungerechter Tod. Mit gerademal vierundzwanzig Jahren sterben zu müssen, wo doch eben erst das Leben für sie beide so richtig begonnen hatte. Niemals würde Cornelius es begreifen, geschweige es denn verstehen können.

 

Cornelius dachte erneut daran, wie glücklich er einst mit Liesbeth war und wie sie sich damals bei vollem Mondenschein nackt auf der Bergwiese in einem der frisch getrockneten Heuhaufen geliebt hatten, welche die Bauern nach der Mahd überall aufgeschichtet hatten. Endgültig hellwach geworden fuhr er sich mit der Hand über das wettergegerbte Gesicht, um diese viel zu lebendige Erinnerung an die schönste Zeit seines Lebens und damit auch die an sein heißblütiges Weib für heute zu verdrängen.

Seither hatte es auch keine andere Frau für ihn mehr gegeben. Gerade deshalb hatte er sich noch verbissener in die gefährliche Arbeit des Flößers gestürzt, um damit seinen grenzenlosen Kummer über den Verlust seiner geliebten Frau besser betäuben zu können.

Allerdings kam es bei dieser derben Flößerarbeit auch immer wieder zu schweren Unfällen, die nicht gar selten mit dem Tod eines Flößers endeten. Cornelius nahm es gelassen, sein eigenes Leben war ihm ohne sein geliebtes Weib an seiner Seite, eh‘ nicht mehr so viel wert. Aber irgendwie schien der heilige Nikolaus, der Schutzpatron aller Flößer, bislang immer wieder schützend seine Hand über den Flößer gehalten zu haben.

Weit häufiger allerdings geschahen auf den schwimmenden, glitschigen Stämmen folgenschwere Unfälle, bei denen übelste Quetschungen und verhängnisvolle Knochenbrüche beinahe schon an der Tagesordnung waren. Gelegentlich musste ein Flößer nämlich auch das Können eines Artisten besitzen, um heil und unverletzt aus einer äußerst gefährlichen Situation herauszukommen. Manchmal aber ging auch gar nichts mehr und einer der Männer glitt auf dem nassen Holz aus, stürzte in den Bach und wurde vom seinem eigenen Floß überfahren…

Morgen in aller Herrgottsfrühe würde Cornelius dennoch wieder sein Floss besteigen, welches bereits Tage zuvor mit festen Wieden zu sieben massiven Gestören zusammengebunden worden war. Auf diesen Stämmen würden sie die Kinzig hinab, talabwärts bis in die Nähe von Straßburg an den Rhein fahren.

Cornelius war Bremser-Flößer auf der Kinzig, sozusagen ein echter Jockel. Genaugenommen er war sogar einer der besten Jockel des Schwarzwaldes überhaupt und darum auch ein äußerst gefragter Mann, wenn es ums Flößen ging. Er selber, ein Kerl wie ein Baum, konnte hart zupacken und besaß einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Gleichzeitig war er bei alledem bescheiden geblieben und auch keiner, der nur einfach so das große Wort führte. Ganz so, wie er es vom Vater und seinem Großvater übernommen hatte, die dereinst allesamt fleißige und zuverlässige Flößer waren. Aber nach dem Tode seiner Frau wurde Cornelius zunehmend stiller und auch wortkarger. Nur selten genug hörte man ihn noch laut lachen oder gar mit den anderen Flößern in der Schenke fröhlich sein. Selbst das Reden überließ er fortan seinen Kameraden, während er sich nur noch um das Holz und die Arbeit als Flößer-Jockel kümmerte.

 

*

Nachdem der Mond noch ein gutes Stück gegangen war, fiel Cornelius in der zweiten Stunde vor dem Morgengrauen in einen kurzen, aber unruhigen Halbschlaf. Als er am nächsten Morgen mit dem ersten Hahnenschrei erwachte, fühlte er sich müde und zerschlagen. Rasch sprang er aus dem leeren Bett und steckte seinen Kopf in einen hölzernen Kübel mit klarem, eiskaltem Wasser aus dem Bergbach. Prustend kippte er sich danach das kalte Wasser über seinen muskulösen Oberkörper, was ihn nun endgültig wach werden ließ. Dann warf er sich das dunkle Leinenwams über, zog die derben, schwarzledernen Beinkleider an und schlüpfte unter die handbreiten, grünen Hosenträger. Zu guter Letzt stülpte er sich die tags zuvor frisch eingefetteten überlangen Lederstiefel über, die während der Fahrt auf den vom Wasser überspülten Flößen, dauerhaft für trockene Füße sorgten. Einmal kräftig auf die Dielen gesprungen und schon steckte er fest in seinen heißgeliebten Stiefeln, die er bis fast an den Schritt hinaufkrempeln konnte, wenn es nötig werden sollte. Wichtig, das Zollmaß aus poliertem Messing nicht zu vergessen. Cornelius schob es in das festgenähte Futteral seiner schwarzen Lederhosen.

Trotzdem er eigentlich schlecht geschlafen hatte, war er für Straßburg nun reisefertig greüstet.

Egal, dachte er, irgendwie wird es schon gehen. Denn mit Tagesanbruch begann der erste Flößertag und spätestens Übermorgen Abend musste er mit seiner gesamten hölzernen Ladung in der Nähe von Straßburg sein und zwar dort, wo die Kinzig in den Rhein mündete. Dazwischen lagen wie immer, etliche bergige Flusskilometer, die vielfach durch einen unwegsamen Schwarzwald führten.

Station würden sie das erste Mal in Wolfach machen und das zweite Mal in Gengenbach. Der Rest bis Straßburg war dann gut und gerne an einem Tag zu schaffen. Es durfte nur nichts schiefgehen. Wenn sie Glück hatten, kamen sie diesmal ohne einen dieser üblen "Ellenbogen" aus.

Dies war eine jener verhängnisvollen Situationen, wenn der Mann vorn am Vorspitz nicht aufpasse, einen Fehler machte und irgendwo aneckte. Dann konnte es je nach Strömungsgeschwindigkeit des Wassers rasend schnell zum Verkeilen der einzelnen Gestöre kommen und man saß dann mitten im Bach, in einem sogenannten Ellenbogen fest. Dann half nur noch die ganz große Kunst des Meisters, das gestrandete Floss wieder flott zu bekommen. Cornelius war zwar so ein Meister, aber auch er erinnerte sich nur äußerst ungern an jene letzte Fahrt, wo ihnen dieses Missgeschick gleich zweimal hintereinander passierte. Natürlich war der Matthias ein guter Flößer am Vorspitz, weil er aber am Abend zuvor doch etwas zu tief in den Humpen geschaut hatte, war er am nächsten Morgen noch nicht wieder vollständig nüchtern. So kam es, dass man dann bei Steinach, an einer eigentlich bekannten Untiefe der Kinzig auf Grund gelaufen war und sich fünf der sieben Gestöre gefährlich ineinander verkeilt hatten. Bei dieser unliebsamen Gelegenheit ist leider auch ein wertvoller Teil der zugeladenen Last verlorengegangen und an die zweihundert Pfund feinstes weißes Buchdruckerpapier für Straßburg sind im wahrsten Sinne des Wortes, den Bach hinunter gegangen.

Eine Elleboge' halt…

Beim heiligen Nikolaus, so ein fatales Missgeschick sollte ihnen nicht noch einmal passieren. Schließlich kannten die Flößer ihre Kinzig sehr genau und dass der Matthias an den beiden Übernachtungsstationen nicht mehr gar so tief ins Maß schauen würde, dafür würde der Jockel diesmal schon sorgen.

 

*

 

Mein Gott, dachte Cornelius, dieser irrsinnig betörende Duft von diesem frischem Heu überall, der macht einen noch ganz kirre und wieder musste er an die nackte Liesbeth im Heu denken, an ihre wilde, unkeusche Lust zu lieben und geliebt zu werden. Rasch ergriff er sein Bündel mit den vorbereiteten Viktualien und der filzummantelten Kaffeeflasche, welches er in ein wasserfestes Wachsleinentuch eingebunden hatte. Cornelius hängte das Bündel an seinen eisernen Flößerhaken, den er stets über der Schulter trug und machte sich auf den Weg. Er stieg den bewaldeten Hügel hinab zu dem kleinen Staubecken, welches von den Vorfahren extra angelegt wurde, um mit den Flößen auf einem Schwall brausenden Wassers talabwärts zu fahren. Erst wenn die Wasser aus dieser angestauten Klause freigegeben wurden, konnten die Männer mit ihrem Holz auf den wasserarmen Bergbächen überhaupt flößen. Hier oben, im gebirgigen Schwarzwald, führte die Kinzig dauerhaft einfach zu wenig Wasser zum Flößen, deshalb griffen die Flößer-Mannen seit langem zu diesem traditionell bewährten Trick. Weiter unten im Schwarzwald führte der Fluss dann wieder ausreichend Wasser und die Fahrt wurde etwas weniger gefährlich.

 

Die beiden Männer, die später die Gestöre in der Mitte des Floßes lenken würden, saßen an einem kleinen Holzfeuer, welches sie unten am Bach gemacht hatten und rauchten schweigend an ihren klobigen Tabakspfeifen.

Neben ihnen hockte barfüßig eine junge blonde Frau am Boden, deren äußeres Erscheinungsbild allerdings eher dem eines jungen Mädchens glich und wärmte sich am knisternden Flößerfeuer. Die Männer, beide erfahrene Flößer, begrüßten ihren Kameraden schon von weitem, als sie den Jockel mit langen Schritten vom Waldrand über die lichte Wiese kommen sahen.

»Brauchst dich nicht zu eilen, Cornelius, der Matthias ist eh‘ noch nicht da. Dafür haben wir aber schon eine Last. Eine Passagierin, die mit nach Straßburg will«, grinste der ältere der beiden Flößer. Der jüngere nahm nun seine Tabakspfeife aus dem Mund und wandte sich an die junge Frau,

»Da schau‘, da kommt der Cornelius, der ist unser Jockel. Den musst‘ frage, wenn du mitfahre‘ willst, net uns.«

Das Mädchen nickte. Cornelius begrüßte seine Kameraden und knurrte durch die Zähne,

»Wenn der Matthias heut‘ nicht pünktlich kommt, schmeiß ich ihn eigenhändig runter vom Floß, auch wenn er mein bester Freund ist. Dann such‘ ich mir lieber einen anderen zuverlässigeren Mann am Vorspitz. Einen ewigen Suffkopp kann ich vorn als den Ersten Flößer am Vorspitz nicht brauchen.«

Der ältere der beiden Männer spuckte den gelblichen Tabakssaft aus seiner Pfeife in den rauschenden Bergbach,

»Ich fürchte allerdings, dass ihm sein Weib dann aber noch weit mehr zusetze' wird, als des jetzt schon der Fall ist.«

 Cornelius zuckte nur mit den Schultern, er wusste um die scharfe Zunge von Roswitha, denn Matthias Weib war dafür bekannt, in der Familie die Hosen anzuhaben. Dann wandte er sich an das Mädchen, das bis dahin stumm dem Gespräch der Männer gelauscht hatte.

»Und wer bist du? Passagiere werden eigentlich erst ab Straßburg, den Rhein abwärts mitgenommen…«

Das Mädchen, das inzwischen aufgestanden war, hielt den Kopf gesenkt und hatte mit seinem großen Zeh runde Kringel in den feuchten Ufersand des Baches gemalt. Erst als Cornelius sie anstubste, schaute sie zu ihm auf. Zwei wunderschöne blaue Augen strahlten ihn an,

»Ich bin Suzanne, nehmt Ihr mich bis nach Straßburg mit, Jockel? Ich will meine kranke Mutter besuchen, die in Straßburg wohnt«, sagte sie mit einem liebreizenden französischen Akzent und lächelte den Flößer an.

Cornelius schob überrascht seinen ledernen Hut mit dem Zeigefinger einen Ticken weit nach oben und betrachtete das Mädchen nun etwas genauer,

»Wie alt bist du Susanne?«, fragte er kopfschüttelnd.

»Suzanne«, erwiderte sie ihn nachsichtig korrigierend. »Ich bin Französin und ich werde nächste Woche dreiundzwanzig, warum fragt Ihr mich das, Jockel?«

»Na, weil wir keine Kinder nach Straßburg mitnehmen dürfen, darum.« Cornelius lachte und ein breites Lächeln erhellte nachhaltig sein männlich markantes Gesicht. »Der nächste Gendarm in Wolfach wird mich in den Stadtturm werfen lassen, wenn ich ihm mit dieser Geschichte komme. Wie alt bist du wirklich, Suzanne?« Er sprach nun ihren Namen korrekt aus.

Das Mädchen senkte erneut den Blick und malte wieder mit ihrem großen Zeh einen weiteren Kringel in den Sand. Cornelius zuckte erneut mit den Schultern,

»Es tut mir leid, ich kann dich nicht mitnehmen. Ist sowieso viel zu gefährlich für ein Mädchen, wie dich.«

»Na schön, ich bin erst einundzwanzig… aber was macht das für einen Unterschied?«, platzte es aus ihr heraus. »Ich will doch nur billig mit Euch mitfahren, Ihr fahrt doch immer bis Straßburg. Oder etwa nicht? Was also soll diese dumme Fragerei?« Ihre Augen blitzten nun zornig.

»Weil der grimmige Gendarm in Wolfach genau dieselben dummen Fragen stellen wird, meine liebe kleine Suzanne, deshalb«, sagte er entschieden.

Und trotzdem ist sie dennoch ausnehmend hübsch, sogar noch in ihrem Zorn, dachte Cornelius und fasste ihr mit festem Griff unter das Kinn. Dann hob er ihr das Kinn an und schaute ihr nun direkt in das funkelnde Blau ihrer Augen. Eine handfeste Lüge konnte er darin nun nicht mehr entdecken, nur noch einen Hauch von gekränkter Widerborstigkeit.

»Was soll‘s, wenn du dir unbedingt den Hals brechen willst, also gut, meinetwegen. Aber die Floßfahrt bis Straßburg kostet dich fünfzig Kreuzer, zahlbar sofort. Allerdings ohne Verpflegung und Nachtlager, das musst du extra tragen. Mitfahren ohnehin nur auf eigene Gefahr. Aber du bleibst dennoch immer dicht bei mir, hier auf dem letzten Gestör und muckst dich nicht. Ich will unterwegs keinen Ärger mit dir haben. Sollte es aber dennoch deinetwegen Ärger geben, schmeiß ich dich eigenhändig runter vom Floß und du kannst den Rest des Weges zu Fuß gehen. Alles klar, Suzanne?«

Plötzlich lachte sie ein silberhelles Lachen, stellte sich flink auf die Zehenspitzen, umarmte den völlig verdutzen Flößer und gab ihm einen Kuss.

»Ich danke Euch, Jockel. Ich wusste gleich, als ich Euch sah, dass Ihr ein guter Mann sein musstet.« Der Flößer verzog sein Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen und winkte feixend ab,

»Noch sind wir lang nicht in Straßburg und wenn der Matthias nicht bald hier aufkreuzt, sitzen wir womöglich morgen immer noch hier.« Suzanne lächelte und holte aus einer versteckten Tasche ihres langen hellen Kleides ein paar klimpernde Kupfermünzen.

»Fünfzig Kreuzer für die Reise, Jockel, wie abgemacht«, sagte sie und drückte ihm das Geld in die Hand. Der ältere Flößer schüttelte abweisend den Kopf und spuckte noch einmal in den Bach, dann klopfte er seine Tabakspfeife funkensprühend am Stamm einer alten Kopfweide aus.

»Du wirst dir auf dieser Reise noch dein hübsches Kleidchen nassmachen, Mädel und vielleicht sogar noch etwas mehr«, griente er. »Drum aufgepasst, kleine Mademoiselle.«

»Na wenn schon, das trocknet auch alles wieder, Flößer, doch das braucht Euch gewiss nicht zu kümmern…«, sagte sie mit kessem französischem Charme und schaute demonstrativ zu dem Bremser auf, der aber immer noch Ausschau nach seinem fehlenden Mann vom Vorspitz hielt.

»Die Worte hör ich wohl«, griente der alte Flößer. »Weibervolk auf‘m Floß, das kennt man doch, das gibt doch eh‘ immer nur Zoff. Vielleicht ist sie gar die Flößerhexe und damals doch nicht verbrannt«, brummte er und bekreuzigte sich.

»Lass‘ gut sein, Jupp, sie hat die Reise bezahlt, und jetzt fährt sie auch mit. Und das mit der verbrannten Flößerhexe behältst du besser für dich, damit basta jetzt«, unterbrach der Jockel unwirsch das Gemaule seines ältesten Gestörmannes.

Just in diesem Augenblick trat ein äußerst kräftiger Mann aus dem Dickicht des Waldes heraus und überquerte mit schnellen Schritten die taunasse Wiese. Seinen ledernen Hut hatte er tief in die Stirn geschoben. Er hielt direkt auf die Flößerleute am Feuer zu. Auch er hatte sein Bündel an den geschulterten eisernen Flößerhaken gehängt.

»Endlich«, entfuhr es dem Jockel erleichtert. Nur ungern hätte er sein Wort wahrgemacht und den Matthias, seinen besten Mann vom Vorspitz gefeuert. Krachend schlugen die Hände der beiden Männer ineinander.

»Entschuldige, Cornelius. Aber du kennst ja meine Roswitha, dieses verrückte Weibsbild. Was soll ich sagen, es ist der irrsinnige Duft von diesem frischem Heu, der sie heut‘ in der Früh‘ hat…« Cornelius winkte grinsend ab,

»Passt schon… nun sind wir ja endlich vollzählig und es kann losgehen.« Mit keinem Wort erwähnte er die auf der letzten Fahrt über Bord gegangene Zulast, denn Matthias hatte deswegen lang genug mit sich selbst gehadert. »Das ist Suzanne, sie wird bei uns bis Straßburg mitfahren«, sagte Cornelius und zeigte auf das blonde Mädchen.

Matthias schaute sie kurz an,

»Sag‘ an Mädel, kenn‘ ich dich nicht von irgendwo? Ich denk‘, ich hätt' dich doch schon wo gesehen.« Suzanne schürzte die Unterlippe und zuckte mit den Schultern,

»Ich weiß nicht, kann schon sein, ich bin öfter in Gengenbach.«

Matthias nickte. Er wirkte wie abwesend und schüttelte anschließend mit dem Kopf, aber er konnte sich nicht genau erinnern. Wie dem auch sei, dachte er, der Cornelius hat sie mitgenommen. Also wird er schon seine Gründe dafür gehabt haben.

»Alles klar, Männer?«, vernahm er des Jockels sonore Stimme. Die Flößer nickten. Einer der beiden Gestörmänner tauchte seinen speckigen Lederhut in das Wasser der Klause und löschte damit das Lagerfeuer. Dann nahmen sie ihre Sachen auf.

»Matthias, wenn alle Mannen auf ihren Positionen sind, öffnest du auf mein Zeichen hin die Pforte der Klause…« Matthias nickte während seine Gedanken aber immer noch um die hübsche Französin kreisten.

»Gehen wir es an, Männer«, rief der Jockel und winkte Suzanne ihm auf das Floß zu folgen. Als er auf das letzte Gestör aufstieg, streckte er beide Arme nach ihr aus und hob sie geschwind auf das Floß. Vorsichtig stellte er die junge Frau auf dem schwimmenden Holz ab.

»Besser du hättest solche Stiefel an, wie wir«, meinte er lachend und klopfte sich grinsend gegen seine hohen Stiefelschäfte. Dann schlug er mit einer Hand seinen eisernen Flößerhaken tief ins Holz, sodass der Stiel im Winkel von fünfundvierzig Grad vor ihm aufragte. »Daran kannst du dich jetzt festhalten. Keine Bange, Mädchen, der hält. Nur nicht loslassen, sonst gehst du mir womöglich noch über Bord.«

Während Suzanne den Griff des massiven Flößerhakens fest umklammerte, hob Cornelius einen kurzen Eichenholzstamm an und senkte ihn in ein passend gemachtes Loch am Ende des Floßes. Der Stamm sackte sogleich bis auf den Grund der Klause durch, sodass nur noch ein halber Meter seiner ursprünglichen Länge aus dem Floß herausragte. Der Eichenstamm war an seinem Ende durchbohrt und durch das Loch hatte man ein stabiles Hartholz als Griff hindurchgeschlagen. Durch das Herausheben und wieder Absenken des Eichenstammes auf den Bachgrund, konnte Cornelius das Floß während der Fahrt abbremsen, oder es auch laufen lassen, je nach Situation. Eine äußerst kraftraubende Arbeit, die zudem unheimlich viel Geschick und Voraussicht erforderte. Als Cornelius sah, dass alle Flößer auf ihrem Posten waren, gab er mit einem Pfiff durch die Finger das Signal zur Abfahrt. Matthias vorn am Vorspitz hob mit seinen Flößerhacken den Sperrriegel an und die Tore der Klause öffneten sich. Tausende von Tonnen des angestauten Bachwassers stürzten nun mit einem gewaltigen Brausen durch das geöffnete Tor und die Gestöre spannten sich. Nun hob Cornelius den Eichenstamm etwas an und das Floß, bestehend aus vier Gestören, setzte sich talabwärts rauschend, immer schneller in Bewegung. Man war jetzt auf dem laut rauschenden Bach unterwegs...

 

Auf diesem Schwall des schnell abfließenden Wassers ritten nun die Männer auf ihrem Floß bis in die nächste gefüllte Klause, die etwa eine knappe halbe Wegstunde entfernt war. Geschickt steuerte Matthias den Vorspitz an den gefährlichen Untiefen und im Wasser liegenden Findlingen vorbei, wobei er stets die auftauchende Gefahr beim Namen benannte und sie dann den hinter ihn fahrenden Flößern zurief. Die lauten Rufe der Männer schallten durch den morgendlich jungfräulichen Wald und jedermann auf dem Floß verstand diese Warnungen. Entsprechend beherzt steuerten sie ihre Gestöre um die sich auftuenden Gefahrenstellen herum. Man war halt eine eingespielte Flößermannschaft. Solange das Holz auf diesem kräftigen Wasserschwall schwamm, konnte nichts passieren und man bewegte sich kontinuierlich bergab. Nur Hängenbleiben durfte man nicht, dann war man sofort in einem fatalen "Ellenbogen" gefangen. Nach einer knappen halben Stunde flotter Fahrt rauschte das Floß mit einer kräftigen Bugwelle voran, unversehens in die nächste Klause.

Die zierliche Suzanne hatte sich für eine Frau erstaunlich gut auf dem letzten Gestör gehalten. Nur ihr weißes Kleid war von einigen heftigen Spritzern Wasser ziemlich nass geworden ganz so, wie es der alte Jupp bereits vorhergesagt hatte. Die Nässe machte es an einigen Stellen gelegentlich etwas durchscheinend und ließ den Jockel, der unmittelbar hinter ihr stand, zeitweilig doch ein wenig mehr von ihrer Figur sehen, als es Suzanne womöglich recht gewesen wäre. Einen schönen Hintern hat sie aber auf jeden Fall, dachte Cornelius grinsend. Dann drückte er den schweren Eichenstamm stärker nach unten, der daraufhin nun ziemlich laut ratternd über den steinigen Bachgrund schrammte. Somit wurden die letzten drei Gestöre des Floßes ein wenig abgebremst und konnten nicht auf die vor ihnen schwimmenden Floßteile auflaufen.

 

Diesmal hatten sie am Abend unbeschadet und pünktlich das Städtchen Wolfach erreicht. Während die Flößermannschaft mit ihrem Floß an dem vorgegebenen Platz anlegte und es für die Nacht fest vertäute, kümmerte sich der Jockel bereits schon um das Quartier für seine Mannen. Suzanne war zugleich mit ihm von Floß aus, ans Ufer gesprungen und bereits kurz darauf in dem Gewimmel von Händlern und Flößern zwischen den vielen bunten Zelten verschwunden.

Cornelius war es recht, wenn sie sich selbst um ihre Unterkunft kümmerte, so hatte er eine Sorge weniger, sich um ein passendes Nachtlager für seine junge Passagierin bemühen zu müssen. Auch musste er den beiden Gendarmen der Stadt nicht erklären, warum er ein so junges Weib bei sich auf dem Floß mitzufahren hatte.

In dem Schwarzwaldstädtchen Wolfach war gerade Jahrmarkt und deswegen war es ohnehin im Moment sogar noch etwas schwieriger, ein geeignetes Plätzchen für das Mädel zum Schlafen zu finden.

Im ersten Morgengrauen würden sie jedenfalls weiterfahren, mit oder ohne das Mädchen, so war es zwischen ihnen vereinbart worden. Schließlich ist sie alt genug zu wissen, was sie tut, dachte der Jockel. Er winkte seinen Leuten zu dem Lagerfeuer zu kommen, welches die Büttel von der Stadtwache für die Flößer mitten auf der großen Wiese, vor dem Stadttor entzündet hatten. Mittlerweile hatten sich auch die meisten der in Wolfach Station machenden Flößermänner am wärmenden Feuer eingefunden. Unterdessen unterhielten bereits Gaukler, Tänzerinnen, Musikanten, Wahrsagerinnen und anderes fahrendes Volk mit ihren Künsten die Leute. Die Wirte an den bunten Ständen schenkten kräftig von ihrem süffigen Roten und ihrem berauschenden Biere an die Flößermannen aus. Natürlich nur gegen Bares und so wurde mancher sauer verdiente Gulden hier gar rasch gegen Trinkbares eingetauscht, während über der nächtlichen Festwiese neben dem Rauch des Holzfeuers, auch der hungrig machende Duft von deftig Gesottenem und köstlich Gebratenem hing.

Cornelius hatte es sich schon am laut prasselndem Feuer bequem gemacht, als sich Matthias mit einem breiten Grinsen im Gesicht zu ihm gesellte.

 »Jetzt weiß ich, woher ich das dünne Mädchen kenne«, sagte er und deutete dem Wirt kurz an, ihm einen großen Humpen von dem Starkgebrautem zu bringen. »Ich dächte, ich hätt‘ sie bereits schon im vorigen Spätsommer in Gengenbach mit einem Flößer zusammen gesehen und es sah mir gar sehr vertraut aus, wie sie mit ihm schön tat. Bestimmt ist sie nur eine kleine Flößerhure«, schwatzte er munter drauf los. Cornelius zuckte jedoch nur mit den Schultern,

»Was geht’s mich an, soll doch ein jeder nach seiner Fasson selig werden«, knurrte er und nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Humpen. Matthias lachte,

»Erzähl mir doch nichts vom Pferd, alter Freund, ich hab' doch gesehen, wie du sie die ganze Zeit über angeschaut hast. Und ja  verdammt hübsch ist sie auch noch. In der Tat, das ist sie wirklich«, meinte er lächelnd und in seinen Gedanken immer noch über die fesche elsässische Maid nachsinnend.

»Pass du lieber auf, dass du heut‘ Nacht nicht zu tief in den Humpen schaust, ich möchte morgen in der Früh am Vorspitz einen Mann mit einem klaren Kopf haben«, gab Cornelius rasch zurück. Matthias hatte den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden und nickte verbissen,

»Verlass dich drauf, Jockel, das passiert mir gewiss nicht noch ein weiteres Mal«, brummte er zerknirscht.

 

Am nächsten Morgen, kurz nach dem ersten Hahnenschrei standen die Männer schon wieder auf ihrem Floß und wollten gerade ablegen, als Suzanne barfuß mit zerzaustem Haar und wehenden Kleid rasch über die nasse Wiese gelaufen kam. Flink sprang sie zu Cornelius auf das letzte Gestör, während Matthias den Vorspitz schon in die Flussmitte steuerte und die starke Strömung der Kinzig das Floß erfasste.

»Das war knapp, Suzanne«, meinte Cornelius nur und deutete auf den eingeschlagenen Flößerhaken. »Festhalten«, sagte er. »Denn jetzt wird es ein bisschen ruppiger.«

Suzanne pustete sich eine vorwitzige Haarsträhne aus der Stirn,

»Merci, dass Ihr auf mich gewartet hattet, Jockel. Ich dachte schon, ich schaff‘ es nicht mehr rechtzeitig.«

»Keine drei Minuten mehr und wir wären weg gewesen«, brummte er. Heimlich lächelte Suzanne den Flößer an, während der aber längst schon keine Notiz mehr von ihr nahm und sich wieder um eine ausgeglichene Floßfahrt kümmerte. Um die Mittagszeit legten sie noch mal eine kurze Rast ein und fuhren anschließend mit ihrem Floß direkt bis nach Gengenbach, wo sie am frühen Abend unbeschadet eintrafen.

Nachdem die Männer das Floß fest am Ufer vertäut hatten, kam einer der Stadtboten auf sie zu und wandte sich an den Flößer.

»Seid Ihr Cornelius, der floßführende Jockel?« Cornelius nickte,

»Der bin ich in der Tat, was also gibt es?«

»Ihr solltet umgehend zum Stadtkämmerer kommen, es geht um die Bezahlung Eurer Übernachtung. Wenn Ihr nicht gleich erscheint, vergibt der Kämmerer das letzte Zelt an eine andere Gruppe. Es sind wohl zurzeit etwas mehr Flößer unterwegs, als sonst, Jockel«, antwortete der ihm Bote und wandte sich bereits wieder zum Gehen.

»In Ordnung, wartet, ich komme sofort mit Euch«, bedeutete er dem Boten und folgte dem Mann durch das Stadttor. Unterdessen suchten Cornelius' Kameraden die kleine Kapelle am Ufer der Kinzig auf, um für den Heiligen Nikolaus zu beten, dass er sie bis hierhin so gefahrlos geleitet hatte. Als der Flößer später dann vom Stadtkämmerer zurückkam, hielt er ein Papier in der Hand und winkte damit seinen Leuten. Die Bestätigung für die bezahlte Unterkunft. Daraufhin bekamen sie von den Stadtbütteln am Rande der Wiese ein großes graues Zelt mit sechs niedrigen Holzpritschen und dazu gehörigen Strohsäcken zum Übernachten zugeteilt. Eigens für die hier Station machenden Flößer hatte man nämlich in den Sommermonaten einige Zelte auf der Wiese vor dem Stadttor aufgestellt, in welchen die Flößermänner nächtens schlafen konnten.

»Denke daran, mit dem ersten Hahnenschrei fahren wir weiter. Du weißt, wo du uns finden kannst. Wenn du kein angemessenes Quartier für die Nacht finden solltest, Suzanne, kannst du jederzeit auch bei uns übernachten, denn auch die überzähligen Schlafplätze sind jetzt ohnehin alle schon bezahlt«, versicherte ihr Cornelius. Suzanne nickte lächelnd,

»Ich werde es mir überlegen. Aber habt dennoch Dank für Euer Angebot, Jockel«, sagte sie leichthin und ging in Richtung Stadttor, wo sie kurz darauf in dem dichten Gewühl aus Bürgersleuten und Flößern verschwand.

 

*

Die Gengenbacher Kirchturmuhr verkündete gerade den Beginn der ersten Stunde nach Mitternacht, als Cornelius auf seiner Pritsche lag und wieder von seiner bezaubernden Liesbeth träumte.

Der helle Vollmond schien durch die geöffnete Frischluftluke und tauchte das Innere des geräumigen Zeltes in ein unwirkliches fahles Dämmerlicht. Wieder war die Luft lau und der betörende Duft des trocknenden Grases zog in dichten Schwaden durch die engen Gassen der Stadt. Er drang durch alle Ritzen und ließ viele Bürger nur mühsam in den Schlaf kommen. Zu dem ohnehin schon betörenden Duft des frischen Heues gesellte sich urplötzlich ein aphrodisierender Moschusduft.

Liesbeth…

Mit dem letzten Glockenschlag riss Cornelius die Augen auf und packte sofort mit seiner Hand derb zu. Im fahlen Dämmerlicht des Mondes erkannte er, dass er das Handgelenk von Suzanne erwischt hatte, die ihre gespreizten Finger dicht über das Gesicht des schlafenden Flößers gehalten hatte. Zuvor war sie sich mit ebendieser Hand rasch noch unter ihren Rock gefahren.

Erschrocken hielt er noch immer das schmale Handgelenk der jungen Frau fest umklammert, während die leise zu kichern anfing und ihm mit dem ausgesteckten Zeigefinger der anderen Hand den Mund verschloss. Dann aber winkte sie ihm, ihr zu folgen,

»Kommt, kommt nur mit mir«, flüsterte sie verführerisch lächelnd. »Ich will Euch etwas zeigen, Jockel.« Und sie zog den Flößer mit sich nach draußen vor das Zelt. Dort ließ sie wieder leise ihr silberhelles Lachen erklingen und küsste den Flößer auf den Mund. Sie fasste ihn danach rasch bei der Hand und lief mit ihm barfuß über die vom Vollmond beschienene Wiese. Sie zog ihn weiter bis zu den Heuhaufen, die bereits vor Tagen von den Bauern am Waldesrand zum Trocknen aufgetürmt worden waren. Wie im Trance folgte Cornelius dem Mädchen, welches leichtfüßig über die Wiese lief. An einem der Heuhaufen blieb es stehen und lächelte den Flößer aus seinen blauen Augen an, dann streifte sie sich ihr weißes Kleid von ihren schmalen Schultern und ließ es langsam vor ihm auf den Boden gleiten. Nun stand sie völlig nackt vor ihm. Sie sah in dem hellen Mondlicht so reizvoll und verführerisch aus, dass Cornelius gar nicht anders konnte, als sie in die Arme zu nehmen und sie begierig zu küssen. War es doch genau jene Situation, die ihn wieder und wieder längst auch in seinen wildesten Träumen erschienen war, wenn er nachts von seiner feurigen Liesbeth träumte.

Während sich nach und nach die Gesichter in seinen Träumen vor dem Hintergrund dieser faszinierenden Kulisse aufzulösen begannen und sich permanent umwandelten, blieb ihm nur jener magische Duft und die verlockend lüsterne Nacktheit dieses jungen Weibes. Widerstandslos ließ er sich daher sein dunkles Wams von jener schmalbrüstigen jungen Frau abstreifen, deren Haut und Haar so bezaubernd nach sündiger Begierde duftete. Sie schlang ihre nackten weißen Arme um seinen Hals und zog ihn an sich. Sie küsste ihn so inniglich, als sie ihm spielerisch ihre Zunge in seinen verlangenden Mund schob, unterdessen sie sich gemeinsam in den weichen Heuhaufen gleiten ließen. Während ihre Augen ihn dabei unablässig anstrahlten spürte sie seine rasch anwachsende heiße Männlichkeit an ihrem Bauch. Als Cornelius schließlich ihre lieblichen Brüste küsste und sie an ihren rosa Warzen überaus zärtlich liebkoste, schloss sie die Augen und ließ es bereitwillig geschehen, ja sie genoss es sogar regelrecht.

»Ich ahnte es längst, dann bist du also doch eine kleine süße Flößerhure, Suzanne«, hauchte er ihr ins Ohr.

»Was, wenn es so wäre, Jockel? Würdet Ihr mich deshalb jetzt etwa nicht ficken wollen?«, flüsterte sie erregt zurück. »Schließlich seid Ihr nicht verheiratet...«

»Ich bin Witwer und nur darum nicht mehr verheiratet«, stöhnte Cornelius nach ihrem verführerischen Körper schmachtend.

»Ihr wisset aber schon, dass es dem Gesetze nach nur verheirateten Männern gestattet ist, Flößer zu sein?«, gab Suzanne lächelnd zurück und küsste den Flößer erneut zärtlich auf dessen Mund. Nach diesem sinnlichen Kuss schaute er ihr lange in die Augen,

»Willst du mich denn heiraten wollen, Suzanne?«, fragte er nach einer Weile.

Die junge Frau ließ daraufhin erneut ihr silberhelles Glöckchenlachen erklingen,

»Vielleicht?... Es kommt darauf an«, lächelte sie und presste ihren heißen Körper fest an den seinen.

»Worauf sollte es denn ankommen, Suzanne?«, flüsterte er.

»Darauf, ob Ihr mit Eurem herrlichen Eichenstamm in mir ebenso geschickt umzugehen versteht, wie Ihr es unterwegs in der Arbeit mit Eurem Floße tut, Jockel. Kurz, ob Ihr mich gut zu vögeln vermögt, Cornelius«, lachte sie und ihre blauen Augen blitzten. Zugleich griff ihre schmale Hand nach seinem bereits prächtig entwickelten Rundholz und begann es auf das Heftigste zu polieren.

»Worauf du dich verlassen kannst, das verspreche ich und du wirst es gewiss auch nicht bereuen…«, flüsterte Cornelius stöhnend und stieß es ihr Minuten später in die weit geöffnete Mitte ihres willfährig empfangenden Leibes, während im selbigen Atemzug ein gigantisch gleißender Blitzschlag seinen Körper durchzuckte…

 

*

 

 Pralle Brüste glitten immer wieder über sein Gesicht hinweg und kräftig erregte Brustwarzen streichelten liebevoll seine geschlossenen Lider, während ihn finstere Mächte von den lieblichen Brüsten dieses wollüstigen Weibes gewaltsam fortzuzerren versuchten. Gerade als er sich den hartnäckigen Versuchen ernsthaft zu erwehren begann, wurde er ziemlich derb und recht unsanft wachgerüttelt.

Als er überrascht die Augen aufschlug starrte er, geblendet von dem funzlig gelben Licht einer alten Nachtwächterlaterne, auf die blaue Uniformjacke eines Gendarmen. Der Polizist rüttelte ihn nun vollends wach.

»Seid Ihr Matthias, der Erste Flößer vom Cornelius-Floß?«, fragte der Gendarm mit gestrenger Stimme. Matthias nickte schlaftrunken.

»Ihr müsst Euch ankleiden und uns in die Stadt begleiten«, befahl ihm der Gendarm.

»Was ist passiert?«, fragte der Flößer noch ganz benommen, gähnte und begann sich nur zögerlich anzukleiden.

»Später…«, grunzte ihn die raue Stimme des Gendarmen an. Als sie das halbdunkle Zelt verließen, warf Matthias noch rasch einen Blick auf die Pritsche vom Jockel, doch dessen Schlafstätte war leer. Der Jockel war verschwunden. Sonderbar, dachte er missmutig. Warum ist der Jockel fort? Wir müssen doch bald wieder ablegen. Bestimmt hat ihn die kleine geile Flößerhure doch noch rumgekriegt und nun ist er bei ihr und vögelt sie zum Gotterbarmen, der arme Kerl. Na ja, kein Wunder, wo er doch eh' schon so lang allein war..., dachte er etwas nachsichtiger und schüttelte traurig den Kopf. Auf seine wiederholte Frage, was denn mit dem Jockel passiert wäre, erhielt er jedoch von diesem grimmig dreinschauenden Gendarmen keine Antwort.

Die Büttel der Stadtwache öffneten in der Dunkelheit das kleine Tor und ließ den Flößer und den Gendarmen passieren. In der engen Amtsstube befragte ihn der Gendarm mit bärbeißiger Mine,

»Wo wart Ihr heute in der Nacht, Flößer?«

Matthias war noch etwas verwirrt, ob dieser im harschen Tone gestellten Frage.

»Was soll die ganze Fragerei? Ihr selber habt mich doch um meinen wohlverdienten Schlaf gebracht. Ich lag heute Nacht wie alle anderen auf meiner Schlafpritsche im Zelt auf der Wiese.«

»Die Fragen, Flößer, die stelle ich hier. Beantwortet nur die meinigen, sonst nichts. Wann habt Ihr zuletzt den Flößer Cornelius gesehen, Matthias? Ich rate Euch dringend bei der Wahrheit zu bleiben, wir haben Zeugen«, gemahnte ihn eindringlich der Gendarm.

»In der zehnten Stunde, die Turmuhr, sie schlug sie gerade an, da saßen wir noch beisammen in der Wirtschaft am Stadttor auf einen letzten Humpen Bier. Kurz darauf sind wir beide dann gemeinsam durch das noch geöffnete Tor auf die Wiese zu unserem Zelt gegangen. Dort habe ich ihn auch das letzte Mal gesehen. Aber was ist mit ihm, dass Ihr mir solche Fragen stellt, hat er gar etwas ausgefressen?«

Der Gendarm hatte sich unterdessen umständlich mit einem Fidibus am Feuer der Laterne seine Tabakspfeife angezündet und paffte nun dicke Rauchwolken in die Amtsstube.

»Folgt mir, denn ich hab Euch etwas zu zeigen«, brummte er und griff nach der Laterne. Dann deutete er mit der Hand dem verblüfften Matthias in den angrenzenden Pferdestall vorauszugehen. In der Ecke war eine Stallfläche separat durch einen massiven Verschlag abgeteilt worden. Er diente den Gendarmen als Zelle für einen Gefangenen. Nun aber war die Türe mit den schweren Eisenbeschlägen unverschlossen und nur leicht angelehnt, während das große eiserne Vorhängeschloss unbenützt an der Wand hing.

Der Gendarm öffnete die leicht knarrende Tür des Verschlages und betrat mit hochgehaltener Laterne den dunklen Arrest. Schummriges Licht erhellte nun die Zelle und auf der hölzernen Lagerstatt in der Ecke schien ein Mann zu schlafen. Der Gendarm trat an die Holzpritsche heran und zog ruckartig die Decke vom Kopf des Mannes weg. Dann winkte er Matthias näher zu treten. Im schwachen Dämmerlicht erkannte Matthias den Mann, der jedoch nicht schlief, sondern tot auf seiner Holzpritsche lag.

Es war Cornelius, so übel zugerichtet, als wäre er brutal erschlagen worden.

»Wer hat das getan?«, fragte Matthias zu tiefst über den Tod seines besten Freundes erschüttert. Der Gendarm nahm seine klobige Tabakspfeife aus dem Mund,

»Genau das hätt‘ ich auch gern gewusst. So fand man ihn in der zweiten Stunde nach Mitternacht. Gleich hinter Gengenbach, direkt unter seinem Floß, welches sich in einem Ellenboge' festgefahren hatte. Er wurde überfahren vom seinem eigenen Floß. Was für ein schreckliches Ende«, brummte der Gendarm. »Wieso legt ein erfahrener Flößer nachts allein mit dem Floß ab? Nur eine kleine blonde Frau soll nackt bei ihm auf dem Floß gestanden sein, als die beiden im hellen Mondlicht losgefahren sind. Das macht doch alles keinen Sinn, er konnte doch gar nicht weit kommen, nachts auf’m Floß. Von diesem angeblichen Weibsbild auch keine Spur. Aber wer weiß ob sich die Zeugen nicht auch geirrt haben könnten, denn ihrer beider Aussagen widersprechen sich. Der eine sagt dies, der andere jenes. Allerdings steht fest, dass die beiden Zeugen in dieser Nacht sturzbetrunken aus der Schenke kamen und leider Gottes, werden sie wohl bis morgen Mittag immer noch ihren Rausch ausschlafen müssen.« Der Gendarm schüttelte verständnislos mit dem Kopf und deckte den Toten wieder zu. Anschließend sog er erneut nachdenklich an seiner Tabakspfeife.

»Die Flößerhure! Wo ist Suzanne, die blonde Flößerhure? Sie ist bei uns auf dem Floß aufgesessen und mitgefahren. Sie wollte unbedingt bis Straßburg mitgenommen werden und hatte für die Fahrt bereits auch schon im Voraus bezahlt«, stöhnte Matthias und schlug mit der Faust krachend gegen den hölzernen Türrahmen.

Plötzlich stutzte er und erbleichte,

»Der alte Jupp, er hatte recht, sie war gar keine Flößerhure. Es kann nur die leibhaftige Flößerhexe selber gewesen sein und nun hat sie sich halt den armen Cornelius geholt, denn er war als Witwer der einzige unter allen Schwarzwälder Flößermannen, der letztlich nicht verheiratet war…«

 

 

***

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Cover: selfARTwork

Graphic inside: selfARTwork

Text: Bleistift

© by Louis 2014/1  Update: 2021/9

Impressum

Texte: © by Louis 2014/1 lastUpdate: 2021/9
Bildmaterialien: selfARTwork
Cover: selfARTwork 2021/1
Tag der Veröffentlichung: 09.01.2021

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /