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Der ungebetene Besucher

 

 Ich saß am Schreibtisch und kaute längst schon auf meinem zweiten Bleistift herum. Es ging einfach nicht weiter mit dieser Geschichte. Die Idee war zwar witzig und bestimmt auch etwas originell, aber die Umsetzung kam nicht so recht voran, denn diese verdammten Reime wollten nicht recht aufgehen und die Wörter, die waren nicht gerade vom Allerfeinsten. Und das mir, einem Perfektionisten...

»Woran arbeitest du?«, plötzlich und ohne Vorwarnung, vernahm ich eine bekannte, eklig einschleimende Stimme hinter mir. Das hatte mit gerade noch gefehlt. Er schon wieder...

Der Widerling. Sein Gestank war schon aus der Ferne fürchterlich und pestilenzartig. Infernalisch allerdings, wenn er bereits hinter dir steht. Aber ich ließ mir partout nichts anmerken und tat so, als sei seine Anwesenheit eine natürliche und längst erwartete Selbstverständlichkeit.

 »Das geht dich nichts an«, sagte ich ohne mich umzudrehen und strich gerade mit einem dicken Bleistiftstrich, das Wort ...'Donnerschuss‘... mittendurch.

»Nun zier‘ dich doch nicht so, wie eine alte Jungfer vor ihrem ersten F...«

»Halt die Klappe...«, unterbrach ich ihn laut, noch bevor er jenes böse Wort aussprechen konnte. Erschrocken verstummte er plötzlich.

Nach einer Weile fing er jedoch erneut an,

»Lass doch mal sehen...«

Wieder diese penetrant aufdringliche Stimme. Dann glotzte er mir unverfroren über die Schulter,

»Ah', ein Drabble, ein gereimtes sogar noch dazu, schön, schön …«

»Verzieh' dich, ich kann dich echt nicht brauchen«, brummte ich angesäuert, weil dieser bescheuerte Reim im Leben nicht aufgehen wollte.

»Wieso denn ausgerechnet jetzt ein Jägerdräbble, wo doch eigentlich noch gar keine Jagdsaison ist?«, ließ er nicht locker.

»Ich möchte mal wissen, was dich das angeht...«, reagierte ich nun langsam richtig sauer werdend. »Ich schreibe hier nur ein Drabble und dazu brauche ich weder deinen Rat und schon gar nicht dein blödes Gequatsche. Und jetzt hab ich genug von dir. Also hopp, mach gefälligst nen‘ Satz.«

»Ich denke, ich soll dir da nicht dreinreden und nun soll ich dir sogar einen ganzen Satz spendieren? Weißt du überhaupt, was du willst? Also du musst dich schon entscheiden, helfen oder…«, grinste er rotzfrech.

»Du nervst«, antwortete ich und schrieb das Wort …"Donnerschuss"… wieder dazu, weil es einfach kein passenderes gab.

Nach einer Weile fing er jedoch wieder an,

»Allein schon der Titel klingt ja echt doof, 'Jägerlatein', das kauft dir doch eh‘ kein Mensch ab, wer liest denn schon so was? Da wäre ein anderer viel präziser. Wie wär’s denn mit ……der Jagdunfall … oder wie wärs auch mit …der Fehlschuss…, oder etwas in der Art. Das wäre zumindest viel zutreffender.«

Er lachte,

»Treffender, das ist auch gut, das könnte glatt von mir sein.«

Ich tippte mir mit dem übriggebliebenen Bleistiftstummel gegen die Stirn,

»Du hast sie ja nicht mehr alle, …Jagdunfall… Fehlschuss, das ist doch alles völlig bescheuert. Kommt überhaupt nicht in Frage. Außerdem lege ich den Titel immer noch selber fest, also halt dich da gefälligst raus, du bereitest mir eh‘ schon genug Scherereien.«

Eine Weile war Ruhe und ich freute mich, endlich den Gegenreim auf…"nachdem der heft'ge Donnerschuss verhallt"… gefunden zu haben. Schnell schrieb ich die aus dem Gedächtnis importierten Worte mit dünnem Strich auf das raschelnde Papier…"kroch des Amtmanns Weib schreiend aus dem Wald"…

Na bitte, dachte ich, geht doch. Jetzt lief es wieder wie geschmiert.

Kurz darauf fing er jedoch wieder an, mir erneut ein Ohr abzukauen,

»Hey, Mann, wo soll denn dieser Schwachsinn noch hinführen? Was wird das hier, entweder eine Mordsgeschichte oder ein heißer Erotik-Thriller? Ich würde zu gern mal wissen, worauf dieser Käse hier mit dem Waidmann eigentlich hinauslaufen soll. Es sei denn, dass du des Amtmann’s Weib am Ende noch vernaschen lassen willst. Ha‘, na dann will ich doch echt mal sehen, wie du dieses Wort schreiben willst.«

Gerade eben hatte ich notiert …"Später fragt der Waidmann arg verdrossen"… und wunderte mich im Nachhinein über diese hinterlistig gestellte Frage.

»Welches verdammte Wort meinst du, was ich wie schreiben soll?«

»Na dieses Wort, was… Scheiße, du weißt schon… hey, jetzt denkst du wohl ich werd’s dir auch noch verklickern. Irrtum mein Lieber, ich sag‘ ohne meinen Anwalt nämlich gar nix.«

»Ist auch besser so, außerdem sagt man nicht Scheiße, denn dabei geht die ganze gute Erziehung in den A...«, verriet ich ihm grinsend und fuhr weiter mit meinem Text fort.

»Ich sag nur, es fängt mit einem F… an«, platzte es förmlich aus ihm heraus.

»Keine Ahnung, worauf du hinaus willst. Ich weiß nur, dass man Dinge, die mit einem F… anfangen, nicht verborgt. Wie, Fotoapparat, Fahrzeug, Fernseher, Filzpantoffeln, Frau und so weiter«, antwortete ich, nachdem ich rasch noch …"Verzeihen Sie, Madam"… dazugeschrieben hatte. Daraufhin hatte ich natürlich sofort den zwangsläufig darauf folgenden Satz fertig, …"hab ich Sie etwa in den Arsch geschossen?"… und musste plötzlich laut loslachen, weil jetzt wieder alles absolut prima zusammenpasste.

»Okay, wenn du das jetzt natürlich so fortsetzt, dann ist ja sehr wahrscheinlich Essig mit der Erotik, denn wer etwas in sein Allerwertesten geschossen bekommt, der wird ja wohl kaum noch an erotische Dinge denken. Allerdings soll es auch da gelegentlich Ausnahmen geben«, grinste er. »Na gut, dann eben nicht, liebe Tante. Aber dann brauch' ich dir ja dieses Wort auch nicht mehr zu verraten, was mit einem F… anfängt«, nörgelte er verdrießlich.

»Nee, das brauchst du nicht, denn das kannte ich bereits schon und ich hatte aber auch nicht die Absicht, es in meinem Text zu verwenden. Deine ganze fiese Andeutung war also völlig umsonst. Pech gehabt, mein Lieber«, antwortete ich grinsend.

»Na, das wird sich gewiss auch bald herausstellen, wer hier noch Pech haben wird, kommt Zeit, kommt Rat. Ha,ha,ha... So werde ich dann jedenfalls lachen, wenn es soweit ist, wollen wir wetten?«

»Ich wette nicht und mit dir Schubiack, schon gar nicht. Denk‘ mal an 'Timm Thaler oder das verkaufte Lachen'. Der hatte auch gewettet. Und was ist dabei herausgekommen?«

»Phha, der… bei dem ist doch alles gut gegangen, ich weiß überhaupt nicht was du willst. Kohle ohne Ende, Abenteuer bis zum Abwinken und am Ende hatte Timmi sogar noch ne‘ Menge Kumpels dazugewonnen«, meinte er grienend und winkte ab.

»Trotzdem wette ich mit dir nicht, denn ich lehne schon aus Prinzip deine Anwesenheit ab. Du bist ebenso überflüssig wie ein Kropf. Und wenn ich könnte, würde ich dich ohne mit der Wimper zu zucken, achtkantig zur Tür hinauswerfen«, empörte ich mich.

»Lass dir doch mal was Neues einfallen, das sagst du nämlich jedes Mal und meistens gewinne ich am Ende doch ...irgendwie. Ein bisschen vielleicht. Okay, manchmal auch nicht, aber gelegentlich schon. Und diese Runde, mein Freund, die gedenke ich auch nicht kampflos abzugeben, wirst sehen.«

 Er zwinkerte heftig mit einem Auge und grinste mich dabei noch dämlich an. Das allein hätte mir schon zu denken geben sollen. Aber in meiner Euphorie, dem neuen Drabble, die letzten gewichtigen, aussageträchtigen Wörter hinzuzufügen, muss ich diese rot leuchtenden Alarmzeichen leichtsinnigerweise wohl irgendwie übersehen haben. So fügte ich am Ende rasch noch den alles entscheidenden Abschlusssatz hinzu und verpasste ihm damit quasi den letzten Schliff. …"es traf doch bestenfalls..."…

»Halt, halt, mein Freund, du wirst doch hier an dieser Stelle nicht etwa schon die Pointe deines neuen Drabbles verraten wollen, denn das wäre, genau wie dein völlig bescheuerter Titel, nämlich ausgesprochen megadämlich...«

Ich hielt einen Moment inne. Wo er recht hat, hat er recht, dachte ich und verkniff mir vorerst die Pointe aufzuschreiben.

»Was hast du nur immer nur mit meinem Drabble-Titel, der ist doch prima. Der ist nahezu genial. Ich wüsste jetzt auch nicht, was besser zu dem Text passen könnte, als mein dafür ausgewählter Titel, ...'JÄGERLATEIN...'«

»Blödsinn!«, meinte er aufgebracht. »Wer will denn schon so etwas lesen wollen, wo jedem Legastheniker allein schon der Titel verrät, dass dem Leser jetzt die Taschen vollgehauen werden. Keiner. Siehste und darum brauchst du einen anderen Titel. Einen neuen, einen der überzeugt, der spannend ist und die Leute zum Mitdenken anregt. Nicht etwa so’n 0815-Lappatutti-Titel, den keine Sau interessiert. Ha, Jägerlatein…! Vielleicht besser was mit Hatz? Wenn jemand gehetzt wird, dann haben die Leute Mitleid. Oder noch besser, Jagd. Wenn jemand gejagt wird, dass mögen sie überhaupt nicht. Ha, es könnt ja mal gut sein, dass sie selber mal gejagt werden und dann wird ihnen ganz schnell die Luft knapp. Hey, wäre das nicht auch mal spannend, etwas zu jagen?«, grinste er und zuckte dabei immer so merkwürdig mit dem Auge.

»Und was sollte ich nun deiner Meinung nach für einen Titel nehmen, der die Leser überzeugt?«, fragte ich etwas verunsichert und damit in meiner Aufmerksamkeit beinahe schon sträflich nachlassend. Sofort sprach er nun ausgesprochen freundlich zu mir.

»Soll ich dir den absolut passenden Titel für dein neues gereimtes Drabble aufschreiben, lieber Kamerad?«, schielte er mich verstohlen von der Seite an.

»Na denn, wenn er mir aber nicht gefällt, dann nehm‘ ich ihn natürlich nicht, klaro?«

»Okay, ganz wie du willst, du bist der Boss, du allein sagst wo es langgeht, ich bin nur ein ganz kleines Licht, ein Berater, mehr nicht  ...«

Dann ergriff dieser elende Schleimbolzen mit seinen dreckigen Pfoten meinen abgekauten zweiten Bleistift und kritzelte mir in fetten Lettern nur ein einziges Wort auf’s Papier.

...HUBERTUSJAGDT...

 

»Das soll er sein?«, fragte ich ihn skeptisch.

Er nickte fies grinsend,

»Wirst sehen, das ist der allerbeste Titel für dein neues Jäger-Dräbble. Die Leute werden das Ding mögen und vor allem, sie werden es ganz bestimmt nicht so schnell vergessen«, flüsterte er mir beinahe beschwörend ins Ohr.

»Wieso sollten denn die Leser diesen Titel nicht vergessen, das leuchtet mir nicht ganz ein?«, blieb ich skeptisch.

»Vertrau' mir, es ist einfach so, wenn ich dir jetzt schon die Pointe zu dieser Geschichte verraten würde, dann wärest du doch mit Sicherheit auch enttäuscht«, beschwor er mich beinahe. Ich starrte wie benommen auf das Papier. An diesem verdammten Titel schien dennoch irgendetwas nicht zu stimmen. Ich wusste nur nicht was genau und sah dabei den Wald vor lauter Bäumen nicht.

»Heureka, na sieh mal einer an, da will mich doch einer glatt über’s Ohr hauen. Das Wort ‚ HUBERTUSJAGDT... ist ja total falsch geschrieben«, trumpfte ich plötzlich wie nach einer Erleuchtung auf.

»Was? Das gibt es doch gar nicht...«, wehrte er erbost ab. »Das kann nicht sein!« Rasch beugte er sich über das Blatt Papier. »Tatsächlich, jetzt hast du mich aber erwischt. Stimmt, das Wort ist wirklich falsch geschrieben. Du altes Schlitzohr, hast mich also doch erwischt, du bist ja noch gewiefter, als ich dachte. Okay, dann werden wir das natürlich ändern«, sagte er sichtlich pikiert, strich den verkehrt geschriebenen Titel durch und setzte ihn dann neu darunter.

Jetzt stand da zu lesen,

 

...HUBERTUSJAGT...

 

»Hast dich also doch nicht übertölpeln lassen, Respekt, mein Freund. Er wackelte anerkennend mit dem Kopf. Na, wenn es diesmal nicht so geklappt hat, dann vielleicht beim nächsten Mal. Denk‘ nicht, dass es das schon war. Ich komme wieder, Kamerad«, drohte er griesgrämig und verschwand ebenso lautlos, wie er gekommen war.

Froh, die Geschichte endlich doch noch fertig geschrieben zu haben, ging ich ins WWW. und veröffentlichte das Drabble unter diesen nun korrigierten Titel, den mir mein geheimnisvoller Besucher auf meinen Zettel geschrieben hatte.

Als ich die 'Veröffentlichen-Taste' drückte, hörte ich wie aus dem Untergrund heraus, ein langgezogenes, höhnisches Lachen...

Noch immer dachte ich mir nichts Böses dabei, denn ich war auch ehrlich gesagt ziemlich froh, diesen äußerst unangenehmen Besucher so elegant losgeworden zu sein, diesen widerlichen ...Fehler-Teufel...

 

 

 

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Impressum

Cover: selfARTwork

Coverfoto: sassi_pixelio.de

Text: Bleistift

© by Bleistift 2013/5    Update: 2020/10

Impressum

Texte: © by Louis 2013/5 last Update: 2020/10
Bildmaterialien: Coverfoto: sassi_pixelio.de
Cover: selfARTwork
Tag der Veröffentlichung: 27.10.2020

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