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Rubberface

Einem alten irischen Brauch zufolge schickte man jedes Jahr am Oktoberende die Kleinsten los, um sich bei den Leuten im Ort diverse Süßigkeiten zu erbetteln. Und um diese Miniaturgespenster rasch wieder los zu werden, sollte man ihnen besser geben, wonach sie verlangen, denn im Falle einer Verweigerung drohten sie ihrerseits nämlich damit sogar Saures auszuteilen, was auch immer dies allerdings sein mochte.

So schellte es an der Tür des alten Mannes auch in diesem Jahr wieder. Doch diesmal war die Haustür nur leicht angelehnt und bewegte sich leise auf geheimnisvolle Weise in ihren Angeln knarrend, im abendlichen Herbstwind. Während zugleich aus dem Innern des völlig abgedunkelten Hauses geradezu unheimliche Geräusche drangen. Den drei kleinen Gespenstern wurde es vor der offenstehenden Türe des alten Mannes sogleich auch ziemlich mulmig zumute und eine erste allgemeine Verunsicherung sorgte vehement dafür, dass man sich klammheimlich eher lieber wieder auf und davon machen wollte. Aber noch bevor die verängstigten Gespenster ihr Vorhaben in die Tat umsetzen konnten, öffnete sich jedoch mit einem plötzlichen Ruck die Haustür des alten Mannes. Sogar soweit, dass sich ein dicker Glatzkopf hindurchzwängen konnte und in Höhe des Türknaufes erschien urplötzlich aus dem Zwielicht des Hausflures heraus die gar furchterregend aussehende Fratze eines überaus hässlichen Gummigesichtes.

»Haaab' ich euch endlich«, knurrte das arg übel dreinschauende Gummigesicht und schob hinter der Tür langsam seine schwarz behandschuhte Hand hervor, in welcher die drei kleinen Gespenster einen Akkuschrauber bemerkten, in dem ein dicker, eiserner Bohrer eingespannt war. In diesem unheilvollen Augenblick ließ das hässliche Gummigesicht den Akkuschrauber mehrmals gefährlich laut aufheulen und versetzte damit den Bohrer in eine Drehbewegung. Zugleich leuchteten an dem Akkuschrauber zwei grellweiße Lampen auf, welche unablässig wie zwei brennende Augen in der Dunkelheit auf die zu Tode erschrockenen Gesichter der kleinen Gespenster starrten, die ihrerseits nun rasch einen Schritt zurück wichen. Der jungen Hexe mit dem dunklen Spitzhut auf dem Kopf und dem schwarz angemalten Gesicht, klappte vor Schreck die Kinnlade herunter, während ihrem etwas jüngeren Geisterkollegen unter der erschreckenden Maske eines bösen Clowns sogar das große Schlottern ankam. Und unter dem kleineren Knaben mit dem riesigen Kürbiskopf auf dessen Schultern und dem darin eingeschnitzten Grinsegesicht breitete sich derweil eine kleine Pfütze aus. Starr vor Schreck wünschte er sich, dass er nie nicht an der Tür des alten Mannes geklingelt hätte…

»Voriges Jahr an Halloween, da hab ich euch Rasselbande doch auch Süßes gegeben oder etwa nicht?« Nicken und Kopfschütteln auf Seiten der drei verängstigten Mini-Gespenster zugleich, aber da fuhr das potthässliche Gummigesicht auch schon knurrend fort, »Und warum habt ihr mir dann trotzdem meine Haustürklingel mit diesem echt ekligen grünleuchtenden Glibber-Schleim beschmiert, ihr nichtsnutzigen Hilfsgespenster aus der Geisterbahn?«

»Wir…«, setzte die junge Hexe zu einer Erklärung an. Doch da gaben ihre beiden Mitgespenster bereits schon kräftig Fersengeld und nahmen so schnell Reißaus, wie ihre Füße sie nur tragen konnten. »Wir…wir wollten das zuerst doch auch nicht, aber dann … es tut uns leid«, stammelte die Hexe eilig eine Erklärung und rannte den spitzen Hut und ihren langen Flickenrock dabei krampfhaft festhaltend, ihren beiden, in der Dunkelheit längst schon entschwundenen Gespensterkollegen flugs hinterher.

»He, he«, rief der alte Mann ihnen nach, nachdem er sich mühsam erhoben und das hässliche Gummigesicht vom Kopf gezogen hatte. »Ich bin euch ja auch nicht mehr sauer deswegen, aber was wird denn nun aus den süßen Bonbons, die ich extra für euch gekauft habe? Ich selber darf sie ja nicht mehr essen, wo ich doch zuckerkrank bin«, seufzte er nur traurig und schüttelte enttäuscht seinen Kopf.

Schulterzuckend winkte er jedoch resignierend ab, ging zurück ins Haus und zog die schon ewig knarrende Haustür fest hinter sich ins Schloss. »Dir werd' ich demnächst auch dein ewiges Geknarre mit ein paar Tropfen Öl wieder abgewöhnen, meine Liebe«, brummte der alte Handwerker im Ruhestand leise vor sich hin und legte den eben erst frisch aufgeladenen Akkuschrauber wieder zurück ins Werkzeugregal...

 

 

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Cover: selfARTwork

Text: Bleistift

© by Louis 2019/10    Update: 2021/10

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Texte: © by Louis 2019/10 last Update: 2020/10
Cover: selfARTwork
Tag der Veröffentlichung: 18.10.2020

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